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Montag, 26. März 2012

Einmal ganz ins Maoriland eintauchen: Neuseeland - Multivision von Dirk Bleyer





Multivisionsshows machen tierischen Spaß, je mehr gute Bilder und Impressionen, Erklärungen zu den Reisezielen man erhält. Im Rahmen von Andreas Hubers Saar-Pfalz-Lichtblicke bot Dirk Bleyer, ein prämierter Fotograf und Präsentator aus Berlin, in Homburgs Saalbau am 20.03.12 eine hervorragende Show mit einer Flut von einmaligen Bildern. Unterlegt mit einer gewaltigen Musik, die einem die Einzigartigkeit unseres Planeten, das Majestätische der Schöpfung vermittelt. Nicht umsonst erhielt er die Leicavision-Auszeichung. 

Dirk Bleyer ist eigentlich studierter Luft- und Raumfahrttechniker, aber er hat schon immer sein normales Leben durch Weltreisen unterbrochen, mal 2,5 Jahre in Afrika, mal 1,5 Jahre Südostasien, bis er schließlich nur noch reiste und fotografierte. Er führte uns nach Neuseeland, dem Land der Kiwifrüchte und Kiwivögel, dem Land der Abenteurer und der Eigenwilligen. Und der Aussteiger. Friedensreich Hundertwasser hat Neuseeland als das Land seiner Wahl entdeckt und wurde dort auch auf seinen Wunsch nackt mit einer von ihm entworfenen Flagge Neuseelands bedeckt am Strand unter einem Tulpenbaum beerdigt (siehe meinen Beitrag über Hundertwasser).



Milford Sound, Karte, Doubtful Sound,Maorikinder, Wasserfall im Milford Sound, Kiwi  

Neuseeland liegt bekanntlich im Südpazifik und besteht aus der Nordinsel, der Südinsel und dem Stewart Island, einem winzigen Eiland an der Südspitze der Landmasse. Der aktive Untergrund schuf im Laufe der Jahrtausende einzigartige Landschaften mit einer hohen geografischen und vegetativen Vielfalt. Einmal die Inseln durchquerend erlebt man schneebedeckte Berggipfel, Sandstrände, üppigen Regenwald, aktive Vulkane, Heißdampfgegenden, Gletscher und Fjorde. Und diese Umgebung zieht unzählige Outdoor-Aktivisten an, die hier skifahren, tauchen, wandern, kajaken, segeln, mountainbiken, bungeejumpen oder reiten.

Neuseeland hat gerade einmal vier Millionen Einwohner aus aller Herren Länder. Maori aus Polynesien waren die ersten Menschen, die Neuseeland vor etwa 1000 Jahren besiedelten. 1642 wurde das Land dann von Europäern entdeckt, doch es dauerte bis 1769, bis die britische Krone das Land als Kolonie beanspruchte. 1840 wurde dann der Vertrag von Waitangi unterzeichnet, der als Gründungsdokument der Nation angesehen wird. In der Folge entstanden blutige Aufstände, nachdem die Maori merkten, dass die Kolonialherren sich nicht an die Abmachungen hielten.



Queenstown bei Nacht, Buchbinder Mikel, Hobbingen,
Maori Versammlungshaus, Blick vom Fernsehturm
(c) Dirk Bleyer
 
Unser Präsentator beginnt seine Vortragsreise ganz im Norden in Cape Reinga, dort, wo eine Bundesstraße über den Strand verläuft, unbefestigt und von Zufahrtsstraßen in Form von Flussbetten erreichbar, sofern Ebbe ist. Der Sage nach rutschen die Toten in Cape Reinga von den Bergen an den Wurzeln der Bäume entlang ins Meer. Das erste verwertbare Kartenmaterial zu Neuseeland stammt übrigens vom Entdecker Captain Cook. Bleyer führt uns über Waitangi, der Gründungsort Neuseelands, nach Kawakawa zur weltberühmten öffentlichen Toilette von Hundertwasser und über Whangarei bis Auckland. Er schenkt uns wunderbare Blicke von einem 44m hohen Fernsehturm in Auckland, den er über eine Leiter erklomm. Er stellt uns die klassischen Kauri-Bäume vor, die Giganten, Mammutbäume unter den neuseeländischen Bäumen. Die Bäume können bis zu 2000 Jahre alt werden und erreichen eine Höhe von 50 Metern plus, damit zählen sie auch zu den höchsten Bäumen weltweit. Sie wurden gerodet und verarbeitet, bis man begann Museen zu schaffen, weil sie ausstarben. Und er erzählt uns von den Landkriegen der Maori nach 1840. Sie gelten als Urväter der Schützengräben, denn sie hatten schon früh ein Flucht- und Täuschungssystem mit unterirdischen Wegen und Häusern.
Wir sehen den Drehort Hobbingen zum "Herr der Ringe", wo heute noch Streitigkeiten zwischen Hobbit Press und der Filmfirma bestehen, die Erdhäuserattrappen und die Dorflandschaft aus dem Film betreffend. Wir lernen auf dem weiteren Weg einen Schafscherer kennen, der es auf glatt 200 Schafe in annähernd 4 Stunden bringt (1:10 min im Schnitt) und die verrückte Deko der Zäune dort, ansprechende oder erschreckende BHs in allen Größen, Farben und Ausfertigungen. Auch die Briefkästen sind reif für das Modern Art Museum. In Rotorua sehen wir die Geothermie Neuseelands am Wirken, kochende Gewässer und hohe Temperaturen inmitten einer Siedlung. Kein Wunder, dass man Erdöfen verwendet. Der berühmteste Geysir Neuseelands ist Lady Knox. Hier in diesem Landstrich befindet sich das Zentrum der Maori-Kultur. Walknochen werden teils noch heute als Schreibinstrumente eingesetzt.
Am Eastcape (Forty-Fours) dann die echte Stunde null bei der Zeit- bzw. Tagesrechnung. In der Zentralen Hochebene der Nordinsel auch die drei Vulkane Ngauruhoe, Tongariro und Ruapehu, die von der UNESCO zum ersten kombinierten Weltkulturerbe und Weltnaturerbe erklärt wurden, der Tongariro-Nationalpark.

Wizzard of Christchurch, Milford Sound (Fjord),
Franz-Joseph-Gletscher,  Mount Cook
(c) Dirk Bleyer

Eine absolute Kuriosität besteht in Whakamaru, dort wurde eine eigene Republik mit Präsident ausgerufen und Fred the Cat zum Bürgermeister gemacht, da der ja nun Präsident war. Im südlichen Teil dann der krasse Gegensatz von Tasmanian Nationalpark mit Robben, Königsalbatrossen, Delfinen, Orkas und Gletschern in der Region des ewigen Eises, dem Lake Matheson bei Queenstown, die Shotover Schlucht. Extremsport vom Feinsten, der Kandidat legt sich in eine Rakete und wird an einem Drahtseil gehalten in die Höhe gebracht, dort kann er sich lenkend austoben ... oder er springt zur Abwechlsung in einer 153 m tiefen Schlucht in die Tiefe, am Bungeeseil. Als wäre man in den Alpen, findet man auf der Südinsel grandiose Bergzüge mit dem Mount Cook als höchstem Berg Neuseelands und der legendären Milford Street im Süden. Im Fjordland dann 14 gewaltige Einschnitte in das Gebirge, Sounds und Fjorde (Milford Sound, Doubtful Sound), so paradiesisch, wie man sie sich nur erträumen kann. Verblüffend gelegentlich eine Ölschicht auf dem Wasser vom Baumtannin. 


Dunedin, Baldwin Street
Wir lernen die Baldwin Street in Dunedin kennen, die atemberaubend steil ist (die steilste der Welt), den Hochrad-Club von Qward, den gekrönten Buchbinder Mikel, internationaler Preisträger, der sehr trinkfest dem Whiskey zuspricht und seine Gäste gerne unter den Tisch trinkt - verloren hat, wer mit den Füßen voraus das Haus verlässt. Er und seine Kumpels einfach sehr selten. Der Kult um James McKenzie wird uns erklärt, der eigentlich ein Schafdieb war, aber trotzdem verehrt wird, in dem Landstrich um den Mount Cook, der das beste Futter für die Schafe zur Verfügung stellt. Wir erleben einen einmaligen Rundflug mit der Buschpilotin Henriette über den extrem zerfurchten Franz-Joseph-Gletscher und lernen den schrägsten Typ aller Zeiten kennen, den Wizard von Christchurch, ein anerkannter Hexenmeister.

Fazit: Bestes Fotomaterial, Farben, Licht und Schatten meisterhaft eingefangen, einmalige Perspektiven und Shootingpoints, die wir selbst kaum oder nie hinbringen würden. Der ganze Abend ein tolles Erlebnis mit hohem optischem Genuss. Die Erklärungen von Dirk Bleyer sehr aufschlussreich ebenso wie seine Moderation sehr angenehm war.



Freitag, 8. Oktober 2010

Buchbesprechungen: Friedensreich Hundertwasser bei Taschen

Hundertwasser
691A IRINALAND ÜBER DEM BALKAN, 1972
© 2010 Hundertwasser Archiv, Wien
Friedensreich Dunkelbunt Regentag Hundertwasser ist mehr als ein Künstler. Er ist ein Kunsterschaffer, ein Weg- und Weltgestalter, ein Naturintegrierer, ein "Assistent der Bäume", wie er es selbst ausdrückte, denn Bäume verkörperten für ihn die Natur, und ihre Naturwüchsigkeit, ihre biologische Krummheit bei gleichzeitig graziler oder mächtiger Ebenmäßigkeit, stand für Schönheit. 
Seinen bürgerlichen Namen hatte er früh abgelegt. Er ersetzte das "Sto" durch Hundert, den Friedrich durch Friedereich, Friedenreich, schließlich Friedensreich und erschuf sich mit diesem Namen Weltruhm. Es kamen noch zwei andere Vornamen dazu: Dunkelbunt und Regentag.
Er, der einen umfassenden Kunstanspruch entwickelt hatte, eingebettet in die Ökologie, die Kybernetik der Abläufe, er, der alle Bereiche des Lebens gestalten und umgestalten wollte. Hundertwasser sah sich selbst sogar - wie alle anderen Menschen auch - in erster Linie dazu bestimmt, der Natur zu dienen, sie als Vorbild zu integrieren, außerdem Humus zu produzieren und zu Humus zu werden.


 Friedensreich Hundertwasser wurde am 15.12.1928 in Wien geboren und starb am 19.02.2000 auf der "Queen Elizabeth 2" mitten im Pazifischen Ozean. Er wurde, wie er es immer wünschte, nackt in seine für Neuseeland entworfene Koru-Fahne gehüllt, 80 cm unter der Erde unter einem Tulpenbaum auf Neuseeland, seinem gelobten Land, begraben.


Ich habe mir drei sehr aussagekräftige Bücher zu Hundertwasser ausgesucht, die alle sehr geeignet sind, sich mit dem Künstler auseinanderzusetzen. Um es hier gleich vorwegzunehmen: Die reiche und sehr gute Bebilderung lässt keine Wünsche offen. Beste Aufnahmequalität, zumeist bestechende Druckqualität (obwohl Printed in China), kaum Farbverfälschungen,Goldtöne ganz rein wie vergoldet, eine Augenweide. Die Bücher stammen alle vom Taschen Verlag und sind neu von 10 € bis 30 € erhältlich. Zwei wurden und werden mit Special Price anlässlich des 25-jährigen Jubiläums von Taschen angeboten, und zwar die Darstellung von Wieland Schmied und die von Harry Rand. Die "Architektur" bewegt sich regulär um die 30 €. 

  
Wieland Schmied
Hundertwasser
1828-2000
Persönlichkeit, Leben, Werk
Köln 2009, 400 Seiten, Sonderformat, Hardcover
29,90 €, Taschen Verlag


In diesem sehr aufwändig und liebevoll im Sinne Hundertwassers gestalteten, für diesen Preis wirklich schon sehr opulenten Werk bekommt man einen fantastischen, sehr umfassenden Überblick über die Person und das Schaffen Hundertwassers. Leider ist das Schwarz als Hintergrundfarbe auf den Seiten sehr empfindlich und verkratzt sehr schnell.
Der Autor hat sehr viele Details aus dem Leben zusammengetragen, verbindet alles wunderbar mit den Schaffensperioden des Meisters, verzichtet nicht auf die  widersprüchlichen Seiten Hundertwassers. In sieben Kapiteln bringt uns Schmied Hundertwasser näher. Zunächst eine gekonnte Einleitung, die uns alles Wesentliche zum Künstler vermittelt, auch die Kehrseite des Erfolgs. Später die Anerkennung, internationaler Erfolg, der Hundertwasser nie in den Kopf stieg. Er blieb der immer schaffende Künstler, allzeit bereit mit seinem Malnotset aus Wasserfarben, Pinseln und Stiften Ideen festzuhalten.
In jedem weiteren Kapitel ein Stück mehr über den Künstler, zunächst die Anfänge, die Namensfindung, Wien, der Freund und Kollege Arnulf Rainer, der sich ganz anders entwickelte, die Naivität, Kindlichkeit im Blick, Ausdruck und in der Denkweise, die Farben und Titel der Bilder. Der Künstler im Aufbruch, auf dem Weg zu sich selbst.
Im 3. Kapitel die gesamten theoretischen Ansätze seine Grammatik des Sehens, das spektakuläre Verschimmelungsmanifest von 1958, vorgestellt in der Steiermark, München und Wuppertal. Es besagt, dass so wuchernd, sich ausbreitend und natürlich sich formend wie der Schimmelpilz unsere Architektur insgesamt, auch im Industriebereich sein soll. Keine Gerade, sondern immer das Organische und Vegetative - schöpferische Verschimmelung. Keine Diktatur und Zensur durch die Geometrie. Er ist darin ein radikaler Ökologe, der mit natürlichen Stoffen bauen möchte, Erdhäuser, Dachbegrünungen, Sonne, Licht, Wasser. Weiter die "Linie von Hamburg", 1959, wo Hundertwasser als Gastdozent an der Hamburger Hochschule für Bildende Künste in Gemeinschaft mit Bazon Brock und Schuldt eine 10 km lange, spiralförmig ansteigende Linie in seinem Raum zeichnen wollte, was ihm nach 48 Stunden Laufzeit bereits untersagt wurde und zu einer Niederlegung der Gastdozentur führte. Seine "Brennesselaktion" in Paris, 1960, forderte die Zuhörer auf, als Zeichen der Solidarität mit Künstlern und Menschen  in schwieriger existenzieller Lage mit ihm eine Art Brennesselspinatsuppe zu essen, die die geforderte Autarkie von und Distanz zu Ausnutzung brächte. Berühmt wurden auch seine "Nacktreden" 1967 in München und 1968 in Wien, wo er nackt vor die Zuhörer trat und eine spontane Veränderung der Architektur durch den Wurf zweier mit Farbe gefüllter Eier an die Decke vollzog - ein Überraschungsauftritt anlässlich seiner Vernissage mit Skandalwogen in der Presse, da niemand mit Happening oder Spoantankunst vertraut war. Selbst das Polizeiverhör fehlte nicht, danach war die Aktion bei anderen Auftritten bekannt und ohne diese Auswirkung. Was wollte er damit erreichen? Es ging ihm dabei um die "dritte Haut", die Behausung des Menschen, die zweite ist die Kleidung. Er wollte damit auf die Wichtigkeit angemessener Architektur hinweisen, die wie eine dritte Haut sein soll, in der Nacktheit am besten erfahrbar - Natur in der Natur. Ebenso verwegen ist sein Schönheitsbegriff. Schöne Dinge sollen Hindernisse sein in der Wahrnehmung des allzu Glatten, Gefälligen, Fortschrittlichen. "Schönheitshindernisse sind nicht kontrollierte Unregelmäßigkeiten."    
[Anm. vom Hundertwasser Archiv für den Autor, auf Wunsch des Archivs von mir eingefügt:]   
Hunderwasser geht in mehreren Texten auf den Begriff „Schönheitshindernisse“ ein. „Fortschritt eher verhindern“ wird nicht thematisiert. Ein umfangreicheres Hundertwasser Zitat bietet eine aufschlussreiche Erklärung: „Wer kann Unregelmäßigkeiten gestalten? Der Mensch natürlich selbst, wenn er dazu fähig ist. Der Künstler. Aber am besten kann es die Natur. Es gibt keinen besseren Lehrmeister als die Natur. Nur die Natur schafft nicht reglementierte Unregelmäßigkeiten, wahrhafte Schönheitshindernisse. Man muß die Natur bewußt mitgestalten lassen an der Farbe. Das geht ganz einfach. Eine Wand braucht nur zu verwittern. Langsam verwittert sie, und es entstehen diese Bilder, die der Mensch gar nicht fähig ist, so schön und so perfekt zu gestalten.
(Hundertwasser, in: Farbe in der Architektur, 1981)“
oder
„Was wir jedoch dringend benötigen, sind Schönheitshindernisse. Diese Schönheitshindernisse bestehen aus nichtreglementierten Unregelmäßigkeiten. Und diese nichtreglementierten Unregelmäßigkeiten bestehen entweder aus Spontanvegetation oder aus der Kreativität des Einzelnen. Beides sind Schöpfungen, die sich gegenseitig ergänzen.
(Hundertwasser, in: Konkrete Utopien für die grüne Stadt, 1983)“
  
In der Folge positioniert Schmied Hundertwasser in der Tradition von Gustav Klimt, Egon Schiele, John Ruskins mit seiner Verehrung von Venedig und seiner Ornamentalik (Hundertwasser wohnte auch längere Zeit in Venedig), ferner Antoni Gaudi, Ferdinand Cheval, Rudolf Steiners Goetheanum und die Erd- wie Felsenhäuser in Nordafrika und auf Santorin. Wir erleben seine Malerei, seine Grafik, die er durch Varianten in den Auflagen individualisierte, seine Briefmarken und Nummernschilder, seine Nationalfahnen und Bibelillustration, erleben ihn als Umweltschützer. Eines seiner dringlichsten Projekte war die Humustoilette, die Bedeutung von Humusbildung = biologische Zerfallsprozesse erwähnte ich oben schon, die lediglich durch Belüftung und biologische Zersetzung funktionierte (wie man heute von unzähligen Versuchen in Ökogeländen weiß, geruchslos und zuverlässig). In Kawakawa, Neuseeland, durfte er 1999, 20 Jahre nach seinem Manifest "Scheißkultur - Die heilige Scheiße" in Pfäffikon am Zürcher See, eine öffentliche Toilette nach seinen Vorstellungen umgestalten, die heute noch Anziehungspunkt vieler Touristen ist.
Schließlich lernen wir Hundertwasser noch ausführlich als grünen und einfallsreichen landschaftsprägenden Architekten kennen. Sein Hundertwasserhaus in Wien, seine zahlreichen anderen realisierten Architekturprojekte, 23 in Deutschland und Österreich, sprechen eine so klare und angenehme Sprache, dass wir uns fragen, warum nicht verstärkt in diese Richtung gebaut wird. Alles unter dem Joch der Einsparungen, kantig, schachtelig, ungesund, ohne Grün. Bei Hundertwasser das Gegenteil. Schon seine Dachgärten sind eine Wucht, Spontanvegetation wird zu wachsender Naturlandschaft in luftiger Höhe und  verschafft den Menschen das Gefühl auf dem Land zu sein. So wollte er es immer haben, neben all den runden, farbigen und unregelmäßigen Schönheitshindernissen im Innern. Seine goldenen Kuppeln, nicht nur auf der Kirche in Bärnbach, sondern auch im Fernwärmewerk Wien oder an der Raststätte Bad Fischau, werden uns lange faszinieren. In Deutschland können wir in Plochingen, in Darmstadt, Frankfurt, Bad Soden, Essen, Uelzen (der Hundertwasser-Bahnhof wird von der Bahn gerade renoviert), Magdeburg, Wittenberg und im fränkischen Selb Meisterwerke seiner Baukunst entdecken.


Harry Rand
Hundertwasser
Köln 1993/2007, 200 Seiten, Großformat, Hardcover
9,99 €, Taschen Verlag

Einen deutlich kürzeren, aber ebenfalls sehr gelungenen Überblick über das Schaffen Hundertwassers bietet Harry Rands Darstellung. In einer gekonnten Collage aus Biografie, Stilentwicklung, Schwerpunkten, Ereignissen und Interviewteilen lernen wir Hundertwasser noch unmittelbarer kennen. Die vielen Original-Zitate erlauben uns ein authentisches Bild des Künstlers zu gewinnen. Sie lassen Hundertwasser lebendig erscheinen, geben uns Anlass, ihn neu zu betrachten und anders zu verstehen. Rands Zusammenstellung ist eine sinnvolle Ergänzung zu Schmieds Buch.


Angelika Taschen (Hrsg.)
Hundertwasser
Architektur
Für ein natur- und menschengerechteres Bauen
Köln 2006, 320 Seiten, Großformat, Hardcover
29,90 €, Taschen Verlag

Einen wiederum eigenen Zugang zum Werk verschafft diese vollständige Zusammenstellung aller architektonischen Projekte Hundertwassers. Wer nur seine Architektur genauer studieren will, findet hier sehr viele Möglichkeiten. Durch selbsterklärende Texte des Künstlers zu seinen Projekten, auch durch Reden, Anweisungen und Manifeste, lernen wir Hundertwasser als sehr engagierten  ökologischen Architekten kennen. Voller Hingabe und immer wiederkehrender Heraufbeschwörung der Natürlichkeit bettet er seine Projekte als Kleinodien in die Natur, schafft Augenfänge erster Klasse. Bei den Arbeiten zum Hundertwasserhaus in Wien ereigneten sich z.B. sehr häufig Auffahrunfälle, weil die Fahrer zu lange die Fassaden hinaufschauten. Schönheit als Hindernis, wie es Hundertwasser wünschte ... In reicher Bebilderung, aufwändiger Gestaltung und aussagekräftigen Texten erleben wir die Architektur Hundertwassers als eine hohe Kunst der fühlbaren Ästhetik der "Schönheitshindernisse".

Kunstevents: Friedensreich Hundertwassers Werke in Traben-Trabach und Stralsund - Ausstellungen noch bis 31.10.2010

Ausstellung in Traben-Trabach. Es handelt sich
bei diesen Gegenständen nicht um Hundertwasser-Werke,
sondern um diverse fremde Ausführungen.
foto: viereggtext

Traben-Trabach: Repräsentativer Auszug aus dem grafischen Werk sowie zahlreiche Dokumentationen der Architekturprojekte.

Friedensreich Dunkelbunt Regentag Hundertwasser
im Stadthaus Alter Bahnhof
Am Bahnhof 5
56841 Traben-Trarbach
Tel.: 06541 / 83980
Fax: 06541 / 839839 

info@traben-trarbach.de



Montag bis Freitag: 11.00 Uhr bis 18.00 Uhr
Samstag, Sonntag und an Feiertagen: 11.00 Uhr bis 18.00 Uhr





Buchbesprechungen zu Hundertwasser bei viereggtext


Dekadentipp bis 2019 - Hundertwasser zu St. Jakobi in Stralsund
In der Kirche St. Jakobi, Stralsund, werden seit April 2009 bis 2019 jährlich zwischen April und Oktober wechselnd Originalgrafiken, Unikate, Plakate und Objekte von Hundertwasser gezeigt und Rahmenveranstaltungen dazu geboten. Das Projekt versteht sich als eine Verbindung von Kultur- und Sozialarbeit, möchte auf die Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen aufmerksam machen und hat eine Art Hinweischarakter, den man sich auch an anderen Orten wünscht. Auch für Schulen als Ausflugsziel sehr interessant, es werden verschiedene hochaktuelle Hundertwasserthemen behandelt: Menschenrechte - Erhaltung der Schöpfung - Kreativität der Menschen - Farben - Wasser wertvoller als Gold - Hundertwasser-Gebäude. Dieses Jahr noch bis Ende Oktober!
Öffnungszeiten: täglich 11.00 Uhr - 18.00 Uhr
Eintritt: 7.50 € / 5.50 € (ermäßigt) / 1 € (Kindergruppen)

Kontakt: 03831/30 96 96

Mehr Informationen zu Hundertwasser in Stralsund hier!



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