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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Samstag, 6. April 2024

Wie war's in der Oper „In seinem Garten liebt Don Perlimplín Belisa“ im Frankfurter Bockenheimer Depot?

Karolina Bengtsson (Belisa) und
Sebastian Geyer (Don Perlimplín)
Bildnachweis: Barbara Aumüller





Im Bockenheimer Depot traf ich auf eine leicht verrückte, artifizielle surrealistische Opern-Groteske von Wolfgang Fortner, der 1957 ein Theaterstück von Federico García Lorca zu „In seinem Garten liebt Don Perlimplín Belisa“ vertonte. Die Oper wurde bei den Schwetzinger Festspielen 1962 uraufgeführt. Das Theaterstück wurde von der spanischen Zensur 1929 verboten, alle schriftlichen Formen beschlagnahmt und vernichtet, und konnte erst 1933 aus der Erinnerung Lorcas neu geschrieben, gezeigt werden. Lorca nannte es ein „erotisches Halleluja“, was auf eine katholische Tradition der Betextung von Heiligenbildern zurückgeht. Lorca war neben Luis Buñuel und Salvador Dalí ein weiterer wichtiger Vertreter des spanischen Surrealismus. Buñuels Film „Ein andalusischer Hund“ ist wertvolle Filmgeschichte, Dalís Bilder durch nichts zu ersetzen…

v.l.n.r. Tänzer*innen sowie am Boden
liegend Sebastian Geyer (Don Perlimplín)
Bildnachweis: Barbara Aumüller

Im schwülstig romantischen Umfeld lebt ein penibler 50 Jahre alter, Bücher liebender 
Don (vereinsamt Sebastian Geyer, Bariton), der auf Anraten seiner Haushälterin Marcolfa hin (liebenswert Karolina Makula, Mezzosopranistin) wegen seines Alters (?) endlich eine angetraute Frau bräuchte. Dass sich der Don nicht für Frauen interessiert merkt auch zu ihrem Leidwesen die Haushälterin. Sie hofft auf Belebung des Hauses und verständigt die Mutter von Belisa (wundervoll dynamisch Anna Neckhames, Sopran), dass der Don an der jungen Frau interessiert sei. Don Perlimpin bekommt Besuch der Mutter, die ausstaffiert zur berechnenden raffinierten Hexenhaften, begeistert ist von der Idee und den Don noch weitereinfängt. Es kommt ab sofort einiges durcheinander im Leben des Perlimplim; das fing schon mit den Kobolden (flink huschend Idil Kutay, Ursula Hensges) an, die schelmisch mit seinen Büchern spielen, sie herumtragen und umlagern. Die Handlung geht mehr oder weniger prompt über zur Hochzeitsnacht, die genauso befremdlich ist wie die ganze Handlung. Der Don ist begeistert von Belisas Weiblichkeit (blonde Verführung Karolina Bengtsson, Sopran), ihren Reizen, er verliebt sich augenblicklich, aber ist handlungsunfähig, er kann, obwohl sich beide ihre Liebe bekunden, nicht mit ihr schlafen (hier taucht neben der schnörkeligen, runden kitschigen Umgebung – Bühnenbild von Christoph Fischer – ein weiterer Hinweis auf Homosexualität von Lorca auf). Was stattfindet ist ein verstecktes, verwirrendes Spiel unter dem Riesenlaken, das von den Kobolden ausgebreitet wird. Dorotheas Kirschbaums Inszenierung macht aus dem grotesken, unverständlichen Stück noch ein lebhaftes Treiben mit allerlei Schabernack.

v.l.n.r. Tänzer*innen sowie am Boden liegend
 Sebastian Geyer (Don Perlimplín)
Bildnachweis: Barbara Aumüller
Deutlich wird, dass es fünf Herren gewesen sein könnten, die bei ihr waren, denn fünf Pfiffe erschallen hintereinander und Don Perlímplin fand am Balkon wartend fünf abgelegte Hüte! Es wirkt so, als ob die fünf Freibeuter der Schlafzimmer dagewesen wären oder von ihm engagiert wurden und gleichzeitig Abspaltungen seines Begehrens darstellten. Auch von ihm arrangiert ist ein Liebesbrief von einem Galan mit roter Capa, der schon häufiger in der Nähe gesehen wurde. Rot flattert der Brief herein und entlarvt die Liebe Belisas zu diesem Jüngling. Perlimplin ist entsetzt, sie liebt nicht mehr ihn, sondern den Jüngling. Die Liebe bei Lorca ist hier auch deutlich rein ans Sexuelle geheftet. Der Don schwört Rache, zieht los und will den Jüngling umbringen. Er kehrt in der Kleidung des Jünglings mit roter Capa und verletzt zurück. Don Perlimplin hat sich selbst einen tödlichen Stich zugefügt und stirbt, während Belisa noch einmal beteuert, dass sie das nicht wollte und ihn, den Ehemann, liebt.

Sebastian Geyer (Don Perlimplín) und
 Karolina Bengtsson (Belisa)
Bildnachweis: Barbara Aumüller
Die Oper mit 12-Ton-Komposition verlangt hier schon Höchstleistungen von den Musikern, die das hervorragend schaffen unter der Leitung von Takeshi Moriuchi, sie ist auch hinsichtlich des Komponisten Wolfgang Fortner ein eigenwilliges Stück, zumal der Komponist sich komplett mit den Nazis arrangierte und als Mitläufer unterstützte und nach dem Krieg die musikalischen Gepflogenheiten der 50er und 60er aufgriff, obwohl er zuvor gegen „entartete Musik“ war. Er übte bei den Nazis wichtige öffentliche Ämter aus, und wurde nach dem Krieg wegen seines Engagements für moderne Musik berühmt. Paradoxe Anpassung.