Zurzeit läuft das Schauspielexperiment und Uraufführung von Tracing Tales und machina eX in Mannheim. Ein Game on Stage, aber nicht nur das, auch ein Game im Game und eine Schnitzeljagd in fünf Zimmern, die in einem Hauptraum ihren Höhepunkt erreicht. Zwischen Aldous Huxleys "Schöne neue Welt", Big Brother und "Soylent Green" werden vier Zuschauer in die Container-Idylle je eines Versuchseinzelzimmers eingeladen, um einen Tag im Leben der zugeteilten Figur zu erleben. Ich startete als Jago in der Nacht, gleitete über die Morgendämmerung zum Frühgame à la Gameboy im Monitor, Frühgymnastik mit einem Steppbrett, Zeichenspiel (Punkte verbinden) und ... hatte Besuch. (Dr.) Rosa tauchte auf, eine junge dynamische Futuredame im blauen Stretchdesign, und klärte mich über die Welt und Gepflogenheiten des "Konvents" auf. Sie stellte mir die existenzielle Frage, ob wir immer wüssten, was wir wollten und ob unsere Wahl auch die richtige ist. Ihre Mitteilungen waren festgelegt vom Konvent und doch machte sie einen Moment deutlich, dass sie dringend meine Mithilfe bräuchte. Nachdem sie mir ein paar Vitamine in Form von kernlosen Träubchen dagelassen hatte, verschwand sie wieder und die Beschäftigungen gingen weiter. Auf dem Monitor waren 4 in 1-Monitore zu sehen, und da ja jeder von einer Videokamera überwacht wurde, auch die drei anderen Mitspieler. Jeder bekam Botschaften über eine Handyarmbanduhr (Smart Watch), die ihn zum Suchen und Präsentieren seiner Fundstücke anleiteten. Am Ende trafen wir uns in einem Schaltraum des Konvents, in dem ein großes Modell eines typischen Herzogenriedhochhauses stand, das beleuchtete Fenster hatte. Es bestand akute Lebensgefahr für Bewohner des Hauses. Das System lief sicher wie eine Zeitbombe auf die Ermordung dieser Menschen zu. Die Bewohner mussten über Charaktereigenschaften geortet und das System durch den Appartementcode zum Abschalten gebracht werden. Anschließend wurden wir freundlich vom Konvent aufgenommen und von Rosa als Vertreterin desselben geehrt.
Dieses Spiel in einem anonymen Wohnkomplex, in dem Tausende von Menschen leben und nicht wissen, was mit den anderen geschieht, ist auch eine Metapher für die aktuelle Vereinzelung (teilweise städtische Versingleungsgrade von 70 %), die vom System auch aufgrund von Kontrollen, Versammlungsverboten und Repressalien, fehlgeleitete Familien- und Scheidungspolitik, Wohnungsbau, Beschäftigungspolitik und Instrumentalisierung von Arbeitskräften unbewusst herbeigeführt wurde. Die Folgen sind in abnehmender Bevölkerung, Versingleung und steigenden Scheidungsraten, Verarmung beim Verlassen des alltäglichen Pressure Systems zu sehen. Vereinzelung dient gerade auch in einem autoritären System dazu, nicht nur den Alltag per Video und Zeitplan zu kontrollieren, sondern unliebsame Menschen unbemerkt auszusondern und verschwinden zu lassen.
Die Fahndungs-, Such- bzw. Überwachungsmärchen von machina Ex haben sehr viel unterhaltsamen Wert, bieten einen realistischen Einblick in Futureworld live erlebbar und sind ein Game together, wie es sich Jugendliche und junge Erwachsene sicher sehr wünschen. Aber auch ältere Erwachsene kommen gut damit zurecht und sind gespannt, was auf einen zukommt. Die sehr lebhafte Franziska Benz wirbelt durch die Futurewelt und leitet nachdrücklich zum Handeln an. Die Techniker spielen ihr Spielchen mit den Probanden und leiten immer wieder, auch mal ungeduldig, an, dies oder jenes zu tun. Der Text von Clara Ehrenwerth kommt gut an, wobei ich mich frage, wieso wir als Retter vor einem mordenden Konvent durch ihn aufgenommen werden ... Die Inszenierung von Anna Fries baut schön die Spannung auf. Die am Ende wahnsinnig nervöse und bereits beim Zimmerbesuch aufgeregte Rosa - Franziska Benz - fand ich sehr beeindruckend. Sie spielt ihre Rolle sehr gut. Die Abstimmung der Botschaften, Video- und Audioparts durch Mathias Prinz, Robin Krause, Sebastian Arnd lief einwandfrei ab. Ein Stück Theater, wie es für viele andere Theater empfehlenswert sein könnte, wenn man die Zuschauer aus der passiven Konsumhaltung herausholen möchte. Ein andere Methode ist die Inszenierung mit Laien, wie es im Gilgamesch-Epos auf der anderen Rheinseite passiert. Das aktive Einbeziehen der Zuschauer - selbst wenn bereits Laien mitspielen - ist jedoch eine der großen Aufgaben des modernen Theaters, die mit Multimedia gut erreichbar ist, wie uns machina Ex sehr überzeugend zeigte.
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