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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Mittwoch, 23. Februar 2022

Russland: Sind heute noch die Grenzen von 1914 relevant? Rückfall in überkommene Territorialansprüche

Eroberung, Gewalt, Unterdrückung, Diktatur statt Wirtschaftskooperation?


(Statista/M.Janson) Die US-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield warf dem russischen Präsidenten im UN-Sicherheitsrat am vergangenen Montag vor, er träume von einem russischen Großreich. Der Präsident habe behauptet, dass Russland heute einen rechtmäßigen Anspruch auf alle Gebiete des russischen Imperiums habe, die in den Grenzen des ehemaligen russischen Reichs vor der Sowjetunion liegen würden. Die Statista-Grafik zeigt, welche Ausdehnung dieses Russische Reich im Jahr 1914 hatte. In dieses Reich fielen die heutigen Staaten Ukraine, Weißrussland, Finnland, Georgien, Moldawien, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan, Usbekistan, Estland, Lettland und Litauen. Außerdem gehörten Teile Polens (inkl. Warschau) und der heutigen Türkei zum Russischen Reich. In der Karte sind die betreffenden Länder und Gebiete rot schraffiert. Die in der Grafik gezeigten Grenzen des Russischen Reiches basieren dabei auf einer Darstellung aus dem Großen Historischen Weltatlas, welcher die politischen Landkarten der Welt um 1914 aufzeigt.

Der deutsche Osteuropahistoriker Karl Schlögel bestätigt in einem Interview mit T-Online diese Einschätzung der US-Botschafterin indirekt. Putin wolle Schlögel zufolge zurück zur Großmacht, zu einer Neuauflage des Ostblocks und zur Vorherrschaft über Europa. Zugleich weist Schlögel daraufhin, dass der Fokus auf geostrategische Ziele Russlands zu eng gesteckt sei: „Es wäre gut, etwas mehr in Soziologie und Herrschaftsanalyse zu investieren, nicht nur in Geografie, vielleicht auch mehr in konkrete Kenntnis vor Ort als in historische Analogien und Zukunftsspekulationen.“ Statt sich der anstrengenden Modernisierung zu stellen, setze Putin zur Ablenkung auf einen kleinen erfolgreichen Krieg. Die Infografikredaktion von Statista plant daher in Kürze weitere Grafiken zu den politischen und gesellschaftlichen Zuständen in Russland zu veröffentlichen.


Infografik: Putins Imperiums-Fantasie? | Statista

Montag, 16. November 2015

Buchbesprechung: Putins Welt von Katja Gloger

Katja Gloger
Putins Welt
Das neue Russland, die Ukraine und der Westen
356 Seiten, Klappenbroschur.
€18 ,00 [D]

"Ob man will oder nicht: Die Zukunft der Beziehungen zwischen Russland und dem Westen wird sich an der Ukraine und ihrer künftigen Position in Europa entscheiden." Katja Gloger

Der Krieg ist wieder einmal nach Europa zurückgekehrt. Tausende Menschen sind bisher in der Ukraine gestorben, unzählige haben ihr Zuhause verloren und mussten fliehen. Soldaten ohne Abzeichen, die Krim ist russisch, Nationalisten und Faschisten kämpfen mitunter auf beiden Seiten. Mit der sogenannten Ukrainekrise hat 25 Jahre nach dem Fall der Mauer ein neuer Ost-West-Konflikt begonnen, womöglich sogar ein neuer Kälter Krieg, in dem Wladimir Putins Russland nach alter Weltmachtstellung strebt. Die renommierte Ukraine- und Russland-Expertin Katja Gloger hat sich für „Putins Welt" auf eine Expedition in das neue Russland begeben und zeichnet in ihrer Analyse das Bild eines stolzen, gekränkten und zornigen Landes, in dem Wladimir Putin und seine Mitstreiter mit viel Patriotismus, religiösen Bekundungen und Sowjetnostalgie ein autoritäres Regime etabliert haben, in dem demokratische Errungenschaften zunehmend auf der Strecke bleiben, Kritiker gefährlich leben und ein „Kapitalismus für Freunde" einige wenige zu nahezu unendlichem Reichtum gebracht hat, während große Teile der Bevölkerung schlechter und perspektivloser als in der Sowjetunion leben. Die Autorin beschreibt sehr detailliert, wer als Mitglied im System Putin funktioniert, ein Anhänger des Putinismus ist, einen reichen Lohn erhält, der weit über normale Managergehälter hinausgeht. Das System ist im Grunde korrupt, scheinbar fortschrittlich, vor allem stark mediengetragen und rechtskonservativ.

Katja Gloger hat den Aufstieg Wladimir Putins erlebt, als erste Journalistin aus dem Westen konnte sie ihn zu seinem Amtsantritt über Monate begleiten. Sie erklärt nun das „System Putin", das komplizierte Machtgeflecht im Kreml, das auf absolute Loyalität fußt und in der der Präsident die strategischen Entscheidungen trifft. Und sie wirft einen Blick auf die Biografie Putins, der als drittes und einzig überlebendes Kind sehr armer Eltern früh lernte sich mit den Fäusten Achtung zu verschaffen. Er scheint nach allem, was man so hört über seine Schulzeit, ein ADHS-Kind gewesen zu sein, das sich häufig prügelte und sehr unruhig und unstet war.

Sie beschreibt die Interessen der Oligarchien und des Geheimdienstes und analysiert die imperiale Ideologie des „russischen Weges" ebenso wie die strategischen Fehler des Westens. Sie schildert die endlose Propaganda, die im neuen Russland wieder gänzlich den Alltag prägt und sich auch via Satellit, Internet und rechten Unterstützern in der Welt verbreitet. Sie schreibt über das gefährliche Leben der Kreml-Kritiker, die furchtlos für ein anderes Russland kämpfen, und den mühsamen Alltag der einfachen Menschen, ihre Sicht auf Europa und den Westen. Wirtschaftlich schwach, vollkommen abhängig von Rohstoffexporten, nationalistisch aufgestachelt und militärisch hochgerüstet, erscheint das größte Land der Erde immer mehr als ein taumelnder Koloss auf tönernen Füßen.

Gibt es überhaupt noch Chancen, neues Vertrauen zwischen dem Wester und Russland aufzubauen und die Spirale der Gewalt und Drohungen zu durchbrechen, gar Gemeinsamkeiten zu finden? Und welche Rolle kann Deutschland in diesem Konflikt, in dem sich Putins Russland als Ordnungsmacht auf dem eurasischen Kontinent und als moralischer und politischer Gegenpol vom Westen sieht — jenseits von zweifelhaften Aufsichtsratsposten und Russlandsympathisanten in der Neuen Rechten — spielen?

Katja Glogers Buch ist eine kritische Analyse und zugleich ein Plädoyer für rhetorische Abrüstung, das von der Sympathie für die Menschen in Russland und der Ukraine getragen ist, die sich dem nationalistischen Furor widersetzen und trotz Gefahr für Leib und Leben nicht müde werden, sich für Frieden und Freiheit einzusetzen. Denn wahr bleibt: Frieden kann es nur mit Russland geben.


Die Autorin:
Katja Gloger, geboren 1960 in Koblenz, beschäftigt sich seit über 25 Jahren mit Russland. Sie studierte Russische Geschichte, Politik und Slawistik in Hamburg und Moskau und ging Anfang der neunziger Jahre als Korrespondentin für den Stern nach Moskau. Dort erlebte sie den Zusammenbruch der Sowjetunion. Sie interviewte Michail Gorbatschow ebenso wie Boris Jelzin und Wladimir Putin. Sie war Stern-Korrespondentin in den USA, arbeitet heute als Autorin des Stern mit den Schwerpunkten Russland, Internationale Politik und Sicherheitspolitik. 2010 erhielt sie den Henri-Nannen-Preis, 2014 wurde sie als „Journalistin des Jahres" ausgezeichnet. Katja Gloger lebt in Hamburg.