Arved Fuchs, seit 1977 glaubhafter und erfolgreicher Polarforscher, Globetrotter und Weltumsegler der Superlative, mit einer unglaublichen Abenteurer- und Expeditionshistorie, war mit seinem aktuellen Vortrag "Nordpoldämmerung" in der Neuen Gebläsehalle in Neunkirchen zu sehen. Arved Fuchs gelang es 1989 mit Reinhold Messner zusammen als erste Menschen innerhalb eines Jahres auf Ski sowohl den Nordpol als auch den Südpol zu erreichen. Im Verlauf der Expedition schafften sie es erstmals, den gesamten antarktischen Kontinent zu Fuß zu durchqueren, in nur 92 Tagen legten beide über 2.500 Kilometer zurück. Rund 400 Gäste folgten der Einladung des Neunkirchner Kulturvereins und von Andreas Huber, Saarpfalz-Lichtblicke, selbst Anbieter von eigenen und fremden Multimediashows.
Ursache für die Expedition war unter anderem, dass 1989 Erika Bayer, eine uralte Dame aus Hannover, Arved Fuchs anrief und ihn bat, den Nachlass ihres Onkels Karl-Heinz Buck zu verwalten. Dieser wäre von Oberstleutrnant Greely wegen Lebensmitteldiebstahls 1884 im Zuge einer Nordpolexpedition erschossen worden und habe einen ordentlichen Nachlass hinterlassen, den zu erkunden sich lohne. Darin fänden sich Aufzeichnungen und Notizen, die einen genauen Ablauf der Expedition enthielten. Leider kam es nie zu der Übergabe, weil ein findiger und hellhöriger Zeitgenosse das mitbekam und den Nachlass im Namen von Fuchs abholte und an den Meistbietenden verschacherte. Eine wiederum andere besondere Form des Diebstahls.
Die Reise von Arved Fuchs und seiner Crew auf dem Segelschiff "Dagmar Aaen" (Baujahr 1931) hatte mehrere Aufgaben zu erfüllen. Einerseits die Spuren der heute (!) noch sichtbaren Reste einer gescheiterten Nordpolexpedition, genannt die "Lady-Franklin-Bay"-Expedition unter Oberleutnant Adolphus Washington Greely (1844-1935) zu sichten, die ein schreckliches und geradezu absurdes Ende nahm. Im 1. Internationalen Polarjahr 1881 entschloss sich die USA eine Expedition zu entsenden, um den neuen Plänen der gemeinsamen Forschung statt Eroberungswettbewerben Genüge zu tun.
2008 stand für Arved Fuchs noch ein Forschungsauftrag in Meteorologie an, der den Rückgang des Packeises, das Abschmelzen der Polarkappen und dessen Auswirkung auf die Eisbildung der nächsten Jahrzehnte während einer Überwinterung nördlich des 78. Breitengrads im früheren Dauereisgebiet untersuchen sollte. Durch die Erwärmung der Erde zeichnet sich ab, dass das Sommereis weitgehend ganz abtauen und im Winter eine sehr viel dünnere Schicht Eis als bisher sich bilden wird. Dem ist auch zu verdanken, dass wir heute in Gebiete vorstoßen können, in denen die frühen Nordpolexpeditionen teilweise schmerzlich aufgrund der extremen Eisverhältnisse endeten. Auch der Verschmutzungsgrad von Wasser und Luft sollte untersucht und die Eisbildung eben akribisch festgehalten werden. Auf die Müllprobleme ging Fuchs im Laufe des Vortrags auch ein. Im September 2008 ging es los.
Die Reise ging im ersten Teil des Vortrags von Hamburg an die Westküste Grönlands, durch die Davis-Straße bis zur letzten gangbaren Station Grönlands, Upernavik, und von dort in die berüchtigte Baffin Bay, in der früher durch eine riesige drehende Eisplatte so manches Schiff schwer beschädigt zum Sinken kam. Heute ist die Bay frei von Eis, das Wetter hat sich komplett geändert, es gibt sogar Gewitter. Weiter durch den flaschenhalsartigen Smith-Sund, am legendären Thule vorbei durch die Nares Straße Richtung Lincolnsee. Der Sund liegt zwischen Kanada und Grönland, am Ende Ellesmere Island am kanadischen Ufer.
Die Spuren der Greely-Expedition sind tatsächlich heute nach Eisrückgang deutlich zu sehen, die Grundmauern der 30 m langen Hütte mit Badekomfort und Heizung und andere Befestigungen, das Ganze genannt Fort Conger: Greely wollte in den äußersten Norden, glaubte, dass das Eis wie im Vorjahr nicht stark wäre, ließ sich in der Lady Franklin Bay auf Ellesmere Island von Captain Pike mit der Proteus auf kanadischen Gebiet absetzen und blieb bis 1883. Dann wollte er südwärts zur Pim-Insel am Smith-Sund zurück. Dort sollte wenigstens ein aufgefülltes Depot und neues Forschungsgerät auf sie warten, da die Abholung scheiterte. Aber die Proteus blieb auch weiter südlicher noch im Eis stecken und sank. Greelys Team erfuhr das nicht und wanderte die 200 Meilen dorthin, fand aber nur 10 Jahre alte Lebensmitteldepots und kaum mehr. Es entwickelte sich ein Überlebenskampf gegen Kälte und Hunger, obwohl Grönland und Dörfer nur 25 Meilen übers Eis entfernt lagen, Greely wusste das aber nicht. Es war auch nicht bekannt, dass in den warmen Fjorden Robben und Bären zu schießen gewesen wären. In ihrer Not ernährten sich die Überlebenden ganz offensichtlich am Ende durch das Fleisch ihrer Kameraden, die auf einem Hügel notdürftig bestattet im Eis lagen. Auch Buck war dabei, erschossen und angeschnitten. Der Skandal wurde geleugnet, Greely hat bis zu seinem Tod alles vehement abgelehnt. Beim Bergen der Überlebenden wurden Lebende und Tote in einem Schlafsack gefunden, apathische, ausgehungerte Überlebende am Ende ihrer Kräfte.
Die Dagmar Aaen blieb dann den Winter in einer Bucht bei Etah/Sirapalok für ihre Forschungsaufgabe liegen, erlebte die Polarnacht und konnte im Mai 2009 dann wieder ausschiffen. Sie fuhr durch die Davis Straße hunderte Meilen südwärts, bis sie Neufundland an seiner Westküste durch den Golf von St. Lawrence entlangreisen konnten. Von L'anse aux Meadows bis Sydney Nova Scotia, Kanada, ging die Reise vorbei an wunderbaren Landschaften und Städtchen, schließlich zur Dingle Island nach Irland, an der Westküste nach Iskea, Tory Islands, rüber zu den Orkney Islands, und von dort durch die Nordsee nach Hamburg zurück. 23.000 km und 462 Tage auf Expedition mit einem unvergleichlich guten Oldtimer-Schiff und um einen Riesenschatz an Erfahrungen reicher. Ein spannender, abendfüllender und fließender Vortrag von Arved Fuchs, der etwas an Raimund Harmstorf erinnert, reichlich Bild- und Filmmaterial und ganz viel Überblick über die Geschichte der Polarforschung und Ausmaß der Entwicklung des Eises seit 130 Jahren bietet.