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Freitag, 4. April 2014

Fantasien zur Nacht: GAMIANI, Kap. 1.2, von Alfred de Musset


Alfred de Musset: Gamiani

1 Die erste Nacht (Fortsetzung)

Gamiani und Alcide: Ja, ja! Fanny: In vollkommener Unschuld, das kann ich euch schwören, erreichte ich mein fünfzehntes Jahr. Selbst in Gedanken hatte ich mich niemals mit der Verschiedenheit der Geschlechter beschäftigt.
Gedankenlos lebte ich dahin – und gewiß, ich war glücklich... Da war ich einmal an einem sehr heißen Sommertage ganz allein zu Hause, und ich verspürte ein eigentümliches Bedürfnis, die lästigen Kleider von mir abzuwerfen, um meine Glieder frei dehnen zu können.
Ich zog mich aus, ich warf mich, fast nackt, auf einen Diwan... ach, ich schäme mich... ich streckte die Beine aus, ich spreizte sie, soweit ich konnte, warf mich hin und her. Ohne es zu wissen, nahm ich die unzüchtigsten Stellungen ein. Der Stoffbezug des Diwans war sehr kalt; dadurch hatte ich ein angenehmes Gefühl; ein wollüstiges Kitzeln überrieselte meinen ganzen Leib. Frei dehnte sich meine Brust in der lauen, von Düften geschwängerten Luft, die mich umgab. Welche süße, entzückende Wollust! Ich war in einer köstlichen Ekstase. Mir war's, als ergösse sich in mich ein neues Leben, als wäre ich stärker, größer, als söge ich einen göttlichen Odem ein, als erblühte ich unter den Strahlen eines schöneren Himmels.
Alcide: Du bist poetisch, Fanny.
Fanny: Oh, ich übertreibe nicht. Ich beschreibe nur ganz genau meine Gefühle. Wohlgefällig betrachteten meine Augen meinen Körper, meine Hände glitten über meinen Hals, über meinen Busen, über meinen Leib. Zwischen den Schenkeln verweilten sie, und ich versank unwillkürlich in tiefes Träumen. Die Worte »Liebe«, »Geliebter«, deren Sinn ich gar nicht verstand, schwebten mir unaufhörlich vor.
Als ich aus meinen Träumen erwachte, war ich erstaunt, mich allein zu finden. Ich fühlte eine ungeheure Öde um mich herum; ich hatte vergessen, daß ich Verwandte, daß ich Freunde besaß. Ich erhob mich und blickte traurig um mich. So blieb ich eine Zeitlang in Gedanken versunken, den Kopf melancholisch vornüber geneigt, die schlaff herabhängenden Hände ineinander gefaltet. Dann fing ich von neuem an, mich zu betasten, und ich fragte mich, ob denn nicht mein Körper zu irgendeinem Zweck da wäre. Gefühlsmäßig begriff ich, daß mir irgend etwas fehlen müsse – irgend etwas, das ich nicht näher bezeichnen konnte, das ich aber wollte, das ich von ganzer Seele begehrte. Ich muß wie eine Wahnsinnige ausgesehen haben, denn von Zeit zu Zeit lachte ich sinnlos laut auf; meine Arme öffneten sich, wie wenn sie den Gegenstand meiner Wünsche umschlingen wollten. Ja – ich umarmte mich selber. Ich mußte etwas Wirkliches, etwas Körperliches haben, das ich umfassen konnte, und in meinem unbewußten Sinnentaumel nahm ich mich selber. Ich preßte meine Arme um mich, und ich hatte das Gefühl, als ob ich einen anderen Menschen umschlänge. Durch mein Fenster sah ich in der Ferne Baumwipfel und grüne Rasenflächen; ich hätte mich im Grase wälzen oder in die Lüfte über dem Blätterdach emporschweben mögen. Ich blickte zum Himmel, und es kam eine Sehnsucht in mir auf, mich in die Luft zu verflüchtigen, mich den Wolken, dem Äther, den Engeln zuzugesellen. Vielleicht war ich dem Wahnsinn nahe: heiß klopfte das Blut gegen meine Schläfen.
Ganz außer mir, hatte ich mich wieder auf die Kissen des Diwans gestürzt. Eins derselben umschlang ich mit meinen Schenkeln, ein anderes preßte ich in meine Arme. Leidenschaftlich hielt ich es umfaßt; wild küßte ich es, ja, ich glaube sogar, ich lächelte ihm zu. Meine Sinnlichkeit hatte triumphiert, ich war wie trunken. Plötzlich erzitterte ich – ich hielt ein in meinem Spiel. Mir war, als zerflösse ich, als löste ich mich auf. »O mein Gott!« schrie ich. Ein plötzlicher Schrecken erfaßte mich, und ich sprang auf. Ich war ganz naß. Ich konnte nicht begreifen, was mir da passiert war, und glaubte, ich sei verwundet. Ich fürchtete mich, warf mich auf die Knie nieder und betete zu Gott, er möge mir verzeihen, falls ich unrecht getan habe.
Alcide: Du liebe kleine Unschuld! Hast du denn von dem Vorfall, der dich in solche Angst versetzte, mit keinem Menschen gesprochen?
Fanny: Nein, niemals! Das hätte ich nie gewagt. Bis vor einer Stunde war ich noch ganz unerfahren. Du erst hast mir die Lösung des Rätsels gegeben.
Alcide: O Fanny, dieses Geständnis hebt mich auf den Gipfel des Entzückens empor. Teure Freundin, empfange eine neue Probe meiner Liebe!... Gamiani, reize mich, rege mich auf, damit ich diese zarte Blüte mit Himmelstau beträufle.
Gamiani: Welches Feuer! Welche Glut! O Fanny, du bist ja schon ganz außer dir... Ach, sie genießt ... sie genießt.
Fanny: Alcide, Alcide! Ich sterbe... ich... Und die süße Wollust berauschte uns, versetzte sie und mich in den Himmel.
Nachdem ich meinen Sinnen einen Augenblick Ruhe gegönnt hatte, nahm auch ich das Wort und erzählte:
Ich bin von jungen und kräftigen Eltern gezeugt. Meine Kindheit war glücklich: Trübsal und Krankheiten kannte ich nicht. Und so war ich denn schon mit dreizehn Jahren zum Mann gereift, und die Stacheln des Fleisches machten sich lebhaft geltend.
Da ich zum geistlichen Stande bestimmt und nach den strengsten Vorschriften der Keuschheit erzogen war, bekämpfte ich mit aller Macht die ersten Begierden meiner Sinne. Mein Fleisch lehnte sich gebieterisch, machtvoll auf, empörte sich – ich aber kasteite es unbarmherzig. So verdammte ich mich zum schärfsten Fasten. Nachts, während ich schlief, verschaffte die Natur sich Erleichterung; ich aber erschrak darüber, wie wenn ich mir eine sündhafte Ausschweifung hätte zuschulden kommen lassen. Ich verdoppelte meine Anstrengungen und paßte noch mehr auf, um alle finsteren Mächte von mir fernzuhalten.
Dieser beständige innere Kampf machte mich schließlich stumpf und halb blödsinnig. Meine erzwungene Enthaltsamkeit versetzte meine Sinne allmählich in eine Reizbarkeit, wie ich sie früher nie gekannt hatte.
Oftmals erlitt ich Schwindelanfälle. Ich hatte das Gefühl, als ob alles um mich herum sich drehte und schließlich ich selber mich mitdrehte. Wenn mein Blick zufällig ein junges Weib traf, war mir's, als strahlte es von Feuer und würfe elektrische Funken aus.
Dieser Zustand hatte mehrere Monate gedauert, da fühlte ich plötzlich eines Morgens in allen meinen Gliedern eine Art Krampf, eine heftige Spannung; dann hatte ich ein fürchterliches konvulsivisches Zucken wie bei einem epileptischen Anfall. Ich hatte Licht-Halluzinationen in einer Stärke wie noch nie zuvor: zuerst sah ich einen schwarzen Kreis sich mit ungeheurer Schnelligkeit vor mir drehen; er wurde größer und immer größer und schließlich unermeßlich groß: plötzlich brach ein funkelndes Licht aus dem Mittelpunkt des Kreises hervor, und alles wurde hell. Ich sah einen endlosen Horizont, einen in Flammen stehenden Himmel, von tausend Raketen durchkreuzt; und alle diese Raketen fielen als ein Regen von Goldstücken, von funkelnden Saphiren, Smaragden und Rubinen wieder herab.
Das Feuer erlosch; ein Tageshimmel, der wie bläulicher Samt aussah, breitete sich über mir aus. Mir war, als schwämme ich in einem klaren weichen Licht, lieblich wie der blasse Widerschein des Mondes in einer schönen Sommernacht. Und auf einmal kamen aus der weitesten Ferne wie ein Schwarm goldener Schmetterlinge, wie aus Luft und Dunst gewoben, unzählige Myriaden von nackten Mädchen auf mich zu – blendenden Fleisches, durchscheinend wie Bildsäulen von Alabaster.
Ich stürzte meinen Sylphiden entgegen, aber sie entschwanden mit neckischem Lachen; ihre köstlichen Gruppen lösten sich für einen Augenblick im azurblauen Äther auf, dann erschienen sie wieder, noch leuchtender, noch fröhlicher. Reizende Blumensträuße köstlicher Gestalten, die mich mit boshaft lachenden Blicken ansahen. Allmählich verschwanden diese jungen Mädchen; und es erschienen Frauen im Alter der Liebe, der zärtlichen Leidenschaften.
Einige von ihnen waren lebhaft, munter, mit feurigen Blicken, mit wogenden Brüsten; andere waren bleich und gingen vornübergebeugt wie Ossianische Jungfrauen. Ihre schmiegsamen, liebeatmenden Leiber waren von dünner Gaze umhüllt. Sie schienen vor Sehnsucht, vor Erwartung zu sterben; sie streckten mir ihre geöffneten Arme entgegen und flohen doch immer wieder, wenn ich mich hineinstürzen wollte.
Außer mir vor Erregung warf ich mich auf meinem Bett hin und her. Ich stützte mich auf Füße und Stirn, hob meinen Leib empor und schüttelte meinen glorreich aufgerichteten Priap. Ich sprach in den unzüchtigsten Worten von Liebe und Liebeslust. Erinnerungen an meine klassischen Studien mischten sich in meine Träume: ich sah Jupiter in Liebesglut, Juno, wie sie seinen Blitzstrahl lenkte. Ich sah den ganzen Olymp in brünstigem Taumel, in seltsamem Durcheinander. Und dann nahm ich an einer Orgie teil, an einem höllischen Bacchanal: in einer tiefen finsteren Höhle, die von mißduftenden, rotbrennenden Fackeln erleuchtet war, warfen blaue und grüne Flammen einen widerlich häßlichen Schein auf hundert Teufel mit Bocksgesichtern und lächerlich großen Zeugungsgliedern.
Die einen, prachtvoll bestückt, hatten sich auf eine Schaukel geschwungen, stürzten sich von dort auf eine Frau, drangen plötzlich mit der vollen Länge ihres Spießes in sie ein und verschafften ihr die entsetzlichen Zuckungen eines heftigen und unerwarteten Genusses. Andere Teufel von schalkhafterer Natur stellten eine prüde Dame auf den Kopf, und unter wildem Gekicher trieben sie mit einem Rammbock einen gewaltigen feurigen Priap in sie hinein – hämmerten ihr in ihrem Mutwillen ein Unmaß von Wollust in den Leib. Die Boshaftesten dieser Bande hatten eine Messalina an Händen und Füßen gebunden und ergingen sich vor ihren Augen in den lüsternsten, unzüchtigsten Ausschweifungen. Rasend, schäumend vor Gier krümmte sich das arme Weib im Verlangen nach dem Liebesgenuß, der ihr teuflisch versagt wurde.
Tausend kleine Teufelchen, von denen einer häßlicher, zappeliger oder kriecherischer als der andere war, rannten auseinander und wieder zusammen, lutschten, kniffen, bissen, tanzten im Reigen, verquirlten sich. Überall war Lachen, Lärmen, Rasen, Zucken, Schreien, Seufzen, Ohnmachtsanfälle vor Geilheit.
Ganz nackt lag eine Nonne auf dem Boden ausgestreckt, das Auge zur Wölbung der Höhle emporgewandt. Sie empfing in frommer Inbrunst die weiße Hostie, die ihr auf der Spitze eines stattlichen Weihwedels ein großer Teufel mit Stab und umgestülpter Mitra reichte. Etwas weiter hinten ließ sich eine Teufelin die Stirn mit Lebenssaft taufen, während eine andere, die eine Sterbende darstellte, verschwenderische Mengen der heiligen Wegzehrung erhielt.
Ein Oberteufel wurde von vier gewöhnlichen Teufeln auf den Schultern getragen; er paradierte mit seiner erotosatanischen Kraft und verspritzte alle Augenblicke Ströme heiliger Säfte. Jeder warf sich zu Boden, wenn er vorüberzog. Es war die Prozession des heiligen Sakraments. Plötzlich aber schlägt es Eins; da fassen alle diese Teufel sich bei der Hand und bilden einen riesigen Reigen.
Der Reigen beginnt sich zu drehen, sie steigen in die Luft, zucken wie Blitze. Die Schwächsten aber werden in diesem sinnlos galoppierenden Gewirbel nach unten gerissen. Ihr Sturz läßt auch die anderen purzeln. Es entsteht eine entsetzliche Verwirrung, ein grauenerregendes Durcheinander grotesker Verrenkungen, gräßlicher Kopulationen... ein Chaos zerschundener, von wüster Begierde befleckter Leiber – bis endlich ein dichter Qualm diesen Spuk verhüllt.
Gamiani: Sie wissen Ihre Erzählung wundervoll auszuschmücken, Alcide. Ihr Traum könnte in einem Buch stehen.
Alcide: O... wir müssen ja doch die Nacht hinbringen. Aber hören Sie weiter: was jetzt kommt, ist reine Wirklichkeit:
Als ich von diesem entsetzlichen Fieberanfall wieder zu mir kam, hatte sich das Gefühl der Schwere im Kopf gemindert; aber ich fühlte mich matter. An meinem Bett saßen drei Weiber; alle drei waren noch jung und trugen als Kleidung nur ein weißes Nachtgewand. Ich glaubte immer noch im Fieberwahn zu liegen, aber mir wurde erzählt, mein Arzt habe die Ursache meiner Krankheit erkannt und beschlossen, mir dafür das einzige wirksame Heilmittel zu verordnen.
Ich griff nach einer weißen weichen Hand, die ich mit Küssen bedeckte. Zwei frische rote Lippen preßten sich auf meinen Mund. Diese wonnige Berührung elektrisierte mich; ich glühte vor Liebe in wahnsinniger Glut.
»O schöne Freundinnen«, rief ich, »ich will glücklich sein bis zum Übermaß; ich will in euren Armen sterben. Teilt meine Entzückungen, meinen Liebestaumel!
Ich werfe die Decke ab, reiße mir das Hemd vom Leibe und strecke mich auf meinem Bett aus. Ein Kissen wird mir unters Gesäß geschoben und bringt mich in die vorteilhafteste Stellung. Stolz, glorreich steht mein Priap empor. Und ich rufe:
»Du reizende Schwarze mit den festen weißen Brüsten, setz dich unten aufs Bett, strecke deine Beine neben meinen aus. Gut so! Setze meine Fußsohlen an deinen Busen. Kitzle sie sanft mit deinen hübschen Liebesknospen. Entzückend! Ach, du bist köstlich. – Und du, meine Blonde mit den blauen Augen, komm heran! Du sollst meine Königin sein. Setze dich rittlings auf den Thron. Nimm in die Hand das glühendheiße Zepter, stoß es tief, stoß es ganz in dein wonniges Zauberreich hinein!... O! Nicht so schnell... warte doch! Mach es langsam, taktmäßig wie ein Reiter, der gemächlich dahintrabt. Laß die Wonne so lange dauern wie nur irgend möglich... Und du, meine schöne Große mit der entzückenden Fülle der Formen, spreize die Schenkel, hier über meinem Kopf!... Wundervoll! Du errätst meine Absicht. Spreize die Schenkel recht weit auseinander – noch weiter! Mein Auge muß deine ganze Schönheit schauen können, mein Mund dich glühend küssen, meine Zunge dich liebkosen, in dich eindringen können... Aber warum sitzest du so steif aufrecht? Beuge dich doch vorwärts, damit die andere deine Brüste küssen kann!«
»Komm! komm!« rief die Schwarze ihr zu, indem sie ihr die bewegliche Zunge zeigte, die spitz war wie ein venezianischer Dolch. »Komm! Laß mich deine Augen, deinen Mund mit meinen Küssen verzehren. So lieb ich dich! O du Wollüstige!... Gib deine Hand! Da! So! Vorwärts! Aber sanft! sachte!...«
Und alle drei bewegen sie sich, rutschen hin und her, reizen sich zu immer heißerer Wollust an. Ich verschlinge diese reizvolle Szene mit den Augen, genieße die wollüstigen Bewegungen, diese Gruppe sinnlicher Selbstvergessenheit. Schreie, Seufzer werden laut, verschmelzen ineinander. Ein glühender Strom fließt durch meine Adern. Ich zittere am ganzen Leib. Meine Hände greifen in heiße Brüste oder wühlen krampfhaft in noch geheimeren Reizen.
Meine Finger werden müde – meine Lippen lösen sie ab. Gierig sauge ich – nage, beiße! Ich höre es schreien, ich solle einhalten, ich würde sie töten – aber ich sauge, ich beiße mit verdoppelter Gier. – Diese Ausschweifung gab meinen Kräften den Rest. Schwer sank mein Kopf zurück. Ich konnte nicht mehr.
»Genug! genug!« rief ich. »O meine Füße! Welch wollüstiges Kitzeln! Aber du tust mir weh – meine Füße krampfen sich zusammen – ich – oh...« Ich fühlte das Delirium der Liebeswonne zum dritten Male sich nahen. Wütend stieß ich von unten zu. Meine drei Schönen verloren gleichzeitig das Gleichgewicht – und die Besinnung. Ohnmächtig seufzend sanken sie in meine Arme, und mich überströmte ihr Liebessaft.
Himmelswonnen! Oder Höllenwonnen? Es überströmte mich wie ein unendlicher Glutstrom.
Gamiani: Welche Wonnen hast du genossen, Alcide! O ich beneide dich darum!... Und du, Fanny?... Die Stumpfsinnige! Ich glaube gar, sie schläft!
Fanny: Laß mich, Gamiani! Weg mit deiner Hand! Du drückst mich. Ich bin ganz hin... tot... Was für eine Nacht, o mein Gott!... laß uns schlafen... ich...
Das arme Kind gähnte, drehte sich um und kroch an der äußersten Bettkante ganz in sich zusammen.
Ich wollte sie an mich ziehen, aber die Gräfin sagte:
»Nein, nein! Ich begreife, wie ihr zumute ist. Aber ich... ich bin von ganz anderer Natur als sie. Mich verzehrt, mich foltert eine Aufregung, ein Drang... o ich möchte mich zu Tode lieben!... Die Berührungen eurer beiden Leiber, eure Erzählungen, die wollüstigen Spiele, die wir getrieben haben... dies alles bringt mich außer mir, daß ich nicht mehr weiß, was ich tue... In meinen Gedanken tobt die ganze Hölle, Feuer strömt mir durch die Glieder... Aber, o Schmerz, ich weiß nichts Neues mehr zu ersinnen!
Alcide: Was machen Sie denn, Gamiani? Sie springen aus dem Bett?
Gamiani: Ich kann's nicht mehr aushalten – ich verbrenne! Ich möchte... Aber so besorg's mir doch endlich!... Drücke mich... schlage mich... O! nicht genießen können!
Die Gräfin knirschte mit den Zähnen, furchtbar rollten ihre Augen. Ein Krampf schüttelte alle ihre Glieder – es war entsetzlich anzusehen. Fanny bekam Angst; erschrocken richtete sie sich im Bette auf. Ich selbst fürchtete eine Nervenschwäche.
Vergebens bedeckte ich mit meinen Küssen Gamianis geheimste Reize; meine Hände waren müde von den Liebkosungen, die sie ohne Unterlaß an die unbezähmbare Furie verschwendeten. Die Quellen ihrer Liebessäfte waren versiegt. Es kam wohl Blut, aber die Ekstase der Wollust wollte sich nicht einstellen... Endlich sagte Gamiani: »Laß nur... bleibt allein; schlaft!...« Mit diesen Worten sprang sie aus dem Bett, öffnete eine Tür und verschwand. »Was will sie denn nur, Fanny? Begreifst du etwas davon?«
»Psst, Alcide! Höre doch, welch ein Geschrei!« »Sie bringt sich um!... O mein Gott, die Tür ist verschlossen!... Ah, sie ist in Julies Kammer. Wart... da über der Tür ist ein Glasfenster. Rück mit mir das Kanapee heran. So! jetzt zwei Stühle oben drauf. Komm, steig mit hinauf. Hier oben können wir alles sehen!«
Welch ein Anblick! Beim bleichen Schimmer eines flackernden Nachtlichtes sahen wir die Gräfin mit gräßlich verdrehten Augen, die Lippen mit Schaum bedeckt, die Schenkel mit Blut und Liebessaft besudelt, sich heulend auf einem großen Teppich von Katzenfellen [Fußnote] wälzen. Mit unglaublicher Geschwindigkeit warf sie ihre Lenden auf dem Teppich hin und her. Von Zeit zu Zeit schleuderte sie die Beine in die Luft, so daß sie beinahe auf dem Kopf stand und wir ihren ganzen Rücken sahen. Dann sank sie mit gellendem Lachen wieder auf die Katzenfelle zurück. Plötzlich rief sie:
»Julie! Komm her! Vor meinen Augen dreht sich alles im Kreise! Wart, du verdammtes verrücktes Frauenzimmer – ich beiß dich!« Julie war ebenfalls ganz nackt, aber strahlend von Kraft und strotzend von Gesundheit. Sie stürzte sich auf die Gräfin und band ihr erst die Hände, dann die Füße zusammen.
Die krampfhaften Zuckungen Gamianis waren jetzt auf ihrem Höhepunkt: ich bekam Angst, als ich sie so sah. Julie aber tat, als ob gar nichts weiter los wäre.
Wie eine Besessene tanzte und sprang sie um ihre Herrin herum; dabei befeuerten ihre geschäftigen Finger ihre Wollust immer mehr und mehr, bis ihr schließlich die Sinne schwanden und sie sich in einen großen Lehnstuhl warf. Die Blicke der Gräfin waren allen ihren Bewegungen gefolgt. Das ohnmächtige Gefühl, daß sie sich nicht dieselbe trunkene Wollust verschaffen konnte, verdoppelte noch ihre Wut. Sie war ein weiblicher Prometheus, der von hundert Geiern zugleich zerfleischt wurde. Auf einmal hörte ich sie schreien:
»Medor! Medor! Mach mir's!« Sofort stürzte ein großer Hund aus einer Zimmerecke hervor und begann brünstig ihre Klitoris zu lecken, deren rote, glühende Spitze zwischen ihren Schenkeln hervordrang.
Ihre Wollust schien zugleich den Höhepunkt des Schmerzes zu erreichen, denn je eifriger die Bestie leckte, desto lauter stöhnte, schluchzte, schrie Gamiani. Plötzlich rief sie aus: »Milch! Milch! O schnell! Milch!« Ich wußte nicht, was dieser Schrei bedeutete, der fast wie ein Todesröcheln klang. Doch bald wurde es mir klar, denn Julie kam mit einem riesig großen Godemiché, der mit heißer Milch gefüllt war, die man durch Druck auf eine Feder zehn Schritte weit hinausspritzen lassen konnte. Mittels zweier Riemen schnallte sie sich das sinnreiche Instrument an der passendsten Stelle ihres Leibes an. Der reichstbegabte Hengst hätte es wohl kaum – an Dicke wenigstens – mit diesem stolzen Werkzeug aufnehmen können.
Ich hielt es für unmöglich, daß eine weibliche Scheide ein solches Ding aufnehmen könnte; aber zu meiner großen Überraschung genügten fünf oder sechs, allerdings sehr heftige Stöße, begleitet von spitzen, ohrenbetäubenden Schreien, um dieses Riesending spurlos verschwinden zu lassen. Die Gräfin litt wie eine arme Seele in der Hölle: krampfhaft starr, bewegungslos wie aus Marmor gemeißelt lag sie da. Man hätte sie mit Cassinis Kassandra [Fußnote] vergleichen können. Julie bewegte sich mit vollendeter Geschicklichkeit auf und ab. Der Hund war natürlich dadurch seiner bisherigen Genüsse beraubt; er wußte jedoch Ersatz zu finden, denn unverzüglich stürzte er sich auf die stramme Julie, zwischen deren heftig stoßenden halbgeöffneten Schenkeln ein köstliches Kleinod zu sehen war. Dieses bearbeitete Medor so eifrig und inbrünstig, daß Julie plötzlich vor Wollust nicht weiter konnte und mit ihren Stößen aufhörte.
Der Genuß, den eine Hundezunge verschafft, muß ungeheuer groß sein, denn es gibt keinen zweiten, der sich so intensiv in den Gesichtszügen eines Weibes ausspricht. Der Gräfin war diese Unterbrechung äußerst unangenehm, denn nur ihre Schmerzen wurden dadurch verlängert, der Augenblick des höchsten Genusses aber hinausgeschoben. Sie fluchte und schimpfte deshalb auf ihre Zofe mit den Ausdrücken einer Gassendirne. Hierdurch wurde Julie wieder an ihre Pflicht erinnert, und sie setzte ihre Arbeit mit verstärkten Kräften fort. Plötzlich bäumte die Gräfin sich wild empor, schloß die Augen, riß den Mund auf – Julie begriff, daß der rechte Augenblick gekommen war, und ihr Finger ließ den Federmechanismus des Godemichés spielen. Gamiani aber stammelte:
»Ach!... Oh!... halt... ich zerfließe... oh, wie das weh tut... oh, wie das süß ist... ich genieße... aaah...«
Höllische Geilheit!
Ich hatte nicht mehr die Kraft, mich vom Fleck zu rühren. Meine Vernunft war dahin, meine Blicke hafteten wie gebannt an dieser Szene höchster Wollust.
Der Anblick dieser wilden Verzückungen, dieser brutalsten Befriedigung der Sinne machte mich schwindlig. Ich fühlte nichts mehr als das wilde Pulsieren meines Blutes – ich selber war ganz und gar nur noch blinde wollüstige Gier. Ich war brünstig wie ein Vieh.
Auch Fannys Gesicht war merkwürdig verändert. Stier sah sie vor sich hin – ihre Arme umklammerten mich krampfhaft. Ihre Lippen waren geöffnet, ihre Zähne fest aufeinandergepreßt – auch sie war wahnsinnig vor fleischlicher Begierde, vor einem wütenden Liebesverlangen, das nach der schrankenlosesten Wollust schreit. Plötzlich lagen wir auf dem Bett und verschlangen uns wie wilde Tiere. Unsere Leiber waren aufeinandergepreßt, rieben sich, elektrisierten sich gegenseitig in krampfhaften Umschlingungen: schreiend, beißend vermählten wir unser Fleisch. Es war ein blitzschneller tierischer Genuß – aber unser Blut erheischte gebieterisch diese Befriedigung. Endlich machte der Schlaf unserer Liebeswut ein Ende.
Nach einer fünfstündigen, unendlich wohltuenden Ruhe erwachte ich zuerst. Schon glänzte die Sonne in voller Pracht am Himmel. Fröhlich drangen ihre Strahlen durch die Vorhänge des Gemaches und warfen goldene Lichter auf die bunten Teppiche, auf die glatten seidenen Bezüge der Möbel.
Dieses wundervolle, farbenverklärte und poetische Erwachen nach einer Nacht schmutziger Ausschweifungen gab mich mir selber zurück. Mir war, als sei mir ein entsetzlicher Alpdruck von der Brust genommen. Und an meiner Seite in meinen Armen atmete leise ein sanft bewegter Busen, ein Busen wie von Lilien und Rosen, ein Busen so jung, so zart, so rein, daß ich mich scheute, ihn nur mit meinen Lippen zu berühren, wie wenn er von dem bloßen Anhauch hätte verwelken können. Welch ein entzückendes Geschöpf war meine Fanny! Wie sie so halbnackt auf der breiten niedrigen Bettstatt lag, sah ich in ihr das Ideal meiner schönsten Träume verwirklicht. Ihr Kopf ruhte anmutig auf dem schön gerundeten Arm; ihr Profil zeichnete sich lieblich und rein ab wie ein Raffaelsches Bild; ihr Leib war in allen seinen Einzelheiten – und auch in seiner Gesamtheit von geradezu wunderbarer Schönheit. O welche Wollust, meine Blicke ungestört an dem Anblick aller dieser Reize sich weiden zu lassen! Und zugleich welch schmerzlicher Gedanke, daß die holde Jungfräulichkeit dieses fünfzehnjährigen Mädchens in einer einzigen kurzen Nacht auf ewig zerstört war!
Ihre Frische, ihre Anmut, ihre Jugend – unsere Orgie hatte alles befleckt, alles besudelt, alles in Unflat und Schmutz gezogen.
Diese bis dahin so naive, so zarte Seele, diese Seele, die bisher von Engelshänden sanft gewiegt worden war – sie war jetzt ein Spielball unreiner Geister. Sie konnte keine Illusionen mehr haben, konnte sich nicht mehr in Träumen wiegen – für sie gab es keine erste Liebe mehr, keine holden Überraschungen. Das ganze poetische Seelenleben einer Jungfrau war unwiederbringlich dahin.
Mit einem Lächeln auf den Lippen erwachte das arme Kind. Sie glaubte ihre gewohnten, unschuldigen Morgengedanken wiederzufinden. Aber ach – mich sah sie! Sie lag nicht in ihrem eigenen Bett, sie befand sich in einem fremden Zimmer. O wie schnitten ihre traurigen Klagen mir ins Herz. Vor Tränen konnte sie bald nicht weitersprechen. Bewegt sah ich sie an. Ich schämte mich meiner selbst.
Fest schlang ich sie in meine Arme und küßte ihr unersättlich, unersättlich jede einzelne Träne von den Wangen.
Von Sinnenlust war nicht mehr die Rede. Nur meine Seele ergoß sich ganz und gar. Meine Zunge, meine Augen redeten die Sprache heißer, innigster Liebe.
Wortlos vor Erstaunen, vor Entzücken hörte Fanny mir zu. Sie sog meinen Odem, meine Blicke in sich ein.
Zuweilen preßte sie mich plötzlich an sich, wie wenn sie sagen wollte: »O ja! Noch bin ich dein – ganz, ganz dein!«
Wie sie mir in vertrauensseliger Unschuld ihren Leib hingegeben hatte, so gab sie mir jetzt ihre vertrauende Seele im Rausch der Liebe. Ich fand diese ihre Seele in einem Kuß, den ihre Lippen mir gaben – ich gab ihr dafür meine eigene Seele zurück. Wir waren im Himmel – weiter wußten wir nichts.
Endlich standen wir auf.
Ich wollte mich nicht entfernen, ohne mich noch nach der Gräfin umzusehen. In einer unzüchtigen, gemeinen Stellung lag sie im Schlaf über Julies Bett hingeworfen. Ihr Gesicht war verstört, ihr Leib beschmutzt, besudelt. Wie ein betrunkenes Weib, das nackt in den Rinnstein gefallen ist, lag sie da im Pfuhl ihrer Wollust. Da rief ich meiner Geliebten zu: »O fort von hier Fanny!... Fort von dieser Stätte der Gemeinheit!«


Was zuvor geschah