Hannelore Bähr (Stiefmutter), Dominique Bals (Vater), Markus Penne (Hans) Foto von Marco Piecuch |
Dominique Bals (Vater), Markus Penne (Hans)
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Elif Esmen (Grete)
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Mit atmosphärischer Dichte werden Parallelhandlungen und Informationen über die Figuren nebeneinander gestellt und gleichzeitig ein Kriminalfall für die Bühne entwickelt. Mit der Unbekümmertheit von Alkoholikern konstruieren die Eltern ein extrem abgebrühtes Gaunerstück, bei dem die Gesundheit der Tochter keine Rolle spielt. Nur noch Eurozeichen vor dem beschwipsten Auge kreisen lassend tragen sich unfassbare Dinge in ihren Köpfen zu. Es dreht sich wie so oft um Ansprüche an das Leben, Urlaubswünsche, Reichseinwollen, Statussymbole, vermehrten Genuss. All das, was in einer Hartz-IV-Familie nur noch bruchstückhaft oder gar nicht mehr geht. Das gute Herz der Mitmenschen ausnutzend, bewusst damit spekulierend, sammelt die Frau die Spendengelder und ärgert sich schon über den Tag, an dem die Spendenwelle verebbt. Als der Vater am Ende wach wird und erfährt, welche Behandlung seiner Tochter zuteil wurde, dass sie einsam eingesperrt, nur mit Bonbons gefüttert vegetieren musste (Charles Way lässt sie die Anwesenheit einer zweiten Person fantasieren, das Leben von Hänsel und Gretel aus dem Grimmschen Märchen spielen, an die Befreiung durch Hänsel glaubend), schlägt er voller Wut seine Frau mit der Flasche nieder.
Hans ist schlecht in der Schule, manchmal verhaltensauffällig, hat Stress mit den "Bullen" wegen seiner Sprayerei. Er liebt seine Schwester. Grete, wild und auffällig, hat auch schon mal die Vorhänge in der Schule runtergerissen. Zu Hause versucht sie die Aufmerksamkeit des Vaters um jeden Preis auf sich ziehen. Ihr hyperaktiv erscheinendes Verhalten bringt den Vater aus der Fassung. Hans akzeptiert seinen Vater nicht mehr, er versteht nicht, warum dieser trotz Arbeitsfähigkeit nichts mehr machen will. Der Grund: Der Vater hat die Kontrolle über sein Leben verloren, vertrinkt viel Geld, nimmt keine unterbezahlte Arbeit mehr an, früher war er wie Opa und sein Vater in der Zeche, dann Fernfahrer, der am Steuer soff, und ist obendrein krebskrank. Die Stiefmutter empfindet auf dem Weg zum Genuss die Kinder als Klötze am Bein. Sie will leben, etwas vom Leben haben, endlich über Geld verfügen, und wie es am Ende aus der Psychiatrie von ihr zu hören gibt: "Jeder hat ein Recht auf Zukunft!"
Dass Hans seine Schwester Grete am Ende geschickt den Fängen des Entführers entlockt - er bekam mit, dass seine Mutter mit ihm telefonierte, klaut das Handy und bietet ihm das von der engagierten Öffentlichkeit gespendete Geld gegen Freigabe der Schwester an -, erfüllt dann auch Gretes Fantasie von Hänsel und Gretel und deren Freikommen. Hans informiert die Polizei, deren Eintreffen den Entführer in die Flucht schlägt, ohne das Geld zu bekommen, das Hans versteckt hält. Am Ende feiern die Geschwister die Befreiung allein im Wald. Unklar bleibt, ob sie das Geld nur überglücklich unkontrolliert durch die Luft werfen oder es tatsächlich vernichten, weil es für sie keinen Sinn macht, es zu besitzen - ein Satz dazu bleibt hängen: "Flammen beleuchten unsere Gesichter ..."