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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Mittwoch, 16. November 2011

Für Sie besucht: Faltsch Wagoni (Kabarett) in Pirmasens

Deutsch ist dada hoch 3 lautete der Titel dieses wirklich entspannend dadaistisch-umstürzlerischen und satirisch-ironischen Programms und Erlebnisabends am 15.11. im Rahmen des Hugo-Ball-Jahres 2011. Location: Festhalle Pirmasens. Die Künstler: Faltsch Wagoni.

Wir haben es dabei mit einem sehr unterhaltsamen, gelungenen und anregenden "wortbeat-sprach-humor-musik-poesie-kabarett" zu tun. Die nächste Darbietung wird am 22.11. auf dem Theaterschiff in Hamburg sein.
Die und Der Prosperi sind ein sprachambitioniertes Paar mit bizarren Entertainerqualitäten. D e r  Prosperi überzeugt nicht nur durch seinen kühnen Ausfallschritt und tänzerische Bühnenbeherrschung entlang des Nonsens oder Tiefsinns, seine Dialoge und sein Spiel mit der Säge faszinieren die Zuschauer! Ein Kandidat, der über Goethe erhaben, nicht "mehr Licht" (andere hatten das schon mit "mer lischt hier so schlecht" interpretiert) kurz vor dem letzten Atemzug sagen würde, sondern "Mehr Dunkles in der höllischen Spelunke" sich wünscht. Seine Dates mit der Prosperi werden leider immer falsch verstanden, was nur zu einer Fortsetzung des immerwährenden Missverständnisses führt. So wie aus einem Radebrech-Streit zwischen Thomas und der Italienerin Sylvana auf dem Bahnsteig eine Doppelbelegung des Schlafabteils in einem falschen Waggon auf der Reise nach Nirgendwo und eine dauerhafte Beziehung wurde ...
Auch D i e  Prosperi lässt sich die Wörter auf der Zunge zergehen und genießt sie wie erlesene Küche. Die beiden lassen keinen Buchstaben über dem anderen, sie demontieren, mischen und gestalten fortwährend neu. So reich kann Sprache sein. Allein der Ausflug in den Konjunktiv ist ein Abenteuer, das am Ende immer schrägere Formen des Konjunktivs generiert, bis der letzte die Absurdität dieser grammatikalischen Form erkennt. Ein echter Handlungs-, Beziehungs- und Ichverhinderer! Sylvana Prosperi hat den Rhythmus gepachtet und gibt uns davon ebenso viel wie stimmliche Vielfalt im Gesang und in der Geräuschproduktion. Sie spannt auch mal ihre Stimme durch den Urwald und versetzt uns für einige Momente nach Amazonien. Sie wäre glatt in der Lage, zwischen Asisis gedruckten Amazonienbahnen im Gasometer von Leipzig ihren Kopf herauszustrecken und den Zuschauern eine erstaunte Habachthaltug abzugewinnen.



Thomas und Sylvana Prosperi erscheinen uns wie zwei Gestalten aus Samuel Becketts grandiosen Endzeitdramen mit Hugo Balls Sprachexperimentierlust gepaart. Sie stehen auf der Bühne, trotzen der Sinnlosigkeit und dem Sprachzerfall. Sie wollen keine Worthülsen und Klischees, sie suchen auf dem Meeresgrund des Unbewussten nach der wahren Sprache. Die Prosperis frozzeln und foppen sich, formen, verbiegen, suchen die richtige sprachliche Form, den passenden Artikel, zerstückeln Informationen und bieten sie in völlig neuer Anordnung wieder an. Ganz gelungen reihen sie Wörter in Stakkato-Geschwindigkeit zu spontanen Raps und Sprechgesängen zusammen. Und tanzen ein bisschen dazu. Hinterfragen das Y wie das Ü, plädieren für eine neue Rechtschreibung, die ihnen seit Jahren frisch präsentiert ebenso absurd erscheint wie uns die real existierende Verunsicherung auch der guten Gymnasiasten. Und legen sich als Bauchredner gegenseitig minutenlang Beleidigungen und Fremdes in den Mund.
Wer sich mit in das falsche Waggon setzen möchte, erlebt eine abenteuerliche und sehr kurzweilige Fahrt.

Zwei Texte aus der neuen CD "wort & wild. Artgerechte Unterhaltung", die nur spärlich an diesem Abend zitiert wurde, da das gesamte Oeuvre zur Disposition stand. Eine Besprechung der "wort & wild" (Antje Kunstmann Verlag) folgt.


Crème de la Crème 

der Mensch ist doch die Crème de la Crème
Faltsch Wagoni in Pirmasens 
sein Vorfahr war ein Klumpen Lehm

Moment, ich muss drauf pochen
mein Vorfahr war ein Knochen

von einem Mann, ich tippe: 
es war des Mannes Rippe

genauso wars:  am Anfang war nichts als ein Ursüppchen 
darinnen schwamm - wie sich's gehört ein Mann mit einem Rüppchen 

das nahm er sich zur Frau geschwind 
so war's und wer's nicht glaubt ist blind

Wir sind Primaten

wir sind Primaten
der Gattung Trockennasenaffen
wir sind missraten
und lassen uns die Fresse straffen
wir bilden Paare
egal ob Männchen oder Frauchen
wir haben Haare
an Stellen, wo wir sie nicht brauchen
wir halten Tiere
und uns für etwas Bessres meist
doch jede Vire
besitzt mehr Überlebensgeist

wir sind Primaten
wir gehn auf Jagd mit Einkaufstüten
wir bilden Staaten
das machen aber auch Termiten
wir haben Ahnen
die ahnten nichts von Haushaltsplanung
doch von Bananen
da hatten sie verdammt viel Ahnung

wisst ihr noch, wie wir auf Bäumen
wie Gott in Wolkenkuckucksheimen
in Früchten schwelgten wie Schlaraffen?
Heute müssen wir, die halb so Wilden
toughen Affen dafür schaffen
in reichlich überheizten Räumen

wir sind Primaten
wir machen uns die Beute streitig
wir sind Soldaten
und massakriern uns gegenseitig
wir sind Piraten
im World Wide Web mit Mann und Maus
wir kapern Daten
und schlachten sie barbarisch aus
wir sind die Letzten Primaten zwar 
doch generell die überschätzten Ganzaffen - 
die mit ohne Fell

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