(c) Stefan Vieregg |
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Erika Stucky pflegt und verlangt völlig neue Hörgewohnheiten. Was sie präsentiert entspricht selten oder nur streckenweise den Regeln des runden, gefälligen und gestylten Komponierens oder Darbietens. Sie baut - vielleicht live mehr als auf ihren Alben - bewusst Stolperfallen und Geschmackstester ein, die den Zuhörer gekonnt in die Irre führen. Musikzitate werden gemischt und verfremdet, bis hin zur anarchischen Auflösung. Ihre Interpretationen bekannter Songs sind alles andere als Coverversionen. Nicht dicht am Original, sondern so weit weg wie möglich. Die Sängerin und tatsächlich auch dada- und groteskenahe Performerin lässt Texte völlig von den Erwartungen abdriften, wie zum Beispiel in "Do you wanna really meet me?". Die Hürden sind doch recht hoch, zu hoch: "Lick my military boots...". Oder sie spielt mit dem Begehren im Rahmen der Zwillingsmanie, das reizvolle Doppelte, die Verwechslungsgefahr, die Qual der Wahl und der mütterliche Trieb, beide Zwillinge auf einmal zu stillen. Hier treffen viele verschiedene Wünsche aufeinander und finden ihren Nenner in den Vanecek Twins, ihren beiden Musikern an Tuba (Roland) und Posaune (Bernhard Vanecek), die sie mit ihren eindringlichen, wuchtigen und sehr lebendigen Blechtönen begleiten und bestens geeignet sind, die Groteske zu verstärken.
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Sie mag die beiden sehr, "die jeden Scheiß mitmachen", auch den mit dem Video, die zwei Großen spielen die kleinen Zwillinge, Blutsbrüderschaft mit Rotweinaustausch bzw. -recycling durch beider Münder wie Blutkonserven, die beide Organismen verbinden, so ein bisschen degoutant wie die "Blechtrommel"-Szene Oskar Matzerath und und Maria sowie die Brausepulver-Spucke-Erlebnisse. Es kommt ein kräftiger Schuss Komödiantisches dazu. So auch ihr Twin-Song davor, der ihre Entscheidungsschwierigkeiten widerspiegelt: "He is cute (Roland), but he is handsome (Bernhard) ..." und "Sorry, I want your little brother". Da sie sich für die Simultanvariante zwei "Buben" an der Brust der Herz-Dame entscheidet, hat sie ja von beiden was. Dazu ein Video mit ihr und zwei Säuglingspuppen an der Quelle der Urnahrung im Hintergrund. Spaß macht auch ihr Akkordeonspiel, dem sie immer eine dezent melancholisch-gefühlvolle und schräg liegende Tonschicht im bizarren Umgebungsgestein unterlegt. Total lebendig, mit Alltagsbezug und harter Kontaktrealität verschiedener Nationalitäten, die Überlistung der Eintrittsverbote für Nicht-Puerto-Ricaner in einer Puerto-Rico-Bar, in der fast mehr Nicht-Puerto-Ricaner waren als echte, um ihre kleine Tochter aufs Klo zu schmuggeln. Einer der Groteskhits war der Song über das Roach Motel, einem Motel für Kakerlaken, eine Giftfalle aus dem Handel, um genauer zu sein, nebst Foto im Background, mit klebrigem Boden und garantiertem No-Check-out! Ganz empathisch machte sich die Sängerin auf den Weg in das Erleben einer Kakerlake bis zum Tod. Die Stucky-Coverings von Britney Spear und Eminem, mit einem Schluss-Intermezzo der Vaneceks mit Eurovisionsklängen und Albinoni integriert, standen dann am Ende. Eminem war zum Abgewöhnen konzipiert mit so vielen Falsch- und Erschrecktönen, dass dann alle auch keine Zugabe mehr wollten.
Erika Stucky und die Vanecek Twins, die auch in weiteren Formationen zu hören sind, rentieren sich absolut, wenn man etwas Ungewöhnliches, Lustiges, Abgedrehtes sucht und ... was verträgt. Schließlich ist Erika Stucky die "großartigste musikalische Irritation seit Jahren" (focus) und vielleicht auch der "weibliche Zappa" (Rhein-Zeitung). Die Zwillingsbrüder Vanecek schaffen für ihre exponierte Position den entsprechenden Rahmen und unterstreichen das Hörerlebnis. Mehr zu den Vaneceks in der Vorankündigung.