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Dienstag, 18. Februar 2014

Wie war es beim CORRER O FADO in Ludwigshafen am Rhein?

(c) Quorum Ballett
Fado ist eine sehr ausdrucksstarke und repräsentative Form traditioneller portugiesischer Kultur. Er ist keine Folklore, dazu ist er zu tief, ernst, lyrisch und traurig. Seinen Anfang nahm der Fado zu Beginn des 19. Jahrhunderts in den Armenvierteln von Lissabon, wo er zunächst in den anrüchigen Kneipen im Stadtteil Mouraria auftauchte. Ob noch brasilianische Einflüsse hineinflossen, kann heute niemand mehr sagen. Fado ist anklagend, das Gefühl der Saudade transportiert Traurigkeit, Wehmut, Sehnsucht oder sanfte Melancholie, etwas Geliebtes verloren zu haben. Das Unglück schwebt über allem, auch die Gewissheit, dass das Verlorenene niemals wiederkehren wird.
(c) Quorum Ballett

Letzten Samstagabend, den 15.02.2013, fand im agilen Ludwigshafen die Deutsche Erstaufführung von CORRER O FADO, einem Tanzstück mit Fadogesang und -musik im Pfalzbau statt. Das prämierte (bestes nationales Ballett) und von Daniel Cardoso 2005 gegründete Quorum Ballett Portugal führte in einer kontrastreichen Spiegelung den alten, klassischen Fado mit Gesang zu drei Gitarren - zwei klassische, eine portugiesisch dickbäuchige - und modernen Tanz / Ballett zum Fado vor. Der alte Fado in der Tradition der Maria Severa bis zu den heutigen Stars Alexandra, Mariza und Ana Moura wird von Cardoso einem bunten Reigen der Geschlechter gegenübergestellt. Die Fadista (Fadosängerin) war Joana Melo, deren Stimme gut mit den Größen konkurrieren kann. An den Gitarren Filipe Rebelo (port. Gitarre), André Santos und Max Ciuro.

In annähernd 20 Bildern werden alle Stufen der Nähe, der Zärtlichkeit, aber auch Gewalt dargestellt. Das Ensemble, sehr jung, zeigt Höchstleistungen und enorme Ausdauer, alle Figuren gelungen und von großer Beherrschung auch der schwierigen Formen zeugend. Es beginnt mit einem Tanz der jungen Leute, dann folgen die Edelleute, die Etablierten, nur die Frauen, Tanz nur der Männer, über ein Zwischenspiel des teilweise Entkleidens hin zu einem hautengen, aber sehr hektischen Pas de deux, einem Männersolo in Bild 6, gleich gefolgt von einem intimen Liebesreigen und einem lustigen Durcheinander, zurückkehrend zum Tête-à-Tête. In Bild 10 spielen drei Männer offensiv mit einer Frau, unterliegen ihr. In einer ernsthaften, schwerwiegenden Liebe verzehrt sich er nach ihr, bevor das Spiel der drei Männer mit der Frau wieder aufflammt. Verblüffend immer wieder die schlagähnlichen Andeutungen im Tanz, Hinterkopf, Rücken, Bauch der Frau! Ganz offensichtlich Misshandlungsandeutungen für unwillige oder aufbegehrende Frauen. Im 13. Bild geht ein Solotanz über zu einem weiteren 3:1-Verhältnis. Wie ein Leitfaden zieht sich diese Konstellation durch die Bilder, klar das Werben um und Vergnügen mehrerer Männer mit der Angebeteten. 

Foto: Jose-Vicente Feria, Teatro 2011

Ab dem 14. Bild beginnt dann die Rolle des Wassers in dem Stück. Unweigerlich denkt man an den Atlantik, die große und traditionsreiche Seefahrernation. Intention war jedoch vor allem die Tränen darstellen zu wollen, die im Fado fließen. Und so schafft es Cardoso aus diesem Kontrast zwischen ernsthaftem Fado, wie ihn meisterhaft Mariza und Ana Moura präsentieren, und der Persiflage darauf, quasi lustiges Gezappel und hektische Bewegungen inmitten der tangonahen Schwere des klassischen Tanzes, ein ganz modernes Bild des Fado zu schaffen, das aber auch etwas von der Würde nimmt. Wo im Tränenmeer gebadet wird, Frauen in Tränen gebettet werden, oder das ganze Ensemble im (Tränen-)Regen badet und zappelt wie Marionetten im Puppentheater, gar am Ende eine Art Wasserschlacht, wildes Schlagen des Wassers sprich der Tränen, inszeniert wird, ist die Karikatur und die Übertreibung nicht mehr weit. Immer wieder ist bei portugiesischen Fadosängern die Tendenz zu sehen, alle Tristesse aufzuheben durch lustige Weisen. Fado und Desfado werden gemeinsam aufgeführt, sie gehören zusammen wie Hölle und Himmel. In diesem Tanzstück wird die Spannung zwischen Depression und Antidepression hin zur grotesk anmutenden Überzeichnung im immergleichen Spiegelbild gesteigert. Würde man mehr an die Nähe zum Meer, das Verschmelzen der Menschen mit ihrem geliebten Meer denken, bekäme alles freilich eine andere Richtung. Unweigerlich stellt sich die Frage: Muss und kann sich Portugal vom Fado lösen? Eine Stimme aus dem Zuschauerraum: "Mir waren die Tänzer viel zu jung. Reifere Männer hätten die Grazie des Fado und Tanzes besser transportiert und die jungen Frauen reizvoller kontrastiert. Auch hätte ich nicht viel länger mit Genuss zuhören können, da alles doch eine starke Wiederholung derselben Klänge ist." Ich persönlich mag Ana Moura und Mariza sehr und muss diese reizenden Fadista in den Hauptrollen weiter genießen. Beim "Sono Fado..." der beiden werde ich fromm ...

(c) Quorum Ballett

Das Bühnenbild greift auch andere zentrale Aspekte der portugiesischen Kultur auf wie die immer präsenten Kacheln über den Spiegeln, die in Portugal eine bedeutende Schmuckaufgabe an Gebäuden haben und kunstreich Ornamente oder Szenen oder nur Farbe darstellen. Die sogenannten Azulejos sind uralt und beinhalten auch biblische Szenen, wie die 1300 Kacheln zur Geburt Jesu im Museu Nacional do Azulejo in Lissabon.