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Samstag, 11. November 2017

Wie war's bei PETER GRIMES von Benjamin Britten in Frankfurt a.M.?

Peter Grimes (Vincent Wolfsteiner)
(c) Monika Rittershaus
Peter Grimes, Peter Grimes, Peter Grimes ..., so schallt es anklagend und mahnend dutzendfach durch die Oper, der aufwändig kostümierte und sehr gut inszenierte Chor (die Dorfbewohner und Fischer) setzt damit große Wegmarker und Zäsuren den ganzen Abend lang. Wer ist dieser Grimes, worin besteht sein Vergehen oder seine Eigenheit?

Die Oper von Benjamin Britten wurde 1945 uraufgeführt und spielt im Jahr 1830. Sie geht zurück auf die Verserzählung „The Borough“ (1810) von George Crabbe. Regisseur Keith Warner hat mit Dr. Crabbe (Michael Benthin) den Ursprungsautor in der Frankfurter Oper in diesem Erfolgstück am Geschehen beteiligt.

Peter Grimes (zerrissen und besessen, sehr beeindruckend gesungen vom Tenor Vincent Wolfsteiner) ist ein Outsider, ein alleinstehender Fischer, der, wie im Verlauf des Gesprächs mit der sozial engagierten und kinderlieben Ellen Orford (kraftvolle Stimme und interessant Sara Jakubiak, USA), einer verwitweten Lehrerin, klar wird, durch das Aufnehmen von regelmäßiger Arbeit aus seinem vorausgegangenen schwierigen Dasein von ihr herausgeholt wurde. Für Peter Grimes ist es eine unerfüllte und ungelebte Liebe. Er begehrt sie, aber sein Zerrissensein, sein Andersein, seine Besessenheit, der größte Fischer am Platz werden zu wollen, bringt alles zum Scheitern. Ellen hat erkannt, dass sie ihn nur durch eine Sinngebung und Zielsetzung aufrichten kann, und dieses Ziel bzw. diesen Sinn wurde sie selbst. Peter träumt von Glück und Ehe mit ihr, gemeinsamem Haus, Kindern und Wohlstand, aber es steht noch etwas anderes im Raum, etwas das den ganzen Abend virulent ist und nicht wirklich deutlich artikuliert. 

Seine Gewinnsucht scheint es zu sein, warum er Lehrjungen für wenig Geld aus dem Waisenhaus "erwirbt" und sie ausbilden will, vielleicht um sie später beim Fischen einsetzen zu können. In seiner Firma, seinem Unternehmen. Als Lieferant fungiert der Apotheker Ned Keene (geschäftstüchtig Bariton Iurii Samoilov, Ukraine), der auch mit Opiat für Mrs Sedley (als exaltiert-empörte Witwe die Mezzosopranistin Hedwig Fassbender) ganz gut verdient, zumal die Gute reichlich abhängig ist. In ihrer Wartezeit auf neues Laudanum trinkt sie Brandy, der wohl eine annähernde Wirkung hat, in der Dorfwirtschaft, wo die beiden Nichten der Wirtin (als kräftige Auntie Mezzosopranistin Jane Henschel) leichte Mädchen mimen, um schnell an Geld zu kommen. Der Kunstgriff des Autors Crabbe besteht auch darin die Süchte der beiden Personen in einem Apotheker zu spiegeln, der ihre "Krankheiten" versorgt. 

Es klingt neben dem Mordlüstigen noch der Beigeschmack des virulenten, aber unterdrückten pädophilen Hintergrunds mit, und eben sogar die Brisanz des Sittlichkeitsverbrechens. Alle Lehrjungen kommen um, scheinbar durch einen Unfall, einmal auf hoher See, beim letzten durch einen Sturz von den Klippen. Die Bevölkerung ist bereits stark beunruhigt, sieht ihn als Kindermörder, aber der Richter erkannte vor dem aktuellen Ereignis noch einmal einen Unfall, als Auflage empfahl man ihm, keine Kinder mehr zu beschäftigen. Captain Balstrode (imposanter Bariton James Rutherford) will ihm auch helfen und betont das ebenfalls. Wie um ihre Mordlust auszuleben jagen die Fischer einen Farbigen, den sie dann lynchen. Der kleine Lehrjunge beobachtet das. Grimes tut es weiter, er kann nicht anders, es scheint Gewalt im Spiel zu sein, der Kleine zeigt blaue Flecken und Würgemale am Hals, Ellen entdeckt das. Und prompt verschwindet der Lehrjunge. 

Der Zuschauer sieht, wie Grimes dem Jungen klarmachen will, dass der schnelle Weg zum Boot eben der den steilen Hang hinunter ist. Das mag ein steilküstenerfahrener Erwachsener noch schaffen, ein schwacher Junge jedoch nicht. Wenn dieser Weg überhaupt gangbar war. Und die Aufforderung zu gehen ist doch deutlich ein Schubsen. Der von Ellen bestickte Pullover wird zerfetzt gefunden, dann der tote Junge am Strand. Die Menge ist aufgebracht, sie fordern das Todesurteil, und sei es selbst vollstreckt: "Wer sich abseits stellt und uns verachtet, den vernichten wir." Und wieder ist es Captain Balstrode, der ihm hilft, indem er ihn zu einer Selbstrichtung ehrenhalber auffordert. Er soll sich auf hoher See versenken. Und Grimes, völlig kopflos und wahnsinnig, warum es wieder und wieder geschehen muss mit den Jungen, folgt dem Rat. Vor einer riesigen Leinwand mit dem Sonnenuntergang endet das Drama. 

Es bleibt alles so offen wie zu Beginn, und es bieten sich verschiedene Deutungen an. Das macht auch den Reiz des Geschehens aus, eine Oper mit einer eigentümlichen Verschobenheit zwischen dem Reiz der Musik, der Poetik der Worte und dem merkwürdig doppeldeutigen Geschehen. Die Räume im Bühnenbild von Ashley Martin-Davis sind groß, aber deutlich getrennt oder begrenzt durch eine sehr hohe Multifunktionswand. Akzente wie das Grimessche Fischerboot oder die Kneipe vom Sturm bedroht (nur Grimes ist mit dem Jungen auf hoher See), der Dorfrand mit Galgen und die riesige Sonne prägen sich ebenso wie das fantastische Chorgeschehen ein.

Stark bejubelte Aufführungen, begeisterte Zuschauer zeigen, dass sich die Benjamin-Britten-Aufnahmen in der Frankfurter Oper großer Beliebtheit erfreuen.

Dienstag, 12. September 2017

Wie war's bei Verdis IL TROVATORE in der Oper Frankfurt?

Die sterbende Leonora (Elza van den Heeve)
in den Armen des todgeweihten Manrico
(Piero Pretti)         (c) Barbara Aumüller 
Mit einem ganz besonderen Opernerlebnis startete das Opernhaus Frankfurt a.M. in die neue Opernsaison. Guiseppe Verdis (1813-1901) IL TROVATORE aus dem Jahr 1853 entpuppte sich wie erwartet als eine sehr gelungene Interpretation der mittleren von drei Opern zwischen Rigoletto (1851) und La Traviata (1853), mit denen Verdi seinen Ruf als Opernkomponist mit seinen Außenseiterhelden festigte. Blutige Bruderkriege (ohne dass die Beteiligten wissen, dass sie Brüder sind) um die Herrschaft und um eine gemeinsame Geliebte, Rache einer Zigeunerin für den Feuertod ihrer Mutter, Minderheiten / Randgruppen und ihre Verfolgung im ausgehenden Mittelalter, Hexenverbrennung, Opfertod u.v.m. Die dramatische Handlung spielt in den Jahren 1412 und 1413 in Spanien vor dem Hintergrund des Kampfes um die Krone von Aragón. Während der Verhandlungen kam es zu Kämpfen. Der Kompromiss von Caspe führte zwei Jahre später zu einem Schiedspruch zu Gunsten des in Caspe gewählten König Ferdinand I. Diesen Schiedsspruch wollte Jakob II. von Urgell nicht akzeptieren, er sammelte daher ein Söldnerheer und kämpfte gegen den gewählten König.

Die beiden Figuren Graf Luna (bis einschl. 12/17 der massive und sehr präsente Bariton Brian Mulligan) und Manrico (sehr überzeugender Tenor Piero Pretti als Gewinner in Liebesdingen, Verlierer in politischen Kämpfen), zwei Brüder, die nicht voneinander wissen, kämpfen jeweils auf der anderen Seite des Konflikts. Manrico ist ein Offizier des aufständischen Grafen von Urgel, und Graf Luna bei Ferndinand I. Sie sind auch Rivalen im Kampf um die Gunst der schönen Leonora (die sehr hingebungsvolle, leidenschaftliche und engagierte Sopranistin Elza van den Heever bis einschl. 12/17), die in eine Fehde hineingerät, die für sie ein fatales Ende aus Liebe nimmt. Der historische und dramatische Konflikt um die Herrschaft endet mit der Gefangennahme des Grafen von Urgell 1413 bei Saragossa, mit Hinrichtung seines Offiziers Manrico bei Verdi.

Unter der musikalischen Leitung von Jader Bignamini und dem Frankfurter Opern- und Museumsorchester entspannten sich zweieinhalb Stunden feinster Hörgenuss zwischen Dramatik und Spannung einerseits, Lyrik, Herzenstiefe und Entspannung andererseits. Der exakte Guss und die Synchronizität der Seelenzustände mit der Musik und dem Gesang sind äußerst beeindruckend. Regie führte David Bösch, der mit dem reichhaltigen und modernen Bühnenbild von Patrick Bannwart das Geschehen in einen Rahmen 500 Jahre später stellte. Videoprojektionen betonten Harmonie (Schmetterlinge) oder Chaos (Strichzeichnungen). Der Vorhang mit einer verspielten Kritzelei von Liebenden. Die Kulissen von fahrendem Zigeunervolk mit Wohnwagen und aufständischen Freischärlern mit primitiven Waffen standen im Gegensatz zu jenen der professionellen Todesbringer des hochgerüsteten Conte di Luna. Nacht, Tod und Schwärze dominieren hier. Querverweise zu Francos faschistischem Spanien und der Widerstand gegen ihn fehlten, aber Assoziationen sind durchaus möglich. Die Kostüme von Meentje Nielsen bewegten sich ebenso zwischen mittelalterlichem finsterem Kämpfer Luna mit Soldaten und Waffen des zweiten Weltkrieges, feinsinnigem Troubadour Manrico in Silberanzug und einer kessen Leonora wie Ines im smarten Petticoat der Fifties.

In Verdis Oper in vier Akten geht es vorrangig um die Liebe zweier Männer zur Gräfin Leonora, die völlig zufällig auf zwei Verehrer trifft, weil sie der fernen Stimme des Troubadours folgt. Ihm, Manrico, gibt sie den Vorzug. Es kommt u.a. zum Duell der Verehrer, beide bekriegen sich gnadenlos. Ein politischer Hintergrund (siehe oben) kompliziert alles. Luna lässt sich am Ende auf den Handel ein, Manrico zu schonen, dafür würde Leonora sich ihm hingeben. Um ihm für immer einen Strich durch die Rechnung zu machen, nimmt sie jedoch Gift ein, überrascht ihn mit ihrem Besuch bei Manrico, dem sie die ewige Liebe erklärt und in dessen Armen sie stirbt. Das macht Luna so rasend, dass er den gefangenen Manrico hinrichten lässt. Besonders brisant wird die Geschichte durch Manricos Mutter, die Zigeunerin Azucena (die stimmgewaltige Zigeunermadrone und Sopranistin Marianne Cornetti aus den USA in Krankheitsvertretung für Tanja Ariane Baumgartner). Ihre Geschichte wird im ersten Akt unter Lunas Soldaten erzählt und im zweiten Akt von der Zigeunerin als Trauma thematisiert. Weil ihre Mutter vom Vater der beiden Brüder Graf Luna und Manrico (der Name von Azucenas leiblichem Kind, das sie aus Versehen ins Feuer stieß, statt den Grafensohn Garcia zur Vergeltung des Mordes an ihrer Mutter) als Hexe verbrannt wurde, weil sie angeblich eine bösen Zauber über das Kind verhängte, fürchterliche Qualen im Feuertod erleiden musste, hat Azucena nur eins im Sinn, den anderen Sohn des Grafen tot zu sehen. Als Manrico ihn im Duell verschont, versteht sie nicht, warum er ihn nicht getötet hat. Das Schicksal erfüllt sich doch, Manrico muss unters Schafott und wird verbrannt. Der Kreis schließt sich und der wahre Grafensohn wird geopfert, Azucena und Luna werden vor ein brennendes Herz gestellt, die tote Zigeunerin ist gerächt und Manrico folgt seiner Geliebten. Luna hat seinen Bruder getötet. Die Liebe ist verewigt. Eine große Oper mit großen Stimmen, eine große Premiere in Frankfurt.
Schlussszene                                (c) Barbara Aumüller



Donnerstag, 7. September 2017

Frankfurter Oper: IL TROVATORE von Giuseppe Verdi (Premiere)

(c) Barbara Aumüller

Premiere: Sonntag, 10. September 2017, um 18.00 Uhr im Opernhaus

IL TROVATORE
Oper in vier Teilen von Giuseppe Verdi
Text von Salvadore Cammarano
nach dem Drama El trovador (1836) von Antonio García Gutiérrez
In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln


Musikalische Leitung: Jader Bignamini
Regie: David Bösch
Bühnenbild: Patrick Bannwart
Kostüme: Meentje Nielsen
Licht: Olaf Winter
Chor: Tilman Michael
Dramaturgische Betreuung: Deborah Einspieler

Conte di Luna: Brian Mulligan / Tassis Christoyannis (Dezember 2017, Januar 2018)
Leonora: Elza van den Heever / Leah Crocetto (Dezember 2017, Januar 2018)
Azucena: Marianne Cornetti* (Sopran, USA) in Krankheitsvertretung für 
Tanja Ariane Baumgartner (ab 10. September2017 /  Ewa Płonka (3., 7. Oktober 2017)
Manrico: Piero Pretti / Alfred Kim (Dezember 2017, Januar 2018)
Ferrando: Kihwan Sim / Daniel Miroslaw (Dezember 2017, Januar 2018)
Ines: Alison King / Elizabeth Sutphen (Dezember 2017, Januar 2018)
Ruiz: Theo Lebow
Ein Zigeuner: Thesele Kemane / Youngchul Lim
Ein Bote: Roberto Cassani
Chor und Statisterie der Oper Frankfurt
Frankfurter Opern- und Museumsorchester
Koproduktion mit dem Royal Opera House Covent Garden London
Mit freundlicher Unterstützung des Frankfurter Patronatsvereins – Sektion Oper

Marianne Cornetti zählt seit ihrem Debüt an der Mailänder Scala als Azucena zu den international führenden Verdi-Interpretinnen ihres Fachs. Regelmäßig gastiert sie unter anderem an den Opernhäusern in Mailand, New York, Wien, München und Berlin. Ulrica in Un ballo in maschera sang sie unter anderem an der De Nederlandse Opera in Amsterdam. In einer Neuproduktion von La forza del destino am Théâtre Royal de la Monnaie interpretierte sie Preziosilla. Auch als Eboli in Don Carlos und Principessa di Bouillon in Cileas Adriana Lecouvreur ist sie regelmäßig zu erleben. 2005 erweiterte sie ihr Repertoire um die erste Wagner-Partie: In Triest interpretierte sie Ortrud in Lohengrin. Im darauf folgenden Jahr gab sie ihr Rollendebüt als Brangäne in Tristan und Isolde am Teatro dell’Opera in Rom. Im Januar 2011 verkörperte sie Abigaille in Verdis Nabucco an der Metropolitan Opera und kehrte als Santuzza in Mascagnis Cavalleria rusticana ans Teatro alla Scala in Mailand zurück. Zuvor gab sie an der Metropolitan Opera die Azucena, sang Eboli in Bilbao und debütierte in Palermo in der Rolle der Laura in Ponchiellis La Gioconda. Amneris in Verdis Aida interpretierte sie bereits am Gran Teatre del Liceu in Barcelona sowie in Wien, Verona und beim Israeli Opera Festival. An der Hamburgischen Staatsoper gab sie 2009/2010 ihr Debüt als Santuzza, 2011/12 war sie dort auch als Amneris zu erleben. Konzertengagements führten die Künstlerin unter anderem an die New Yorker Carnegie Hall und ans Amsterdamer Concertgebouw. Partien in Verdis Requiem, Beethovens 9. Sinfonie, Elgars Sea Picture, de Fallas El Amor Brujo und Rossinis Stabat mater zählen zu ihrem Konzertrepertoire.

Mit Il trovatore, dem zwischen Rigoletto (1851) und La traviata (1853) entstandenen Mittelteil seiner vielbeschworenen Operntrias, deren Helden allesamt als Außenseiter der Gesellschaft gezeichnet sind, festigte Giuseppe Verdi (1813-1901) nach den von eher durchschnittlichem Erfolg geprägten, sogenannten „Galeerenjahren“ seinen Ruf als wichtigster Opernkomponist Italiens. Die Uraufführung am 19. Januar 1853 im römischen Apollo-Theater wurde vom Publikum frenetisch bejubelt und sicherte dem mit großartigem Melodienreichtum versehenen Werk bis heute einen festen Platz auf den Bühnen der Welt. Die letzte Produktion an der Oper Frankfurt stammt aus dem Jahre 2000 (Musikalische Leitung: Paolo Carignani; Regie: Antonio Calenda). Die aktuelle Neuinszenierung in Koproduktion mit dem Londoner Covent Garden kam dort bereits am 2. Juli 2016 heraus.
(c) Barbara Aumüller

Aus Rache für die vom alten Grafen Luna angeordnete Hinrichtung ihrer Mutter auf dem Scheiterhaufen stieß die Zigeunerin Azucena versehentlich ihr eigenes Kind statt den Grafensohn ins Feuer, zog jedoch den fremden Jungen unter dem Namen Manrico groß. Jahre später verliebt sich Manrico in Leonora, auf die auch der zweite Sohn des Grafen Luna ein Auge geworfen hat. Nur Azucena weiß, dass es sich bei den beiden Kontrahenten um Brüder handelt, und so geraten alle Beteiligten in einen tödlichen Strudel, an dessen Ende sich der Racheschwur der Zigeunerin auf das Fürchterlichste erfüllt.

Weitere Vorstellungen: 14., 17., 23., 30. September, 3. (15.30 Uhr), 7. Oktober, 15., 23., 25. (18.00 Uhr), 31. Dezember 2017, 6., 10., 13. Januar 2018.

Falls nicht anders angegeben, beginnen diese Vorstellungen um 19.30 Uhr.

Sonntag, 3. September 2017

Wie war's bei Mozarts "DIE ENTFÜHRUNG AUS DEM SERAIL" in Frankfurt am Main?

v.l.n.r. Michael Porter (Pedrillo), Thomas Blondelle (Belmonte),
Gloria Rehm (Blonde) und Irina Simmes (Konstanze)
In der Frankfurter Oper läuft in der sechsten Wiederaufnahme und im 14. Jahr Mozarts heiter-spannende Oper "DIE ENTFÜHRUNG AUS DEM SERAIL", ein Spiel der Leidenschaften, Herrschertum, Willkür, Sklavenhaltung, Ehrhaftigkeit und Treue, aufrechten Gesinnung und unendlichen Macht der Liebe, die früh schon die Beziehung zu den Orientalen und Türken thematisierte, zu dieser Zeit noch ein eroberndes Riesenheer, das bis Wien und weiter vordrang. Hier die Impressionen vom ersten Wiederaufnahmetag am Sonntag, 27. August 2017, um 18.00 Uhr im Opernhaus.


Mozart komponierte sein Singspiel 1782 für das Wiener Burgtheater. In dieser Zeit waren Entführungen und Schiffskaperungen durch die Türken und andere Piraten noch grausamer Natur, Hinrichtungen und Versklavungen an der Tagesordnung. Konstanze, eine junge Spanierin, verkörpert durch Irina Simmes, eine sehr schlanke auffallende Sopranistin mit Modelqualitäten und prächtiger Stimme, ihre englische Zofe Blonde (Gloria Rehm, eine herrlich resolute Sopranistin) und deren Freund, der Diener Pedrillo (US-amerikanischer Tenor mit Renommee und jenem gewissen Akzent), sind nach einem Seeräuberüberfall von Konstanzes Verlobtem, dem spanischen Edelmann Belmonte (überzeugender Tenor aus Belgien, eher ein Softi als spanischer Kämpfer) getrennt und auf einen Sklavenmarkt verschleppt worden. 

Glücklicherweise kauft sie der weich und gutmütig wirkende Bassa Selim, ein gebürtiger Spanier, einst Christ und jetzt gefürchteter Muslim, Renegat wider Willen. Er wird durch den Schauspieler Christoph Quest (Sprechrolle) dargestellt, der zur Premierenbesetzung dieser Inszenierung gehörte und dafür regelmäßig nach Frankfurt zurückkehrt. Bassa sorgt dafür, dass sie in seinem am Meer gelegenen Palast unter guten Bedingungen leben können. Er begehrt Konstanze, versucht sie zu gewinnen, aber die tapfere Spanierin verweigert sich und weist ihn ununterbrochen zurück. Belmonte bekam nach Monaten der Vermisstheit einen Brief seines Dieners Pedrillo und macht sich auf den Weg zu der von Pedrillo bezeichneten Küste, um die Entführten, seine Braut Konstanze, deren englische Zofe Blonde und seinen Diener Pedrillo aus dem Serail des hohen türkischen Würdenträgers Bassa Selim zu befreien. Dazu lotst ihn Pedrillo mit Selims Genehmigung als Baumeister in das Haus des Bassa. Allerdings gibt es da noch den Aufseher Osmin, von Andreas Bauer (Bass) fantastisch als baumlanger, kräftiger, aggressiver und grausamer Moslem gespielt, der wild nach den Köpfen seiner Feinde ist und nur mehrfach hingerichtete Feinde akzeptieren kann, „Solche hergelaufne Laffen“ singt er. Er hat ein Auge auf Blonde geworfen, die reichlich emanzipiert dem Türken den Kopf wäscht und klar macht, dass sie weder sein Eigentum noch seine Geliebte sein wird. Der Plan ist, Osmin zu betäuben, Pedrillo wagt es, mit der Toreroenergie im Tank „Frisch zum Kampfe, frisch zum Streite“ und im Duett: „Vivat Bacchus! Bacchus lebe!“, gibt ihm Schlafmittel in den Wein und schon kann der "Ausbruch" beginnen.
Belmonte und Konstanze fliehen zuerst, aber Pedrillo und Blonde werden vom erwachenden Osmin gestellt - Dunkelheit auf der Bühne, Stimmengewirr und Poltern -, der sich bestätigt fühlt: „Ha, wie will ich triumphieren“. Osmin fordert die Todesstrafe, Selim, der in Belmonte sogar den Sohn seines Todfeindes erkennt, der ihn in Spanien um Haus und Hof gebracht hat, willigt ein, ist er doch derselben Meinung. Eigenhändig verbindet er seiner geliebten Konstanze die Augen, um sie im Hof köpfen zu lassen. Konstanze und Belmonte nehmen verliebt und für den anderen sterben wollend Abschied vom Leben: „Welch ein Geschick! O Qual der Seele“. Der Bassa zeigt sich in einer plötzlichen Wendung, überzeugt vom Klagen der Liebenden, großmütig und schenkt den Liebenden ihr Leben und freies Geleit nach Hause. Er begründet dies damit, dass es ein weit größeres Vergnügen wäre eine erlittene Ungerechtigkeit durch Wohltaten zu vergelten als Laster mit Lastern zu tilgen. Osmin, ganz in islamischer Rache und wildem Blutrausch gefangen, fordert dagegen eine grausame Hinrichtung, obgleich er die Worte seines Bassa verblüfft akzepiert. „Nie werd' ich deine Huld verkennen“ und gleichzeitig auch: „Erst geköpft, dann gehangen, dann gespießt auf heiße Stangen“.

Die überraschende Wende am Ende, das Harmoniebedürfnis von Mozart und auch die geforderte Harmlosigkeit des Singspiels, um ja niemanden zu konsternieren, machen aus der Entführung ein heiter-trauriges Treiben, bei dem Leiden und Hinnehmen, Emanzipation und Unterwürfigkeit, Werben und Ablehnung ein kreatives Gefüge eingehen und die Oper unvergesslich machen. Unter der musikalischen Leitung von Sebastian Weigle und dem Frankfurter Museumsorchester ein Hörgenuss mit vielen bekannten Melodien und Arien.