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Sonntag, 28. Juli 2019

Jetzt im Kino: Tel Aviv on Fire

© 2018 Samsa Film - TS Productions - Lama Films - Artémis Productions



Eine Komödie von Sameh Zoabi / Mit Kais Nashif, Lubna Azabal, Nadim Sawalha u.a. /  Luxemburg, Frankreich, Israel, Belgien 2018 / 97 Minuten / Kinostart: 11. Juli 2019 

In Tel Aviv geht es heiß her. Zumindest laut der schnulzigen Soap Opera „Tel Aviv on Fire“, die jeden Abend über die TV-Bildschirme flimmert und Israelis wie Palästinenser vor der Glotze vereint. Der junge Palästinenser Salam ist Drehbuchautor des Straßenfegers und muss für die Dreharbeiten jeden Tag die Grenze zwischen Israel und dem Westjordanland überqueren. Bei einer Checkpoint-Kontrolle gerät das  Skript der nächsten Folge in die Hände des israelischen Kommandeurs Assi. Das kommt dem gelangweilten Grenzwächter gerade recht. Um seine Frau zu beeindrucken, zwingt er Salam das Drehbuch umzuschreiben. Ein Bombenerfolg! Von nun an denken sich Salam und Assi immer neue schnulzige Dialoge und absurde Plotentwicklungen aus. Der Einfluss des israelischen Militärs auf die populäre, eigentlich anti-zionistische Seifenoper wird immer größer. Aber dann soll die Serie abgesetzt werden, und Salam steht plötzlich vor einem Riesenproblem.


Die Studioproduktion „Tel Aviv on Fire“ spielt in Tel Aviv, 1967 – ein schicksalhaftes Jahr. Überall gibt es Gerüchte, es würde Krieg geben. Manal, eine glamouröse, arabische Frau kommt als Spionin in die Stadt. Unter dem Namen Rachel gibt sie sich als jüdische Immigrantin aus Frankreich aus. Ihre Mission: Yehuda Edelman, den mächtigsten General Israels zu verführen und so an die Kriegspläne zu kommen. Manals Tarnung: Sie betreibt das beste französische Restaurant in ganz Tel Aviv, das sich natürlich gegenüber dem Hauptquartier des Militärs befindet. So liegt es auf der Hand, dass sie Yehuda dort häufig antrifft. Mit französischem Gebäck bezirzt Rachel Yehuda, und die beiden werden rasch ein Liebespaar. Doch hat sich Manal wirklich in den hochrangigen, israelischen General verliebt? Hat sie, Tochter einer Flüchtlingsfamilie aus Jaffa, tatsächlich ihre palästinensischen Wurzeln vergessen? Was ist mit ihrem wahren Geliebten, dem Widerstandskämpfer Marwan, der sie auf diese gefährliche Reise geschickt hat? Bleiben Sie dran! 

Der Nahostkonflikt als große Soap Opera. Vor dem Hintergrund des Nahostkonfliktes gelingt Regisseur Sameh Zoabi (UNDER THE SAME SUN) das Kunststück einer absurden und unglaublich witzigen Komödie. Zoabi verpackt das politisch brisante Thema auf humorvolle und subtile Art.
TEL AVIV ON FIRE lief im Wettbewerb des Toronto International Film Festivals 2018 und auf der Biennale in Venedig 2018 in der Sektion „Orrizonti“. Am 11. Juli 2019 startete TEL AVIV ON FIRE bundesweit im Kino.

Sonntag, 8. Juli 2018

Jetzt im Kino: THE RIDER. Ein Film über eine zerbrochene Identität

THE RIDER      (c) weltkino

THE RIDER
Drama +++ USA 2017 +++ Weltkino Filmverleih 
Deutscher Kinostart: 21. Juni 2018 
Länge: 104 Minuten 
Chloé Zhao    (c) Joshua James Richard

Regie & Drehbuch: Chloé Zhao (SONGS MY BROTHER TAUGHT ME) 


Darsteller: Brady Jandreau (Brady Blackburn) Tim Jandreau (Wayne Blackburn) Lilly Jandreau (Lilly Blackburn) Cat Clifford (Cat Clifford) Terri Dawn Pourier (Terri Dawn Pourier) Lane Scott (Lane Scott) Tanner Langdeau (Tanner Langdeau) James Calhoon (James Calhoon) Derrick Janis (Victor Chasinghawk)


In atemberaubenden Bildern der Wildnis South Dakotas erzählt THE RIDER von zerbrochenen Träumen und verlorenen Identitäten. Authentisch und einfühlsam hält der Film die Balance zwischen zärtlicher Poesie, archaischen Mythen und der rauen Lebenswirklichkeit im amerikanischen Heartland. Der tief berührende Film basiert auf den wahren Leben seiner Darsteller. THE RIDER wurde in Cannes mit dem Art Cinema Award sowie mit dem Werner Herzog Filmpreis ausgezeichnet, der Mut, Entschlossenheit und Visionen honoriert.


Nach einem beinahe tödlichen Rodeo-Unfall, bei dem er den Tritt eines Pferdes gegen
seinen Kopf erlitt, muss sich der junge Cowboy Brady Blackburn (Brady Jandreau)
nicht nur mit einer Metallplatte in seinem Kopf abfinden, sondern auch mit der
Tatsache, dass er nie wieder reiten kann. Dies stürzt Brady in eine existentielle
Identitätskrise: Immerhin definiert ihn nicht nur seine Umwelt, sondern vor allem
auch er selbst sich vornehmlich über seine Arbeit mit Pferden. Nicht nur, dass seine
vielversprechende Karriere als Rodeo-Reiter und „Pferdeflüsterer“ ein schlagartiges
Ende nimmt. Als Nachkomme der Lakota-Sioux steckt ihm die besondere Verbindung
zu Pferden quasi im Blut. Das Leben im Pine Ridge Revervat in South Dakota bietet
ihm kaum Alternativen für eine andere Zukunft. Wie kann man in einem Wal-Mart
arbeiten in einer Kultur, in der das Mann-Sein seit Generationen über die Leistung
auf dem Pferderücken definiert wird? „Die Bestimmung eines Pferdes ist es, durch
die Prärie zu galoppieren. Die Bestimmung eines Cowboys ist es, es zu reiten. Einem
Pferd in meiner Lage hätte man schon längst den Gnadenschuss gegeben.“ sagt
Brady. Trotz der eindeutigen Zeichen seines Körpers, der sich gegen das Reiten zu
sträuben scheint, trotz der liebevollen Ermutigungen seiner kleinen Schwester und
trotz des warnenden Schicksals seines besten Freundes Lane, der seit einem RodeoUnfall
schwerstbehindert im Rollstuhl sitzt, kann Brady einfach nicht akzeptieren,
nicht mehr reiten zu dürfen. Zu schwer wiegt der abschätzige Blick seines Vaters, der
Abschied von seinen enttäuschten Fans und Rodeo-Freunden, das Fehlen des
einzigartigen Gefühls der Freiheit, das ihn auf dem Rücken eines Pferdes
durchströmt. Hin- und hergerissen zwischen altem und neuen Leben, eigenen
Erwartungen und Erwartungen anderer, muss Brady seine Identität neu ausloten
und herausfinden, was es bedeutet, heute im amerikanischen Heartland ein Mann
zu sein.

Donnerstag, 14. Juni 2018

Jetzt im Kino: AUGENBLICKE. GESICHTER EINER REISE

AUGENBLICKE

GESICHTER EINER REISE


Originaltitel: Visages Villages
Frankreich 2017, 93 min
Genre: Dokumentarfilm
Regie: Agnès Varda, JR
Drehbuch: Agnès Varda, JR
Kamera: C. Duguet (Bonnieux, Reillanne, Usine), N. Guicheteau (Paris, Usine, le Nord), V. Vignet (BnF, côte Normande), R. Le Bonniec (Vexin, Le Havre, Pirou), R. Minnesota (Musée du Louvre), R. De Angelis (Cuisine, Suisse), J. Fabr
Schnitt: Agnès Varda, Maxime Pozzi-Garcia
Musik: Matthieu Chedid aka -M-
Produktion: Ciné Tamaris, Social Animals, Rouge International, Arte France Cinéma, Arches films
FSK: 0
Preise: Oscars 2018: Nom. Bester Dokumentarfilm, Independent Spirit Awards 2018: Bester Dokumentarfilm, César 2018: Nom. Bester Dokumentarfilm, Beste Filmmusik
Kinostart: 31.05.2018





Die 89-jährige Regie-Ikone Agnès Varda und der 33-jährige Streetart-Künstler JR machen sich mit ihrem einzigartigen Fotomobil auf, um Frankreichs Menschen und ihre Geschichten zu entdecken und zu verewigen: in überlebensgroßen Porträts an Fassaden, Zügen und Schiffscontainern. Von der Provence bis zur Normandie widmen sie ihre Kunst den Menschen – sei es dem Briefträger, dem Fabrikarbeiter oder der letzten Bewohnerin eines Straßenzugs im ehemaligen Bergbaugebiet. Landschaften verwandeln sich in Bühnen, Gesichter erzählen von vergessenen Geschichten und aus Blicken werden Begegnungen von Herzlichkeit und Humor.

Nouvelle-Vague-Legende Agnès Varda und Fotograf JR verbindet nicht nur ihre Leidenschaft für Bilder, sondern auch ein feines Gespür für Menschen und die Poesie des Moments. AUGENBLICKE: GESICHTER EINER REISE ist ein filmischer Glücksfall, der mit einer besonderen Leichtigkeit die berührenden Begegnungen einer Reise festhält – genau wie die unwahrscheinliche und zarte Freundschaft, die zwischen den beiden Künstlern entsteht. Der Film hat 2018 eine Oscar®-Nominierung in der Kategorie Bester Dokumentarfilm erhalten.

Sonntag, 13. Mai 2018

Jetzt im Kino: Steig.Nicht.Aus! von Christian Alvart


Kinostart: 12.04.2018

Steig.Nicht.Aus!
Regie: Christian Alvart

Besetzung: Wotan Wilke Möhring, Christiane Paul, Hannah Herzsprung, Fahri Yardim, Emily Kusche

Auf dem Weg zur Arbeit bringt der Berliner Bauunternehmer Karl Brendt (Wotan Wilke Möhring) noch schnell seine Kinder Josefine (Emily Kusche) und Marius (Carlo Thoma) zur Schule. Doch bereits kurz nachdem er das Auto startet, erhält er einen Anruf: Der Unbekannte am anderen Ende der Leitung droht damit, eine Bombe, die unter dem Sitz versteckt ist, in die Luft zu sprengen, sollten Karl oder die Kinder versuchen auszusteigen!


Vom Auto aus soll Karl in kürzester Zeit eine große Summe Geld beschaffen. Als seine Ehefrau Simone (Christiane Paul) ihn verdächtigt, die gemeinsamen Kinder entführt zu haben, nimmt auch die Polizei die Verfolgung von Karl auf und schaltet Sprengstoffexpertin Pia Zach (Hannah Herzsprung) ein. Es beginnt ein tödlicher Wettlauf gegen die Zeit: Der Bombe ausgeliefert und von der Polizei verfolgt, versucht Karl Brendt verzweifelt, seine Kinder und sich zu retten.

Dienstag, 14. März 2017

Nicole Kidman „Beste Schauspielerin International“ bei der Goldenen Kamera 2017! Jetzt im Kino: LION - DER LANGE WEG NACH HAUSE

Nicole Kidman

LION 
DER LANGE WEG NACH HAUSE

Am Samstag, 4. März 2017 wurde Oscar®-Preisträgerin Nicole Kidman mit der Goldenen Kamera als „Beste Schauspielerin International“ ausgezeichnet. Weltstar aus Australien und international erfolgreiche Ausnahmeschauspielerin  -  Nicole Kidman, die gerade für ihre Rolle  in LION – DER LANGE WEG NACH HAUSE erneut für einen Oscar® und Golden Globe® nominiert wurde, kommt persönlich nach Hamburg, um die Goldene Kamera entgegen zu nehmen. 

LION – DER LANGE WEG NACH HAUSE läuft seit 23. Februar erfolgreich in den deutschen Kinos und steht an der Spitze der Arthouse-Kinocharts. 


Mit Dev Patel, Rooney Mara, Nicole Kidman, David Wenham 
Regie: Garth Davis 
  
LION, die atemberaubende Lebensgeschichte von Saroo Brierley, läuft jetzt im Kino. Der für seine Rolle als Saroo Brierley für den Oscar nominierte Dev Patel (Welterfolg: SLUMDOG MILLIONÄR) brilliert darin als junger Mann, der als 5-jähriges Kind verloren ging, in Indiens härtester Großstadt Kalkutta mutterseelenallein überlebte, von australischen Eltern adoptiert wurde und sich 25 Jahre später mithilfe von Google Earth auf die Suche nach seinem verlorenen Heimatort in Indien und seiner dort lebenden Familie macht. In den Hauptrollen: Dev Patel, Rooney Mara, Nicole Kidman und David Wenham. 
  
Regisseur Garth Davis wurde am 3. Februar für LION von der Directors Guild of America als Bester Regisseur in der Kategorie Spielfilmdebüt ausgezeichnet. Außerdem wurde LION mit zwei BAFTA-Awards geehrt (Bester Nebendarsteller - Dev Patel, Bestes adaptiertes Drehbuch – Luke Davies) und war für 6 Oscars® nominiert. 

  
Die Geschichte: Ein Tag wie jeder andere im Leben des fünfjährigen Saroo: Auf dem Bahnhof der indischen Kleinstadt, in der sein Bruder ihn für einige Stunden zurückgelassen hat, sucht er nach Münzen und Essensresten. Vor Erschöpfung schläft er schließlich in einem haltenden Zug ein und findet sich nach einer traumatischen Zugfahrt am anderen Ende des Kontinents in Kalkutta wieder. Auf sich allein gestellt irrt er wochenlang durch die gefährlichen Straßen der Stadt, bis er in einem Waisenhaus landet, wo er von Sue (Nicole Kidman) und John Brierley (David Wenham) adoptiert wird, die ihm ein liebevolles Zuhause in Australien schenken. Viele Jahre später lebt Saroo in Melbourne, ist beruflich erfolgreich und wohnt mit seiner Freundin Lucy (Rooney Mara) zusammen. Er könnte rundum glücklich sein, doch die Frage nach seiner Herkunft lässt ihn nicht los. Nacht für Nacht fährt er mit Google Earth auf seinem Laptop das Zugnetz Indiens ab, zoomt auf Hunderte von Bahnhöfen und sucht nach Hinweisen auf seinen früheren Wohnort und seine leibliche Familie. Er hat die Hoffnung schon fast aufgegeben, als das Unglaubliche passiert und er im Internet auf ein Dorf stößt, das seiner Erinnerung entspricht… 

LION ist eine tief bewegende Geschichte über die Suche nach den eigenen Wurzeln. Basierend auf dem autobiographischen Bestseller „Mein langer Weg nach Hause“ erzählt der Film die wahre Geschichte von Saroo Brierley, der als Kind  in Indien verloren ging und Jahrzehnte später wie durch ein Wunder seine Familie wiederfand. In den Hauptrollen spielen Dev Patel („Slumdog Millionär“, „Best Exotic Marigold Hotel“),  Rooney Mara („Carol“, „Verblendung“) und Nicole Kidman („Moulin Rouge!“, „The Hours – Von Ewigkeit zu Ewigkeit“). Regie führte Garth Davis nach einem Drehbuch von Luke Davies („Life“, „Candy – Reise der Engel“).

Montag, 20. Februar 2017

Jetzt im Kino: The Salesman (F/ Iran)


The Salesman (Forushande) 
(Frankreich/Iran
2h 3min // ab 12 

Lehrer Emad (Shahab Hosseini) und seine Frau Rana (Taraneh Alidoosti) sind ein liberales und kulturinteressiertes Paar. So studieren sie zusammen in ihrer Laientheatergruppe Arthur Millers “Tod eines Handlungsreisenden” ein. Eines Tages müssen sie aus ihrem baufälligen Haus ausziehen. Als Notlösung vermittelt ihnen ein Bekannter aus dem Theater eine neue Wohnung. Dort wird Rana eines Abends, als sie alleine zu Hause ist, von einem fremden Mann überfallen und am Kopf verletzt. Es stellt sich heraus, dass die frühere Vermieterin eine Prostituierte war. Niemand hat ihnen vor dem Umzug von diesem Umstand erzählt und das, obwohl Prostitution im Iran illegal ist und Schwierigkeiten vorprogrammiert sind. Die traumatisierte junge Frau will trotzdem auf keinen Fall zur Polizei. Als der bis dahin verständnisvoll auftretende Emad merkt, dass sie sich immer mehr von ihm distanziert, sinnt er auf Rache gegen den Einbrecher. Ehmad beginnt fieberhaft nach dem Angreifer zu suchen, statt seine verängstigte Frau zu unterstützen. Schon bald kriegt ihre Beziehung so tiefe Risse, wie das Haus aus dem sie ausgezogen sind.


Der iranische Regisseur Asghar Fahrhadi ist für seine präzise beobachteten Beziehungsstudien wie “Le Passé” oder “Alles über Elly” bekannt. Sein Drama über eine zerbröckelnde Ehe “Nader und Simin – Eine Trennung” wurde als erster iranischer Film 2012 mit dem Oscar ausgezeichnet. In “The Salesman” lässt Asghar Realität und Fiktion verschwimmen, indem er die Tragödie der Eheleute mit dem Theaterstück „Der Tod eines Handlungsreisenden“ verknüpft, das von einer Lebenslüge handelt, die über die Jahre eine Familie zerstört. Auf dem Cannes Filmfestival 2016 wurde sein neuester Streich für das Beste Drehbuch und den Besten Schauspieler (Shahab Hosseini) ausgezeichnet.

Sonntag, 31. Juli 2016

Jetzt im Kino: Goldgräberstimmung im Orient und Afrika - Die Tragödie der Illegalen - SEEUFER

SEEFEUER

It, Fr 2016
Der Gewinner des Goldenen Bären 2016 blickt klug und unsentimental auf das Los der Flüchtlinge, die täglich auf der Insel Lampedusa stranden - und damit auf die Tragödie der Welt an sich.

Samuele ist 12. Nach der Schule trifft er seine Freunde oder streift mit einer selbstgebauten Steinschleuder durch die Gegend. Er will Fischer werden, so wie sein Vater. Samuele lebt auf der Mittelmeerinsel Lampedusa, auf der das Leben schon immer von dem geprägt war, was das Meer bringt. Seit Jahren sind das nun vor allem Menschen – Tausende Flüchtlinge, die in der verzweifelten Hoffnung auf ein besseres Leben eine lebensgefährliche Reise wagen.

Ein Jahr lang beobachtete Regisseur Gianfranco Rosi Leben und Alltag auf Lampedusa, der „Insel der Hoffnung“, die zur Anlaufstelle unzähliger Flüchtlinge wurde. Der bewegende Dokumentarfilm überzeugte auf der diesjährigen Berlinale Publikum wie Kritiker und gewann den Goldenen Bären als Bester Film.

Der italienische Originaltitel „Fuocoammare“ kann sowohl als „brennendes Meer“ als auch „Leuchtturm“ übersetzt werden. Der deutsche Kinotitel ist dieser Doppelbedeutung geschuldet: „Seefeuer“ bezeichnet zum einen das Lichtsignal auf Leuchttürmen, zum anderen eine historische Brandwaffe, die vor allem gegen Schiffe zum Einsatz kam und nicht mit Wasser gelöscht werden konnte.

Regie + Drehbuch: Gianfranco Rosi
109 Min
FSK 12

KOMMENTAR DES REGISSEURS GIANFRANCO ROSI

Im Herbst 2014 bin ich das erste Mal nach Lampedusa gefahren, um die Möglichkeiten auszuloten, einen 10­minütigen Film für ein internationales Festival zu drehen. Die Idee des Produzenten war es, einen Kurzfilm zu machen, der dem faulen und mitschuldigen Europa, das nur ein diffuses und verzerrtes Bild der aufkeimenden Flüchtlingskrise hat, eben eine andere Seite von Lampedusa zu zeigen. Das sah auch ich so, denn Lampedusa war lange Zeit ein wirres Durcheinander von Stimmen und Bildern aus Fernsehspots, schockierenden Schlagzeilen über Tod, Notfälle, Invasionen und Volksaufstände. Als ich aber auf der Insel war, stellte ich fest, dass sich die Realität stark von dem unterschied, was man in den Medien und der Politik fand, und mir wurde bewusst, dass es unmöglich sein würde, ein so komplexes Gefüge wie das von Lampedusa in wenige Minuten zu pressen.

Man würde für längere Zeit komplett eintauchen müssen. Es würde nicht einfach werden. Ich wusste, ich würde einen Weg hinein finden müssen. Dann – und so ist es oft bei Dokumentarfilmern – passierte etwas Unvorhergesehenes: Ich musste wegen einer schlimmen Bronchitis zur örtlichen Notaufnahme und traf dort Dr. Pietro Bartolo, welcher der einzige Doktor auf der Insel ist und schon seit Jahren jede Ankunft von Flüchtlingsbooten begleitet. Er beurteilt, wer ins Krankenhaus gebracht wird, wer inhaftiert wird und wer verstorben ist. Nicht wissend, dass ich ein Regisseur auf der Suche nach einer Story war, erzählte mir Dr. Bartolo von seinen Erfahrungen mit den medizinischen und humanitären Notfällen. Seine Worte berührten mich tief. Ein gegenseitiges Verständnis entwickelte sich zwischen uns und mir wurde klar, dass er ein Protagonist im Film werden könnte. Nach anderthalb Stunden intensiven Gesprächs schaltete der Doktor seinen Computer an, um mir Bilder zu zeigen – herzzerreißende, nie zuvor gesehene Bilder, so dass ich die Realität des tragischen Schicksals der Migranten „mit meiner Hand berühren“ konnte.

Meine Entscheidung, nach Lampedusa zu ziehen, änderte alles. In meinem Jahr auf der Insel überstand ich den langen Winter und dann die Fischersaison. Ich lernte den wahren Rhythmus der Flut der Migranten kennen. Es war wichtig, die Vorgehensweise der Medien zu durchbrechen, die immer nur dann nach  LAMPEDUSA strömten, wenn es eine Katastrophe gab. Als ich dort lebte, verstand ich, dass der Begriff Katastrophe bedeutungslos war. Es gab jeden Tag eine Katastrophe. Jeden Tag passierte etwas. Um das reale Ausmaß der Tragödie zu erfassen, muss man nicht nur vor Ort sein, sondern auch laufenden Kontakt haben. Nur so war ich in der Lage, die Gefühle der Inselbewohner zu verstehen, die seit 20 Jahren zusehen, wie sich diese Tragödie ständig wiederholt.

Seit der Einführung von Rettungsoperationen wie Mare Nostrum, die versucht, Boote auf See abzufangen, sind auf Lampedusa keine Flüchtlinge mehr zu sehen. Sie ziehen vorbei wie Phantome. Sie gehen am Kai im alten Hafen von Bord, werden mit Bussen für weitere Hilfe und zur IDENTIFIZIERUNG in die Auffangstation gefahren und ein paar Tage später aufs Festland befördert. Was die Ankunft betrifft – und ich habe Dutzende beim Eintreffen gefilmt – gibt es nur einen Weg, die Auffangstation zu verstehen, und zwar hineinzugehen und sie aus der Nähe zu betrachten. Es war sehr schwierig, dort zu filmen, aber Dank der Genehmigung, die ich von den sizilianischen Behörden bekommen hatte, war ich in der Lage, die Station zu zeigen, ihren Rhythmus und ihre Regeln, ihre Gäste und Gewohnheiten, ihre Religionen und Tragödien. EINE WELT IN EINER WELT FÜR SICH, abgeschnitten vom Alltag auf der Insel.

DIE GRÖSSTE HERAUSFORDERUNG WAR ES, einen Weg zu finden, dieses Universum zu filmen und dabei nicht nur Wahrheit und Realität, sondern auch Menschlichkeit darin zu offenbaren. Bald verstand ich, dass sich die Grenze – die einst, als die Boote noch direkt auf der Insel landeten, Lampedusa selbst war – auf das Meer verschoben hatte. Ich bat um Erlaubnis, an Bord eines italienischen Marineschiffes zu gehen, das vor der afrikanischen Küste operierte, und verbrachte etwa einen Monat auf der Cigala Fulgosi, die zu dieser Zeit an zwei Missionen teilnahm. Auch dort lernte ich erst den Rhythmus, die Regeln und Gebräuche an Bord kennen, bis wir auf die Tragödien stießen, eine nach der anderen. Die Erfahrungen beim Filmen dieser Ereignisse kann ich hier nicht beschreiben.

In meinen Filmen stelle ich oft ABGEGRENZTE WELTEN dar, seien es literarische oder ideelle. Diese Universen – manchmal nur so groß wie ein Raum – haben ihre eigene Logik und ihre eigenen Be wegungen. Dies einzufangen und auszudrücken ist der komplizierteste Teil meines Jobs.

Das war so mit der Gruppe von Aussteigern in der amerikanischen Wüste („Unter dem Meeresspiegel“), einer isolierten Welt mit ihren eigenen Regeln, wo die Grenze für die einen die Zugehörigkeit zu einer Idee und für andere eine Tatsache bedeutete. So war es auch bei dem Auftragskiller, der zum Informanten wurde, sich in ein Motelzimmer verkroch, seine Verbrechen nachstellte und die Regeln der kriminellen Szene erklärte („El Sicario – Room 164“). Das Gleiche kann über die Menschen gesagt werden, die am Rand der Autobahn um Rom leben („Das andere Rom“).

In Lampedusa entdeckte ich die Funktionsweise – wenn man das so nennen kann – eines anderen Gefüges konzentrischer Welten, mit ihren eigenen Regeln und ihrem eigenen Zeitgefühl: die Insel, die Auffangstation, die Cigala Fulgosi. Es ist unmöglich, Lampedusa zu verlassen, genauso unmöglich, wie den Moment festzulegen, an dem die Filmaufnahmen abgeschlossen sind. Wenn das auch für alle meine Filme gilt, dann ganz besonders für diesen. Ein Ereignis brachte mich dazu, zu erkennen, dass sich der Kreis irgendwie schloss. Weil ich nach einem Meeting mit DR. BARTOLO entschieden hatte, diesen Film zu machen, fühlte ich, dass es notwendig war, zu dieser Begegnung zurückzukehren, um den Film abzuschließen. Ich ging zu Bartolo, aber dieses Mal mit der Kamera, um seine Aussage, seine Geschichte festzuhalten. Und wie zuvor, mit dem Blick auf den Bildschirm seines Computers gerichtet, wo das Archiv von 20 Jahren Rettungsarbeit gespeichert ist, gelang es ihm mit seiner immensen MENSCHLICHKEIT und Klarheit, das Ausmaß der Tragödie zu kommunizieren und die Pflicht, Hilfe und Zuflucht anzubieten. Das war genau das, was es brauchte, um den Film abzuschließen.