Die Furien erobern Rinaldo und Almerina.
(c) Barbara Aumüller
Wer Händel mag, seine barocke Festlichkeit und seinen melodiösen Prunk, wie er bei vielen Komponisten dieser Zeit auftaucht, sollte sich in Frankfurt seine Oper RINALDO anschauen. Jetzt neu seit 16.09.2017 im Bockenheimer Depot eingerichtet entführt diese 1711 im Londoner Queen's Theatre Haymarket uraufgeführte Oper in eine Märchenlandschaft aus Mythologie und mittelalterlicher Geschichte. Händel (1685 in Halle /Saale geboren und 1759 in London gestorben) hat sich wie viele andere Komponisten bei Torquato Tasso bedient und die Figur der Armida (ein Synthese aus verlockenden, toughen und teilweise auch furchteinflößenden Frauenfiguren zwischen Dido und Medea) als Zauberin, Herrscherin der Unterwelt entliehen. Gegen ihren Liebhaber König Argante soll Rinaldo ins Feld ziehen, um sich die Heirat mit Almirena auch richtig zu verdienen. So fordert es General Goffredo, um ihn zu lehren, dass Entsagungen dem Ruhm vorausgehen. Die Entscheidung anzugreifen wird ihm durch die göttliche Hand des Komponisten und Tassos Dichterherz erleichtert, denn die Entführung von Almirena mitten aus dem Naturidyll mit Hirsch in die Finsternis der magischen Göttin aus der Unterwelt ist denn auch Anlass zur Kampfesansage. Rinaldo soll sich den Lorbeer erkämpfen.
Händels Dramma per musica in drei Akten arbeitete sehr wahrscheinlich auch im Original mit Countertenor- oder Falsett-Stimmen, denn die hohen Stimmen mächtiger Männer – fast Kastratenstimmen - waren ein Muss, um die Könige und Fürsten nicht zu erzürnen ob der kämpferischen Intentionen und Männer auf der Bühne. General Goffredo wurde von Ted Huffman (Inszenierung) zu einem schwerst gehbehinderten, fast schon querschnittsgelähmten Methusalem mit einem 150-cm-Bart und entsprechend langen Haaren zurechtgebastelt, der von Julia Dawson, einer Sopranistin, sehr echt gespielt und hervorragend gesungen wird. Rinaldo wiederum, dargestellt von Jakub Józef Orlínski, einem hochbegabten Countertenor, vermutet man gar nicht auf der Bühne, weil die Stimme so weiblich wirkt. Solchermaßen entwaffnet durften sich eifersüchtige und mimosenhaft um ihre Besitztümer und Reiche bangenden Herrscher sicher wohl gefühlt haben.
Dafür ist Rinaldo ebenso wie Almirena (zauberhaft die amerikanische Sopranistin Karen Vuong) so anziehend, dass die gegnerische Seite ganz zahm wird. Der zukünftige Ehemann ruft tatsächlich in seiner so mächtigen Frau wie der Zauberin Armida (fantastisch gesungen und gespielt von der ebenfalls amerikanischen Sopranistin Elizabeth Reiter) Liebe wach, und auch der finstere Argante (kraftvoll dunkle Mächte vertretend der amerikanische Bassbariton Brandon Cedel) geht in die Knie vor der widerspenstigen Unschuld Almirenas.
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Rinaldo fällt fast auf Armida rein. (c) Barbara Aumüller |
Die wundervoll barocke Verspieltheit wird mit Annemarie Woods minimalistischer Bühnenbild-Ästhetik ganz akzentuiert unterstrichen. Eine schräg nach hinten sich erhebende Bühne, spärliche Requisten, Licht und Theaternebel genügen. Die prächtigen, aber nicht überbordenden Kostüme der barfüßigen Protagonisten von Raphaela Rose haben ihre eigene Anziehung. Die Furien, beißende barbusige weißgekalkte halbglatzentragende Hundegeschöpfe der Unterwelt betäuben Krieger und sind auch über die Wasser erhaben. Die Furien bewegen sich unterweltlerisch anarchistisch huschend zwischen allem und jedem. Dazu Streicherpassagen in typischer Concerti-Grossi-Manier, man glaubt Vivaldi dabei. Sie locken als Sirenen mit einer Galeere und winken den verliebten Bräutigam ins Reich der Armida. Sie halten verspielt und heimtückisch die Bäume, unter denen sich die Entführung Almirenas abspielt und führen Rinaldo wehrlos an Stricken ihrer Herrin vor. Armida versucht alles, ihn zu gewinnen, sie verwandelt sich sogar mit einem verblüffenden Kostümtrick aus der schwarzgkleideten Unterweltsdame zur weißgekleideten Unschuldsdame Almirena. Rinaldo fällt einen Moment darauf herein, dann lehnt er die Zauberin ab. Sie wird ihn im finalen Kampf noch küssen, tief erstaunt zahlt er ihr das heim: Er stößt sie in den Orkus zurück. Was alles verkompliziert ist die Eifersucht, wie immer. Argante wird auf frischer Tat ertappt, weil er nämlich der in Almirena verwandelten Armida seine Liebe gesteht. Ein Übel, eine Zauberin zur Geliebten zu haben, es gibt kein Verstecken - Armida tobt und trachtet ihm nach dem Leben, aber vor allem Almirena, weil Rinaldo sie verschmähte. Jetzt kommt Väterchen Goffredo zur Hilfe und befreit mit seinen Soldaten das Liebespaar. Am Ende nehmen alle Parteien wieder ihre ursprüngliche Position ein, es ist Krieg, und nun führen sie ihn. Goffredo und Rinaldo überzeugt ihn zu gewinnen.
Ein ästhetischer Genuss mit der herrlich satten Barockmusik von Georg Friedrich Händel, der Königshäuser mit Feuerwerks- und Wassermusik berauschte und sein Publikum mit 42 Opern neben zwei Dutzend Oratorien begeisterte. Händel ist und bleibt einer der größten Musiker, den die Geschichte hervorgebracht hat.