Iranischer Frühling (Original)
© Aramesh
... In welcher Gasse der Zeit
ist der Frühling verloren gegangen,
dass die Vögel nicht mehr singen?
Auf meinen grünen Augen,
wachsen schwarze Tulpen
unter der Sonne des Vergessens.
Statt süßer Küsse huschen
Ratten über Granatapfelmünder
und pressen Pflaster darauf.
Rechenaufgaben mit Blut
auf Stein geschrieben werden gelöscht
durch den Klang der Peitsche.
Murmelnde Greise verschließen
Türen, auf dass schöne Mädchen
hinter den Gittern verkümmern.
Und oben auf den Minaretten
zählen schwarze Fledermäuse
die Gräber unserer Kinder.
(c) Barbara Naziri
Iran
(für Barbara Naziri, wenn auch längst nicht so,
wie sie es ausdrücken kann)
Bei mir kam der Schah
Von Persien zum Abendbrot
... Auf dem Küchentisch aufgeschlagen
Seine Soraya und später die Farah Diba
Bei mir kam Persien
In der Schule vor, schöne Bilder
Von kriegerischen Streitwagen, bärtigen Kriegern
Tausend und eine Nacht habe ich
Erst viele Jahre später damit in Verbindung gebracht
Und die persischen Ärzte und Verse von Liebe und Sexualität
Aber getanzt und gejubelt
Habe ich anlässlich des Sturzes des Schahs
Und mich befreit gefühlt auch von der Regenbogenpresse
Bitter empfand ich den Sieg der Mullahs
Den Rückfall in die Barbarei des Mittelalters und deren Kriege
Leid taten mir die Freunde aus dem Iran, der Verrat an ihrem Widerstand
Von Kultur war in all der Zeit
Nie die Rede, nur von Neuzeit, Technik, Glauben und abstrakter Demokratie,
so blieb unverstanden, was die Bevölkerung zu diesem Regime trieb.
Lange ist es her, dass wir für das Volk des Iran
Die Straßen mit unserem Widerstand schmückten und damit uns selbst
Längst sind wir eingefangen in der alltäglichen Rationalität faulender Kompromisse
Und verstehen nicht mehr, dass es
Auch um unser Leben geht, unsere Kultur und Identität.
Wer zu lange den Falschen aus den Händen fraß, ist bald selber dran
Gefressen zu werden.
(c) Jörn Laue-Weltring