Harma-Regina Rieth: Verführung, zurzeit bis 06.04.2014 mit der Ausstellung SCHRECKLICH SCHÖN (Die Frau zwischen Werbung und Rollenzwang) in Birkenfeld / Nahe im Maler-Zang-Haus |
In meinem Garten neben der Mauer
da steht ein alter riesiger Baum
mit halbreifen Kirschen behängt in der Sonne
darin sitzt der Vogel schon auf der Lauer
träumt immer neu seinen einzigen Traum
von reifen Kirschen, von lockender Wonne
dann, nach sieben Tagen flüstert ein Reigen
nimm mich, hol mich, pflücke mich gleich
und jede will dass er als Erste sie nähme
von überall lockt es ihn aus den Zweigen
so rot, so süß und so rund und so weich
nur eine wünscht, dass er noch nicht käme
sie hängt ganz oben im Kirschengeäst
bittet ihn, dass er nicht nach ihr greife und
mag sich ihm jetzt noch nicht geben
und die Zeit, die sie braucht ihr noch lässt
für besondere Schönheit und süße Reife
sonst hätt er für immer die Chance vergeben
die süßeste, reifeste, saftigste Frucht
vom ganzen Baum, und andren gar zu besitzen
der Vogel hält ein, sieht das Kirschlein erbeben
dann fliegt er eilig davon und besucht
im Kirchengeäst die anderen Spitzen
denn überall ruft ihn lockend das Leben
nimmt hier eine feste und ganz große Helle
und dort eine weiche, dunkle, ganz Reife
holt sich dort zwei kleine Rote zugleich
findet eine besonders Süße an anderer Stelle
und jede lockt, dass er nach ihr greife
dann fliegt er zum Wipfel, findet sie gleich
sie wiegt sich ganz saftig im Abendlicht
und flüstert, nun sollst du mich haben
er schaut voll Begehren spricht, du hattest Recht
nun bist du die Schönste, mehr Kirsche geht nicht
doch zu lang konnt ich mich anderswo laben
und jetzt ist mir einfach nur schlecht
(c) Knut Busch