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Posts mit dem Label Kriegstheorien aktuell: NEUE KRIEGE als Begriff für innerstaatliche Konflikte werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
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Samstag, 1. Februar 2014

Kriegstheorien aktuell: NEUE KRIEGE als Begriff für innerstaatliche Konflikte, Guerillataktik und organisierter Terrorismus

Somaliaeinsatz

Das veränderte Gesicht innerstaatlicher Konflikte: "Neue Kriege", Gewaltökonomien und Terrorismus


(Daniel Lambach, Bundeszentrale für politische Bildung, 15.2.2007)     Seit Ende der 1990er Jahre hat sich der Begriff "neue Kriege" für innerstaatliche Konflikte weitestgehend durchgesetzt. Er verweist auf den Vorrang wirtschaftlicher Ziele, asymmetrische Kampfformen wie Bandengewalt und Terrorismus und ihre Verstetigung zu Gewaltökonomien.

Seit dem Ende der 1990er Jahre werden innerstaatliche Konflikte zunehmend als "neue Kriege" bezeichnet. Damit soll deutlich gemacht werden, dass ein grundsätzlicher Wandel des Krieges stattgefunden hat. Eine neue Form bewaffneter Konflikte habe sich herausgebildet (Kaldor 2000, Münkler 2005). Die "neuen" Kriege sind durch die Privatisierung der Gewaltmittel gekennzeichnet. "Neue Kriege" werden primär aufgrund wirtschaftlicher Ziele begonnen; das Handeln der Akteure wird nicht durch eine Ideologie angeleitet. Charakteristisch für "neue Kriege" ist die Figur des Kriegsfürsten bzw. Gewaltunternehmers (Warlord), der sich als lokaler Herrscher etabliert, um daraus ökonomischen Vorteil zu ziehen.

Solche Konflikte sind "asymmetrisch": Zwischen den Kriegsparteien herrscht ein großes Ungleichgewicht der Kräfte. Sie werden von irregulären Kräften geführt, Gewalt richtet sich vorrangig gegen Zivilisten, und Kämpfer der verschiedenen Seiten kooperieren nicht selten zum gegenseitigen Nutzen miteinander. Auf diese Weise verwischt die Grenze zwischen Krieg und Frieden, ja sogar die zwischen den verschiedenen Konfliktparteien. Dazu gehört auch, dass "neue Kriege" nicht offiziell erklärt und auch nicht auf dem Schlachtfeld entschieden werden.

Kritiker aus der Friedens- und Konfliktforschung sowie aus der internationalen Politik widersprechen dieser Auffassung jedoch teilweise. Sie argumentieren, dass die genannten Eigenschaften letztlich gar nicht so "neu" seien. Nach ihrer Ansicht stellen "neue Kriege" eher einen Rückfall in die vormoderne Kriegsführung dar, etwa in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges.

Das "Neue" der neuen Kriege

Unabhängig von der Richtigkeit der einen oder anderen Position richtet sich die Debatte zunehmend darauf, wie sich Kriege und gewaltsame Auseinandersetzungen seit dem Ende des Ost-West-Konflikts verändert haben.

Dazu gehört u.a. das Auftreten neuer Akteure in den Konflikten. So hat z.B. in den Kriegen seit 1989 der Einsatz von Kindersoldaten dramatisch zugenommenCharakteristisch für "neue Kriege" sind auch die Verbreitung von Kleinwaffen und das Auftreten privater Gewaltakteure. Sie sind aber eher eine Fortsetzung schon länger bestehender Trends. Aufseiten der externen Drittparteien kommen verstärkt neue Akteure ins Spiel, insbesondere Nicht-Regierungsorganisationen (NROs) und internationale Organisationen wie die UNO und ihre Spezialorganisationen. Auch Regionalorganisationen wie die Afrikanische Union, die EU und die OSZE betätigen sich zunehmend.

Ein wichtiger Unterschied gegenüber früheren Konflikten besteht darin, wie sich Rebellengruppen mittlerweile finanzieren. Konnten sie während des Ost-West-Konflikts noch darauf hoffen, durch einen der beiden Blöcke Unterstützung für ihren Kampf zu erhalten, sind sie heute darauf angewiesen, die Mittel zur Fortsetzung ihres Kampfes selbst zu erwirtschaften. Sie tun das zumeist durch Handel mit Konfliktgütern: Diamanten, Drogen, Öl, Edelhölzer, Mineralien, etc. Der liberianische Warlord Charles Taylor nahm beispielsweise zwischen 1990 und 1994 jährlich rund 450 Millionen US-$ aus dem Verkauf von Diamanten und anderen Rohstoffen ein. Die liberianische Regierung hatte in diesem Zeitraum ein Jahresbudget von nur rund 20 Millionen US-$.

Institutionalisierung von Gewaltökonomien

In vielen Kriegen sind auch staatliche Akteure an derartigen Praktiken beteiligt. Unter Umständen können so mehr oder weniger alle Konfliktparteien ein ökonomisches Interesse an der Fortsetzung des Konfliktes entwickeln, so dass sich dieser verstetigt. Ein Beispiel für eine derartige Institutionalisierung des Krieges war lange Zeit Angola: Während die Zentralregierung und der Generalstab der regulären Streitkräfte von der staatlichen Ölförderung profitierten, kontrollierten die UNITA-Rebellen die Diamantenfelder. Das Resultat war, dass beide Seiten sich darauf beschränkten, ihre Stellungen zu verteidigen und keinen Versuch unternahmen, den Krieg zu einem Ende zu bringen.

Asymmetrische Kampfformen: Guerilla und Terrorismus

Die "neuen Kriege" sind nicht zuletzt durch einen Wandel der militärischen Taktik gekennzeichnet: Anstelle offener Feldschlachten verwenden die Kriegsparteien Techniken des Guerilla- oder Partisanenkampfes. Ein Mittel dieser "asymmetrischen Kriegsführung" ist Terrorismus. Dabei handelt es sich meist um Gewalt gegen ausgewählte militärische und infrastrukturelle Ziele oder gegen Zivilisten zum Zweck der Einschüchterung der Bevölkerung und der Beeinflussung der Politik der Gegenpartei. Derartige Fälle haben in der Vergangenheit nicht nur in Israel zugenommen. Sie treten auch in anderen Konflikten verstärkt auf, z.B. in Sri Lanka oder in Kaschmir. Vor allem aus dem Irak erreichen uns fast täglich neue Horrormeldungen über Anschläge.

International herrscht die Befürchtung, dass politisch schwer kontrollierbare Konfliktgebiete zu Rückzugsgebieten und Aktionsräumen transnational agierender Terroristengruppen werden können. Ein anschauliches Beispiel hierfür war Afghanistan (bis 2001), wo Al Qaida unter dem Schutz der Taliban Ausbildungslager unterhielt und starken Einfluss auf die innere Entwicklung des Landes gewinnen konnte. Heute sind transnationale Terroristengruppen vor allem im Irak aktiv. Auch von Somalia und Sudan wird vermutet, dass dort Führern und Kämpfern islamistischer Terrornetzwerke Unterschlupf gewährt wird. Das Ziel, derartige Rückzugsräume ("sichere Häfen") auszutrocknen, veranlasst viele Staaten dazu, bereitwilliger in innerstaatliche Konflikte zu intervenieren. Das bewies zuletzt Äthiopien, als es mit seinen Truppen in Somalia einmarschierte, um die Milizen der Scharia-Gerichte zu vertreiben – und damit die Übergangsregierung zu stabilisieren.

Literatur

Heupel, Monika; Zangl, Bernhard: Von "alten" und "neuen" Kriegen – Zum Gestaltwandel kriegerischer Gewalt, in: Politische Vierteljahresschrift, Vol. 45, Heft 3, 2004, S. 346-369.
Kaldor, Mary: Neue und alte Kriege: Organisierte Gewalt im Zeitalter der Globalisierung, Frankfurt 2000.
Münkler, Herfried: Die neuen Kriege, 2. Auflage, Reinbek bei Hamburg 2005.

Links

»Die neuen Kriege, Der Bürger im Staat, Heft 4/2004, Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg.«
»Gantzel, Klaus J.: Neue Kriege? Neue Kämpfer? Arbeitspapier Nr. 2/2002 der Forschungstelle Kriege, Rüstung und Entwicklung, Universität Hamburg.«
»Ehrke, Michael: Zur politischen Ökonomie post-nationalstaatlicher Konflikte, in: Internationale Politik und Gesellschaft, No. 3/2002, S. 135-163«
»Mair, Stefan: Die Globalisierung privater Gewalt: Kriegsherren, Rebellen, Terroristen und organisierte Kriminalität. Berlin: SWP-Studie S 10, April 2002.«
»Stroux, Daniel: Rohstoffe, Ressentiments und staatsfreie Räume: Die Strukturen des Krieges in Afrikas Mitte. In: Internationale Politik und Gesellschaft, No. 2/2003, S. 95-111.«

(Copyright bei bpb und Daniel Lambach)