Kennen Sie Beethoven?
Die Frau sah aus wie eine Baumwurzel.
Jetzt kam sie ins Zimmer.
Am Tisch saß Jean.
„Man müsste mal die Tränen sehen, die du noch nicht geweint hast. Alle. In einem Behälter.“
„Behälter. Was für ein Wort. Vor solchen Wörtern fürchte ich mich, Jean.“
Jean lachte, er hatte bunte Zähne, eine Laune der Natur, jeder Zahn eine andre Farbe.
Nicht jeder sieht einem solchen Mann wie Jean gern ins Gesicht.
Ein Wind schlägt hinter der Frau die Tür zu. Sie zuckt zusammen.
Sie ist halt nervös.
Nervös, dachte Jean wütend.
Vor ein paar Tagen hatte die Frau, Gabriella, ein Bein verloren. Man musste den Hund losschicken, der hatte das Bein natürlich gefunden.
Und zurückgebracht.
Aber heute war der Hund weg.
Der Hund war weg.
„Gabriella, wir sind allein im Haus!“
„Das ist ein Augenblick, auf den ich achtunddreißig Jahre gewartet hab.“
Jetzt ging die Tür auf, der Hund kam herein.
„Wo warst du?“
Er guckte frech. Er nahm drei Paar Schuhe der Frau.
Er nahm sie ins Maul und lief davon.
Die Tür fiel hinter ihm zu.
„Das ist doch!“, sagte Gabriella.
„Wir sind allein!“, jubilierte Jean.
Vor der Tür wartete der Wind.
Der Wind hatte da gewartet.
Schon eine ganze Weile.
„Hast du mir die Schuhe gebracht! Auf dich kann man sich verlassen, bravo!“, sagte der Wind.
„Mein Name ist Hans!“, sagte der Hund.
Der Hund reckte den Hals vor, wartete auf ein Lob.
Man sah Jean und Gabriella im Schlafzimmer, das große Bett. Jean zog die Vorhänge zu.
Vor dem Haus der Weg, der führt sicher bis ans Ende der Welt.
Man müsste ihn nur mal gehen.
„Was die zwei jetzt machen?“
Fragt der Wind.
„Hast du nichts anderes zu tun?“
Fragt der Hund.
Wer will denn ins Fenster gucken?
Jean war enttäuscht, Gabriella war nicht zu trösten.
Jean stand wieder auf, Gabriella war offensichtlich nicht bei der Sache.
Am Ende der Welt, da nahm ein andrer Mann die Frau in die Arme. Beide waren so schwarz wie die Luft in den Nasenlöchern.
„He, he, he, ich hab einmal an einer Studienreise teilgenommen“, sagt der Wind.
„Was ist denn eine Studienreise?“, fragte der Hund.
Der Hund machte den Hals lang, da am Straßengraben.
Im Kühlschrank stand noch eine Flasche Wein.
Auf dem Etikett war ein Bild vom Ende der Welt, da sah man, wie der Schwarze seine Frau umarmt, in den langen Armen hielt.
„Was schnüffelst du denn da?“
Der Hund hatte etwas gefunden. Im Straßengraben lag ein Schlagzeug.
„Das hat mal den … Rolling Stones gehört“, sagte der Hund.
Der Wind hatte die Schuhe der Frau angezogen, drei Paar.
Und er ging auf der Straße.
„Woher willst du das denn wissen?“, fragte der Wind.
„Da steht es doch – Rolling Stones“, sagte der Hund.
Ja, ja, das steht es.
Der Wind tippelte hin und her.
„So kann jeder heißen. Unter dem selben Namen habe ich mal an einer Studienreise teilgenommen. Unter Pseudonym.“
„Jetzt weiß ich immer noch nicht, was eine Studienreise ist“, sagt Hans.
Hans war der Name vom Hund.
Aber nicht der Name sprach, der Hund sprach selber.
Jean schnitt mit einem Messer einen Streifen aus dem Fleisch. Obwohl, er hatte keinen Hunger.
„Ich könnte auch das Messer essen!“, sagte er.
Jean steckte sich das Messer in den Hals und schluckt es ohne Verletzung runter.
Er rülpst.
Nun war dieser Rülpser so scharf, dass er ein Loch in die Tapete schnitt.
„Hoppla, Vorsicht, Jean“, sagt er.
Gabriella war trotz ihrer großen Depression eingeschlafen.
Sie schluchzte nur noch einmal.
Jean war nun allein im Haus.
Er baute den Kühlschrank auseinander.
Schon wieder in der Küche.
Er zerlegte ihn in alle Einzelteile.
Aber er findet die Kälte nicht.
„Merkwürdig“, sagt er.
Nun fing er noch mal ganz von vorn zu denken an.
© Walter Brusius
Der Künstler arbeitet und lebt seit 1982 in Bad Kreuznach als freischaffender Maler und unterhält dort ein Atelier.
Der Künstler arbeitet und lebt seit 1982 in Bad Kreuznach als freischaffender Maler und unterhält dort ein Atelier.
Er hat in Köln studiert.
Vor etwa zehn Jahren begann er parallel zur Malerei Geschichten zu
schreiben.
Im Eigenverlag sind bisher
einige kleine Bücher erschienen und seit zwei Jahren seine
Atelierhefte. Er verkauft sie im Atelier an einen kleinen
interessierten Kreis und in einer dortigen Buchhandlung. Sie sind
auch abonnierbar. Neben seinen Ausstellungen veranstaltet er
regelmäßig Lesungen. Ziel ist, die Atelierhefte nicht selbst zu
illustrieren, sondern andere Künstler in Form einer Koproduktion
dazu einzuladen.