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Mittwoch, 25. Oktober 2017

Wie war's bei DIDO AND AENEAS / HERZOG BLAUBARTS BURG in der Oper Frankfurt?


Zwei für den besonderen Geschmack inszenierte Opern, die eine nur schwer verwirklichbare Liebe von Mann und Frau thematisieren, deren Ende ein trauriges und tödliches für die Frau hat, werden von der Oper Frankfurt zurzeit präsentiert. Die erste ist DIDO AND AENEAS von Henry Purcell, Uraufführung 1689 in einem kirchlichen Mädcheninternat in England, die zweite HERZOG BLAUBARTS BURG von Béla Bartók, Uraufführung im Königlichen Opernhaus in Budapest, 1918.

Beide Opern sind so modern inszeniert und doch wieder historisch genügend akzentuiert, dass man einerseits die Barockoper schon allein wegen der Musik unter Karsten Januschke als solche noch genießen kann und andererseits die moderne Bartók-Oper mit Effekten über die Geheimnisse von Blaubarts Welt ganz zeitnah und abstrakt erfährt.


 v.l.n.r. Karen Vuong (Second Woman), Sebastian Geyer (Aeneas),
Cecelia Hall (Dido) und Angela Vallone (Belinda)
(c) Barbara Aumüller
Dido und Aeneas ist ein mythologisches Paar, das schon von vielen Komponisten verarbeitet wurde, unter anderem in DIE TROJANER / LES TROYENS von Berlioz, die in der letzten Spielzeit in der Frankfurter Oper zu sehen waren. War dort noch realistisches Bühnenbild und Historienspiel in der Oper angesagt, haben Barrie Kosky und Alan Barnes in Purcells Stück ein herrliches Stück Barock an abstrahierter Ästhetik verwirklicht.

Dido, die Königin von Karthago, ganz enthusiastisch gesungen von der dunklen Schönheit und Mezzosopranistin Cecelia Hall (USA), wird vom aus dem untergegangenen Troja mit seinem Heer geflohenen Aeneas (schicker Galan im Rüschenkragenhemd, gefeierte Baritonstimme, dennoch etwas blasser als die Heldin Dido) umworben und nähert sich dem Angreifer nur zögerlich. Ihr Hofstaat und ihre vertraute Belinda müssen sie regelrecht überzeugen, ihre Liebe zu leben. Er lebt und rastet in Troja, wird von der verliebten Dido bewirtet und bevor der größere Teil seiner Mission weitergeht: Aeneas wird das Römische Reich gründen, nach vielen Kämpfen und Beschwerlichkeiten, beginnt auch eine königliche Liaison zwischen den beiden.

Dido verliert ihr Herz, hat sich aber an keiner Stelle des Stückes wirklich hingegeben, ignoriert man die heftigen Sekundenküsse. Dass man davon nicht schwanger wird, ist ja auch klar. Der Anstand forderte es im ausgehenden 17. Jahrhundert, wobei an dieser Stelle bemerkt werden muss, dass die englischen Barocktheater allem anderen als der Sittlichkeit verschrieben waren. Ein buntes Treiben im Zuschauerraum, jeder neckte jeden, keinerlei respektvolle Distanz zum Spiel und den Spielern, unliebsame Schauspieler wurden tatsächlich am Auftritt gehindert.

Immer umringt und beschützt von ihrem Hofstaat kann Dido Aeneas von den schlimmsten Avancen abhalten. Dieser Hofstaat ist einerseits steif, andererseits wird er beweglich und agil, nachdem die Beziehung der beiden Herrscherfiguren bekannt ist und gefeiert wird.


v.l.n.r. Elizabeth Reiter (First Witch), Dmitry Egorov (Sorceress)
und Julia Dawson (Second Witch), die Widersacher Didos
(c) Barbara Aumüller
Als nudistische Musenengel tanzen eine bepuderte und mit Pflanzen wie Pfauenfedern geschmückte reich geformte junge Frau und ein etwas reiferer Schalk, typisch für Barock, mit einem prächtigen Damenhut, durch die Reihen und streicheln, beglücken und befrieden die Menschen, allen voran die Liebenden. Das barocke Treiben wird eindrucksvoll von einer modernen Bühnengestaltung (Kostüme und Bühnenbild Kathrin Lea Tag) kontrastiert und von einer zweiten Gruppe von Akteuren: der Transvestiten-Zauberin (perfekt barocker Countertenor Dimitri Egorov) und den beiden lustigen Hexinnen mit Männerbart Elizabeth Reiter und Julia Dawson. Gar fürchterliche Spielchen treibt das Höllenvolk, grandios mit offenen Mündern gefräßig oder mit Schlabberschütteltick recht animalisch. Sie wollen Dido ins Unglück stürzen und Karthago vernichten. Ihr Beschützer Aeneas steht im Weg. Ein Geist in der Gestalt Merkurs soll ihn an seine Mission erinnern und auf sofortige Abreise plädieren. Der Jagdgesellschaft, die gerade mit dem Paar unterwegs ist, jagen sie Angst mit einem starken Gewitter ein, Dido bangt um ihre Bediensteten, schickt sie sofort zurück in die Stadt.

Der Geist tritt auf und tut sein Werk, Aeneas fällt herein und will Karthago verlassen. Er sagt es Dido erst nach einigem Zögern und verletzt sie damit tief. Sie ist wütend, wirft ihm Heuchelei vor, was ihn wieder umstimmt, aber die stolze Dido schickt ihn weg und stirbt im Original durch eigene Hand, hier durch abgrundtiefe Trauer und Scham über ihren Fehltritt vor der Öffentlichkeit.


Andreas Bauer (Blaubarts Reichtum)
(c) Barbara Aumüller
HERZOG BLAUBARTS BURG fasziniert durch einen großräumigen minimalistischen Ansatz auf einer runden Drehbühne, das Reich Blaubarts als Scheibe. Mit vielen Effekten ist das Geschehen bei Barrie Kosky und Katrin Lea Tag eine abstrakte und kondensierte Form des Geschehens, die mundet wie ein uraltes hochprozentiges und -geistiges Getränk. Ein reines Destillat des Ästhetischen, allerdings eben blutig, denn alles was Blaubart anfasst ist mit Tod und Verderben verbunden. Andreas Bauer singt als mächtiger Bariton und kämpft als Liebhaber um seine erste Nacht. Er versucht Judith vor ihrem Unheil zu bewahren, erobert sie scheinbar Stück für Stück und verliert sie ebenso schnell auch Schritt für Schritt. Leider bezieht sich seine destruktive Aura auch auf Judith, von der Mezzosopranistin Claudia Mahnke meisterhaft gesungen, sie weiß nichts über ihr Schicksal, ist gierig nach Blaubart und seinen Geheimnissen, nähert sich ihm, kämpft mit ihm, kann nicht von ihm lassen, bittet und bettelt nach noch mehr Aufdeckung und nähert sich unaufhaltsam Geheimnis für Geheimnis, verschlossene Tür für verschlossene Tür, Schlüssel für Schlüssel dem Ende - ihrem Tod. Das Ganze ist von Bartók und seinem Librettist Béla Balács als eine metaphorische Innenschau gedacht. Mit dem Heben des Vorhangs kann man in den Augen Blaubarts seine seelischen Abgründe erkennen, sieht, dass alles nur Lüge und Heuchelei ist, reine Geilheit nach dem Weib, pure Vereinnahmung um jeden Preis, keine echte Liebe, wie der mysteriöse Herzog immer wieder beteuert. Sein Reich blutig, voller Tränen, grausam und strafend, hat eine abwärts gewandte Logik.


Andreas Bauer (Blaubarts Reich der Tränen und des Blutes)
(c) Barbara Aumüller