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Freitag, 1. November 2019

Premiere in der Oper Frankfurt: LADY MACBETH VON MZENSK

(c) Barbara Aumüller


LADY MACBETH VON MZENSK
DMITRI D. SCHOSTAKOWITSCH 1906-1975
Oper in vier Akten / UA 1934
Text von Dmitri D. Schostakowitsch und Alexander G. Preis nach Nikolai S. Leskow.

In russischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Einführung jeweils eine halbe Stunde vor Vorstellungsbeginn im Holzfoyer

Musikalische Leitung Sebastian Weigle

Katerina Ismailowa Anja Kampe
Sergei Dmitry Golovnin
Boris Ismailow / Alter Zwangsarbeiter Dmitry Belosselskiy
Sinowi Ismailow AJ Glueckert
Der Schäbige Peter Marsh
Sonetka Zanda Švēde
Pope Alfred Reiter Polizeichef Iain Macneil
Verwalter / Sergeant Anthony Robin Schneider
Axinja Julia Dawson Hausknecht Mikołaj Trąbka
Polizist / Wachposten Dietrich Volle
Lehrer / 1. Vorarbeiter Theo Lebow
Betrunkener Gast / 2. Vorarbeiter Michael Mccown
3. Vorarbeiter Hans-Jürgen Lazar
Zwangsarbeiterin Barbara Zechmeister
Kutscher Alexey Egorov
Mühlenarbeiter Yongchul Lim


Eine Frau, gefangen in einem System allgegenwärtiger Unterdrückung, Überwachung und trostloser Verrohung; als sie sich daraus befreien will, wird sie zur mehrfachen Mörderin.

Nikolai S. Leskow schrieb seine Novelle Lady Macbeth aus dem Bezirk Mzensk 1864, drei Jahre nach der Aufhebung der Leibeigenschaft in Russland. Als Schostakowitsch den Stoff 1934 für seine zweite Oper aufgriff, war der Erfolg durchschlagend. Der Komponist gab vor, das Schicksal der Kaufmannsgattin Katerina Ismailova als Beispiel für den Klassengegensatz zu behandeln. Katerinas Aufbegehren beginnt damit, dass sie ein Verhältnis mit dem Arbeiter Sergei eingeht, während ihr Ehemann auf Reisen ist. Als ihr Schwiegervater Boris den beiden auf die Spur kommt, vergiftet sie ihn. Und als ihr Gatte zurückkehrt und die Liebenden überrascht, wird auch er aus dem Weg geräumt. Doch die Morde fliegen auf: Noch während des Hochzeitsfestes verhaftet die Polizei das Paar. Auf dem Weg ins sibirische Straflager macht Katerina ihrem Leben ein Ende und reißt Sonetka, mit der Sergei angebandelt hat, mit in den Tod.

Als Stalin die Oper zwei Jahre nach der Uraufführung erlebte, ließ er in der Prawda einen Artikel erscheinen, der den Komponisten und sein Werk unter dem bösen Titel »Chaos statt Musik« scharf angriff. Das löste bei Schostakowitsch Todesangst aus; er ging in die innere Emigration. Seine aufregende Lady Macbeth aber, in der die krasse Schilderung von Katerinas unerträglicher Lebenssituation mit Ausbrüchen ekstatischer Sinneslust und lyrischen Momenten, die uns tief in ihr Herz blicken lassen, abwechselt, hat sich seit Jahrzehnten einen festen Platz im Repertoire zurückerobert.

Montag, 21. Oktober 2019

Oper Frankfurt: LADY MACBETH VON MZENSK von Dmitri D. Schostakowitsch

Anja Kampe (Sopran / Titelpartie;
Bildnachweis: Sasha Vasiljev)
Premiere 

LADY MACBETH VON MZENSK 
Oper in vier Akten (neun Bildern) von Dmitri D. Schostakowitsch 
Text vom Komponisten und Alexander G. Preis nach Nikolai S. Leskow
In russischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Musikalische Leitung: Sebastian Weigle Regie: Anselm Weber 

Bühnenbild und Kostüme: Kaspar Glarner Licht: Olaf Winter 
Video: Bibi Abel Chor und Extrachor: Tilman Michael 
Dramaturgie: Konrad Kuhn 


Katerina Ismailowa: Anja Kampe Axinja: Julia Dawson 

Sergei: Dmitry Golovnin Hausknecht: Mikołaj Trąbka 
Boris Ismailow / Der alte Zwangsarbeiter: Dmitry Belosselskiy 
Polizist / Wachposten: Dietrich Volle Sinowi Ismailow: Evgeny Akimov 
Lehrer / 1. Vorabeiter: Theo Lebow Der Schäbige: Peter Marsh 
Betrunkener Gast / 2. Vorabeiter: Michael McCown Sonjetka: Zanda Švēde 
3. Vorarbeiter: Hans-Jürgen Lazar Pope: Alfred Reiter 
Eine Zwangsarbeiterin: Barbara Zechmeister Polizeichef: Iain MacNeil 
Kutscher: Alexey Egorov Verwalter / Sergeant: Anthony Robin Schneider 

Mühlenarbeiter: Yongchul Lim 

Chor, Extrachor und Statisterie der Oper Frankfurt; 


Frankfurter Opern- und Museumsorchester 


Mit freundlicher Unterstützung des 
Frankfurter Patronatsvereins – Sektion Oper

Am 22. Januar 1934 wurde Lady Macbeth von Mzensk von Dmitri D. Schostakowitsch (1906-1975) im MalyTheater Sankt Petersburg mit durchschlagendem Erfolg uraufgeführt. Das Libretto zu seiner zweiten Oper verfasste der russische Komponist in Zusammenarbeit mit Alexander G. Preis, basierend auf der gleichnamigen Novelle von Nikolai S. Leskow (1865). Das 1936 von Stalin verhängte Aufführungsverbot ließ das Werk für viele Jahre von den sowjetischen Spielplänen verschwinden. Vor über einem Vierteljahrhundert kam Lady Macbeth von Mzensk zuletzt in der Regie von Werner Schroeter am 7. März 1993 an der Oper Frankfurt heraus. 


Katerina, Ehefrau des Kaufmanns Sinowi, betrügt diesen mit dem Arbeiter Sergei. Dies bemerkt ihr Schwiegervater Boris, der während der Abwesenheit seines Sohnes ebenfalls ein Auge auf die junge Frau geworfen hat. Der Alte verprügelt Sergei, woraufhin er von Katerina vergiftet wird. Sinowi weiß bereits um die Liaison seiner Frau, kehrt vorzeitig zurück und wird von den Liebenden umgebracht. Während die Hochzeit des neuen Paares im Gange ist, findet man die im Haus versteckte Leiche Sinowis. Katerina und Sergei werden zu Lagerhaft verurteilt, wo Sergei mit der Zwangsarbeiterin Sonjetka anbandelt. Daraufhin tötet Katerina ihre Nebenbuhlerin und sich selbst. 

Die musikalische Leitung liegt bei GMD Sebastian Weigle, der damit seine erste Neuproduktion der Saison 2019/20 an seinem Stammhaus vorlegt. Der Frankfurter Schauspielintendant Anselm Weber führt erneut Regie im benachbarten Opernhaus, wo er zuletzt 2015 Weinbergs Die Passagierin inszenierte. Die deutsche Sopranistin Anja Kampe (Katerina Ismailowa) debütierte 2007/08 als Lisa in Tschaikowskis Pique Dame im Haus am Willy-Brandt-Platz. Als Katerina Ismailowa war sie bereits 2017 an der Bayerischen Staatsoper zu erleben. Internationale Gastengagements führen die Bayerische Kammersängerin zu den Bayreuther und den Salzburger Festspielen sowie u.a. an die Opernhäuser von Berlin, Hamburg, Wien und Paris. Der bereits mit der Partie vertraute Tenor Dmitry Golovnin (Sergei) ist erstmals in Frankfurt zu Gast. Grigori Otrepiev in Mussorgskis Boris Godunow an der Pariser Opéra Bastille zählt zu den künftigen Aufgaben des russischen Sängers. Die Partie des Pimen in eben dieser Produktion gehört zu den Plänen seines Landsmannes Dmitry Belosselskiy (Boris Ismailow). Kürzlich war der gefragte Bass als Philipp II. in Verdis Don Carlo am Teatro Real Madrid in einer Übernahme aus Frankfurt zu erleben. Der dem Mariinsky Theater in St. Petersburg verbundene russische Tenor Evgeny Akimov (Sinowi Ismailow) singt erstmals in Frankfurt. Fast alle weiteren Partien sind mit Ensemblemitgliedern und Chorsolisten besetzt, unter ihnen auch die Ensembleneuzugänge Iain MacNeil (Polizeichef) und Anthony Robin Schneider (Verwalter / Sergeant). 

Premiere: Sonntag, 3. November 2019, um 18.00 Uhr im Opernhaus 
Weitere Vorstellungen: 7., 10. (15.30 Uhr; mit kostenloser Betreuung von Kindern zwischen 3 und 9 Jahren), 14., 17. (18.00 Uhr), 22., 29. November, 8. (18.00 Uhr), 12. Dezember 2019 

Falls nicht anders angegeben, beginnen diese Vorstellungen um 19.00 Uhr 
Preise: € 15 bis 165 (12,5% Vorverkaufsgebühr nur im externen Vorverkauf). 
Karten sind bei unseren üblichen Vorverkaufsstellen, online unter www.oper-frankfurt.de oder im telefonischen Vorverkauf 069 – 212 49 49 4 erhältlich. 





Dmitrij Schostakowitsch: 

Suite aus der Oper »Lady Macbeth von Mzensk« ∙
Zusammengestellt und bearbeitet von James Conlon ∙

I. Im Hof der Ismailows ∙
II. [ohne Titel] ∙
III. Gefährliche Spannung ∙
V. Katerina und Sergej I ∙
VIII. Katerina und Sergej II ∙
IX. Der Trunkenbold ∙
X. [ohne Titel] ∙
XI. Anrücken der Polizei ∙
XII. In der Verbannung ∙

hr-Sinfonieorchester – Frankfurt Radio Symphony ∙
Carlos Miguel Prieto, Dirigent ∙

hr-Sinfoniekonzert ∙
Alte Oper Frankfurt, 28. Februar 2019 ∙

Donnerstag, 22. Mai 2014

Wie war's bei LADY MACBETH VON MZENSK in Kaiserslautern?

Alle Fotos Copyright bei Thomas Dörfler, Bühnenbild Kaiserslautern
Was man eher selten in Opernhäusern sieht sind Opern von Dmitri Schostakowitsch. Um so mehr große Spannung, als ich am 20.05.2014 im Pfalztheater Kaiserslautern LADY MACBETH VON MZENSK, die zweite Oper von Schostakowitsch anschaute. 



Eine Oper mit einem fulminanten Start 1934, über 200 erfolgreiche Aufführungen und stalinistischer Totalsperre ab Februar 1936 aufgrund eines Berichtes in der Prawda, der sogar sehr wahrscheinlich vom Opernbesucher Stalin selbst stammte. Stalin war Ende Januar 1936 in der Aufführung, verließ sie vorzeitig bereits nach dem 2. Akt und ließ sie propagandistisch untergehen. Sie blieb bis zu einer Neufassung in den 60er-Jahren von den Bühnen verbannt, obwohl Stalin schon 1953 starb und obwohl Schostakowitsch vom kommunistischen Regime auch ausgezeichnet wurde. Eine deutsche Aufführung in Kassel 1950 lehnte Schostakowitsch erst ab, weil er sein Werk für schlecht hielt, gab dann eine eigens überarbeitete Fassung frei. Der geniale Komponist trat den Weg der inneren Emigration an. Was sollte er auch machen? Sibirien in Kauf nehmen? Seinen Schaffensdrang im Steinbruch zertrümmern? Auswandern? Er hatte Ausreiseverbot bis in die 60er-Jahre, dann durfte er in die DDR ausreisen und trug sich auch mit Gedanken umzusiedeln, kehrte aber wieder in die UdSSR zurück. Es war wohl mehr eine duldende Rolle in der Zwangsehe mit dem grausamen Herrscher, der auch nicht davor zurückschreckte, Schostakowitschs Schwester und deren Mann zu deportieren, gleichzeitig auch Kompositionen bestellte, um zu sehen, wie regimetreu der Komponist sich zeigte, und von denen er nicht immer angetan war. Denn Schostakowitsch lieferte keine heroisierende Musik, beförderte nicht das Ideal des sowjetischen Helden, entsprach nicht den Vorstellungen der Machthaber. Und dennoch, er war ein geliebter Komponist beim Volk, bei den Musikern. Bei der Belagerung Leningrads durch die Hitlerarmee spielte man seine 7. Symphonie während eines Bombenangriffs der Deutschen und ließ die Abwehrgeschütze ruhen, um die Musik an diesem Abend doch klar ertönen zu lassen. Auch Deutsche hörten sie in den Schützengräben.


Stalin und Schostakowitsch


Die Oper entstand aufgrund einer Novelle von Leskow (1865) und zeigt die russische zaristische Gesellschaft des 19. Jahrhunderts. Sie beinhaltete bereits die derbe Erotik, wie sie auch in der Oper umgesetzt wird. Ein ungewöhnlicher Kriminalstoff, eine Ehefrau, Katarina Lwowna Ismailowa in Mzensk, die aus ihrem Käfig ausbrechen will und vor Mord nicht zurückschreckt. Sie hat absolut unerfüllte Wünsche, sehnt sich nach einem Mann, einem ganzen Kerl, der ihren Hunger nach Zuneigung stillt. Sie ist nicht die machtbesessene Lady Macbeth, auch nicht die blutgierige, eher eine Mörderin und Selbstbefreierin aus Liebe, daher ist der Titel ein bisschen reißerisch, wohl aber auch eine Vertuschung der Mordserie als Graumsamkeit der Geschichte. Ein Senior-Gutsbesitzer Boris T. Ismailowa, der aus purer Lust erwägt, mit der Tochter seines Sohnes zu schlafen, nur um zu zeigen, dass sie Eigentum der Familie ist und seine Familie, und vor allem er, potent und zeugungsfähig sind. Er schlägt sie, behandelt sie tyrannisch, beschimpft sie als unfruchtbar und faul, weil in fünf Jahren noch keine Kinder geboren wurden. Statt dessen liegt sie den ganzen Tag im Bett. Ein Ehemann Sinowi B. Ismailowa, der seine Frau vernachlässigt vor lauter Gutsverwaltung und Reisen, aber absolute Treue erwartet. Und Sergej, ein "Handlungsgehilfe" bei dem Ismailows, ein Prachtkerl von Mann, der den Ruf hat, den er auch bestätigt, die letzte Gutsbesitzerin nachts bei Laune gehalten zu haben. Er geht nicht zimperlich mit Frauen um, beinahe kommt es zu einer Vergewaltigung der Köchin, nur weil sie ihn ablehnt und vor ihm ausgespuckt. Katerina unterbricht das Treiben und kommt selbst in die Schusslinie des Sergej. Er lässt sie seine Stärke spüren und der Funke springt bereits über. 


Auspeitschung des Sergej

Ermordung des Ehemanns Sinowi durch Sergej



DIe unerlaubte Beziehung beginnt, wird von Boris entdeckt, der Sergej auspeitschen lässt und Katarina für sich will. Sie vergiftet ihn unter Mithilfe der Köchin mit Rattengift in den Pilzen. Er hat einen würdigen Abgang mit Pope und Volk, das ihm die letzte Ehre erweist. Den Mord aussprechen konnte er nicht mehr. Das Paar kann sich nun ungehindert treffen, bis eben der Ehemann zurückkommt. Auch er wird getötet und die Leiche im Keller des Hauses versteckt. Katerina und Sergej sind nun frei, aber nur fast, denn der Tote im Keller belastet doch die Beziehung. Am Tag der Hochzeit entdeckt ein Betrunkener die Leiche, die Polizei schreitet ein und verhaftet das Paar. Sie landen in Sibirien im Arbeitslager und müssen Zwangsarbeit leisten. Für Katarina ist noch alles zu ertragen, weil sie ihren Sergej liebt. Er aber hasst Katerina, weil sie ihn dahin gebracht hat, wo er nun ist. Sergej will eine neue Geliebte und findet auch eine. Katerina versucht die Beziehung zu vereiteln, indem sie die dralle Sonjetka auch ermordet. Ein Wachmann erschießt daraufhin Katerina, die Arbeitskolonne zieht weiter und lässt die beiden Leichen zurück.



Das Lager im letzten Akt, Katerina besticht einen Offizier,
um Sergej zu treffen


Eher untypisch für eine Oper ist die Vergewaltigungsszene mit der Köchin, die Bestrafung Katerinas durch Boris, aber auch  die Liebesnächte zwischen Sergej und Katerina - in der Kaiserslauterner Inszenierung von Urs Häberli mit einem französischen Bett andeutungsweise in die Softpornoecke gerückt, ohne es darzustellen. Die Auspeitschung und Bestrafung Sergejs, nachdem Boris ihn nachts erwischte, erfolgt auch sehr realistisch, obwohl rote Stöcke nur alles andeuten. Die Arbeiter und Angestellten  veranstalten den Spießrutenlauf, so wie sie Sergej bei der Vergewaltigung assistierten und anfeuerten. Nicht unbekannt in der Theater- und Operngeschichte sind Mehrfachmorde, aber auch hier sehr modern realistische Darstellungen des qualvoll sterbenden Boris, vergiftet durch Katerina, nachdem er Sergej ihr Zimmer verlassen sah, die Erdrosselung des Sinowis durch Sergej, der die beiden fast in flagranti erwischte. Und schließlich noch ihr Mord mit dem Hammer an der neuen Freundin Sergejs, später im Arbeitslager, nach ihrer Verhaftung und Verurteilung. Das Ende der Gutsbesitzerin Katarina durch einen Pistolenschuss des Wachmanns. 

Die gesellschaftliche Situation wird einerseits mit sozialistischem Realismus beleuchtet, das Volk in einer Doppelrolle, mal die Maskenträger mit übergroßen Masken, die karikierte Gesichter zeigen, die Zeugen, Mittäter, Mitläufer, Gehorsamen, die Zuschauer und Claqueure, andererseits die authentischen Menschen, die die Masken abnehmen, so die Frauen bei der Vergewaltigung, bei der Auspeitschung Sergejs, beim Tod des Boris. 


Die Polizei


Die zaristische Polizei bei Urs Häberli im dritten Akt mit der Hochzeit und der Mordaufdeckung ein grotesker Haufen von bunten herumhopsenden Uniformierten, mit großen Nasen, wie Zwerge oder Trolle sich beweihräuchernd, ihre Langeweile im Kampf gegen die Nihilisten kaschierend, ihre Liebe zum Essen hervorhebend ... "Wir kämpfen gegen die Schlechtigkeit, aber ernten nur Ungerechtigkeit." Nach der Anzeige des Betrunkenen, dass die Ismailows eine Leiche im Keller hätten (auch doppeldeutig auf die gesellschaftliche Situation übertragbar), mischt sich die Polizei hinter Prawdas versteckt in die Hochzeitsgesellschaft und schreitet zur Tat, nachdem die Parteizeitung säuberlich gefaltet hinter die Uniformgürtel geklemmt wird. 
Das Leben der Führungsschicht, die Unersättlichkeit der Reichen wird durch einen riesigen Leuchter in kritisches Licht gerückt, besteht er doch aus Messer und Gabeln ... Er schwebt nicht nur über den Polizisten, sondern auch über dem Ehebett der Katarina, die ihr opulentes Mahl in Form von Sex mit Sergej einnimmt. Die Hochzeit der Katarina steht unter schwarzem Vorzeichen, das Kleid, die Luftballons, alles schwarz. Nicht umsonst lässt der Polizeioberst bei der Verhaftung die Ballons bei beiden Tätern genüsslich platzen. Der Pope hier - wie schon bei der letzten Ölung des Boris, die nie stattfand - ein vodkatrunkener Langbart, aller Würde beraubt. Kirchenkritik war für die Kommunisten obligatorisch, Religiöses war verpönt, die Kirchen verödeten oder wurden für praktische Zwecke verwendet.

Die Lageratmosphäre im 4. Akt sehr realistisch, fast wie Verdis Gefangene in Nabucco, für uns heute Bilder aus Konzentrationslagern aller Diktaturen. Die Schmerzen, die Bestrafungen: "Wann trifft uns das Los der Sterbenden?", "Endlos der Weg unserer Qualen ..."


Das Lager im 4. Akt, die Strafgefangenen ziehen
ohne Katarina und Sonjetka weiter


Die ersten beiden Akte haben etwas, das einen Gewöhnungseffekt braucht, es ist das zwar kunstvoll gebaute Szenenbild mit den maskierten Zeugen aus dem Volk, es sind die Inhalte, die gar nicht so operntauglich scheinen, die einem Kriminalroman besser stünden. Eine pompöse, dramatische Musik, die viel dramatischer ist als die Texte. Ähnlich wäre es, wenn man herginge, sozialistisch realistisch aus der Milieustudie "Die Familie Selicke" von Arno Holz eine Oper mit Alban Bergs Musik zu machen. Die Akte drei und vier dagegen haben sehr viel Tiefe, sind kritisch, dramatisch, zeigen viel mehr.

Was noch erwähnt werden muss, sind die Einblendungen von Stalins Konterfei und vielen Assoziationen zu ihm. Boris wird von der Regie in die Nähe Stalins gerückt, sein Tod wie ein Staatsbegräbnis begangen, auch später immer wieder Stalineinblendungen, riesengroß, um auch den Rahmen des Geschehens zu betonen. Und eine weitere Figur fällt von Anfang an auf, das ist der Komponist selbst, der ständig anwesend, alles miterlebt und sogar kommentiert. Er ist auch der erzählende Betrunkene, der die Leiche entdeckt. Pflichtbewusst meldet er den grausigen Fund, als ob es das Staatsoberhaupt selbst sei. So blendet die Regie Schostakowitschs Leben im stalinistischen Russland mit ein, lässt uns das Schicksal der Katerina mit dem von Schostakowitschs Schwester vergleichen, aber auch mit seiner eigenen  Bedrohung, den Abgang von Boris mit dem von Stalin, als Befreiung vom Joch des Menschenschinders. Alles im Schleier der Geschichte: Die Revolutionäre im Kampf gegen das alte zaristische Regime und seine Überbleibsel. Der Komponist dabei, aber nur mit halbem Herzen ...

Eine sehr interessante und überzeugende Inszenierung von Urs Häberli, die bis auf die dem Stück eigene "Schwergängigkeit" zu Beginn, sehr viel herausholt und fantastische Bühnenbilder in Arenaform von Thomas Dörfler mit der geeigneten Positionierung der Sänger und Statisten mischt. Symbolträchtige Accessoires verdichten den Bedeutungsrahmen und verlinken zur Geschichte. Für Normalabonnenten teilweise zu schwere Kost, je nach Bildungslage, aber für Kenner und Liebhaber von Opern abseits des Mainstreams ein Leckerbissen.

Dienstag, 20. Mai 2014

Heute Abend in Kaiserslautern: LADY MACBETH VON MZENSK, Oper von Dmitri Schostakowitsch


Lady Macbeth von Mzensk

Großes Haus, 19:30 Uhr | Abo DM, Abo D
Einführung 19:00 Uhr, Foyer

Oper von Dmitri Schostakowitsch
Text von Alexander Preis und vom Komponisten nach der Erzählung von Nicolai Leskow
Deutsche Übersetzung von Jörg Morgener und Siegfried Schoenbohm
Premiere 06|04|2014 | Großes Haus

Eine Welt, in der jeder Glaube verloren gegangen ist.

Die schöne Katerina lebt in einer dumpfen, freudlosen Umgebung. Sie ist mit dem Kaufmann Sinowi Ismailow verheiratet, den sie jedoch nicht liebt. Als dieser auf eine längere Geschäftsreise geht, nötigt er seine Frau – auf Drängen seines misstrauischen Vaters Boris –, ihm Treue zu schwören. Tatsächlich erliegt Katerina schon nach kürzester Zeit dem männlich-attraktiven Arbeiter Sergej. Als Boris von diesem Verhältnis erfährt, peitscht er Sergej öffentlich aus und stellt damit Katerina bloß. Aus Rache tötet Katerina ihren Schwiegervater durch Gift in einem Pilzgericht. Ebenso muss Sinowi sterben, als er eines Nachts nach Hause zurückkehrt. Ein Jahr später feiern Sergej und Katerina Hochzeit, doch während der Feier wird Sinowis im Keller verscharrte Leiche gefunden. Beide werden zu Zwangsarbeit in Sibirien verurteilt. Als Sergej sich einer anderen Frau zuwendet, reißt Katerina diese mit sich in den Tod.
Dmitri Schostakowitsch zeigt in seiner durch einen krassen Realismus geprägten Oper eine Welt, in der alle Werte, jeder Glaube an irgendetwas, jede Hoffnung auf Veränderung verloren gegangen sind.

Die Uraufführung am 22. Januar 1934 in St. Petersburg rief äußerst divergierende Reaktionen hervor, doch war die Oper zunächst äußerst erfolgreich und wurde in 82 Aufführungen gezeigt. Nach einer Neuproduktion Ende 1935 in Moskau, die das Missfallen Stalins erregte, erschien in der „Prawda“ eine vernichtende Kritik unter der Überschrift „Chaos statt Musik“, in der dem Komponisten „pro-westliche Tendenzen“, „Formalismus“ und eine „Negation der Oper“ vorgeworfen wurden. Schostakowitsch musste daraufhin seine Oper zurückziehen und konnte sie erst nach Stalins Tod in einer Neufassung unter dem Titel „Katerina Ismailowa“ wieder zur Aufführung bringen.

Mit „Lady Macbeth von Mzensk“ setzt das Pfalztheater nach Bergs „Wozzeck“ und Brittens „Tod in Venedig“ seine Reihe mit zentralen Werken des 20. und 21. Jahrhunderts fort.