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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Dienstag, 12. September 2017

Wie war's bei Verdis IL TROVATORE in der Oper Frankfurt?

Die sterbende Leonora (Elza van den Heeve)
in den Armen des todgeweihten Manrico
(Piero Pretti)         (c) Barbara Aumüller 
Mit einem ganz besonderen Opernerlebnis startete das Opernhaus Frankfurt a.M. in die neue Opernsaison. Guiseppe Verdis (1813-1901) IL TROVATORE aus dem Jahr 1853 entpuppte sich wie erwartet als eine sehr gelungene Interpretation der mittleren von drei Opern zwischen Rigoletto (1851) und La Traviata (1853), mit denen Verdi seinen Ruf als Opernkomponist mit seinen Außenseiterhelden festigte. Blutige Bruderkriege (ohne dass die Beteiligten wissen, dass sie Brüder sind) um die Herrschaft und um eine gemeinsame Geliebte, Rache einer Zigeunerin für den Feuertod ihrer Mutter, Minderheiten / Randgruppen und ihre Verfolgung im ausgehenden Mittelalter, Hexenverbrennung, Opfertod u.v.m. Die dramatische Handlung spielt in den Jahren 1412 und 1413 in Spanien vor dem Hintergrund des Kampfes um die Krone von Aragón. Während der Verhandlungen kam es zu Kämpfen. Der Kompromiss von Caspe führte zwei Jahre später zu einem Schiedspruch zu Gunsten des in Caspe gewählten König Ferdinand I. Diesen Schiedsspruch wollte Jakob II. von Urgell nicht akzeptieren, er sammelte daher ein Söldnerheer und kämpfte gegen den gewählten König.

Die beiden Figuren Graf Luna (bis einschl. 12/17 der massive und sehr präsente Bariton Brian Mulligan) und Manrico (sehr überzeugender Tenor Piero Pretti als Gewinner in Liebesdingen, Verlierer in politischen Kämpfen), zwei Brüder, die nicht voneinander wissen, kämpfen jeweils auf der anderen Seite des Konflikts. Manrico ist ein Offizier des aufständischen Grafen von Urgel, und Graf Luna bei Ferndinand I. Sie sind auch Rivalen im Kampf um die Gunst der schönen Leonora (die sehr hingebungsvolle, leidenschaftliche und engagierte Sopranistin Elza van den Heever bis einschl. 12/17), die in eine Fehde hineingerät, die für sie ein fatales Ende aus Liebe nimmt. Der historische und dramatische Konflikt um die Herrschaft endet mit der Gefangennahme des Grafen von Urgell 1413 bei Saragossa, mit Hinrichtung seines Offiziers Manrico bei Verdi.

Unter der musikalischen Leitung von Jader Bignamini und dem Frankfurter Opern- und Museumsorchester entspannten sich zweieinhalb Stunden feinster Hörgenuss zwischen Dramatik und Spannung einerseits, Lyrik, Herzenstiefe und Entspannung andererseits. Der exakte Guss und die Synchronizität der Seelenzustände mit der Musik und dem Gesang sind äußerst beeindruckend. Regie führte David Bösch, der mit dem reichhaltigen und modernen Bühnenbild von Patrick Bannwart das Geschehen in einen Rahmen 500 Jahre später stellte. Videoprojektionen betonten Harmonie (Schmetterlinge) oder Chaos (Strichzeichnungen). Der Vorhang mit einer verspielten Kritzelei von Liebenden. Die Kulissen von fahrendem Zigeunervolk mit Wohnwagen und aufständischen Freischärlern mit primitiven Waffen standen im Gegensatz zu jenen der professionellen Todesbringer des hochgerüsteten Conte di Luna. Nacht, Tod und Schwärze dominieren hier. Querverweise zu Francos faschistischem Spanien und der Widerstand gegen ihn fehlten, aber Assoziationen sind durchaus möglich. Die Kostüme von Meentje Nielsen bewegten sich ebenso zwischen mittelalterlichem finsterem Kämpfer Luna mit Soldaten und Waffen des zweiten Weltkrieges, feinsinnigem Troubadour Manrico in Silberanzug und einer kessen Leonora wie Ines im smarten Petticoat der Fifties.

In Verdis Oper in vier Akten geht es vorrangig um die Liebe zweier Männer zur Gräfin Leonora, die völlig zufällig auf zwei Verehrer trifft, weil sie der fernen Stimme des Troubadours folgt. Ihm, Manrico, gibt sie den Vorzug. Es kommt u.a. zum Duell der Verehrer, beide bekriegen sich gnadenlos. Ein politischer Hintergrund (siehe oben) kompliziert alles. Luna lässt sich am Ende auf den Handel ein, Manrico zu schonen, dafür würde Leonora sich ihm hingeben. Um ihm für immer einen Strich durch die Rechnung zu machen, nimmt sie jedoch Gift ein, überrascht ihn mit ihrem Besuch bei Manrico, dem sie die ewige Liebe erklärt und in dessen Armen sie stirbt. Das macht Luna so rasend, dass er den gefangenen Manrico hinrichten lässt. Besonders brisant wird die Geschichte durch Manricos Mutter, die Zigeunerin Azucena (die stimmgewaltige Zigeunermadrone und Sopranistin Marianne Cornetti aus den USA in Krankheitsvertretung für Tanja Ariane Baumgartner). Ihre Geschichte wird im ersten Akt unter Lunas Soldaten erzählt und im zweiten Akt von der Zigeunerin als Trauma thematisiert. Weil ihre Mutter vom Vater der beiden Brüder Graf Luna und Manrico (der Name von Azucenas leiblichem Kind, das sie aus Versehen ins Feuer stieß, statt den Grafensohn Garcia zur Vergeltung des Mordes an ihrer Mutter) als Hexe verbrannt wurde, weil sie angeblich eine bösen Zauber über das Kind verhängte, fürchterliche Qualen im Feuertod erleiden musste, hat Azucena nur eins im Sinn, den anderen Sohn des Grafen tot zu sehen. Als Manrico ihn im Duell verschont, versteht sie nicht, warum er ihn nicht getötet hat. Das Schicksal erfüllt sich doch, Manrico muss unters Schafott und wird verbrannt. Der Kreis schließt sich und der wahre Grafensohn wird geopfert, Azucena und Luna werden vor ein brennendes Herz gestellt, die tote Zigeunerin ist gerächt und Manrico folgt seiner Geliebten. Luna hat seinen Bruder getötet. Die Liebe ist verewigt. Eine große Oper mit großen Stimmen, eine große Premiere in Frankfurt.
Schlussszene                                (c) Barbara Aumüller