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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Dichterhain, Bände 5 bis 8

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Montag, 19. November 2018

Wie war's bei Mashrou' Leila / enjoy jazz 2018 im Heidelberger Kongresshaus?







Das zweite Mal Mashrou' Leila in concert für mich, und vieles begegnete mir wieder. 2016 bereits für mich eine Entdeckung mit westlichem Stil und arabischem Empfinden, interessante und künstlerische Videoprojektionen, z.B. Flug eines Adlers durch eine wilde, lasterhafte und genussfreudige Stadt (Beirut?), tanzende Menschen, Bauchtänzerinnen und -tänzer, gepaart mit mythologisch-antiken Akzenten hinsichtlich straighter und queerer Erotik und einem trotz Erkältung aktiven Sänger und Tänzer Hamed Sinno. Mit dabei Ibrahim Badr, Bassguitar, Carl Gerges, Drums, Haig Papazian, Violin und Firas Abou Fakher, Guitar.

Was ganz stark ins Auge springt, dass sind teils hochpoetische Texte und dunkle Szenenstimmungen der 2009 in der American University of Beirut an die Öffentlichkeit tretenden Band, die transportiert werden mit einer bei uns ganz seltenen Musik, die sich zwischen arabischer Weltmusik, einer Spur Kammermusik, Jazz und Pop bewegt. Libanesische Psychodelik und Topmodernität thematisieren Randgruppenerleben und Freiheit in der persönlichen und sexuellen Entfaltung.

Sinnos Stimme ist ein echtes Highlight, die Musik kann zum Tanzen mitreißen, melancholisch machen und einfach nur faszinieren ... Seine Texte sprechen jeden an, der Sinn hat für metaphorische Bilder, die für so vieles stehen können. Eines seiner Lieder trauert um all die Menschen, die sich aus Palästina, Libanon, Jordanien, Syrien, Kurdistan, Irak, Libyen und dem ganzen großen Rest der Kriegsgebiete Arabiens und Afrikas per überlasteten Booten nach Europa aufmachten und nie im "gelobten Land" ankamen. Alle die Freunde und Erdmitbewohner auf dem Grund des Mittelmeeres.






مرّيخ (marrikh) داويني بشي حبّة لما أنزل. لا تحرمني القنّينة لما أنزل. عم بطلع عم أطلع. عم بنزل عم أنزل. عم بطلع عم أطلع. نسّيني إيدين بيّي لمّا أنزل. بتعاقبني لما أطلع حتى أنزل. عم بطلع عم أطلع عم بنزل عم أنزل. عم بطلع عم أطلع. للمرِّيخ. للمرِّيخ. MARRIKH Cure me With a pill when i fall. Don’t deny me The bottle when i fall. I rise, I rise I fall, I fall I rise, I rise Make me forget My father’s hands when i fall. They chastise me Into free-fall whenever i rise. I rise, I rise I fall, I fall I rise, I rise To mars To mars I rise, I rise I fall, I fall I rise, I rise To mars To mars Music by Mashrou Leila Lyrics by Hamed Sinno




أصحابي (comrades) كلهن عم يرقُصوا فوق الزجاج عالأرض. كلهن عم يضحكوا بالأسود و الأبيض. بتشقشق بسْمتي أسود وأبيض. نحنا بعدنا شي متعرِفين ع بعض. لدقيقة بالحمّام كنا أقربِ الأصحاب. زيِّفلي الإهتمام قول لي إنني بِنحَبّ. إبن الليل إبن الليل كل الأسبوع تسعة للخمسة عم نموت. نسّيني حالي بدّي كون مثل بيروت. شو حلوة الليلة كل شيء منتمنّاه موجود، وبؤذي نفسي بس لَبَرِّر الوُجود. بتذكُر كيف كانت الموسيقى تؤثّر فينا؟ صرنا نخشى العتمة يلّي كنا نلعب فيها. عشنا وشفنا وما بقي ولا شي يدهشنا. عالية الموسيقى مش معقول حدن يسمعنا. ولّعتها مبارح حاسس حالي شوي تعبان، كأني دايماً عم بغرق بعدني عطشان. دعسة عالشمال وعل يمين حطّ دعستين. لأ مش عم ببكي دمّعت من الدخان. وبصبّ الكس لاثنين وبشربُه لوحدي. مين قولك من هالناس رح يجي يزورلي قبري؟ ليك عندك قدّاحة؟ تع ولّعلي سيجارتي. ليك شو في حولي ناس مش ممكن كون لوحدي. ASHABI (COMRADES) All these bodies dancing -floor paved with broken glass. All these bodies laughing -in black and white filters en-masse. My smile starts to crack -black and white. You and i just met A little while ago tonight. But for a minute in the bathroom we were the best of friends. Tell me I deserve love. Act like you care. Let's play pretend. Night-child I'm a night-child 7/7 - DOA - 9-5 I want to be Beirut, I want to forget it all we've got all we could ask for. what a fabulous night. and i destroy myself to just to justify being.  Night-child I'm a night-child Remember when the music used to move us? Sway.  Now we dread the dark in which we used to play. We've been there/ done that/ nothing can impress. Relax! the music's so loud no one can hear this. I was out last night, I guess I'm just a little tired Like I'm constantly drowning, but thirsty all the same. Now step to the left two steps to the right. No, I'm not crying; it's all this smoke that's to blame. Night-child I'm a night-child And I pour a glass for two and down it all alone. Do you think any of these people will visit my grave stone? Do you have a lighter? Come light my cigarette.  All these people around me, I can’t possibly feel alone. Music by Mashrou Leila Lyrics by Hamed Sinno Produced by Samy Osta and Mashrou Leila

Dienstag, 4. Oktober 2016

Wie war's bei MASHROU' LEILA, Eröffnungsband von Enjoy Jazz 2016?


(c) Stefan Vieregg


Das Opening Concert von Enjoy Jazz 2016 brachte uns ganz aktuell am Weltgeschehen orientiert eine Band aus der arabischen Welt, geboren dort, wo radikale Strömungen des Islams, erzkonservative Werte von Vertretern und Gefolgsleuten arabischer Regierungen gepflegt werden, rigide Rollenverteilung bei den Geschlechtern gefordert werden, Ablehnung der westlichen Werte und jeglicher freiheitlichen Lebensgestaltung herrscht. "Mashrou' Leila" - so viel wie "Nachtprojekt"/"nächtliches Projekt" - ist eine Kultband aus dem Libanon. Das riesige religiöse Spektakel und Morden in Arabien wird paradoxerweise von korrupten Eliten, orientalischen Kapitalisten mitinszeniert und benutzt. Begehrt sind das lebenswichtige Know-how und Gelder aus dem Westen für die Eliten. Der Rest soll bleiben, wo er ist. Unten. Über allem der Imam, Muezzin und das Minarett.
(c) Stefan Vieregg

Die einleitenden Worte von Michael Sieber, langjähriger Landtagsabgeordneter und Staatssekretär im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, heute Mitglied in den Kuratorien der Schwetzinger Festspiele (Vorsitzender), ZKM Karlsruhe, Kunststiftung Baden Württemberg und Kulturstiftung Rhein-Neckar, der neuen Kulturministerin Baden-Württembergs Susanne Eisenmann, vormals Bürgermeisterin in Stuttgart, dem Oberbürgermeister von Heidelberg, Dr. Eckart Würzner und Rainer Kern, Mitgeschäftsführer der Enjoy Jazz GmbH und Festivalplaner, setzten unisono auf die Besonderheit des Festivals, das den gesamten Rhein-Neckar-Raum stark aufwertet, in Deutschland und international einen hohen Stellenwert erreicht hat und in heutiger Zeit der Flüchtlingsproblematik eine Einheit in der Kunst und Musik, dem toleranten Geist, dem Vertrauen und der Zukunftsgestaltung symbolisiert.
(c) Stefan Vieregg

Als Support spielte das Mannheimer Mehmet Ungan Trio, mit Ungan  (Türkei) an der Ud (Laute) und der Nay (Flöte), Ashok Nair an Sitar und Surbahar (beides indische Saiteninstrumente), Johnathan Sell am Kontrabass.

Die American University Beirut war denn auch im Fachbereich Architektur und Design in nächtlichen Sessions Geburtsort der Band und ihrer speziellen Richtung. Eine Enklave der Kreativität und Freiheit in der sich seit Jahren zusehends verdunkelnden, westliche Werte verteufelnden und extrem autoritär werdenden islamischen Welt (nicht nur) Arabiens. Mashrou' Leila ist ein Star bei den arabischen Indie-Fans, ein Idol bei den jungen Erwachsenen, die frei leben wollen und den Religionspranger der Bärtigen in ihrer Heimat freiwillig anziehen sollen. Ein schillerndes Juwel der Vielfalt, Toleranz aus dem Peitschentollhaus. Die gut tanzbare Mischung aus arabischem Pop, Indie-Rock, Elektro- und Jazzelementen wird von poetischen Texten getragen, die die arabische Vorliebe für die sinnlich-feinen lyrischen Stimmungen u.a. mit gewalttätigen, unterwürfigen oder Leidensbildern mischt. In "Alu Babu" das homosexuelle Szenario und Ringen um die Rollenverteilung (natürlich wird hier auch genderisiert), schon wieder global sexuell gültig das Erobern verbotener Gebiete auf der Landkarte des anderen, die Annäherung zum Herzen des anderen, Widerstände, Gewalt und Unterwerfung, Flehen im Lichte der Liebe.

"... Warum knie ich vor dir nieder, warum komme ich zu dir zurück, nur damit du mich erwürgen kannst?
Warum flehe ich dich an, warum gehorche ich dir, nur damit du mich verbrennen kannst?
Sag mir, dass ich dich befriedige, wie er dich befriedigte,
Und Küsse, wohin er dich küsste, die dich dazu bringen, über mich zu phantasieren. ..."

Leadsänger Hamed Sinno bekennt sich zum Schwulsein, singt darüber, die Unmöglichkeiten der Liebe, das Scheitern, das Verfolgtwerden. In islamischen Ländern nicht überall verboten, teils toleriert und eigentlich eine erzwungene Orientierung hin zum eigenen Geschlecht in jungen Jahren, da die Geschlechtsgrenze nur unter Erwartung von Sanktionen überschritten werden darf. In Afghanistan zum Beispiel können Schwule sich ausleben, auch in pädophiler Hinsicht, in afrikanischen Staaten oder im von wenigen gewünschten Kalifat mit dem Tod bedroht. Sinno singt über all das, was auch Liebespaare anspricht, die nachempfinden können, wie es ist, wenn die Liebste eingesperrt wird, damit kein Freund an sie rankommt, Sex vor der Ehe nicht entdeckt werden darf, selbst einfache Treffen schon verboten sind und Heiraten ohne Jungfernhäutchen ausgeschlossen ist. Die Welt ist extrem schwarzweiß in diesen Gefilden, jede Identitätsentwicklung nach freiheitlichen Kriterien wird verhindert durch starre Genderisierung, Religionsgruppen-, politische und soziale Schichtzugehörigkeit. Wer so gefesselt und geknebelt durchs Leben soll muss einfallsreich werden, sich unterwürfig zeigen und leiden. Die Zensurstellen im Libanon, Jordanien und anderen islamischen Ländern verhindern Auftritte, CD-Produktionen.

"Fasateen":
"... Remember when you told me
That you would marry me
Without money or a house
Remember when you loved me
Even though I wasn't of your religion
Remember how we were
Remember when your mother
Caught me sleeping in your bed


(c) Stefan Vieregg
And told me to forget about you
So we agreed to stay like that
Without roles or talks
Without neckties or morning chats ..."

"Bahr":
"... My brother is with the mermaid, return him to me
The wave took my brother from me, return him to me ..."

My brother went with the dawn, return him to me
My brother is at the bottom of the sea, he still hasn't returned to me..."

"My Tetrikini Heik":
"... I'm searching for you at the bottom of every glass...between people's bedsheets.
I picture your face and call out your name
as if it were tattooed on my lips with toxins
blended by a demon with deadly ink
that has no remedy with passion's demise. ..."

Mashrou' Leila singt und spielt gegen all diese Unterjochung, Genussunterdrückung, fantasiert von freien Welten der Begegnung, des Rausches, der Sexualität. Bejubelt von Schwulen- und Lesbengruppen, jungen Arabern und zunehmend auch im Westen, nicht nur in den USA. Den Straßenverkäufern im Libanon und in Syrien mit ihren hölzernen Trolleys und Thekenwagen hat Sinno in "Abdullah" ein Denkmal gesetzt.

Musik und Gesang der Gruppe wirken streckenweise fast wie rückwärts gespielt bzw. gesungen, unseren Tonerwartungen dezent entgegen, mit fast simplen Basicrhythmen, darüber, kunstvoll verspielte Gitarren, Keyboard, Violine und Sinnos Gesang, der immer kraftvoll, hochkonzentriert, nachdrücklich, aber auch herausgepresst wie unter innerweltlichem Druck wirkt, nicht direkt arabisch klingt, auf den Zehenspitzen das Mikrofon fest in der Hand, als ob er es überzeugen wollte von all dem, was ihm durch den Kopf geht, was er mitteilen muss. Daneben lockere Tanzbewegungen, ein Muskelpaket mit einen schmalen Unterbau.

Kunstvolle Videos als Hintergrund zeigen geheimnisvolle Augenpartien oder Gesichter, Körperausschnitte von zumeist Frauen, Ausschnitte aus der Wirklichkeit, manchmal nur Lichteffekte in Schwarzweiß, einen witzigen Fezträger, der mit den Augen spielt u.v.m. Schweifendes und suchendes Licht fesseln das auch recht junge Publikum, dessen zumindest orientalischer Teil gegen Ende nicht mehr zu halten war und vor der Bühne tanzen wollte. Ein seltenes Erlebnis, das uns ganz anders mit der arabischen Kriegsaktualität in Syrien und den Auseinandersetzungen in anderen Ländern konfrontierte. Ein Brückenschlag zwischen den Kulturen über anspruchsvolle Lyrik, exotisch verfremdete Musik und Thematisierung von Inhalten, die alle verstehen oder hinterfragen. Fern vom Pop-Kitsch, der sonst in diesen Ländern zu hören ist. Als Special-Guest am Saxophon, Ilhan Ersahin, ein aktiver Förderer des Jazz türkischer Abstammung, der heute Jazzfestivals in New York, Sao Paulo und Istanbul ausrichtet und einen New Yorker Club sowie ein eigenes Plattenlabel betreibt.