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Donnerstag, 7. Januar 2016

Mannheimer Opernhaus: LA JUIVE (Premiere am 10. Januar)

La Juive 
von Fromental Halévy
Premiere am 10. Januar 2016, 19.00 Uhr, Opernhaus
Einführungsmatinee am 3. Januar, 11.00 Uhr, Theatercafe

Die hochdramatischen Ensembles und bravourösen Arien machten dieses Spitzenwerk mit Recht zum weltweit größten Erfolg der französischen Grand Opéra. Meister-Regisseur Peter Konwitschny erzählt hochspannend von der Liebe in Zeiten des Fundamentalismus. Man braucht keinen Opernführer gelesen zu haben, um zu verstehen, wie die von ihrem christlichen Liebhaber verratene Jüdin zur Terroristin wird und was da sonst noch vor sich geht bei diesem Konstanzer Konzil, wo der katholische Adel seinen blutigen Sieg über die Hussiten feiert, während auf der Straße der Mob sich in Pogromen gegen jüdische Nachbarn austobt. Die Oper warnt vor Antisemitismus und zeigt gleichzeitig, wie schnell jede Art von religiösem Dogma zu Hass und Gewalt führt. Das fundamentalistische Klima macht nicht nur die Liebe zwischen Jüdin und Katholik unmöglich, es bringt auch zwei Väter in schlimmste Konflikte. Der Jude Éléazar muss in seiner berühmten Arie „Rachel, quand du Seigneur“ nicht nur erkennen, dass er sein Versprechen, das Kind zu beschützen, nicht halten konnte, sondern auch, dass er selbst und sein religiöser Extremismus es sind, die seine Tochter dem Henker überliefern. Aber auch der Kirchenfürst Brogni kann seinen Vorsatz der christlichen Nächstenliebe nicht auf Dauer einlösen und muss erleben, wie seine Menschlichkeit an seiner politischen Funktion, die ihn immer wieder Todesurteilen zwingt, zerbricht. Nur einmal scheint kurz Hoffnung auf – wenn sich im Gefängnis zwei Frauen, die eigentlich Rivalinnen sind, gegen die Grausamkeit der Welt verbünden. Mit ihrer tiefen Auslotung der Charaktere und der aktionsreichen Tragik wie Komik sinnlich erfahrbar machenden Spielweise garantiert diese dichte Inszenierung ein Musiktheater-Erlebnis der Extraklasse.

Es inszeniert Peter Konwitschny, einer der wichtigsten und streitbarsten Regisseure des internationalen Musiktheatergeschehens der letzten Jahrzehnte. Mit seinen Inszenierungen hat er Maßstäbe gesetzt und kontroverse Diskussionen ausgelöst. Peter Konwitschny erhielt 1988 den Kunstpreis der DDR, 1993 den Konrad-Wolf-Preis der Berliner-Akademie der Künste, 1997 das Bundesverdienstkreuz, 2005 den Berliner Theaterpreis und 2007 den Preis des Internationalen Theaterinstituts. Er war fünfmal „Regisseur des Jahres“ (Opernwelt). Mit La Juive ist erstmals eine Regiearbeit Peter Konwitschnys am Nationaltheater Mannheim zu sehen.

Eine Koproduktion des Nationaltheaters Mannheim mit dem Kunsthuis Opera Vlaanderen (Belgien)

Mit freundlicher Unterstützung von Deloitte

Musikalische Leitung Alois Seidlmeier- Inszenierung Peter Konwitschny - Bühne und Kostüme Johannes Leiacker- Licht Manfred Voss- Konzeptionelle Mitarbeit und Dramaturgie Bettina Bartz - Produktionsdramaturgie Antwerpen/Gent Luc Joosten - Dramaturgische Betreuung Mannheim Merle Fahrholz - Chor Francesco Damiani

mit Astrid Kessler / Ludmila Slepneva (Rachel) - Roy Cornelius Smith / Zurab Zurabishvili (Eléazar) - Andreas Hermann / Juhan Tralla (Léopold) - Vera-Lotte Böcker / Estelle Kruger (Princesse Eudoxie) - John In Eichen / Sung Ha (Cardinal de Brogni) - Joachim Goltz / Jorge Lagunes (Ruggiero)

Chor, Orchester und Statisterie des Nationaltheaters Mannheim

die nächsten Vorstellungen: 12. (B-Premiere) , 20., 28. Jan., 5. Feb.


www.nationaltheater-mannheim.de; Kartentelefon: 0621 – 16 80 150

Freitag, 18. Juli 2014

Wie war's bei DER ZAUBERFLÖTE von der KOMISCHEN OPER, BERLIN, im Mannheimer Opernhaus?

Sarastro, Pamina und Tamino        (c) Bettina Straub

Die Zauberflöte verfilmt als Stummfilm-Oper, aber mit Gesang? Die Komische Oper Berlin macht es möglich. Unter der Intendanz des Australiers Barrie Kosky wurde mit sehr guter dramaturgischer Unterstützung und Erläuterung ein Feuerwerk der Einfälle, des Fantasienreichtums und der ungewöhnlichen Darstellungen verwirklicht.
Am 15. Juli 2014 im Rahmen des Mozartsommers im Nationaltheater Mannheim im ausverkauften Opernhaus zu sehen.

Bisweilen etwas kitschig wirkend, zu Beginn gar befremdlich und eigen, festigte sich bei den Zuschauern die Gewissheit, an diesem Abend etwas Außergewöhnliches zu sehen. Nicht bei allen, einzelne sprachen von langweilig, weil sie die Wiederholung der Bilder nicht gut fanden und etwas vermissten.

Die (komische) Oper entführte uns in die wunderbare Welt der Märchen, des Zauberlands, ein Schuss moderne Fantasyhandlung dazu. Völlig epochenübergreifend landen wir wie Träumende im Maschinenraum Leonardos und Jules Vernes, im 1770 aufkommenden frühindustriellen Zeitalter mit Fesselballons (die drei Knaben in einem Ballonkorb, gehalten von einem Großfalter), Egreniermaschinen, Webstühlen, Dampfmaschinen, -boote, -wagen. Kräftige Zitate aus der Stummfilmpoesie des Filmpioniers Georges Méliès versetzen uns 100 Jahre vor, später Charlie Chaplins und Buster Keatons Slapsticks, schleudern uns zurück in den Barock zwischen 1575 und 1770 mit der Implementierung von Theatermaschinen und allerlei Realistik und Vielfalt. Theatergeschichtlich erleben wir auch eine Verwirklichung des Harlekins in der Person des Papagenos. Viele, viele Einflüsse. Kein Wunder, dass die Geistes- und Musikwissenschaftler suchen und suchen, den Stein der Weisen aber nicht finden.

Wer das überaus empfehlenswerte Programmheft der Komischen Oper liest, erkennt schlagartig, dass wir trotz der modernen Zitate ganz nahe an der ursprünglich intendierten "Maschinenoper" von Mozart dran sind. Es wird auch klar, dass der hellwache Librettist Emanuel Schickaneder in seiner Uraufführung 1791 im Theater im Starhembergschen Freihaus auf der Wieden in der Wiener Vorstadt das betonte, was auch an diesem Abend deutlich wurde: Mozart sprengte den bisherigen Rahmen der Gattungsgeschichte, mischte Volkstheater und Harlekinaden mit Märchen- und Zauberoper, zitierte und veränderte die Antike, schuf eine "Mutter aller Opern", die "Große Oper". Die Uraufführung der Zauberflöte war auch eine Anleihe beim barocken Theater, echte Tiere auf der Bühne, Kerker, Paläste, Wasserfälle und Tempel. Dazu ein gerüttelt Maß an Flugmaschinen, Pyrotechnik, Blitz-, Donner-, Regenmaschinen. Spätere, sehr stark beachtete Aufführungen waren 1816 in der Hofoper Berlin die von Karl Friedrich Schinkel, ebenfalls in Berlin von (dem damals Bayer, heute Pfälzer genannten) Max Slevogt 1928, von Oskar Kokoschka in Genf 1965 und von Marc Chagall an der Metropolitan New York 1967.

Wir kommen ganz schnell in die Welt der Fabelwesen, des Märchens und - das ist entscheidend - des Traums - in dem der smarte (Barbie-)Tamino, Adrian Strooper, vor einer Drachenschlange fliehend durch einen Wald rennt. Er ist auf der Suche nach Pamina (herrlich aus den Twenties Nicole Chevalier mit dem berühmten Bubi- bzw. Faux-Bob-Kopf der Zeit), die er nur aufgrund eines Bild unsterblich liebt. Die Projektion der Umgebung beginnt und zeigt, was passieren wird. Die gesamte Umgebung wie Handlung wird filmisch eingefangen. Die Riesenschlange wird gejagt und witzig von den drei Damen erlegt. Tamino kommt in den Bauch der Drachenschlange - ein Skelettlager - wie einst Jonas in den Walbauch. Es treten im Prinzip nur die Protagonisten auf, die vor allem durch Drehtürenmechanik schnell und unkompliziert eingeblendet werden. Sie sind so ins Geschehen integriert, dass sie die Projektionen wie realistisch behandeln. Wir haben es mit Sänger(inne)n zu tun und mit leblosen, aber bewegten Projektionen, die ein Geschehen vorgaukeln, es illustrieren. Und alles lebendig, begreifbarer machen. Die Bildersprache ist ein direkter Übersetzer und Vermittler von Bedeutung und Geschehen, was die Texte alleine gesungen nicht schaffen würden.

Schickaneder hatte damals das Unmögliche versucht und diese Vielfalt an Assoziationen realistisch illustriert und befördert durch Schauspieler, Tiere und Effekte. Die Komische Oper setzt die Schrifteinblendungen der Stummfilme als Botschaften, Fragen etc. ein, die Fabeltiere fliegend, bei Papageno (herrlicher Harlekin von Dominik Köninger) die Eulen mit plötzlicher Verwandlung zu Frauen, weil der Lebemensch sich nach Wein, Weib und Liebe sehnt! Ganz drollig die Katze, die ihn immer begleitet. Was fürs Kindliche in uns. Der Raub der Stimme bei Papageno ein Umringtsein von sprechenden Mündern, er selbst verstummt.
Taminos Zauberflöte ist tatsächlich eine reizend nackte Trickfilm-Frau mit Flügeln, die flugs wie eine Libelle durch die Gegend saust und ihre wundersamen Melodien und Stimmungswandler versprüht. Papagenos Zauberglöckchen, mollige Trickfilm-Varietégirls, leisten ihren verzaubernden Part.
Die drei Damen (echt) aus den 1920er Jahren mit Zigarette in der Spitze drei Lebedamen aus der Großstadt.
Die Königin der Nacht (beachtlich verkörpert von Beate Ritter) eine imposante Spinne, die alle einmal einfängt,

Tamino, Pamina und Pageno. Mit Beinen, Dolchen und energetischem Gedöns werden sie gemaßgeregelt, damit ihnen auch klar ist, was das für eine Macht ist. Tamino gar gefangen im Netz mit Pamina-Trugbildern.
Monostatos (ein Nosferatu-Glöckner-Biest aus den Opergewölben, furchterregend und witzig gespielt von Peter Renz), der Sklave und Vollstrecker Sarastros, kann lüstern und gefährlich wirken, nach Zauberglöckcheneinwirkung samt seinen zwölf Höllenhunden affig entschärft zu pummeligen Varietégirls, auch mal lächerlich als Angsthase wirkend.
Sarastro (ehrerbietend, mächtig, fordernd und dennoch einen Hauch weich: Bogdan Talos) hat etwas von den Großstädtern um 1900, Zylinder, Gründerzeit. Er hat etwas  Mächtiges wie ein oberster Richter oder der Großindustrielle Krupp oder Stumm aus dem Saarland. Andere sahen schon Lincoln in ihm. Sein Verhör und Prüfung von Tamino und Pamina erinnert stark an eine Szene aus Dr. Frankensteins Labor. Er ist allgegenwärtig. Wer sein Reich betritt wird von riesigen Stellvertreterköpfen und Händen beherrscht. Ihm dienen Maschinentiere, bewaffnete Affen und Flugobjekte. Ein wildes Reich der Fabeltiere. Tamino, Pageno und Pamina geraten in seine (positiven) Fänge.

Tamino und Pamina meistern alles mit Bravour, sie werden von der Königin der Nacht zeitweise beherrscht, sie versucht Sarastro zu töten, der aber besiegt die Gegenmächte und befreit das Liebespaar, "In diesen heiligen Hallen ...".  Ihre Liebe steht im zweiten Aufzug auf dem Prüfstand: die Prüfungen des Schweigens, der Versuchung, des Abschieds - "Die Stunde schlägt..." - hier trennt sie brutal ein Pendel (Anleihe bei Edgar Allan Poe?). Pamina versucht sich zu töten, aber vergebens, das Blut kehrt zurück, Wunde wird verschlossen. An dieser Stelle muss man auch auf die antike Orpheus- und Eurydike-Sage hinweisen. Die Konstellation ist umgedreht. Wo Orpheus singend mit seiner Lyra den Verlust der Eurydike beklagt, ist es hier Pamina, die Tamino bei der Schweigeprüfung zu verlieren glaubt. Schließlich noch die imposanten Prüfungen des Feuers und Wassers. À la Jules Verne geht es mit einem Aufzug zum Mittelpunkt der Erde, immer heißer, immer mehr Feuer. Dennoch kann der feuerspeiende Herr des Feuers mit der Zauberflöte zu einem sanften Zeitgenossen verwandelt werden.

Papageno dagegen fällt durch alle Prüfungen, weil er sich an nichts hält, bei der Versuchung wünscht er sich sehnlichst ein Gläschen Wein, aber als er am Ende drei Wünsche frei hat und sich immer nur Papagena wünscht, bekommt er sie auch, obwohl es nach Scheitern der Prüfung aussieht. Eine riesige Bombe platzt und die fesche Papagena im reizenden Gogo-Dessous ist endlich da. Die Bombe war mehr ein großes Knallbonbon an Fasching.

Die Königin der Nacht mit ihren drei Damen und dem übergelaufenen Monostatos werden endgültig nach ihrem versuchten Anschlag auf Sarastro besiegt. Die Liebe hat gewonnen. Die Paare, die füreinander gedacht waren, sind zusammen.

Wer also damit leben kann, dass das Dramatische humorvoll entschärft ist, die heilige Ernsthaftigkeit des Theaters sozusagen nach Art des Volkstheaters,  Zirkusvariétés und frühen Films mélièshaft und chaplinesk verändert ist, ohne an Aussagekraft zu verlieren, der kann einen wunderbar heiteren und quasi auch leicht verständlichen Abend, mit Spannungsspitzen à la Stummfilm erleben. Und nicht vergessen: Die Produktion wendet sich auch an Kinder ab 10 Jahren! Ich bin auf weitere Produktionen der Komischen Oper gespannt, sofern sie mir zugänglich sind.