TEUFELSKINDER von Jules Amedée Barbey D'Aurevilly
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Paulskirche 1848 |
Freie Presse
(Aus "Ça ira", 1846)
Festen Tons zu seinen Leuten spricht der Herr der Druckerei:
»Morgen, wißt ihr, soll es losgehn, und zum Schießen braucht man Blei!
Wohl, wir haben unsre Schriften: - morgen in die Reihn getreten!
Heute Munition gegossen aus metallnen Alphabeten!
Hier die Formen, hier die Tiegel! auch die Kohlen facht' ich an!
Und die Pforten sind verrammelt, daß uns niemand stören kann!
An die Arbeit denn, ihr Herren! Alle, die ihr setzt und preßt!
Helft mir auf die Beine bringen dieses Freiheitsmanifest!«
Spricht's, und wirft die ersten Lettern in den Tiegel frischer Hand.
Von der Hitze bald geschmolzen brodeln Perl und Diamant;
Brodeln Kolonel und Korpus; hier Antiqua, dort Fraktur
Werfen radikale Blasen, dreist umgehend die Zensur.
Dampfend in die Kugelformen zischt die glühnde Masse dann: -
So die ganze lange Herbstnacht schaffen diese zwanzig Mann;
Atmen rüstig in die Kohlen; schüren, schmelzen unverdrossen,
Bis in runde, blanke Kugeln Schrift und Zeug sie umgegossen!
Wohlverpackt in grauen Beuteln liegt der Vorrat an der Erde,
Fertig, daß er mit der Frühe brühwarm ausgegeben werde!
Eine dreiste Morgenzeitung! Wahrlich, gleich beherzt und kühn
Sah man keine noch entschwirren dieser alten Offizin!
Und der Meister sieht es düster, legt die Rechte auf sein Herz:
»Daß es also mußte kommen, mir und vielen macht es Schmerz!
Doch - welch Mittel noch ist übrig, und wie kann es anders sein? -
Nur als Kugel mag die Type dieser Tage sich befrein!
Wohl soll der Gedanke siegen - nicht des Stoffes rohe Kraft!
Doch man band ihn, man zertrat ihn, doch man warf ihn schnöd in Haft!
Sei es denn! In die Muskete mit dem Ladstock laßt euch rammen!
Auch in solchem Winkelhaken steht als Kämpfer treu beisammen!
Auch aus ihm bis an die Hofburg fliegt und schwingt euch, trotz'ge Schriften!
Jauchzt ein rauhes Lied der Freiheit, jauchzt und pfeift es hoch in Lüften!
Schlagt die Knechte, schlagt die Söldner, schlagt den allerbesten Toren,
Der sich diese freie Presse selber auf den Hals beschworen!
Für die rechte freie Presse kehrt ihr heim aus diesem Strauß:
Bald aus Leichen und aus Trümmern graben wir euch wieder aus!
Gießen euch aus stumpfen Kugeln wieder um in scharfe Lettern -
Horch! ein Pochen an der Haustür! und Trompeten hör ich schmettern!
Jetzt ein Schuß! - Und wieder einer! - Die Signale sind's, Gesellen!
Hallender Schritt erfüllt die Gassen, Hufe dröhnen, Hörner gellen!
Hier die Kugeln! hier die Büchsen! Rasch hinab! - Da sind wir schon!«
Und die erste Salve prasselt! - Das ist Revolution!
Ferdinand Freiligrath
HISTORY-Memo
Hermann Ferdinand Freiligrath wurde am 17. Juni 1810 in Detmold im Fürstentum Lippe geboren und starb am 18. März 1876 in Cannstatt bei Stuttgart. Er war ein deutscher Lyriker, Dichter und Übersetzer, aber auch ein kritischer Geist, stieß zur Revolution 1848 dazu und begleitete sie auch mit mehreren Gedichten.
Im Oktober 1848 wurde ihm dort anlässlich einer Lesung und des Drucks seines Gedichtes "Die Todten an die Lebenden" der Prozess wegen „Aufreizung zu hochverrätherischen Unternehmungen“ gemacht. Er wurde freigesprochen.
Am 12. Oktober 1848 trat Freiligrath in die Redaktion der Neuen Rheinischen Zeitung von Karl Marx und Friedrich Engels ein und betreute die Auslandsredaktion mit poetischen und prosaisch-journalistischen Beiträgen. Freiligrath sollte auch im Kölner Kommunistenprozess angeklagt werden. Einen Aufenthalt in Amsterdam (Holland) musste er 1850 abbrechen, weil sein Aufenthalt in Amtsterdam nicht geduldet wurde. Auch in Düsseldorf und Köln konnte er nicht bleiben wegen der zu erwartenden Repressalien bezüglich kritischer Veröffentlichungen. Ein Steckbrief wurde am 14. August 1851 vom Kölner Oberprokurator August Heinrich von Seckendorff wegen Teilnahme „an einem Komplotte zum Umsturze der Staatsregierung“ ausgegeben. Freiligrath antwortete in der Kölnischen Zeitung, dass er legal unterwegs gewesen sei, reiste aber dennoch nach London, wo er auch bald englischer Staatsbürger wurde.
Gedanken über Bälle und Kugeln lassen mich sinnieren. Wie man eine Kugel
berechnet, weiß ich nicht mehr – der Geometrie-Unterricht lag mir nie
am Herzen.
Aber der Beginn meines menschlichen Daseins hat schon
irgendwie mit Bällen etwas zu tun. Geboren bin ich auf dem Erdball. Die
Erde ist eine Kugel. Und der Bauch, der mich sorgfältig neun Monate trug
hatte ebenfalls die Form einer Kugel. Als ich der Kugel entschlüpfte,
um auf der größeren Erdenkugel anzulanden, waren es ebenfalls zwei
kugelförmige Gebilde, die mich nährten.
Es sollten bei weitem
nicht die letzten Kugeln meines Lebens sein. Kleine Kugeln, genannt
Murmeln, schoben wir Kinder eifrig in das dafür ausgegrabene Loch.
Einige von uns schoben später eine ruhige Kugel beim Kegeln oder beim
Bowling. Andere gaben sich den Bällen hin, die das Weltgeschehen weitaus
mehr in Atem halten, als Hunger und Not es je vermochten. Die Rede sei
hier vom Fußball, wo der Ball „immer noch rund“ ist.
Beim Boule
treffen sich einige meiner belgischen Freunde Sonntag für Sonntag und
lassen die Kugeln rollen – etwas dicker, als damals beim Murmelspielen
sind sie schon. Dabei war das Murmelspielen durchaus interessant. Man
konnte Murmeln gewinnen beim Treffen einer jeden Kugel ins Loch oder
beim anklicken anderer Murmeln auf dem Weg ins Loch. Die einfachen
Murmeln waren aus Ton und bunt bemalt. Man konnte sie im kleinen
Papiertütchen kaufen. Bunt bemalt wie Ostereier waren sie. Die
nächstgrößere Kategorie waren die Glasmurmeln. Das waren heißbegehrte
Trophäen beim Treffen in die „Kaul“. Beim Anklicken gewann man jeweils
immer nur die Tonkugel des Gegners. Finde ich immer noch irgendwie
spannender als Boule – würden der Rücken und die Knie so mitmachen, wie
seinerzeit als wir alle noch „klein“ waren, weiß Gott, ich würde das
Murmelspielen dem Boulespiel vorziehen.
Ich leite weiter über zur
Flipperkugel – diese faszinierende Kugel, die angetrieben durch eine
Spirale, an der man schnell ziehen musste, einen ganzen bunten
Klingelwald von diversen bunten amerikanisch beschrifteten Hindernissen
durchlaufen musste und immer wieder aufs neu mit den beiden Flippern so
in Gang gehalten werden musste, damit viele Punkte bis hin zu einem
Freispiel ergattert werden konnten.
Dann kam die Zeit der Reife
und man war endlich alt genug, eine Angel zu halten am großen Fluss.
Kleine Bleikügelchen beschwerten die Leine, damit der Angelhaken tief
unten im Wasser sein unheilvolles Piercing an den Fischlein verüben
konnte.
Manche von uns gingen zur Bundeswehr und lernten hier das
Schießen mit den gefährlichsten aller Kugeln. Todbringend über
Jahrtausende sind sie heute immer noch für jedes Lebewesen, die Kugeln
aus Blei, gleich welcher Größe.
Den edelsten aller Kugeln möchte
ich einen kleinen Gedanken widmen: den Billardkugeln. Ich tauche ein in
die Geheimnisse des Karambolage-Billardspiels und lerne, das eine
Billardkugel mit Linkseffet, Rechtseffet, Ober- und Untereffet – und das
nochmal unterteilt in verschiedene kleinste Flächen auf der Kugel
angestossen werden kann. Natürlich mit unterschiedlicher Stoßkraft –
mittel, stark, zart, lang, kurz oder am besten alles beieinander – nein
natürlich nicht, dann hätten wir Billardfußball. Ob beim Fußball auch
mit Effet gespielt wird, frage ich mich langsam.
Die vielen
Ballspiele seien am Rande erwähnt: Völker-, Hand-, Volley-, Baskett- und
Wiener Opernball. Die Fender an den Booten sind ebenso ballförmig, wie
die Bojen auf dem Wasser, die uns den Weg weisen.
Der Mond ist
genauso eine nackerte Kugel wie die vielen Planeten. Ob die Sterne und
die Sonne auch Kugeln sind – ich vermute fast, ja !
Der
Heißluftballon mag mich nach oben bringen, damit ich es überprüfen kann
und sollte ich unsanft auf der Erde landen, wird mich die Physiotherapie
auf dem AOK-Ball wieder heilen.
Bälle und Kugeln, wohin man
schaut – Kugelfische, Kugelschreiber, Ballkleider, Luftballons,
Kugelbäuche, Kugelköpfe, Ballonhosen, Tennisbälle...
Worin liegt
das Geheimnis der Kugeln ? Sie rollen, hüpfen, gleiten, erotisieren,
schwingen, vibrieren, tanzen, fliegen und wenn sie ein Schneefeld sind,
können sie sich durch kleinste Erschütterungen in einen kleinen Ball
verwandeln, der immer größer wird bis hin zur todbringenden Lawine.
Ich
habe Respekt vor Kugeln und Bällen, stelle ich fest. Aber erst, seit
ich Karambolage-Billard lerne und mich freue, das Fortuna in der ersten
Liga spielt.
Die Kugelkopfschreibmaschine möchte ich hier
ebenfalls noch erwähnen – die hatte mir sehr viel Freude bereitet,
obwohl man Schwierigkeiten hatte mit dem Tipp-Ex. Ist eigentlich im
Internet noch was rund? Ich befürchte, eher nicht... Doch, die dort
angebotenen Rundreisen vielleicht und Koogle, pardon: Google.
(c) Karin Michaeli