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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Dichterhain, Bände 5 bis 8

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Sonntag, 15. September 2013

Meine Gedichteklassiker: FREIE PRESSE von Ferdinand Freiligrath






Paulskirche 1848
Freie Presse 

(Aus "Ça ira", 1846)

Festen Tons zu seinen Leuten spricht der Herr der Druckerei:
»Morgen, wißt ihr, soll es losgehn, und zum Schießen braucht man Blei!
Wohl, wir haben unsre Schriften: - morgen in die Reihn getreten!
Heute Munition gegossen aus metallnen Alphabeten!

Hier die Formen, hier die Tiegel! auch die Kohlen facht' ich an!
Und die Pforten sind verrammelt, daß uns niemand stören kann!
An die Arbeit denn, ihr Herren! Alle, die ihr setzt und preßt!
Helft mir auf die Beine bringen dieses Freiheitsmanifest!«

Spricht's, und wirft die ersten Lettern in den Tiegel frischer Hand.
Von der Hitze bald geschmolzen brodeln Perl und Diamant;
Brodeln Kolonel und Korpus; hier Antiqua, dort Fraktur
Werfen radikale Blasen, dreist umgehend die Zensur.

Dampfend in die Kugelformen zischt die glühnde Masse dann: -
So die ganze lange Herbstnacht schaffen diese zwanzig Mann;
Atmen rüstig in die Kohlen; schüren, schmelzen unverdrossen,
Bis in runde, blanke Kugeln Schrift und Zeug sie umgegossen!

Wohlverpackt in grauen Beuteln liegt der Vorrat an der Erde,
Fertig, daß er mit der Frühe brühwarm ausgegeben werde!
Eine dreiste Morgenzeitung! Wahrlich, gleich beherzt und kühn 

Sah man keine noch entschwirren dieser alten Offizin!

Und der Meister sieht es düster, legt die Rechte auf sein Herz:
»Daß es also mußte kommen, mir und vielen macht es Schmerz!
Doch - welch Mittel noch ist übrig, und wie kann es anders sein? -
Nur als Kugel mag die Type dieser Tage sich befrein!

Wohl soll der Gedanke siegen - nicht des Stoffes rohe Kraft!
Doch man band ihn, man zertrat ihn, doch man warf ihn schnöd in Haft!
Sei es denn! In die Muskete mit dem Ladstock laßt euch rammen!
Auch in solchem Winkelhaken steht als Kämpfer treu beisammen!

Auch aus ihm bis an die Hofburg fliegt und schwingt euch, trotz'ge Schriften!
Jauchzt ein rauhes Lied der Freiheit, jauchzt und pfeift es hoch in Lüften!
Schlagt die Knechte, schlagt die Söldner, schlagt den allerbesten Toren,
Der sich diese freie Presse selber auf den Hals beschworen!

Für die rechte freie Presse kehrt ihr heim aus diesem Strauß:
Bald aus Leichen und aus Trümmern graben wir euch wieder aus!
Gießen euch aus stumpfen Kugeln wieder um in scharfe Lettern -
Horch! ein Pochen an der Haustür! und Trompeten hör ich schmettern!

Jetzt ein Schuß! - Und wieder einer! - Die Signale sind's, Gesellen!
Hallender Schritt erfüllt die Gassen, Hufe dröhnen, Hörner gellen!
Hier die Kugeln! hier die Büchsen! Rasch hinab! - Da sind wir schon!«
Und die erste Salve prasselt! - Das ist Revolution!  


Ferdinand Freiligrath 







HISTORY-Memo

Hermann Ferdinand Freiligrath wurde am 17. Juni 1810 in Detmold im Fürstentum Lippe geboren und starb am 18. März 1876 in Cannstatt bei Stuttgart. Er war ein deutscher Lyriker, Dichter und Übersetzer, aber auch ein kritischer Geist, stieß zur Revolution 1848 dazu und begleitete sie auch mit mehreren Gedichten. 

Im Oktober 1848 wurde ihm dort anlässlich einer Lesung und des Drucks seines Gedichtes "Die Todten an die Lebenden" der Prozess wegen „Aufreizung zu hochverrätherischen Unternehmungen“ gemacht. Er wurde freigesprochen.

Am 12. Oktober 1848 trat Freiligrath in die Redaktion der Neuen Rheinischen Zeitung von Karl Marx und Friedrich Engels ein und betreute die Auslandsredaktion mit poetischen und prosaisch-journalistischen Beiträgen.  Freiligrath sollte auch im Kölner Kommunistenprozess angeklagt werden. Einen Aufenthalt in  Amsterdam (Holland) musste er 1850 abbrechen, weil sein Aufenthalt in Amtsterdam nicht geduldet wurde. Auch in Düsseldorf und Köln konnte er nicht bleiben wegen der zu erwartenden Repressalien bezüglich kritischer Veröffentlichungen. Ein Steckbrief wurde am 14. August 1851 vom Kölner Oberprokurator August Heinrich von Seckendorff wegen Teilnahme „an einem Komplotte zum Umsturze der Staatsregierung“ ausgegeben. Freiligrath antwortete in der Kölnischen Zeitung, dass er legal unterwegs gewesen sei, reiste aber dennoch nach London, wo er auch bald englischer Staatsbürger wurde.