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Dienstag, 26. Februar 2019

Wie war es bei WARTEN AUF GODOT im Frankfurter Schauspiel?

Estragon am Baum          (c) Birgit Hupfeld


"Warten auf Godot" ist heute ein stehender Begriff für ein gesetztes Theaterspiel. Zwar von absurder und humorvoller Güte weiß man dennoch mittlerweile was passiert. Nicht jeder natürlich, denn die Zahl der Theaterbegeisterten ist zwar konstant, aber nicht unbedingt so hoch wie bei Pop-, Rock- und sonstwas-Bands. Waren von Samuel Beckett ursprünglich zwei schrullige Typen namens Estragon und Wladimir mit einer statischen Ausgestaltung vorgesehen, sind es in der neuen Inszenierung von Robert Borgmann im Frankfurter Schauspiel zwei flippige, umtriebige Figuren, die eher gehetzt und verunsichert, aber auch amüsiert ihr Dasein gestalten. 

Estragon (reichlich spleenig Samuel Simon) ist ein sensibel-verspielter Strich in der Landschaft, der statt die Wände einen Baum hochgeht, zumindest ein paar Meter, bis es nicht mehr geht. Wie Wladimir (sehr überzeugend Isaak Dentler) springt er von Zeit zu Zeit auf ein aufblasbares Riesenkissen, um die Zeit etwas unterhaltsamer zu gestalten. Wie die Kinder...? Freuen Sie sich über den ganzen Unsinn und die ganze Sinnleere? Jedenfalls wird zu dieser Frage auch die Illusionsschwelle überschritten und die Zuschauer direkt befragt, ob das alles gut genug war, man etwas anders machen müsste und welche Vorschläge es sonst noch gäbe. Wladimir beruhigt seinen Freund mehr als umgekehrt, er scheint der ruhende Pol. 

Estragon hat zu Beginn die Aufgabe, die Schriftzüge an der Wand zu illuminieren, als ob er einen postmodernen Festsaal im Nirgendwo illuminieren müsste. Na ja, Godot soll ja kommen, der ominöse. Der Herr kommt aber bekanntlich nicht, er ist noch nie gekommen. Dafür taucht Pozzo (herrisch, manchmal auch direkt versöhnlich Heiko Raulin) auf, ein Beauftragter, der vertrösten soll. Er bringt ein echtes Unikum mit, Lucky den Sklaven zwischen Ägypten, Rom und Science Fiction, beeindruckend dargeboten von Max Mayer. Er ist ein Leibeigener und Tanzbär, ein Halbautomat-Mensch, der auf Knopfdruck / Befehl laut Schwachsinniges nachdenkt und ausführt. Eine Art Roboter, wie der R2-D2 aus "Star Wars". Mit ihm kann Pozzo die Zeit bis zum Abgang füllen und Anwesende unterhalten. Es ist alles nur eine Karikatur von etwas, von einer Rede, einem Kunststück, einer akrobatischen Leistung ... 


Lucky, Pozzo, Wladimir, Estragon
(c) Birgit Hupfeld
Pozzo pflegt eine Hass-Liebe zu ihm, will ihn loswerden, kann ihn aber nicht loslassen. Die Bindung im dauernden Wiederholen ist doch stark eingeschliffen. Alle zusammen inklusive einem kleinen Jungen, der mit seinem Bruder bei Godot lebt und verköstigt wird, machen nichts. Es gibt keine Handlung, nur leeres Agieren, damit was los ist auf der Bühne. Klassische Theatereffekte gibt es auch genug, Schreien, Scheppern, Umwerfen, Farbe wie Blut verschmiert und wie Pech. Die Philosophie Becketts, das Nihilistische und Überkritische lässt nicht viel Gutes an den Dingen. 

Im zweiten Teil des Stücks dann einen kaum spürbaren Schritt nach vorne, Zeit ist vergangen, Pozzo und Lucky sind älter, grauer geworden... und Pozzo blind, Lucky taub und stumm. Der eine wird Godot nie mehr sehen, der andere wird nichts mehr über ihn oder von ihm hören, kann auch nichts mehr sagen, nur ihn eventuell sehen, aber nicht beschreiben. Damit sind ihnen alle Hände gebunden. Eine völlig groteske leerdrehende Beauftragung ... 
Estragon und Wladimir scheinen von der "Entwicklung" nicht betroffen zu sein: Sie kultivieren ihren Alltag durch Wiederholung, zumeist mit Widerwille und Protest, dabei mit Wonne Farbe an die Wände schmierend.
Becketts meisterliche Metapher für die Leere der Zeit, die tatsächliche Wahrnehmung von dauerhafter Immergleichheit, obwohl so viel passiert auf der Welt. Aber es ist zu viel Gleiches! Der Mensch scheint einfach unreif zu sein für den langen Atem des Universums, der leicht Jahrhunderte und Jahrtausende zu einem Universumsmoment zusammenfließen lassen kann. Wie ein Kind will er dieses oder jenes sofort, was am wenigsten geht. Sobald er aufgegeben hat, macht sich eine Leere breit, die nur durch den Tod beendet werden kann. Es gibt schlicht und einfach keine andere Lösung. Das Stück ist auch eine politische Metapher: Der Mensch in einem System, das nie freilässt, vom Leistungsgedanken lebt und ihn propagiert, den Bürger immer an die Stange zwingt, bis er freiwillig gehen will oder eben muss.