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Donnerstag, 29. August 2013
Endlich: Fragwürdige Dokumente von Behörden veröffentlichen :-)
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Mittwoch, 5. Juni 2013
Wie war Elfriede Jelineks "Winterreise" in Kaiserslautern?
Fotos: Stephan Walzl |
Eine große und im Pfalztheater Kaiserslautern toll gemeisterte Herausforderung für die Bühne ist Elfriede Jelineks "Winterreise". Gesehen am 31.05.2013, der letzten Aufführung in der Saison. Ein Zustandsbericht aus dem Kopf der Autorin quasi, ein unerbittliches Reflektieren über das Leben, den Tod, die Zeit, den Verlust des Bewusstseins, des Verstandes im Zeichen von Demenz, psychiatrischer Erkrankungen und durch das Vergehen von Zeit. Im Pfalztheater von Martin Kloepfer sehr interessant und multiperspektivisch auf die Bühne gebracht. Keine Namen, keine greifbaren Figuren, alles nur Ahnung und Zuordnung durch das Spiel der Dinge ... Ein biografischer Bezug, die Mutter, ein herrischer Mensch, eine Intolerante und Dominante, der Vater in die Psychiatrie eingewiesen, in diesem Theaterstück wird alles lebendig. Mit einem Exkurs in die Welt der Sexualität, Exhibitionismus, in die Welt des Datens über Internetseiten, als letzte Chance noch jemanden kennenzulernen, die Fastschon-Sucht der Tochter, von der Mutter kommentiert und abgelehnt.
Das erzählende Ich aufgespalten in Heiminsassen, psychisch Kranke, Familienangehörige, Männer aus dem Internet und in eine Art Jury am Regietisch am Kopfende der Spielfläche. Dominique Bals als Harlekin mit Henning Kohne unterwegs, in drei Runden kommentieren sie das Geschehen zu Beginn mit "Scheiße", dann "Super", zur ironischen Deutung der Altensituation in Heimen oder Psychiatrie, oder "Seltsam" angesichts des Todes. Rainer Furch als Regisseur und Vater der Autorin, Hannelore Bähr als Regisseurin, Mutter von Jelinek, die den Vater zu Hause nicht mehr sehen will, "Er hat zu Hause nichts mehr zu suchen", Natalie Forester als die junge Autorin, fassungslos über die Entrücktheit ihres Vaters, unsicher in Datingangelegenheiten - "Die Guten schickt man weg, die Schlechten fi*** man" - und an Mutter und Schwester gebunden (ausgeliefert im Keller wie das Langzeitentführungsopfer Natascha Kampusch?), Elif Esmen als Schwester und in weiteren Rollen.
Die Regisseure, Beobachter, Kommentatoren im Spiel machen die Geräusche zum Abendessen der Altersheim-/Psychiatrieinsassen, schlürfen, gießen Wasser um, Rühren mit dem Löffel in der Tasse, tragen dabei Gedanken über die Zeit vor, rezitieren Gedichte von Wilhelm Müller, spinnen sie weiter und dichten sie um. Auch Franz Schuberts Lieder, die dem Stück seinen Namen gaben, werden integriert. Ein wunderbares Mittel, Dementen den Eindruck zu vermitteln, dass sie wirklich aus einem ganz bestimmten Grund warten, nämlich auf einen Bus zur Weiterfahrt, wird mit einer Haltestelle zum Tod verglichen. Das Alter, der Rest des Lebens, wartend, zeitverlustig, alles löst sich auf.
Fast wie Becketts Figuren in "Endspiel" oder "Glückliche Tage", die die Sinnlosigkeit und Vergeblichkeit beklagen, auch bei Jelinek: "Geschichte und Zeit wiederholen sich nicht ..." Sie gehen immer weiter, alles Gedachte ist vorbei, wenn es gedacht wurde. Die Zeit steht am einen Ende einer Strecke, das Ich am anderen, das Ich ist das eine Ende der Zeit. Selbst Gegenwart versteht sich nicht mal mehr als Gegenwärtiges, der Tod lächerlich. Eine angestrandete Frauenleiche zum Feixen: "Was soll ich mit diesem Gegenstand"?
Alles ist irgendwo Zitat, aber auch Eigenes. Gehaltvolle Aussagen und Reflexionen über das Alter und Vergessen jagen einander: "Wieso begegne ich nie der Zeit?", "Ich falle! Das kommt davon, wenn man im Jetzt leben will, aber Jetzt gar nicht ist!", "Wir haben das Hotel zum Totenacker schon gebucht." Oder der Vater: "Ich werde das Ende nicht erreichen, weil ich den Anfang nicht mehr sehe, alles löst sich auf." Der Sprung in die Grube nur noch ein Jux.
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Montag, 4. April 2011
Ausschnitt aus Thomas Bernhards Theaterstück "Die Berühmten"
Thomas Bernhard hatte am 9. Februar Geburtstag (Jg. 1931) und am 12. Februar war sein Todestag (1989). Welcher Autor hat noch für so viel Wirbel gesorgt, so viele bissigen und humorvollen Tiraden, Schimpfkanonaden losgelassen in seinen Werken wie Bernhard? Mit 10 Jahren musste er in ein nationalsozialistisches Erziehungsheim, weil er Konflikte mit seine Mutter hatte. Mit 12 Jahren kam er ins NS-Internat und mit 15 Jahren brach er seine Schulkarriere ab, er verachtete die Schule als „Geistesvernichtungsanstalt“. Mit 27 begann er seine schriftstellerische Karriere, arbeitete als Journalist und war bereits seit 1949 an Lungentuberkulose erkrankt. Viele seiner Werke, zum Beispiel "Frost", "Das Kalkwerk", "Ein Fest für Boris" und "Holzfällen" wurden Skandale. Eine Kostprobe aus einem unbekannteren Theaterstück von 1976 ("Die Berühmten"):
"VERLEGER Und keine Literatur ohne Verkrüppelung
BASSIST zu Max Reinhardt
Und Sie lieber Reinhardt
zu Helene Thimig
Und Sie liebe Helene Thimig
zu Alexander Moissi
Und Sie mein lieber Moissi
zu Lotte Lebmann
Und Sie meine verehrteste Lotte Lehmann
Alle verkrüppelt
jeder hat seine Verkrüppelung
Nur wird sie nicht zugegeben
der Künstler gibt seine Verkrüppelung nicht zu
aber er schlägt Kapital aus seiner Verkrüppelung
Ganz abgesehen von unserer verehrten Elly Ney
und von unserem verehrten Richard Mayr
unserem unvergesslichen Ochs von Lerchenau
zu Samuel Fischer
Sie können ein Lied singen über das
wovon ich spreche
REGISSEUR Wenn die Künstler
gleichgültig ob es sich um die sogenannten schöpferischen
oder die sogenannten interpretierenden
die ja im Grunde auch schöpferische sind handelt
tot sind
tot sind meine Herrschaften
wenn sie tot sind
kommt zum Vorschein
was sie zeitlebens verschwiegen haben verheimlicht haben
ihre Verkrüppelung
im Geiste oder im Körper das ist gleich
Das Genie ist ein durch und durch krankhafter und verkrüppelter Mensch
und ein durch und durch krankhafter und verkrüppelter Charakter
ruft aus
Fragen Sie die Ärzte
was zum Vorschein kommt
wenn sie an die Leiche eines Künstlers gehen mit
dem Skalpell
BASSIST schaut auf die Uhr
Die Gundi
lässt uns alle sitzen
Die berühmtesten Leute
lässt sie sitzen
VERLEGER Sie ist ein Star Herr Baron
der jüngste absolute Star Herr Baron"
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Thomas Bernhard
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