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Mittwoch, 24. Januar 2018

Wie war's bei IWAN SUSSANIN - EIN LEBEN FÜR DEN ZAREN von Glinka in der Oper Frankfurt?

Iwan Sussanin (Dmitry Belosselskiy)
(c) Barbara Aumüller

Eine Premiere in Frankfurt a.M. aus dem Jahre 2015 zog erneut als Wiederaufnahme ins Programm und begeisterte die Zuschauer ein weiteres Mal. IWAN SUSSANIN, Ein LEBEN FÜR DEN ZAREN - eine Oper von Michail Glinka mit Uraufführung im Bolschoi-Theater St. Petersburg 1836, ist ein Stück russische Seele, Liebe zur Heimat, Leid in Kriegszeiten und wunderbare Musik mit kräftigen Stimmen. Die Authentizität der Gefühle, das tiefe Leiden und poetische Sprechen darüber, die Kraft und Ausdauer des leidensfähigen Bauernvolkes, sein beständiger Kampfeswillen, und sei es sogar nur mit dem Dreschflegel und Panjekarren gegen Stahl, sind es, die diese Oper unvergesslich machen und aus allem auch herausheben. Der Untertitel der Oper stammte vom Zaren selbst, der das so vom Komponisten wünschte. Das Libretto schrieb  Baron Jegor Fjodorowitsch von Rosen.
Wanja (Katharina Magiera) und Antonida (Kateryna Kasper)
verstecken sich vor den eindringenden
Deutschen (Hintergrund Chor der Oper Frankfurt)
(c) Barbara Aumülle
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Harry Kupfer, altgedienter und hochdekorierter Regisseur in der DDR und in Deutschland, überraschte Frankfurt mit vielen erfolgreichen Inszenierungen, auch Prokofjews DER SPIELER ein großartiges Beispiel. Sein SUSSANIN wurde aus dem Jahr 1600 ins Jahr 1942 verlegt, so wie die Frankfurter Inszenierung von Richard Strauss' CAPRICCIO (UA 1942, München) das Geschehen ebenfalls in die 1940er Jahre verlegte. Zeigt die Glinka-Inszenierung den Krieg und die Bedrohung Moskaus durch den Hitler-Angriff, debattieren Strauss' Protagonisten über die Kunstgenres mitten in der Kriegszeit. Historisch war Hintergrund der Oper der Angriff Polens und Litauens vor über 400 Jahren, um den Thron in Moskau zu ergattern, neu inszeniert sind es die Hitler-Truppen, die in weißer Tarnkleidung und in deutscher Sprache singend einfallen (von Buhrufen der Zuschauer verfolgt) und ihre Niederlage statt in Stalingrad (Februar 1942) in den Sümpfen vor Moskau finden. Die schnieken Deutschen mit Polen und Litauern in Uniform, die ihren Angriff planen und mit Tanz feiern wie auf einer Rüstungsmesse mit dem neuesten Panzertyp im Hintergrund - fehlt nur noch der große Mercedes für die Generalität, so wie Erdogan sich heute mit seinem gepanzerten Mercedes-Maybach 600 führermäßig durch die Lande fahren lässt. Auf der anderen Seite die Moskowiter Bauern, Partisanen, die eine fürchterliche Bedrohung für Moskau und den Zaren, ihre Familie sowie Leib und Leben fürchten.
Sussanin führt sie weg vom Aufenthaltsort des neu gewählten Zaren, um ihm die Krönung
Iwan Sussanin (Dmitry Belosselskiy) einziger Trost vor seinem Tod
ist die Heirat von Antonida (Kateryna Kasper) und
Bogdan Sobinin (Anton Rositskiy)
(c) Barbara Aumüller
zu ermöglichen. Und zwar so nachhaltig tief in die Wälder und Sümpfe, dass sie nicht mehr herausfinden werden. Die Irregeführten bemerken den Trick nach einer langen, langen Wanderung in die Nacht hinein erst am nächsten Morgen. Vor lauter Wut erschlagen sie Sussanin. Sein Sohn Wanja konnte unterdessen den Zaren warnen und kommt mit Soldaten in den Wald, können aber nur noch den toten Sussanin finden. Sussanin wird in Moskau vor dem Kreml als Held der Sowjetunion für einige Minuten von den Sowjetbonzen unter ihren riesigen Schirmmützen gefeiert, dann wieder vom normalen Volk, zu seiner historischen Zeit durch den Zaren und den obersten Patriarchen der russisch-orthodoxen Kirche.

Die beeindruckende Kulisse auf der Bühne von Hans Schavernoch wird durch einen großen Triumphbogen in zerstörter Schräglage und eine zerbrochene Glocke bestimmt. Sie wird eine Anspielung auf die zerbrochene Zarenglocke sein, die seit ihrer Urform von 1599, der Großen Uspenski-Glocke mit 18 Tonnen, mehrmals neu gegossen, schwerer und stabiler wurde und jedesmal wieder zerbrach, auch das letzte Mal in Aktion durch einen Brand wieder abstürzte und zerschlug. Die allerletzte Form der Zarenglocke wurde nie eingesetzt. Sie steht als Denkmal vor dem Kreml, typisch ist das wieder herausgebrochene Stück. Gazevorhänge als Leinwände, Baumattrappen und Video-/Lichtprojektionen schaffen eine beeindruckende Atmosphäre vom tiefen Wald im Schneesturm.

Unter der musikalischen Leitung von Justin Brown haben wir es mit einer poetischen, epischen und patriotisch-kämpferischen Musik von Glinka zu tun. Die Chorszenen sind einfach sehr, sehr gelungen. Chorleiter Tilman Michael hat mit Yan Tax (Kostümen) authentisches altes Russland heraufbeschworen. Im Original Glinkas gibt es sogar noch mehr Aufmärsche und Chorszenen, die hier entfielen. Iwan Sussanin wird ganz hervorragend von dem weltweit gefragten Bassisten Dmitry Belosselskiy gesungen. Ob es die Liebe zu seinem übermütig-verspielten, von Heldentum schwärmenden Sohn Wanja (Katharina Magiera, Alt), seiner Tochter Antonida (Kateryna Kasper, Sopran, Ukraine) oder zu ihrem Verlobten und zukünftigen Schwiegersohn, der Partisanenführer Bogdan Sobinin (Anton Rositskiy, Tenor, RU) ist, oder zu dem Anführer der russischen Soldaten bzw. dem zu krönenden Zaren, er stellt in mächtigem Gesang seine großen Gefühle für seine Liebsten und das Vaterland Russland dar. Unvergesslich diese Leidensszene des mutigen Vaters in den frühen Morgenstunden vor aufkommender Dämmerung. Er will nicht sterben, denkt voller Wehmut an die Geburt seiner Tochter, ihr Aufwachsen, tröstet sich mit der Heirat und weiß, dass er den Zaren schützen musste.


Unvergesslich, eindringlich und ergreifend.