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Samstagabend im Rahmen der 18. Schillertage konnte der abenteuerlustige Theaterbesucher wieder ein schönes Outdoor-Experiment des Nationaltheaters erleben. Dieses Mal im Autokino der ehemaligen US-Wohnstadt Benjamin Franklin Village in Mannheim-Käfertal/Wald. Hier lebten 8.000 US-Amerikaner wie in einer Heimatstadt mit allem, was der amerikanische Mensch so braucht und liebt. Von unzähligen Kinderspielplätzen zwischen den Blocks, über Kirche, Schulen, Jugendzentrum bis zum großen Supermarkt, Burger King und Stadion inklusive strenger Bewachung war alles in dieser 2012 verlassenen Stadt verwirklicht. Man könnte praktisch problemlos die Einwohner der beiden kleinsten Städte von Rheinland-Pfalz Cochem und Kusel in dieses Gelände umziehen, sie unter Artenschutz stellen, wenn es nicht noch wichtigere Biotope gäbe! Oder eben 8.000 Flüchtlinge zentral unterbringen ...
(c) Stefan Vieregg |
Ponte Tower von Andile Buka. (Abfotografiert) |
Am späten Abend gab es ab 22 Uhr ANALOGUE EYE als POP-UP-DRIVE-IN THEATRE von BRENT MEISTRE zu sehen, der damit tourt und Anfang Juni 2015 in Wien beim VIS Vienna Independent Shorts seine Europa-Premiere hatte. Mit einem Projektor auf dem Dach eines Pickups werden die Filme auf eine große Leinwand projiziert, in Anlehnung an die afrikanische Tradition des rollenden Kinos hier europäisch konzentriert auf einen eingeschlossenen Ort (Stone Kraal) wie ein afrikanisches Dorf in der amerikanischen Geisterstadt. Gäste durften in Mietautos sitzen oder im Tourist-Doppeldeckercoupé-Bus, der aber ziemlich hinten und abseits stand, aber auch direkt vor der Leinwand in Liegestühlen. Aufgrund der kühlen Temperatur nur mit Plaids auszuhalten, die gestellt wurden. Ein kleines Catering half über den Hunger und Durst. Mit dem eigenen Wagen einfahren ging aufgrund der strengen Bestimmungen nicht, daher wurde ein Busshuttle eingerichtet, der um 20:30 Uhr auch eine Sightseeing-Tour durch die Geisterstadt integrierte.
BRENT MEISTRE hat aus verschiedensten Genres und Filmtechniken, vom Art-Video über das Handy-Movie bis zum 16-mm-Film, zwei thematische Abende zusammengestellt. Die deutsche Erstaufführung von STONE KRAAL, das am 20.06. lief, war am 13. Juni. Der zweite Teil LOST IN THE WAVES war am 14. und 19. Juni zu sehen. Beide Programme geben einen Eindruck vom Schaffen junger afrikanischer Künstler. Brent Meistre sammelte in Galerien, Internetplattformen und Videotauschbörsen cineastische Kunstwerke afrikanischer Künstler ein und zeigt sie an einem Offline- und unerwarteten Ort: Die Fahrt dorthin in Mannheim durch verbotenes Gelände, aber wieder Verknüpfung mit Medien, Ton aus dem Radio im Auto, Projektionstechnik, Open-Air-Kino mit anderen, teilweise fühlbar in der Nähe, teilweise abgekapselt in Autos.
Der Kraal ist eine wichtige Metapher für gesichertes Leben im Flüchtlingszeitalter, mindestens 51 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht vor Aggressoren. Der Kraal war ein Ort des Schutzes, gerade auch in Afrika. Die moderne Architektur und Siedlungspolitik macht jedoch unpersönliche Konstrukte daraus, Begegnung steht ganz hinten an. Siehe hierzu als Extrem auch das erwähnte X-Seed 4000 oben. Der Kraal ist aber auch ein Ort in der Utopie, der das Zusammenleben nach Menschenrechten, ohne Fremden-, Rassen- und Religionshass erlaubt.
EQUILIBRUM/France von Sean Hart |
JOURNEY TO THE CENTRE OF THE CAPRICORN/Mosambik von Rui Tenreiro |
Im Anschluss an die Vorstellung war auf bermuda.funk das Publikumsgespräch zu hören, das auch bei Youtube zu finden ist (siehe unten).
Ein sehr interessanter Abend in einer leeren Stadt, die Wohnort für Tausende von Menschen war und wieder werden wird. Ein Programmpunkt, der viele Denkanstöße gab, die noch besser zum Tragen kommen, wenn man die Kontexte nachliest oder die Sendung hört.