Szene aus CRACKz (c) Ursula Kaufmann |
Szene aus CRACKz (c) Ursula Kaufmann |
Beltrão hat eine ganz eigene und sehr zeitgenössische Methode, Tanztheater zu gestalten. Er surft im Internet und studiert bzw. holt sich dort Anregungen für Bewegungsabläufe, gepaart mit menschlichen Emotionen. Daher auch der Name Crack(s), der das Cracken (Kopieren, Sicherheit aufbrechen) der Originale bezeichnen möchte. Crack steht aber zweifelsohne auch für ein aggressives Rauschgift, das die Atmosphäre mitbestimmt. Und als Cracks werden auch Spitzensportler oder Menschen mit herausragenden Fähigkeiten bezeichnet. Die Tänzer sind wirklich Cracks im Tanz, mit ungeheurer Körperbeherrschung, Kraft und Ausdauer. 15 Min Zugabe mit Einzeltänzervorführungen nach der Aufführung zeigten noch einmal, was jeder von ihnen drauf hat. Im Moment besteht die Grupo aus 12 Männern und einer Frau, die Zusammensetzung bestimmt die Bewerbung der Interessenten. Der älteste Tänzer ist 41, begonnen wie viele andere mit etwa 15 Jahren. Beltrão beauftragte auch seine Tänzer, dasselbe wie er zu tun, im Internet zu forschen und sich so ein eigenes Bewegungsprogramm aufzubauen.
Szene aus CRACKz (c) Ursula Kaufmann |
Dennoch gibt es eine Vorgabe zur Gesamtperformance. Im Laufe der Zeit haben sich 28 Themen herauskristallisiert, derer sich die Grupo bei ihren Auftritten bedient. So Bruno Beltrão im Afterwork-Gespräch. Es ist fast wie ein Alphabet, nur dass die Buchstaben durch Gesten, Bewegungen und Rituale ersetzt sind. Daher ist das Vokabular der Grupo auch ein szenisches und gestisches, die Sprache szenische Bilder voller Wiederholung, immer im Fluss, stark an die Tänze von Derwischen erinnernd, wie Kreisel, die sich im Ensemble über die Bühne drehen, im Schimmer der Underground-Beleuchtung und der Szenenatmosphäre. Diese Bühnen-Tanzmeditationen der Sinn- und Rauschsucher sind unfähig aus einem engen Rahmen auszubrechen. Das Straßenmilieu diktiert alles. Insofern ließe sich direkt das Geschehen als eine Folge von Gedanken in einem Kopf interpretieren, wobei das Bezeichnete in einem reduzierten Raum nach Wiederholungskriterien abläuft. Wie eine Art serieller Tanz.
Trotz Monotonie steht die Improvisation weiterhin im Vordergrund. Tanztheoretisch bedient sich Beltrão zwar beim Modern Dance, Street- und Breakdance sowie beim Hip-Hop, es geht jedoch alles zu Gunsten der Streetart aus. Die Aufführung wird von lauter, aggressiver Musik getragen, die Bewegungen in der Breakdancetradition maschinell und wie von Puppen.
Die Grupo tanzte acht Bilder, die sich sozusagen täglich verändern, da die Akteure auch Kreateure sind, die alles selbst entwickeln. Die Tagesform bestimmt alles, erzählte ein Tänzer beim Gespräch. Die Konzentration, das Empfinden. Oft empfindet man Glück, wenn alles rum ist. Aufatmen bei den Tänzern, wenn das rote Licht an der Decke angeht. Denn dies ist das Signal, dass nur noch eine kurze Strecke vor ihnen liegt. Sie empfinden Erleichterung, dass die Kräfte bis hierher gereicht haben und nur noch ein bisschen Reserve fordern ...
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Crackz ist fernab von klischeehafter brasilianischer Lebensfreude. Das Stück vermittelt Bedrohung, Gleichklang, endlose Kreisbewegung. Ein Gefühl wie in einem unflexiblen, aggressiven und diktatorisch bestimmten Leben.
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Biographie
Bruno Belträo, 1979 im brasilianischen Niteröi geboren, widmete sich während seines Philosophie- und Tanzstudiums am Centro Universitärio da Cidade in Rio de Janeiro der choreografischen Forschung. Er hinterfragte die etablierten, maskulin geprägten Bewegungsstrukturen und Stereotype des Hip-Hop und verband sie mit Elementen des zeitgenössischen Tanzes zu einem eigenen, analytischen und doch sehr körperlichen Stil. 1996 gründete er zusammen mit seinem Freund Rodrigo Bernardi die Grupo de Rua, die zunächst bei Tanzwettbewerben, bei Festivals und im Fernsehen auftrat. 2001 hatte das Duett „From Popping to Pop" beim Duos de Danpa no Sesc im Stadtteil Copacabana Premiere, Belträos offizielles Debüt in der zeitgenössischen Tanzszene Rio de Janeiros. Ebenfalls 2001 entstand „Me and my Choreographer in 63" mit dem Tänzer Eduardo Hermanson. Weitere Arbeiten sind „Too Legit to Quit" (2002), „Telesquat" (2003), „H2" (2005) und „H3" (2008).
Koproduktionen
Kunstenfestivaldesarts, Brüssel; Tanz im August, Berlin; Hebbel am Ufer, Berlin; Hellerau - European Center for the Arts Dresden; Kampnagel, Hamburg; Ruhrtriennale und PACT Zollverein, Essen; Wexner Center for the Arts, Ohio; Wiener Festwochen; Holland Festival, Amsterdam; Festival d'Automne ä Paris; Theätre de la Ville, Paris Supported by Clube Naval Charitas, sponsored by Petrobras
Szene aus "H3", die einen Einblick in typische Bilder gibt