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Montag, 19. März 2018

Wie war's bei "L'Africaine - Vasco da Gama" in der Frankfurter Oper?


Wer sich noch nicht mit Giacomo Meyerbeer als Komponisten beschäftigt hat kann in Frankfurt a.M. in der Oper einen interessanten Einstieg wagen, wobei für Einsteiger historisch unveränderte Inszenierungen vielleicht ein authentischeres Bild zulassen. Operngänger mit Erfahrung in der interpretatorischen Kolorierung durch die Regie finden im Frankfurter "Vasco da Gama" eine überaus gelungene Variante mit einer völlig neuen Szenerie.

Seine Oper "L'Africaine - Vasco da Gama", 1865 in der Opéra Paris uraufgeführt, bietet ein reichhaltiges Geschehen, sehr viele Gesangspassagen, ein interessantes historisches Ereignis, die Entdeckung Indiens durch die Portugiesen, die ab dem 12. Jahrhundert mit der Weltentdeckung begannen, und einen gewissen Monumentalismus durch sehr viele Sänger und reichhaltiges Treiben auf der Bühne.

Giacomo Meyerbeer wurde 1791 in Tasdorf, Mark Brandenburg als Jakob Liebmann Meyer Beer geboren, starb 1864 in Paris und wurde in Berlin begraben. Er war ein deutsch-jüdischer Komponist und Dirigent, der völlig zu Recht zu den erfolgreichsten Opernkomponisten des 19. Jahrhunderts zählt und die französische Grand opéra in PAris zur Perfektion entwickelte. Ein Mann von Rang und Namen, der u.a. Ritter der Ehrenlegion, des Sächsischen Verdienstordens und Mitglied des Senats der Berliner Akademie der Künste war. Seine religiöse Herkunft minderte seinen Beliebtheitsgrad dezent nach Wagners antisemitischen Schriften und verhinderte die Aufführung seiner Werke total ab Wirksamkeit der NS-Ideologie und -Gehirnwäsche. Auffälligerweise kam diese Oper erst 2013 in Chemnitz, 80 Jahre  nach der braunen Gewaltexplosion mit Rassen- wie Ausländerwahn und Judenhass wieder auf die Bühne. Nicht nachzuvollziehen, warum man seine Werke so lange weggesperrt hatte.


Michael Spyres (Vasco da Gama)(c) Monika Rittershaus
Die Frankfurter Inszenierung von Tobias Kratzer wagt einen interessanten historischen Spagat. Im Inhalt und Text geht es um die Entdeckung Indiens mit den stolzen Schiffen der Portugiesen um 1500, auf der Bühne befinden wir uns mitten in einem Science-Fiction-Film, mit möglichen Vorbildern in Kubricks "2001: Odyssee im Weltraum", "Raumschiff Enterprise" oder "Star Wars". Kratzers hochinteressante Space Opera holt das Apollo-Zeitalter an Bord, bringt außerirdische menschenähnliche Wesen und deren "Eroberung" durch unser unermüdliches Bestreben, fremde Planeten finden und erobern zu wollen, ins Beziehungsspiel - und die skrupellose Gesinnung der Eroberer, das Gefundene auszuschlachten, zu vermarkten. Wir sehen die Zukunft, die noch nicht da ist, wir haben keinen Kontakt zu außerirdischen Völkern, aber er könnte überraschend entstehen. So wie Indien, Brasilien, die Westküste Afrikas, das afrikanische Kap im Süden, der Kongo, Mozambique, China und Borneo ab 1480 bis ins 16.Jahrhundert hinein vorwiegend von Portugiesen entdeckt wurden, warten Planeten in einem unendlichen Weltraum darauf, besucht zu werden. Gehen unserer Weltwirtschaft die Ressourcen und die Lagermöglichkeiten für all den Müll aus, müssen geeignete Planeten herhalten, sie als Ressourcenquelle und/oder Lagerort einzusetzen.

Auf der Bühne eine Mission der Raumfahrer, einen Planeten wie Jupiter mit erdähnlichen Lebensbedingungen, und vor allem Bodenschätzen, Völkern, die Handel treiben wollen oder schlicht "versklavt" werden können! Kratzer spielt Videos zur Weltraumfahrt aus den 70er Jahren ein, die portugiesischen Karavellen sind Raumschiffe, Besuche und romantische Dates finden schwebend im Weltraum statt. Wie steril! Aber das wird unsere Eroberer erwarten, auch der Blick aus der riesigen Windschutzscheibe ins All mit darauf projizierten Radarschirmen und Messergebnissen sind unserer momentanen Erlebniswelt sehr nahe, wenn auch die Star Wars-Autoren noch ganz andere Instrumente vorstellten.


Vasco betritt Don Pedros Schiff
vorne v.l.n.r. Brian Mulligan (Nelusko), Claudia Mahnke (Selika),
Michael Spyres (Vasco da Gama; bedroht von zwei Statisten),
Andreas Bauer (Don Pedro) und Kirsten MacKinnon (Ines),
umrahmt von Chor und Extrachor der Oper Frankfurt
(c) Monika Rittershaus
Vasco (der Eroberer prima besetzt mit Michael Spyres, Tenor, USA) liebt Ines (erst Schweizer-Bünzli-mäßig, dann attraktive Futurefrau, Sopran, Kirsten MacKinnon), war ohne sie im Auftrag Portugals unterwegs im Pazifik und 1498 fast in Indien, auf einer Insel davor, dort nahm er zwei Sklaven mit, die blauhäutige Selika (total verfärbt, aber gefühlsecht Claudia Mahnke), die in Wahrheit Königin ist, und Nelusko, ihr Bodyguard in Gestalt eines blauen Hulks (TV-Figur, richtig fantasygeformt und stark wie Herkules Bariton Brian Mulligan, USA). Die zweite Mission wird vom Rat abgelehnt, Vasco landet wegen seiner Proteste im Gefängnis. Ines heiratet Don Pedro (wunderbarer Bass von Andreas Bauer), um ihren Geliebten freizukaufen. Der wiederum verschenkt Selika, die ihm auf der Rückreise ans Herz wuchs, und vor allem umgekehrt,  an Ines, um die Bedeutung der Sklavin für ihn herunterzuspielen. Don Pedro hat den Auftrag für die zweite Reise bekommen und fährt mit seiner neuen Frau und Selika los, Nelusko soll sein Lotse sein. Der führt die Portugiesen an der Nase herum und in die Irre. Vasco war unterdessen auf eigene Kosten gestartet und schneller als Don Pedro. Er holt sie ein und betritt das Schiff, um eine Kursänderung durchzusetzen. Don Pedro lässt ihn verhaften und will ihn hinrichten. Selika nimmt Ines daraufhin als Geisel, erzwingt die Freilassung Vascos. Ein Unwetter schwächt Schiff und Besatzung, die bereits im Einzugsbereich von Selikas Reich segeln. Selikas Leute nehmen das Schiff ein, bringen die Besatzung um. Nur Vasco, Ines und andere Frauen werden verschont, sollen aber unter dem giftigen Manzanillo-Baum eingeschläfert werden. 


Selika nimmt Ines als Geisel
v.l.n.r. Brian Mulligan (Nelusko), Claudia Mahnke (Selika) und
Kirsten MacKinnon (Ines)
sowie Chor und Extrachor der Oper Frankfurt
(c) Monika Rittershaus
Vasco wird durch Intervention von Selika verschont, die Königin behauptet eine Vermählung habe stattgefunden, Nelusko muss es bestätigen. Eine Nachfeier und ein Liebestrank mit Vollzug der Ehe als Wirkung besiegelt alles. Ines floh unterdessen vor der giftigen Ausdünstung des Baumes, trifft Vasco und hört von der Vermählung. Selika erwischt beide, schickt Vasco fort und will Ines töten, die allerdings ihr Leben für das von Vasco geben will. Selika erkennt ihre Größe, schenkt ihr das Leben und  verzichtet auf Vasco. Beide dürfen auf Vascos Schiff zurück. Selika begeht Selbstmord unter dem tödlichen Baum, imaginiert in der Betäubung ihre Vereinigung mit Vasco für immer (eine wunderbare All-Idylle, Vasco, unterentwickelter "Mensch" braucht seinen Sauerstoffhelm), bis Nelusko sie noch einmal vor ihrem Entschlafen aufweckt, um ihr zu zeigen, dass Vasco mit seinen Soldaten zurückkehrt. Die Königin stirbt, während ihr Volk niedergemetzelt wird, das Land ist durch das Pflanzen der Vasco-Flagge symbolisch erobert, wie seinerzeit der Mond.

Eine prächtige Oper, voller Handlung und Events, die Lust macht auf mehr Meyerbeer-Produktionen. Ein Abend voll mit berauschender und spannender Musik, die äußerst positiv beim Publikum ankam. Langanhaltender und tosender Beifall.