Die 7 (c) Marco Meissner |
Going down – Unterwegs mit der New Yorker U-Bahn
Der Blick schweift unweigerlich durchs Abteil. Kreuzt die Blicke anderer, bleibt immer wieder hängen. Hier und dort. Gefangen unter vielen und doch genug Raum, um genau der zu sein, der du bist. Am Courthouse Square steigt ein etwas in die Jahre gekommener Mexikaner ins Abteil. Er wartet genau, bis die Schiebetüren sich geschlossen haben. Dann zückt er seine Gitarre und singt dazu ein Lied. Der Morgen ist gerettet. Am Vernon Boulevard / Jackson Ave ist er schon wieder verschwunden. Den Hut gut gefüllt mit Dollarscheinen und Quartern. Während ich noch darüber nachdenke, donnert die Bahn schon in den Tunnel unter dem East River.
Als die Bahn das nächste Mal wieder langsam wird, schweift der Blick aus dem Fenster. Wir schieben uns in die Grand Central. Die weißen Fliesen an der Wand haben wenig zu tun mit der üppigen, ja beinah schon übertrieben wirkenden marmornen Eleganz der großen Empfangshalle. Diese Station hat ihre besten Jahre hinter sich. Doch man spürt den Stolz auf diese bewegte Vergangenheit mit jedem Atemzug, den man tut. Und so ist es dem harten und bitter gefochtenem Konkurenzkampf, geführt von den vier großen Eisenbahngesellschaften: Interborough Rapid Transit Company (ITR), Brooklyn Rapid Transit Company (BRT), Brooklyn-Manhattan Transit Corporation (BMT) und der Independent City Owned Rapid Transit Railroad (IND), zu verdanken, dass hier im Jahre 1904 eines der ältesten und komplexesten U-Bahn-Netze der Welt entstand. Es ist eben dieser rostig-düstere Charme, der den Stationen ihr ganz eigenes Bild verschafft. Seit 1953 werden alle Strecken von der Verkehrsgesellschaft Metropolitan Transportation Authority betrieben, die allen Ansässigen besser unter dem Namen MTA New York City Transit, kurz MTA, bekannt ist.
Und so gestalteten sich die nächsten 5 Tage als ein regelrechter U-Bahn-Marathon. Alles ist in Windeseile zu erreichen. Die Bahnlinien erstrecken sich wie pulsierende Adern unterhalb der Stadt. Fernab von allen Touristenmagneten, weit weg vom hektischen Gehupe der Oberwelt, fühlt man sich hier unten als ein Teil des Ganzen. Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass ich, als ich nach fünf aufregenden Tagen in New York, angekommen am JFK-Airport, nichts sehnlicher vermisse als meine Subway. Mein Sammelpunkt von Persönlichkeit in einer Stadt, in der Anonymität das Selbstbildnis beherrscht. Und so werde ich noch lange träumen von all den Sängern, den Selbstdarstellern, die in den Stationen ihrem wunderbaren Geschäft nachgingen. Werde Träumen vom Geruch der betagten Station und vom Sprung zurück in die Vergangenheit. Und so zeigt mir diese Stadt der Superlative auf beeindruckende Art und Weise, dass es immer die kleinen, unscheinbaren Dinge sind, die die wahre Größe des menschlichen Schaffens zum Vorschein bringen.
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