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Geschäftsleben des Jedermann |
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Jedermann und sein Aufsichtsrat /
Jedermann und sein laszives Privatleben |
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Jenni und Felix, die 99er |
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Gott, der Tod und Jedermann |
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Jedermann und sein Teufelssekretär /
Jedermann und die Bitte an den Mammon |
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Die Läuterung des Jedermann
von den Todsünden zur Gnade |
„Der Jedermann! Das Musical“ ist
die sechste Eigenproduktion des Musicalprojektes Neunkirchen. Ich
habe sie am 5.12. gesehen und war mit meiner Begleitung und anderen
Gästen der Meinung, dass es eine grandiose Inszenierung ist. Angelika B. aus Ottweiler: "Ich habe die Musicals noch nie wahrnehmen können, die Zeit und das Geld fehlten. Ich hätte es nie gedacht, dass es so super ist." Atemlos
spannend und voller Geschehen, überzeugende Sänger und Tänzer,
fantastische und einfallsreiche Kleider, Kostüme und Maske sowie
anspruchsvolle Choreografie/Regie (Ellen Kärcher, Dieter Meier) zu
gewaltig guter Musik (Andreas Puhl, Francesco Cottone, Amby Schilo).
Himmel und Hölle, Domina und unschuldiges Mädchen, reizvolle
Frauengestalten und gestandene Männer, Klassenausflug und
Jungrevoluzzer - Leben und Tod standen sich in einem unbedingt
lohnenswerten Spektakel gegenüber und sind jeden Cent Eintrittsgeld
wert. Beste Lichteffekte, herrliche Verfremdungen inkl.
Illusionsauflösungen und eine interessante Bühnengestaltung
gesellten sich hinzu. Alles zusammen wurde ein weiteres Schwergewicht
aus der ehemaligen Kohle- und Stahlstadt im Musicalbereich auf die
Bühne gestellt, das – wie ich schon bei „BeGeistert“ und
„Wasserphantasie“(Fremdproduktion) erwähnte, den Musicalhochburgen langsam, aber
sicher gefährlich wird. Das Tolle daran ist, dass alle Beteiligten
dies ehrenamtlich leisten, und zwar im 10. Jahr! Halb Neunkirchen
hilft mit, und so durchstrukturiert ist die Produktion auch
(Produktionsleitung Markus Müller).
Das Musical läuft seit 30.11. und
verbindet die Einweihung der 6,3 Mio € schweren Gebläsehalle als
neuem Kulturraum mit 1000 Sitz- oder 2000 Stehplätzen in Neunkirchen
mit dem 10-jährigen Jubiläum des Musicalprojektes und der
65-jährigen Tradition der Neunkirchener (Abo-)Theaterbühne.
Hugo von Hofmannsthals „Spiel vom
Sterben des reichen Mannes“ wurde am 1. Dezember 1911 - vor 101
Jahren - unter der Regie von Max Reinhardt uraufgeführt. Seit 92
Jahren ist das Stück Bestandteil der Salzburger Festspiele, die
Hofmannsthal mitbegründete.
Nach dem Vorbild spätmittelalterlicher Mysterienspiele treten im
historischen Jedermann neben Gott und Teufel auch Tod und der schnöde
Mammon sowie der Glaube und andere abstrakte Begriffe personifiziert
auf. „Der wohlhabende Jedermann sieht sich mit dem unerwarteten Tod
konfrontiert, der ihn vor seinen Schöpfer führen will. Weder sein
treuer Knecht noch seine Freunde noch sein Geld wollen ihn ins Grab
begleiten; erst der Auftritt seiner Werke und des Glaubens bringen
ihn dazu, sich zum Christentum zu bekennen und als reuiger Bekehrter
ins Grab zu steigen.“ (Wikipedia)
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Anfang und Ende |
In Neunkirchen wird das Mysterium in 20 Szenen anders gespielt.
Jedermann (Nils Hollendieck) ist der skrupellose Manager und
Unternehmer der Jetztzeit, der sein Spiel mit Gewinn,
Kapitalmaximierung und Rücksichtslosigkeit bis zum Exzess betreibt.
Wir hören Griechenland, Down-Rating nach Erpressung durch das
Finanzimperium, Armut, Schicksal der Ausgebeuteten und vieles mehr
mit. Über allem ein moderierender und Cello spielender Gott (Amby
Schilos Ehrenplatz) in Szene 1, der in modernem Rockgesang mit einer
Gruppe eindringlicher Percussionisten zu Beginn auf die Aktualität
des Jedermann aufmerksam macht. Sie legen dem Publikum nahe „aus
dem Inhalt die Lehr aufzuspüren“ Szene 2 ganz im Zeichen der
tobenden Geldgier „Geld ist geil, Geld macht frei“, der Boss auf
den Schultern des Aufsichtsrats, erhöht, mächtig wie keiner sonst.
In der Szene 3, Jedermann mit dem Nachbarn (Nicolas Schneider), der
um die Hälfte seines Anteils bittet, um wieder an seiner
Heimatstelle leben und gesunden zu dürfen, wird klar, dass es kein
Erbarmen gibt: Die Abfindung ein zerknüllter lächerlicher
Geldschein. Hier mit dabei Zak, der Sekretär, Luzifer in der Rolle
des Bodyguards und Drogendealers, vermeintlichen Freundes. Nachdem
Gott den Tod beauftragt hat, ihm den Jedermann zu bringen als
Vertreter für all die extremen Todsünder auf Erden
(7 Todsünden) beginnt der Reigen erst. Jedermann gibt seine Philosophie vor der
Kamera zum Besten, seine 7 Lebensregeln zum Erfolg beinhalten z.B.
„Nicht kleckern, klotzen!“, „Verkauf auch fauler Ware!“. Sein
Diktat ist so aufdringlich, dass die Menge revoltiert. Die 99er
demonstrieren und fordern eine bessere Gesellschaft. Darunter ein
Mensch, der alles verloren hat wegen Jedermann und ihm noch Geld
schuldet.
Auch Jedermanns Tochter Jenni (Michelle Kasper) hat Riesenprobleme mit ihm,
weiß, dass er ganz woanders gelandet ist, als sie sich je geträumt
hätte, fordert ihn zur Umkehr, zum Umdenken auf und sympathisiert
mit den 99ern. Sie verliebt sich auch in den Jungen Felix (Dominic Junkes) - „Ich
mal dir eine neue Welt“ - ein jugendlicher Romantizismus, der
konträr zu dem Restgeschehen steht. Auch die Mutter mahnt
eindringlich, denn sie war bereits mit einem Jedermann verheiratet.
Auf einer Party wird libidinöser Exzess betrieben, Jedermann mit
einer Brise Koks vorab zum Anheizen in Begleitung eines jungen
Mädchen unterwegs, Jedermanns Ex mit einem jungen Mann. Hier hat er
eine erste Begegnung mit dem Tod, die ihn schier wahnsinnig macht.
Alle Gäste verlassen ihn, auch die Geliebte. Der Tod will ihn
abholen, aber es gibt noch einen Aufschub. Bei einer Demo der 99er, die
ganz an die aktuellen Occupy-Aktivitäten erinnert, wird Felix
erschossen, das jugendliche Träumen von Liebe und Freiheit nimmt ein
jähes und brutales Ende. Jenni stellt ihren Vater zur Rede, der nur
noch vor dem Tod bangt. Der einzige, der zu ihm hält ist Zag, der
Sekretär. Kein Wunder, es ist der Teufel. Auch die große Anfrage
beim Mammon (Markus Müller) hilft nicht weiter, Jedermann ist auf
dem Holzweg - er besitzt den Gott ja nicht, es ist andersrum. Der
Seelendiebstahl des Teufels (Jens Fried) geht schief, es droht
Verdammnis und Schlimmeres, als die Läuterung einsetzt. In einem
tollen Szenenbild mit Jenni, Felix, Mutter in einer Art Galerie
beginnt die Gutwerdung des Jedermann, er bereut (!). Gott bittet ihn
zu sich auf die „Empore“, stellt Vergebung in Aussicht, während
der Teufel das nächste Opfer sucht. Über einen Disco-Rap zum
eindringlichen Schlussbild mit Percussion ist das Drama um Jedermann gelöst.
Der JEDERMANN soll nach dem 9.12. im Januar 13 wieder aufgegriffen
werden. Termine beim Kulturverein. Noch dieses Wochenende Gelegenheit, ihn zu sehen.