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Donnerstag, 10. Mai 2012

DAS LEBEN MIT DER ANGST, ein Beitrag von Marco Meissner


Das Leben mit der Angst - Wenn Panik den Alltag bestimmt


Die Kehle schnürt sich langsam, aber immer unaufhaltsamer zu. Die Welt verschwimmt. Konzentriert sich zunehmend auf das eine Problem. Der Atem überschlägt sich und das Blut zirkuliert in immer schneller werdenden Schüben durch die Adern des Körpers. Es pocht, pulsiert, wabert durch den Körper und scheint aus der Halsschlagader austreten zu wollen. Die Welt verwandelt sich in einen Hochofen und kalter Schweiß tritt auf die Stirn. Der Tunnel verjüngt sich. Kein Platz mehr für andere Gedanken. Was zählt ist die Angst. Zittrig bahnt sich die Hand ihren Weg zur Haustür. Schweißbenetzt. „Ich werde es schaffen. Ich werde nicht aufgeben.“ Gedanken kämpfen gegen Gedanken. Doch der Gegner scheint zu mächtig. Schlaff verlässt die Hand die Klinke. „Ich probiere es später noch einmal.“

Zwischen 1997 und 2004 nahm die Zahl von erkannten und behandelten psychischen Erkrankungen um 70% zu. Tendenz steigend. Mittlerweile sprechen Experten davon, dass jeder zweite EU-Bürger mindestens einmal in seinem Leben unter einer behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankung leiden wird. Bei jedem vierten Arztbesuch ist eine psychische Erkrankung der Grund. Das Risiko zu erkranken liegt bei 50%. Circa 8 Millionen Deutsche leiden an neuronalen Krankheiten.
Dabei führen Depressionen und Angststörungen die traurige Rangliste der Erkrankungen an. Meist treten sie auch noch in Kombination auf. Doch statt den Betroffenen zu helfen werden die Erkrankten auch in hoch entwickelten Gesellschaften meist stigmatisiert und diskriminiert. Das Leben mit der Angst. Ein ewiger Kampf mit der eigenen Psyche und um die Anerkennung der Umwelt.

Im folgenden Interview berichtet eine Betroffene über ihr Leben mit der Angst und über ihren tapferen Weg durchs Leben.


Seit wann leiden Sie unter Panikattacken? Kann man sagen, wann es angefangen hat?
Frau M: Ich könnte es sogar stündlich benennen. Es begann alles mit der Geburt meines Sohnes.

Und direkt an diesem Tag haben Sie die ersten Symptome bemerkt?
Frau M: Ja. Am nächsten Morgen ging es direkt los.

Wie hat sich das bemerkbar gemacht?
Frau M: Mir war unheimlich schwindelig. Erschwerend kam hinzu, dass meine Bettnachbarin an diesem Tag in Ohnmacht gefallen war. Seit diesem Tag hat mich die Angst ohnmächtig zu werden nicht mehr verlassen.

Also war der Auslöser dafür die Geburt?
Frau M: Laut den Ärzten löste die Frühgeburt, mein Baby kam 27 Tage zu früh, die Krankheit aus. Für mich kam alles viel zu überraschend. Ich war noch gar nicht vorbereitet.

Also war das Ganze dann stressbedingt oder war es eher eine hormonelle Sache? Kann man dazu etwas sagen?
Frau M: Das weiß man nicht so genau. Eigentlich hatte ich keine Angst, dass ich mein Kind nicht erziehen könnte oder ähnliches. Es kam aus dem Nichts. Panikattacken kommen sowieso aus heiterem Himmel. Das kann man nicht immer begründen.

Kann man davon ausgehen, dass die Angst auch ohne Geburt irgendwann aufgetaucht wäre?
Frau M: Ich denke schon.

Also war die Geburt eher ein Schlüsselreiz?
Frau M: Auf jeden Fall. Ich denke, ich wäre so oder so krank geworden.

Inwiefern hat sich Ihr Alltag danach verändert?
Frau M: Das war eine ganz schlimme Geschichte. Ich konnte die ersten Monate gar nicht mit dem Kind spazieren gehen. Oder einkaufen. Ich habe das Haus kaum verlassen. Mich hat die Angst einfach überall gepackt. Ich war total eingeschränkt. Nur an zu Hause gebunden. Durch Medikamente hat es sich dann etwas gebessert.

Konnten Sie direkt begreifen, dass Sie krank waren? Haben Sie sich direkt behandeln lassen?
Frau M: Ich war beim Arzt, der direkt eine Angstneurose feststellte. Er verschrieb mir einfach ein paar Psychopharmaka und meinte, dass es so bald wieder besser würde. Aber dem war nicht so.

Fühlen Sie sich in der Hinsicht fehlbehandelt?
Frau M: Zumindest wüsste ich es heute besser. Ich würde direkt mit einer Gesprächstherapie anfangen und mich nicht Medikamenten vollstopfen. Damit wurde ich nur oberflächlich behandelt. Eigentlich wurde nur der Scherz betäubt. Aber zur Heilung hat es nicht beigetragen.

Wie ging es dann weiter?
Frau M: Ich ging von Facharzt zu Facharzt. Bis ich dann 1994 in die Kur geschickt wurde. Dort wurde dann festgestellt, dass ich tablettenabhängig war. Das traf mich wie ein Schlag. Ich machte einen kalten Entzug. Doch darauf war ich überhaupt nicht vorbereitet. Ich bin quasi kranker nach Hause gekommen, als ich hingefahren bin. Daraufhin habe ich mich dann für eine stationäre Psychotherapie entschieden. Danach ist es immer besser geworden. Durch die Gesprächstherapien bin ich dann erst mal darauf gekommen, dass ich viele Dinge mache, die ich eigentlich gar nicht will und dass ich sehr wenig Selbstbewusstsein habe. Ein gewaltiger Grund vor allem Angst zu haben. Durch die Gespräche ist es stetig besser geworden. Aber geheilt werde ich leider nie. Doch die Therapien halfen sehr. Wenn ich Angst vorm Fahrstuhl fahren hatte, musste ich so lange Fahrstuhl fahren, bis die Angst weg war.

Also die Angstbewältigungstrainings, der ständige Umgang mit der Angst, ist schon ein Mittel das hilft?
Frau M: Ja. Auf jeden Fall. Am Anfang zwingt einen die Angst echt in die Knie. Aber je öfter man etwas übt, umso einfacher fällt es einem dann auch. Und man merkt dann doch wieder, dass man etwas kann.

Haben sich die Therapiemöglichkeiten heutzutage verbessert?
Frau M: Ja. Wenn ich vor 30 Jahren direkt darüber aufgeklärt worden wäre, welche Krankheit ich habe und mit ABTs und Gesprächstherapien angefangen hätte, dann wäre ich heute geheilt oder würde nur wenig darunter leiden.

Also gibt es Chancen komplett geheilt zu werden?
Frau M: Ja. Bei mir wurde es nur zu lang vernachlässigt oder ich habe mich nicht ausreichend darum gekümmert.

Oft werden psychische Erkrankungen eher belächelt. Fühlen Sie sich heute besser verstanden als früher?
Frau M: Früher habe ich mich immer geschämt für meine Krankheit. Habe mich nicht getraut darüber zu sprechen. Das hat die Sache verschlimmert. Heute schäme ich mich nicht mehr darüber zu sprechen, weil bald jeder Dritte Erfahrungen auf diesem Gebiet hat.

Behindert Sie diese Krankheit heute immer noch im Alltag?
Frau M: Es ist eine Einschränkung. Behinderung kann man nicht sagen. Aber es schränkt schon ein.

Aber das war nicht immer so?
Frau M: Als es ganz schlimm war, bin ich nirgendwo mehr hingegangen. Habe mich nur noch in der Wohnung eingeigelt. Dadurch kapselt man sich total von der Außenwelt ab und dann kommen irgendwann auch noch Depressionen dazu. Früher hatte ich „nur“ eine Angststörung, und dann kamen auch noch die Depressionen. Früher waren die Depressionen Begleiterscheinungen. Doch irgendwann kommt der Punkt, an dem man mehr unter den Depressionen leidet als unter der Angst. Dagegen gibt es dann halt ein Antidepressivum. Diese werde ich wohl bis an mein Lebensende nehmen. Doch das hilft mir, halt mein Leben (ringt nach dem richtigen Wort) … zu bewerkstelligen, … auszuhalten … Eben irgendetwas dazwischen.

Helfen Selbsthilfegruppen bei der Heilung?
Frau M: Sie sind schon hilfreich. Man fühlt sich halt nicht mehr so als Außerirdischer. Man weiß: Diese Leute verstehen einen. Doch stellenweise muss man sich auch mal zurückziehen, um nicht zu sehr unter dem Leid der anderen zu leiden. Aber es ist wichtig, sich verstanden zu fühlen. Darüber reden ist unheimlich wichtig.

Sind medikamentöse Therapien sinnvoll?
Frau M: Begleitend schon. Sie helfen einem das Ganze leichter zu ertragen.

Was könnten Angehörige für Erkrankte tun, um ihnen zu helfen?
Frau M: Einfach für die Erkrankten da sein. Ich hätte oft weinen wollen. Doch ich wollte es nicht vor meiner Familie tun. Das hatte in diesem Raum nichts zu suchen. Doch es hätte mir sehr geholfen. Irgendwann fing ich dann an, offener mit meiner Erkrankung umzugehen.

Hat der offene Umgang mit der Krankheit Heilungsfortschritte gebracht?
Frau M: Ja, seitdem ich mich nicht mehr verstecke und spüre, dass ich so sein kann, wie ich bin. Das ist ein unheimlich schönes Gefühl.

Ein Blick in die Zukunft. Wird das Leben besser oder schlechter?
Frau M: Da bin ich etwas zweigeteilt. Zum Einen bin ich zufrieden mit dem, was ich habe. Denn da weiß ich, wo ich stehe. Zum anderen gibt’s mit Sicherheit noch einige Träume, z.B. mal wieder tanzen zu gehen, die ich noch verwirklichen möchte. Es ist schön zu wissen, dass es noch schöne Dinge gibt, die kommen können. Wer weiß, was noch passiert. Aber alles peu a peu.

©Marco Meissner, Gladbeck
mmmarcomeissner@googlemail.com

Montag, 20. Juni 2011

Buchbesprechung: Anti-Aging

Andreas Winter
Der Psychocoach 6:
Anti-Aging
Warum es so einfach ist, jung zu bleiben!
Mit Starthilfe-CD
Murnau 2009, 123 S., Hardcover mit Audio-CD
14,95 €, Mankau Verlag

Warum stehen einige Menschen auch im hohen Alter noch auf der Sonnenseite des Lebens und genießen voller Vitalität all seine Freuden, während andere schon früh körperlich und geistig abbauen und resignieren?
Der Unterschied liegt nicht nur in den persönlichen Anlagen oder den jeweiligen Umweltbedingungen. Er liegt hauptsächlich in der Lebensweise und ganz besonders in der Lebenseinstellung jedes Einzelnen. Ängste, Sorgen, Stress und falsche Glaubenssätze – das sind die Faktoren, die maßgeblich den Alterungsprozess beeinflussen. Auch Sie können sich nun von diesen „Altersbeschleunigern“ befreien und Ihre eigene Verjüngungskur antreten.
Wollen Sie wissen, warum einige Menschen scheinbar mühelos und zufrieden durch das Leben schreiten, ohne dabei Problemen auszuweichen oder allen Genüssen zu entsagen?
Folgen Sie Schritt für Schritt einer spannenden tiefenpsychologischen Analyse, mit der jeder Mensch den Alterungsprozess aufhalten und den inneren Frühling wieder zum Erwachen bringen kann – entdecken Sie Ihren ganz persönlichen Jungbrunnen!

Andreas Winter, Dipl.-Pädagoge, leitet als psychologischer Berater das Institut Powerscout in Iserlohn. Mit seiner Buchreihe „Der Psychocoach“ will er die breite Öffentlichkeit von seinen wissenschaftlichen Erkenntnissen profitieren lassen. Seine Methode umfasst die Techniken der tiefenpsychologischen Analyse, Elemente der Neurolinguistischen Programmierung (NLP) und das Arbeiten mit bildhaften Vorstellungen. Andreas Winter ist Mitglied der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte.


Interview mit Andreas Winter über sein Anti-Aging-Konzept

Anti-Aging ist ein weit verbreitetes Schlagwort und geistert als Modethema durch die Medien. Was können Sie den angeblichen Wundermitteln aus Medizin und Kosmetikindustrie entgegensetzen?
Ich bin davon überzeugt, dass Kosmetikprodukte, plastische Chirurgie und Nahrungsmittelergänzung nicht in der Lage sind, die Ursachen für vorzeitige Alterung aufzulösen. Es lässt sich beobachten, dass unglückliche, unerfüllte Menschen durch diese äußeren Eingriffe oftmals eher unharmonischer aussehen und nur selten dauerhaft zufriedener werden. Ich halte die Tricks zur Verschleierung der Spuren einer bedrückenden Biografie nicht nur für gefährlich, sondern auch für völlig überflüssig, weil sich ein Mensch durch ein bisschen moderne Tiefenpsychologie von innen heraus verjüngen kann, zumindest aber wieder ein harmonisches Äußeres bekommt.

Die Ratgeber aus der Psychocoach-Reihe sind sehr erfolgreich. Worin besteht das „Geheimrezept“ dieses Erfolgs?
Vermutlich in der Einfachheit meiner Argumentation. Ich sage in meinen Büchern eigentlich nur das, was fast jeder schon immer vermutet hat, aber bislang nicht glauben durfte. Ich untersuche die Dinge, die aus ideologischen Gründen oft negiert werden. Meine Grundaussage lautet: „Denkst du anders, lebst du anders!“, was nichts anderes bedeutet, als dass durch die Veränderung von Glaubensmustern Veränderungen im Verhalten und letztlich in der körperlichen Gesundheit erzielt werden können. Da sich Gedanken und Gefühle bislang nicht wissenschaftlich exakt fassen ließen, distanzierte sich die Naturforschung von der Geisteswissenschaft. Der Schulterschluss dieser beiden Strömungen scheint aber nun geglückt: Ich zeige, dass sich menschliches Verhalten exakt ableiten lässt.


Ein Grundgedanke Ihrer Arbeit wird mit dem „Algorithmus der Psyche“ ausgedrückt. Was meinen Sie damit und worin besteht seine Auswirkung auf den Alterungsprozess?
Der Algorithmus der Psyche besagt, dass die Grundmotivation eines jeden Menschen die möglichst widerstandsfreie Entfaltung seiner Absichten ist. Die Verwirklichung dessen, was ein Mensch will, hat immer Vorrang vor dem, was er muss. Um seine Absicht zu verwirklichen, nimmt ein Mensch Krankheit, Armut und Tod in Kauf. Wenn dieses Bestreben der eigenen Psyche genau erkannt und begreifbar gemacht ist, kann ein Mensch absichtsvoll nachhaltige Strategien zum Wohlbefinden verfolgen. Anstatt beispielsweise unter Fließbandarbeit zu leiden, könnte der Arbeiter bewusst begrüßen, dass er die Möglichkeit zu dieser Aufgabe hat. Dieselbe Sache wird nicht länger als Belastung empfunden, wenn man den subjektiven Sinn für sich erkannt hat. Alles, was wir absichtsvoll tun, schadet uns in psychischer Hinsicht nicht und kann somit auch keinen chronischen Leidensdruck erzeugen. Wer freiwillig lebt, altert nicht – er reift. Wer sein Leben dagegen als Last und Pflichtprogramm empfindet, dem sieht man dies in der Regel auch an. Das Leben scheint sich automatisch zu verlängern, je absichtsvoller man es gestaltet.

Eine radikale Konsequenz bestimmter Anti-Aging-Philosophien besteht im Wunsch nach Überwindung oder Abschaffung des Todes. Wo endet Ihrer Meinung nach die Selbstbestimmung des Lebens?
Ich vermute, dass ein Mensch die Lebensqualität der Lebensquantität vorzieht. Einen Beleg dafür finden wir etwa beim Suizid, beim organschädigenden Drogenkonsum oder auch beim Tötungsverlangen in der Sterbehilfe. Ich denke, die Selbstbestimmung des Lebens darf nirgendwo enden, denn niemand kann die Verantwortung für das Leben eines Menschen übernehmen. Wenn ein Mensch entscheidet – und sei dies noch so unbewusst oder wenig nachvollziehbar –, dass sein Leben nicht mehr lebenswert ist, sollten wir alle dies respektieren.
Jedoch bin ich davon überzeugt: Wenn man einem Menschen wieder Lebensqualität in Aussicht stellt und diese auch ermöglichen kann, wird dazu niemand „Nein, danke!“ sagen. Wir alle wollen leben, aber eben nicht um jeden Preis. Es ist meiner Ansicht nach ein moralisches Vergehen, wenn ehrgeizige Mediziner einen Menschen „auf Teufel komm raus“ mit technischen oder medikamentösen Hilfen am Leben erhalten, selbst wenn weder Aussicht auf Heilung noch auf ein würdiges, also selbstbestimmtes Leben besteht. Einem Menschen das Sterben zu „verbieten“ ist anmaßend und freiheitsberaubend.

In Ihrem neuen Ratgeber unterscheiden Sie zwischen „Alter“ und „Reife“. Welche Möglichkeiten gibt diese Unterscheidung an die Hand, um den biologischen Verfallsprozess zu beeinflussen?
Mein Vorschlag ist folgendes Modell: Solange ein Mensch sich entwickelt, reift er. Wenn ein Mensch sich nicht mehr entfalten kann, wenn er zum Opfer seiner Lebensumstände wird, beginnt das Altern. Der biologische Verfall zeigt an, wo der Machtbereich eines Menschen offenbar endet. Man kann an der Psychosomatik deutlich ablesen, in welchen Eigenschaften ein Mensch an die Grenze seiner Entwicklungsfähigkeit stößt. So deuten ausgeprägte Tränensäcke auf unterdrückte Wut, graue Haare auf stetig erlebte Bevormundung und ein krummer Rücken auf Überforderung und Angst vor Ablehnung hin. Mit modernen psychologischen Techniken kann jeder Mensch diesen Verfall stoppen und teilweise wieder einem Entwicklungsprozess zuführen.

Besteht Ihrer Meinung nach die Gefahr, dass der Fortschritt in Medizin und Pharmazie auch die Ausbreitung einer Wegwerf-Mentalität nach sich zieht und der Umgang mit der Gesundheit ausschließlich ökonomischen Kriterien unterworfen wird?
Leider ja. Ich fürchte, dass wir fast alle im Geiste der „Wegwerf-Mentalität“ aufgewachsen sind und nur mühselig begreifen, dass „neu“ nicht immer „passend“ ist. Ich erinnere an den Fall des Australiers, der seine transplantierte Hand regelrecht gehasst hat, so dass sie wieder explantiert werden musste; oder auch die so genannte Katzenfrau, die nach über zwanzig schönheitschirurgischen Eingriffen von einer Depression in die nächste stürzt, weil ihr Äußeres nicht im Geringsten mehr mit der Frau zu tun hat, die sie in Wirklichkeit ist. Es ist schlichtweg unverantwortlich, wenn in einigen Staaten Organhandelkriminalität betrieben wird, nur weil in den Abnehmerstaaten für Herz und Nieren ein „Ex-und-Hopp“ mit dem eigenen Körper praktiziert wird. Der echte, authentische, DNA-zugehörige Körper lässt sich nicht ohne psychische Folgen so einfach ersetzen.

Der demografische Wandel hat dazu geführt, dass der wachsende gesellschaftliche Einfluss der „Alten“ spürbar wird. Allenthalben ist z. B. von „Silver Generation“ oder „Best Ager“ auch als werberelevante Zielgruppe die Rede. Was kann „Anti-Aging“ in diesem Zusammenhang bedeuten?
Wenn die Alten nicht nur älter, sondern auch vitaler werden, wenn Alter kein Schimpfwort, sondern eine Anerkennung der Lebensmeisterung wird, dann haben wir wieder eine Gesellschaft, in der die Älteren eine politische, soziale und wirtschaftliche Größenordnung einnehmen, an der niemand vorbeikommt. Wenn künftige Generationen bis weit ins hohe Alter arbeiten, so wie beispielsweise in einigen Regionen Chinas, werden diese Menschen auch auf dem Erhalt ihrer Lebensqualität beharren und ihr Geld vielleicht nicht nur für gute Ernährung und die Enkelkinder ausgeben, sondern – und der Trend zeichnet sich bereits ab – für Reisen, Wohnkomfort, ja sogar Bildung. Das macht ein gesellschaftliches und ökonomisches Umdenken erforderlich.

Hat der Ausdruck „in Würde alt werden“ heutzutage noch einen Sinn?

Ich würde alt werden, könnte ich in Würde alt werden. Im Ernst: Das Leben eines Menschen sollte jeden Tag von Würde geprägt sein. Wer es geschafft hat, lange und vital zu leben, der hat den vollsten Respekt und damit auch die Unterstützung der ganzen Gesellschaft verdient. Allerdings möchte ich deutlich betonen, dass auch die Würde unserer Kinder von uns allen neu entdeckt werden muss. Wir scheinen derzeit in einer Gesellschaft zu leben, in der nur derjenige zählt, der über ein steigerungsfähiges Einkommen verfügt. Davor und danach sind wir offenbar nur geduldet. Wer bestimmt über den Wert eines Menschen? Der Konsum? Es ist gut, die Alten schätzen zu lernen; ganz generell darf Menschenwürde nicht an Bedingungen wie Kaufkraft und Produktivität geknüpft werden
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