Filmtipp: Der Dorflehrer (Venkovský Učitel)
Regie: Bohdan Sláma, 2008
(Leipzig/UA) Nach „Wilde Bienen“ und „Die Jahreszeit des Glücks“ ist seit 2008 der neue Film des tschechischen Regisseurs Bohdan Sláma in qualitätsbewussten Kinos zu sehen.
Petr (Pavel Liška) kehrt Prag den Rücken und nimmt eine Stelle als Dorflehrer in Böhmen an. Auf dem Land lernt er die verwitwete Marie (Zuzana Bydžovská) kennen, die mit ihrem halbwüchsigen Sohn (Ladislav Šedivý) einen Bauernhof mühsam bewirtschaftet und sich um andere Dorfbewohner kümmert. Bald entwickelt sich eine tiefe Freundschaft zwischen ihnen. Sie akzeptieren einander mit ihren Zweifeln, Ängsten und ihrer Sehnsucht nach Liebe. Gegen die Einsamkeit dient ihnen die vorübergehende Zweckgemeinschaft ebenfalls. Marie erhofft sich von dieser Beziehung bald mehr, doch Petr reagiert abweisend. Seinen Schülern lehrt Petr, nur wer die Natur versteht, kann sich selbst erkennen. Als Petrs Freund aus der Großstadt unverhofft zu Besuch ins Dorf kommt, wird ihm schnell klar, dass er sich selbst jedoch noch nicht erkannt hat. Durch Eifersucht und Sticheleien setzt Petrs Freund eine Reihe von Ereignissen in Gang, die Petr, Marie und deren Sohn an den Rand des zu Ertragenden, bis hin zu Flucht und Selbstmordversuch bringen. Petrs Unentschiedenheit und Zerrissenheit zwischen Vernunft und Verlangen stellen die Freundschaft zu Marie auf eine harte Probe. Das Wissen um die Schwierigkeiten des menschlichen Daseins führt schließlich zu einer gegenseitigen Solidarität und verwischt die sozialen Unterschiede zwischen einem bildungsbürgerlichen Großstädter und einer Landwirtin.
Mit dem gleichen Satz, den man am Anfang des Filmes von Petrs Mutter hört, erklärt Marie ihrem Sohn, warum sie vergeben kann und mit Petr zusammenleben möchte, und fasst gleichzeitig die Aussage des Films zusammen: "Jeder braucht jemanden."
Bohdan Sláma gelang ein gefühlvoller und glaubwürdiger Film, der die Suche nach sexueller Identität, Verlangen, Verantwortung und Vergebung in stillen Bildern einfängt und eine warmherzige Geschichte über den wahren Wert von Liebe und Freundschaft erzählt.
Im Regiekommentar von Bohdan Sláma heißt es: „...In der Geschichte gibt es drei Hauptfiguren und jede hat einen Bruch in ihrem Leben, einen Bruch, der mit Liebe zu tun hat. In einer Kette von unerwiderter Liebe haben die Figuren keine Möglichkeit irgendeine Erfüllung zu finden und es ist das, womit sie umzugehen lernen müssen. Liebe hat so viele verschiedene Formen, wie es Menschen gibt. Und jede Beziehung zwischen Individuen hat einen absoluten Wert in sich selbst. Diesen Wert zu erkennen ist schwer, weil es uns Dinge akzeptieren lässt, die wir zuvor nicht verstanden haben, und weil es uns vergeben lässt, wo wir uns betrogen fühlen. Unsere Figuren finden vielleicht nicht die romantische Liebe schlechthin, aber sie können eine tiefe Freundschaft finden und sie können von dort aus wachsen. Wenn wir das verstehen, dann sind wir auch fähig zu vergeben. Vergeben zu können, ist die größte Fähigkeit des Menschen. Die Fähigkeit zu vergeben stellt das Vertrauen in den Sinn des Lebens wieder her...“
Die Vergebung als Liebesbeweis schlechthin...
Selbst die kleinste Nebenrolle wird mit viel Tiefe behandelt, ob der auf dem Balkon der Großstadtwohnung Bienen züchtende Vater von Petr oder der autoritäre Direktor der Dorfschule.
Besondere Anerkennung verdient aus meiner Sicht die schauspielerische Leistung von Zuzana Bydžovská als Marie, die durch ihre genaue Spielweise die Alkoholsucht, Warmherzigkeit und Selbstverzweiflung der Bäuerin wunderbar umsetzt. Diese Leistung wurde neben dem Preis für das beste Drehbuch mit dem tschechischen Filmpreis für die beste Schauspielerin gewürdigt.