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Sonntag, 15. Dezember 2013

Meine Gedichteklassiker: MATTHIAS CLAUDIUS, Winter

Guiseppe Arcimboldo (1527-1593)

Winter

Matthias Claudius


Der Winter ist ein rechter Mann,
Kernfest und auf die Dauer;
Sein Fleisch fühlt sich wie Eisen an
Und scheut nicht Süß noch Sauer.

Er zieht sein Hemd im Freien an
Und lässt's vorher nicht wärmen,
Und spottet über Fluss im Zahn
Und Kolik in Gedärmen.

Aus Blumen und aus Vogelsang
Weiß er sich nichts zu machen,
Hasst warmen Drang und warmen Klang
Und alle warmen Sachen.

Doch wenn die Füchse bellen sehr,
Wenn's Holz im Ofen knittert,
Und an dem Ofen Knecht und Herr
Die Hände reibt und zittert;

Wenn Stein und Bein vor Frost zerbricht
Und Teich und Seen krachen,
Das klingt ihm gut, das hasst er nicht,
Dann will er sich totlachen. -

Sein Schloss von Eis liegt ganz hinaus
Beim Nordpol an dem Strande;
Doch hat er auch ein Sommerhaus
Im lieben Schweizerlande.

Da ist er denn bald dort, bald hier,
Gut Regiment zu führen.
Und wenn er durchzieht, stehen wir
Und sehn ihn an und frieren.

Dienstag, 22. Oktober 2013

Meine Gedichteklassiker: IM NEBEL von Hermann Hesse


Im Nebel
von Hermann Hesse

Seltsam, im Nebel zu wandern!
Einsam ist jeder Busch und Stein,
Kein Baum sieht den andern,
Jeder ist allein.


Voll Freunden war mir die Welt,
Als noch mein Leben licht war;
Nun, da der Nebel fällt,
Ist keiner mehr sichtbar.


Wahrlich, keiner ist weise,
Der nicht das Dunkel kennt,
Das unentrinnbar und leise
Von allen ihn trennt.


Seltsam, im Nebel zu wandern!
Leben ist Einsamsein.
Kein Mensch kennt den andern,
Jeder ist allein.



Mittwoch, 16. Oktober 2013

Meine Gedichteklassiker: AN HOLDERLIN von Georg Heym

Hölderlin vor seiner Erkrankung

An Holderlin
[Gemeint ist der große deutsche Dichter Friedrich Hölderlin, der geistig erkrankte und in Tübingen bis zum Tod Jahrzehnte in Umnachtung lebte. Anm. Red.]

Und du starbst auch, du Sohn des Frühlings?
Du, dessen Leben war wie lauter
Strahlende Flammen in Nachtgewölben,
Aus denen die Menschen stets vergeblich
Nach Ausweg und Befreiung suchen?

Du starbst. Denn diese griffen töricht
Nach deiner reinen Flamme aus
Und löschten sie, denn immer ward
Das Große diesem Tier verhaßt.

Dir senkte die Moira
Unendliches Leid auf den zarter schwingenden
Geist herab,
Da hüllte der Gott seinem frommen Sohn
Dunkelnde Binden um das gemarterte Haupt.


Georg Heym


Georg Heym

(* 30. Oktober 1887 in Hirschberg, Schlesien; † 16. Januar 1912 in Berlin) war ein deutscher Schriftsteller. Er gilt als einer der wichtigsten Lyriker des frühen literarischen Expressionismus und wurde nur 27 Jahre alt.

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Samstag, 12. Oktober 2013

Meine Gedichteklassiker: DIE LINIEN DES LEBENS von Friedrich Hölderlin

Sächsische Schweiz

Die Linien des Lebens

Die Linien des Lebens sind verschieden
wie Wege sind, und wie der Berge Grenzen.
was hier wir sind, kann dort ein Gott ergänzen
mit Harmonien und ewigem Lohn und Frieden.

Friedrich Hölderlin

Dienstag, 8. Oktober 2013

Meine Gedichteklassiker: DER GOTT DES MORGENS von Hugo Ball



Der Gott des Morgens

Die Vögel und Veigel sitzen auf Simsen und Dächern des Himmels
Schlafend in goldenen Träumen.

Der Morgen erwacht und schreitet ans grünlichen Toren, von Schaum gebaut.
An seine Brust anklammert sich ein verfrühtes Mövenpaar
Mit klatschenden Schwingen.

Er schreitet dahin, der Gott. Sein Kleid ist ein enganliegend Geflecht
Ans Kelchen tautriefender Rosen. Des Meeres Tosen hängt ihm vom Haupte
Herab im Lockengewühl, im Lockengefäll.

Korallentand und Schneckengehäuse sind sein klingelnder Kopfaufputz.
Lachende Riffe sind seiner Zähne weißblinkende Reihen.
Auf der Oboe ans Pappelholz lockt er die Sonne herauf.

Die Hände breitet er aus nach den neugebornen Unendlichkeiten.
Er schmettert den Stab auf das Felsengelände
Und rosane Brände werfen aufbrausend Entzündung weit in die Ferne.

Die Fenster und die Fassaden der Wolkengebäude stehen in Flammen.
Die Länder und Städte der Menschen schlafen noch wie vergessenes Spielzeug.
Über die Ebene schürfet des Gottes Schuh auf rollendem Perlengestein.

Wolken und Wellen, Weiden und Winde singen sein Lied ihm nach.
Die Hyazinthen der Gärten niesen sich wach und schau’n ihm verwundert ins Auge.
Die Gräser recken die grünen Schwerter und fechten ein nasses Getümmel.

Ungeduldig tanzet der Gott. Ihm ists nicht genug, daß die Erde
Dem Tag ihn entgegenträgt gleich einer Lustfregatte.
Auf dem Verdeck des segelnden Schiffes noch stürmt er dahin, der Gott,

Lachend und jauchzend, rufend und weckend, die Syrinx blasend
Mit hellem Getön.

Hugo Ball
(* 22. Februar 1886 in Pirmasens; † 14. September 1927 in Montagnola, Schweiz) war Autor und Mitbegründer der Zürcher Dada-Bewegung. Er war Freund und Biograf von Hermann Hesse.

Sonntag, 15. September 2013

Meine Gedichteklassiker: FREIE PRESSE von Ferdinand Freiligrath






Paulskirche 1848
Freie Presse 

(Aus "Ça ira", 1846)

Festen Tons zu seinen Leuten spricht der Herr der Druckerei:
»Morgen, wißt ihr, soll es losgehn, und zum Schießen braucht man Blei!
Wohl, wir haben unsre Schriften: - morgen in die Reihn getreten!
Heute Munition gegossen aus metallnen Alphabeten!

Hier die Formen, hier die Tiegel! auch die Kohlen facht' ich an!
Und die Pforten sind verrammelt, daß uns niemand stören kann!
An die Arbeit denn, ihr Herren! Alle, die ihr setzt und preßt!
Helft mir auf die Beine bringen dieses Freiheitsmanifest!«

Spricht's, und wirft die ersten Lettern in den Tiegel frischer Hand.
Von der Hitze bald geschmolzen brodeln Perl und Diamant;
Brodeln Kolonel und Korpus; hier Antiqua, dort Fraktur
Werfen radikale Blasen, dreist umgehend die Zensur.

Dampfend in die Kugelformen zischt die glühnde Masse dann: -
So die ganze lange Herbstnacht schaffen diese zwanzig Mann;
Atmen rüstig in die Kohlen; schüren, schmelzen unverdrossen,
Bis in runde, blanke Kugeln Schrift und Zeug sie umgegossen!

Wohlverpackt in grauen Beuteln liegt der Vorrat an der Erde,
Fertig, daß er mit der Frühe brühwarm ausgegeben werde!
Eine dreiste Morgenzeitung! Wahrlich, gleich beherzt und kühn 

Sah man keine noch entschwirren dieser alten Offizin!

Und der Meister sieht es düster, legt die Rechte auf sein Herz:
»Daß es also mußte kommen, mir und vielen macht es Schmerz!
Doch - welch Mittel noch ist übrig, und wie kann es anders sein? -
Nur als Kugel mag die Type dieser Tage sich befrein!

Wohl soll der Gedanke siegen - nicht des Stoffes rohe Kraft!
Doch man band ihn, man zertrat ihn, doch man warf ihn schnöd in Haft!
Sei es denn! In die Muskete mit dem Ladstock laßt euch rammen!
Auch in solchem Winkelhaken steht als Kämpfer treu beisammen!

Auch aus ihm bis an die Hofburg fliegt und schwingt euch, trotz'ge Schriften!
Jauchzt ein rauhes Lied der Freiheit, jauchzt und pfeift es hoch in Lüften!
Schlagt die Knechte, schlagt die Söldner, schlagt den allerbesten Toren,
Der sich diese freie Presse selber auf den Hals beschworen!

Für die rechte freie Presse kehrt ihr heim aus diesem Strauß:
Bald aus Leichen und aus Trümmern graben wir euch wieder aus!
Gießen euch aus stumpfen Kugeln wieder um in scharfe Lettern -
Horch! ein Pochen an der Haustür! und Trompeten hör ich schmettern!

Jetzt ein Schuß! - Und wieder einer! - Die Signale sind's, Gesellen!
Hallender Schritt erfüllt die Gassen, Hufe dröhnen, Hörner gellen!
Hier die Kugeln! hier die Büchsen! Rasch hinab! - Da sind wir schon!«
Und die erste Salve prasselt! - Das ist Revolution!  


Ferdinand Freiligrath 







HISTORY-Memo

Hermann Ferdinand Freiligrath wurde am 17. Juni 1810 in Detmold im Fürstentum Lippe geboren und starb am 18. März 1876 in Cannstatt bei Stuttgart. Er war ein deutscher Lyriker, Dichter und Übersetzer, aber auch ein kritischer Geist, stieß zur Revolution 1848 dazu und begleitete sie auch mit mehreren Gedichten. 

Im Oktober 1848 wurde ihm dort anlässlich einer Lesung und des Drucks seines Gedichtes "Die Todten an die Lebenden" der Prozess wegen „Aufreizung zu hochverrätherischen Unternehmungen“ gemacht. Er wurde freigesprochen.

Am 12. Oktober 1848 trat Freiligrath in die Redaktion der Neuen Rheinischen Zeitung von Karl Marx und Friedrich Engels ein und betreute die Auslandsredaktion mit poetischen und prosaisch-journalistischen Beiträgen.  Freiligrath sollte auch im Kölner Kommunistenprozess angeklagt werden. Einen Aufenthalt in  Amsterdam (Holland) musste er 1850 abbrechen, weil sein Aufenthalt in Amtsterdam nicht geduldet wurde. Auch in Düsseldorf und Köln konnte er nicht bleiben wegen der zu erwartenden Repressalien bezüglich kritischer Veröffentlichungen. Ein Steckbrief wurde am 14. August 1851 vom Kölner Oberprokurator August Heinrich von Seckendorff wegen Teilnahme „an einem Komplotte zum Umsturze der Staatsregierung“ ausgegeben. Freiligrath antwortete in der Kölnischen Zeitung, dass er legal unterwegs gewesen sei, reiste aber dennoch nach London, wo er auch bald englischer Staatsbürger wurde.

Mittwoch, 4. September 2013

Meine Gedichteklassiker: AUSSICHT von Friedrich Hölderlin

Aussicht

Wenn Menschen fröhlich sind, ist dieses vom Gemüte,
Und aus dem Wohlergehn, doch aus dem Felde kommet,
Zu schaun der Bäume Wuchs, die angenehme Blüte,
Da Frucht der Ernte noch den Menschen wächst und frommet.

Gebirg umgibt das Feld, vom Himmel hoch entstehet
Die Dämmerung und Luft, der Ebnen sanfte Wege
Sind in den Feldern fern, und über Wasser gehet
Der Mensch zu Örtern dort die kühn erhöhten Stege.

Erinnerung ist auch dem Menschen in den Worten,
Und der Zusammenhang der Menschen gilt die Tage
Des Lebens durch zum Guten in den Orten,
Doch zu sich selber macht der Mensch des Wissens Frage.

Die Aussicht scheint Ermunterung, der Mensch erfreuet
Am Nutzen sich, mit Tagen dann erneuet
Sich sein Geschäft, und um das Gute waltet
Die Vorsicht gut, zu Dank, der nicht veraltet.

Friedrich Hölderlin

Montag, 2. September 2013

Meine Gedichteklassiker: KOMMST WIE STOLZE MITTAGSWÄRME von Max Dauthendey

Kommst wie stolze Mittagswärme

Unten bei dem Zaun, wo die letzten Äpfel noch am Zwergbaum sitzen,
Seh ich Deinen blonden Kopf zwischen Feld und Garten blitzen.
Steigst den Berg herauf, leuchtest auf wie die Sonnenblume warm und sorglos,
Als ist diese ganze Erde, groß und rund, Dein Freudenschloß.

Rufst aufs Gradewohl ins Blaue oben an der Bergwegtreppe,
Hinter Dir das Tal mit Klee und Hecken ist wie Deines Kleides Schleppe.
Kommst wie stolze Mittagswärme aus dem Grünen hergestiegen,
Und das Haus, mit allen Fenstern, und mein Herz, durch alle Mauern,
Möchten Dir entgegenfliegen.

Max Dauthendey

Donnerstag, 29. August 2013

Meine Gedichteklassiker: TOD DER ARMEN von Charles Baudelaire




Tod der Armen 
          
Es ist der Tod, der Trost und Leben schenkt;
Er ist das Ziel, das einzig Hoffnung macht,
Ein Elixier, das uns berauschend tränkt,
Und Mut gibt, durchzuhalten bis zur Nacht,

Durch Sturm und Schnee ist er das schwache Licht,
Für uns am dunklen Horizont entzündet;
Ist jene Bleibe, die das Buch verspricht,
wo man zur Rast ein Mahl und Schlummer findet,

Ein Engel, dessen Finger lockend zeigen
Den Schlaf und Träume, die uns übersteigen;
Armen und Nackten er ein Bett bereitet;

Der Götter Ruhm, der Speicher, der nie leer,
Der Armen Beutel, Heimat von jeher,
Das Tor, das uns zu fremden Himmeln leitet!

Charles Baudelaire 

(Charles-Pierre Baudelaire, geb. am 9. April 1821 in Paris und gestorben am 31. August 1867 ebenda, war ein französischer Schriftsteller. Er gilt heute als einer der größten französischen Lyriker überhaupt und als einer der wichtigsten Wegbereiter der europäischen literarischen Moderne.)

Freitag, 23. August 2013

Meine Gedichteklassiker: AN MEINEM HERZEN, AN MEINER BRUST von Adelbert von Chamisso



Adelbert von Chamisso

An meinem Herzen, an meiner Brust

An meinem Herzen, an meiner Brust,
Du meine Wonne, du meine Lust!
Das Glück ist die Liebe, die Lieb ist das Glück,
Ich hab's gesagt und nehm's nicht zurück.
Hab überschwenglich mich geschätzt
Bin überglücklich aber jetzt.
Nur die da säugt, nur die da liebt
Das Kind, dem sie die Nahrung giebt;
Nur eine Mutter weiß allein
Was lieben heißt und glücklich sein.
O, wie bedaur' ich doch den Mann,
Der Mutterglück nicht fühlen kann!
Du lieber, lieber Engel, du
Du schauest mich an und lächelst dazu!
An meinem Herzen, an meiner Brust,
Du meine Wonne, du meine Lust!  

Mittwoch, 21. August 2013

Meine Gedichteklassiker: Buddha und der Knabe von Hugo Ball



Buddha und der Knabe

Deine Kniee sind scharf und überaus flüchtig.
Deine Brust ist voll heißer Ranken unzüchtig.

Dein Leib schlägt weiße Bogen und schnellt sich durchs Zimmer.
Deine Lippen sind Blutegel in bläulichem Schimmer.

Deine satten Lippen, wie sie sich strotzend ringeln!
Wenn du küssest, wühlt sich dein Haupt ein bis zu den Lockenkringeln.

Höre, du mein Zögling, Gesell und Buhlknabe,
Was ich hinter deinen auftrotzenden Augensternen erschaut habe:

Du willst meine Hände, die sich in Weisheit falten,
Einnehmen mit allen Sturm- und Honiggewalten.

Du willst, daß meine hochtrabende Asketengebärde
Vor deiner rotperlenden Lachgier zu Schanden werde.

Du willst, daß mein Füllhorn, aus dem die Flüsse rauschen
Zum Streitschuh werde, um den wir Küsse tauschen.

Deine Lippen begehren wie Kitzenmäuler
Ihre eifrigen Zähnchen zu wetzen.

Meine Finger sollen zehn springende Fohlen sein,
Die über Zäune und Sträucher setzen.  



Hugo Ball 

Dienstag, 13. August 2013

Meine Gedichteklassiker 2: Haltestellenimpressionen von Erich Fried

Haltestelle

Die an den Haltestellen warten
Und Schatten werfen
Im Schein der Straßenlaternen
Und manchmal fast aussehen
Als wären sie aufgehängt an ihnen - 



Erich Fried

Einfach Menschen

Von der Arbeit des Tages müde
Die warten auf den Bus
Auf Zuhause
Auf ihren Abend
Die sollen leben bleiben
Und nicht sterben in einem Krieg.

Erich Fried

Montag, 8. Juli 2013

Meine Gedichteklassiker: SEHNSUCHT von Joseph Eichendorff



Sehnsucht


Es schienen so golden die Sterne,
Am Fenster ich einsam stand
Und hörte aus weiter Ferne
Ein Posthorn im stillen Land.
Das Herz mir im Leib entbrennte,
Da hab ich mir heimlich gedacht:
Ach, wer da mitreisen könnte
In der prächtigen Sommernacht!

Zwei junge Gesellen gingen
Vorüber am Bergeshang,
Ich hörte im Wandern sie singen
Die stille Gegend entlang:
Von schwindelnden Felsenschlüften,
Wo die Wälder rauschen so sacht,
Von Quellen, die von den Klüften
Sich stürzen in die Waldesnacht.

Sie sangen von Marmorbildern,
Von Gärten, die überm Gestein
In dämmernden Lauben verwildern,
Palästen im Mondenschein,
Wo die Mädchen am Fenster lauschen,
Wann der Lauten Klang erwacht
Und die Brunnen verschlafen rauschen
In der prächtigen Sommernacht. -

Joseph von Eichendorff

Donnerstag, 27. Dezember 2012

Meine Gedichteklassiker: EIN LIED HINTERM OFEN ZU SINGEN

Lübeck im Winter

Ein Lied hinterm Ofen zu singen
Matthias Claudius  
* 15. August 1740 in Reinfeld (Holstein); † 21. Januar 1815 in Hamburg
Der Winter ist ein rechter Mann,
kernfest und auf die Dauer;
sein Fleisch fühlt sich wie Eisen an
und scheut nicht süß noch sauer.
War je ein Mann gesund, ist er's;
er krankt und kränkelt nimmer,
weiß nichts von Nachtschweiß noch Vapeurs
und schläft im kalten Zimmer.
Er zieht sein Hemd im Freien an
und lässt's vorher nicht wärmen
und spottet über Fluss im Zahn
und Kolik in Gedärmen.
Aus Blumen und aus Vogelsang
weiß er sich nichts zu machen,
hasst warmen Drang und warmen Klang
und alle warme Sachen.
Doch wenn die Füchse bellen sehr,
wenn's Holz im Ofen knittert,
und um den Ofen Knecht und Herr
die Hände reibt und zittert;
wenn Stein und Bein vor Frost zerbricht
und Teich' und Seen krachen;
das klingt ihm gut, das hasst er nicht,
dann will er sich tot lachen. -
Sein Schloss von Eis liegt ganz hinaus
beim Nordpol an dem Strande;
doch hat er auch ein Sommerhaus
im lieben Schweizerlande.
So ist' er denn bald dort, bald hier,
gut Regiment zu führen.
Und wenn er durchzieht, stehen wir
und sehn ihn an und frieren.

Mittwoch, 26. Dezember 2012

Meine Gedichteklassiker: Wie rafft ich mich auf in der Nacht von August von Platen

Wie rafft ich mich auf in der Nacht

August von Platen

Wie rafft ich mich auf in der Nacht, in der Nacht,
Und fühlte mich fürder gezogen,
Die Gassen verließ ich, vom Wächter bewacht,
Durchwandelte sacht
In der Nacht, in der Nacht,
Das Tor mit dem gotischen Bogen.
Der Mühlbach rauschte durch felsigen Schacht,
Ich lehnte mich über die Brücke,
Tief unter mir nahm ich der Wogen in Acht,
Die wallten so sacht
In der Nacht, in der Nacht,
Doch wallte nicht Eine zurücke.
Es drehte sich oben, unzählig entfacht,
Melodischer Wandel der Sterne,
Mit ihnen der Mond in beruhigter Pracht,
Sie funkelten sacht
In der Nacht, in der Nacht,
Durch täuschend entlegene Ferne.
Ich blickte hinauf in der Nacht, in der Nacht,
Ich blickte hinunter aufs neue:
O wehe, wie hast du die Tage verbracht!
Nun stille du sacht
In der Nacht, in der Nacht,
Im pochenden Herzen die Reue!

Dienstag, 25. Dezember 2012

Meine Gedichteklassiker: LIEBESLIED von Rainer Maria Rilke



LIEBESLIED

Wie soll ich meine Seele halten, daß
sie nicht an deine rührt? Wie soll ich sie
hinheben über dich zu ändern Dingen?
Ach gerne mocht ich sie bei irgendwas
Verlorenem im Dunkel unterbringen
an einer fremden stillen Stelle, die
nicht weiterschwingt, wenn deine Tiefen schwingen.
Doch alles, was uns anrührt, dich und mich,
nimmt  uns zusammen  wie ein Bogenstrich,
der aus zwei Saiten eine Stimme zieht.
Auf welches Instrument sind wir gespannt?
Und welcher Geiger hat uns in der Hand?
O süßes Lied.

Rainer Maria Rilke