v.l.n.r.: Fiona Jopp, Kristina Chan, Bernhard Knauer, Daniel Riley (c) Peter Greig |
(c) Peter Greig |
Der Sachse Bernhard Knauer, der seinen Weg von Dresden über Palucca-Tanzhochschule Dresden und Den Haag zur Ausbildung und später Görlitz und San Francisco zur Praxis nahm, eröffnete den Abend mit einem klassischen Part. Zur Musik seines Vaters Jürgen Knauer laborierte er an einem Tanzstück, das in Solos, Duos und Trios bewusst den Weg zum Sinn suchte. In absolut konservativem Setting, mit wenig raumgewinnenden Bewegungen konzentrierte er sich in DERIVED auf eine begrenzte Tanzfläche, die Tänzer im starken Scheinwerferkegel von oben. Zu Cello und Kontrabass drehte sich alles ästhetisch um Streit und Harmonie, in der letzten Einstellung die Debatte eines Paares am Rande der Gruppe. Sehr brav.
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Kristina Chan, gebürtig aus Hong Kong, stand ganz im Gegensatz zu dem ruhigen, kaum aufregenden Einstieg des Abends. Mit CONFORM für acht Tänzer schuf sie eine Metapher für den gebeutelten Mann, der permanent unter gesellschaftlichem Druck steht. Und sie war ein Stein des Anstoßes für etliche Besucher, die sich über der Toleranzgrenze von der sicher recht lauten und Furcht einflößenden Musik von James Brown und dem Geschehen zu Unrecht penetriert fühlten. Es war tatsächlich ein kleiner Belastungstest für die Gemüter. Die einen riefen "Aufhören"und flohen ins Foyer, knallten die Türen zum Saal zu, die anderen waren begeistert. Die Aufregung beherrschte die ganze Pause und ließ die Leute diskutieren. Viele waren empört, weil es zu wenig Tanz gewesen sei, zu laut, für manche sogar zu wenig Ballett, obwohl man das bei Modern Dance nicht erwarten kann.
Bedrohliche Situationen in der Menge, die spürbare Gewalt unter Männern auf der Straße, in der Szene, korrespondieren mit verlorenen Bewegungen. Sehr eindringlich und beeindruckend.
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Ganz anders, heiter und entspannt, "der Tugend und einer kindlichen Freude gewidmet", verrückt und clownesk, Fiona Jopp mit ihrem SO MUCH, DOESN'T MATTER. Die Musik dazu hieß "Birds of Passage und stammt von Alicia und Tobias Merz. Eine Interpretation des Liebesliedes "Greensleeves", das aus dem 16./17. Jahrhundert oder früher stammt, heute von unzähligen Interpreten gesungen: von Moody Blues und Joan Baez, Leonard Cohen und Jethro Tull, bis Vicky Leandros und Roy Black u.v.m.
Mit einer wunderschönen Idee und einem kräftigen Farbenspiel lässt die Choreografin eine Frau mit einem riesigen roten Rock (bestehend aus verschiedenen Röcken) nach vorne kommen. Verstecken tun sich in den Einzelröcken drei Tänzer und eine weitere Tänzerin. In Zeitlupe entfaltet sich alles. Die Röcke bleiben bis zum Ende ein verbindendes Element, der gemeinsame Rock für alle, die einzelnen Kleidungsstücke als Persönlichkeitsmerkmal, selbst bei Männern. Im unschuldigen Spiel beginnt die Suche nach dem Geheimnis dieses Textilstückes. Mal im slapstickhaften Treiben zu mittelalterlichen Musikelementen, dann chaplinesken. Zu Greensleeves in einer Art Tom-Waits-Stil wandern alle Röcke übereinander bei einer Frau, kämpfen alle um die Frau, ein Hin- und Hergezerre beginnt. Es tritt ein Mann im Hirschkostüm auf, der erbost über die Götter Kartoffeln zerdeppert, und allmählich verliert sich der Kult um den Rock. Es wird verrückt getanzt, die Musik gibt Anlass dazu. Locker, flockig, heiter und spitzbübisch.
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In REIGN von Daniel Riley wird quasi die feminine Parallelwelt zu Kristina Chans Männerunterdrückung beleuchtet. Der Australier, der schon etliche Stücke geschrieben hat, setzt hier zur Musik von Nick Thayer acht Tänzerinnen der Company ein. Ihn interessieren Frauen, die Machtpositionen erlangt hatten und danach gestürzt sind. In einem sehr stark wirkenden Bild lässt er eine Frau sich einem Sandhaufen nähern, den sie allmählich erfühlt. Mit traditionellen Streichern baut er eine klassische Atmosphäre auf, die aber sofort wieder von Elektronik, Discosound und Bombengepfeife sowie seriellem Piano abgelöst wird. Teils geht es hektisch zu wie bei einem Ballspiel, dann bedrohlich mit sirenenähnlichen Tönen in einer bedrohlichen Halbwelt, uniformen Szene, wobei die Spitzenkleidchen hier absolut kontrastierend eingesetzt sind. Man sieht sehr beeindruckende tänzerische Darbietungen und völlig neue Räume erchoreografiert. Der Sand wird aufgegriffen, von allen erfühlt und verstreut. Ein wilder Hexentanz um den Sandhaufen leitet das Ende ein und sobald er erlischt, beginnt die Trennung der Protagonistin im Sandhaufen und der Gruppe, der Absturz ist bereits passiert. Sehr schön und überzeugend.
Premiered at Malthouse Tower Theatre, Melbourne Australia,
for Dance Massive March 2015
Choreographed & Performed by / Victoria Chiu in collaboration with Kristina Chan
Electronic Music / Ma Haiping
Sydney Dance Company 2016 Program Launch