Die Maschinen arbeiteten unter Volllast. Die große Halle war erfüllt
von Lärm und emsiger Arbeitswut. Sie mussten es schaffen. Dies war der
letzte Tag. Der Abgabetermin rückte immer näher.
Mit zittrigen Händen
fuhr er sich durch den langen, weißen Bart. Ging immer wieder auf und
ab und steckte dabei ein ums andere Mal das krause, zottelige Haar unter
die rote Mütze.
„Sind die Eisenbahnen fertig, Peet?“
„Bereit zum
Abtransport, Chef!“, rief der kleine Mann mit dem riesigen Muttermal auf
der Nase ihm zu. Der Weihnachtsmann ging weiter. An der nächsten
Station waren gerade zwei Wichte damit beschäftigt eine sehr zähflüssige
Masse in den Trichter einer großen, goldroten Maschine zu schütten. Ein
weiter drückte auf einen riesigen, grünen Knopf und die Maschine setzte
sich in Bewegung. Dampf stieg auf, drei Kolben setzten sich in Bewegung
und mit einem lauten Tuten gab die Maschine eine kleine blaue Figur
preis, die wie die Karikatur eines sehr hässlichen Monsters aussah. Der
Weihnachtsmann nahm sie auf, schaute sie skeptisch an und sagte:
„Was zur heiligen Zuckerstange ist denn das?!“
Die
Wichte setzten den Topf mit der Masse ab, einer von ihnen rutschte
eine Leiter hinunter, stellte sich aufrecht vor dem Weihnachtsmann auf,
salutierte und rief:
„Das Sir ist ein Yaki-Unon, Sir! Der allerletzte Schrei auf dem Markt. Alle Kinder lieben es!“
„Was tut man damit?“, wollte der Weihnachtsmann wissen.
„Man sammelt sie!“
„Wie weit sind wir mit der Produktion?“
„Fast fertig, Sir! Uns fehlt nur noch eine Ladung Yaki-Unon-Unons und dann können wir mit der Verladung beginnen!“
Der
Weihnachtsmann verdrehte die Augen. Diesmal ersparte er sich die Frage.
Schon lange hatte er es aufgegeben, sich darüber zu wundern, mit was die
Kinder heutzutage ihre Zeit verbrachten. Dafür hatte er nun wirklich
keine Zeit.
Seit wie vielen Tagen er nun schon nicht mehr geschlafen
hatte, wusste er nicht mehr. Doch er vermisste das wohlig, warme Gefühl
einer schönen Federdecke auf seiner Haut sehr. Nun galt es die
letzten Vorkehrungen zu treffen. Er schaute noch einmal bei allen
Produktionsstätten vorbei. Die Elfen machten einen hervorragenden Job.
Er konnte sich einfach keine besseren Mitarbeiter vorstellen. Und doch
lag all die Verantwortung auf seinen eigenen Schultern. Es durfte
einfach nicht schief gehen. Millionen Kinder erwarteten, dass er seine
Arbeit sorgfältig und gewissenhaft ausführte.
Sie arbeiteten noch den
ganzen Tag. Doch am Abend waren alle Geschenke bereit zur Ausfuhr.
Norre, der Jüngste der Elfen, führte die Rentiere aus dem Stall. Man
spürte ihren Eifer, wenn man ihnen einfach nur in die Augen sah. Nach
einem Jahr auf fetten Weiden zitterten ihre Nüstern vor Arbeitswut. An
allererster Stelle war Rudi kaum in seinem Elan zu bändigen.
Das
Computerzeitalter hatte auch vor dem Nordpol keinen Halt gemacht und
somit war es auch kein Wunder, dass die meterlange Schlittenverladeliste
unter lautem Getöse aus einem Drucker ratterte. Nur ungern erinnerte
sich der Weihnachtsmann an all die Monate, in denen er früher mühsam
diese Liste von Hand geführt hatte. Doch heutzutage kümmerte sich seine
EDV-Abteilung darum. Sobald ein Wunsch einging, wurde er postwendend
erfasst und abgespeichert.
Alle packten eifrig mit an, und nach einer
Weile waren alle Wagen des Schlittens beladen. Ein lautes HO-Ho-HO
erschütterte die Nacht, und unter melodischem Klingeln hunderter, kleiner
Glöckchen erhob sich der Schlitten in die Luft und war alsbald
verschwunden. Die Elfen warfen ihre kleinen, grünen Hüte in die Luft und
riefen all ihre Freude über eine weitere hart durchkämpfte Saison
heraus.
Es war weit nach Mitternacht als aus heiterem Himmel der
Schlitten im Verladebahnhof auftauchte. Die Hälfte der Wagen noch immer
gefüllt. Er stapfte wortlos, mit gesenktem Kopf in sein Büro. Die Elfen
schauten verdutzt von links nach rechts. Das war in all den Jahren noch
nie passiert. Was war nur los?
Netti war der erste, der seine Sprache wieder fand:
„Was ist nur los, Sir? Was machen Sie schon wieder hier?“
Der Blick des Weihnachtsmannes war so starr, dass Netti erschrak. Instinktiv tat er einen Schritt zurück.
„Diesmal habe ich es wirklich geschafft. Ich hab's vergeigt. Weihnachten ist verdorben.“
Wieder schauten sich die Elfen gegenseitig an. Doch diesmal war es der dicke Elbie, der sich zu Wort meldete.
„Ach, so schlimm kann's doch nicht sein, Chef. Machen Sie einfach weiter.“
„Wenn
das nur ginge. Ich habe meine Liste irgendwo in Asien verlegt und kann
sie nicht mehr finden. Und nun ist es einfach zu spät. Selbst wenn die
neue Liste schon ausgedruckt wäre. Ich schaffe es niemals mehr alle
Häuser zu beliefern. Das ist unmöglich.“
Ein Raunen machte sich unter
den spitzohrigen Elfen breit. Die pure Panik stand in all ihren kleinen
Gesichtern. Die Stille war unerträglich. Doch dann meldete sich Norre
zu Wort:
„Wir können doch helfen!“, rief er ohne auch nur einen Gedanken an die Durchführung verschwendet zu haben.
„Ja! Ich weiß, dass ihr das könnt“, sagte der Weihnachtsmann mit samtweicher Stimme, „aber ich wüsste einfach nicht wie.“
Wieder einmal füllte sich der Raum mit betretenem Schweigen.
„Wir bringen auch Geschenke raus“, rief Norre triumphierend.
„Das ist lieb von dir, Norre. Aber es ist einfach vorbei. So leid es mir tut.“
„Wir
müssen es einfach versuchen. Denkt einfach an die vielen Kinder, die
ohne uns das schrecklichste Weihnachtsfest ihres Lebens erleben werden.“
Schnell
hatte Norre den anderen seinen Plan mitgeteilt und eine seltsame
Zuversicht machte sich unter allen breit, die auch den Weihnachtsmann
nicht kaltlies. Während die neue Liste ausgedruckt wurde, spannten die
Elfen die Wagen um. Aus einer großen Wagenkette wurden so unzählige kleine
Gespanne - ein Rentier plus Wagen. So wollten sie die drohende
Katastrophe abwenden. Als die Listen fertig waren, sausten unzählige,
kleine Wagenlenker in die Nacht hinaus.
Es war Norre, der die Liste
wieder fand, und Telge, der im aufziehenden Morgengrauen das letzte Paket
abgeliefert hatte. Sie hatten es geschafft. Mit vereinten Kräften
hatten sie noch einmal alles in Ordnung gebracht. Nun hockten sie sich
müde, aber sehr zufrieden zusammen vors Nordpol-TV-Gerät und sahen in die
freudestrahlenden Gesichter der ersten Kinder, die dabei waren, ihre
Geschenke auszupacken.
Am nächsten Tag traf sich die Belegschaft wie
gewohnt in der Fabrik. Die Produktion fürs nächste Jahr sollte beginnen.
Doch der Weihnachtsmann war weit und breit nicht zu sehen. Die Elfen
erstarrten. Das hatten sie noch nicht erlebt. Das gab es einfach nicht.
Aufgeregt rannten sie hin und her, kreuz und quer. Ohne genau zu wissen,
was als Nächstes getan werden sollte.
Doch nach einer Stunde traf der Weihnachtsmann endlich ein. Die Elfen atmeten tief durch.
„Chef,
wir müssen uns beeilen. Die Produktion fürs nächste Jahr wartet!“,
rief Jollie aus und kaute dabei nervös auf seinen Fingernägeln.
Doch den Weihnachtsmann konnte dies nicht aus der Ruhe bringen. Langsam bestieg er das große Podest und verkündete:
„Ab
heute bleibt die Halle für eine Woche geschlossen. Wir haben zusammen
so viel geschafft. Das haben wir einfach mal verdient.“
Die Elfen schauten sich ungläubig um.
„Was tun wir denn dann jetzt? Wir hatten noch nie frei?“
„Wir machen jetzt einfach mal Betriebsferien. Alle zusammen.“
„Und die Produktion?“, wollte Jollie wissen.
„Die
kann warten. Wenn wir im nächsten Jahr wieder so gut zusammenarbeiten,
kann doch eigentlich nichts schief gehen und wenn es doch einmal knapp
werden sollte, bestellen wir vielleicht etwas im Internet.“
Und so
geschah es, dass zum ersten Mal in der Geschichte der Erde kein
Handschlag in der Weihnachtswerkstatt ausgeführt wurde. Als die Elfen
von den Weihnachtsinseln zurückkehrten, waren sie so entspannt, dass sie
die Arbeit im Handumdrehen bewältigten. Und wenn wirklich nichts schief
geht, haben wir auch im nächsten Jahr wieder all unsere Geschenke unterm
Baum liegen.
© Marco Meissner,
Gladbeck
mmmarcomeissner@googlemail.com