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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Dichterhain, Bände 5 bis 8

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Mittwoch, 21. März 2012

Dichterhain: DIE RAST von Walter Brusius, übersetzt in Hunsrücker Platt und vertont von Andreas Müller

Die Rast

Müller sagte: „Das Auto macht nicht mehr lang!“ Mit dem Fuß trat er gegen den Reifen.
„Der Gummi ist ganz weich geworden!“, sagte Crumenauer. „Ich mach mir Sorgen, ob wir heute noch in die Stadt sollten.“
Sie standen am Auto, rauchten eine Zigarette. Die Straße führte gerade in die Stadt.
„Wenn du mich fragst, müssen wir dort überhaupt nicht hin!“
Crumenauer nickte erleichtert, Müllers Aussage kam ihm recht.
„Wir werden uns irgendwo außerhalb ein Quartier suchen. Notfalls übernachten wir im Auto, die Schlafsäcke haben wir ja dabei.“
„Klar, klar, so hab ich es mir auch gedacht“, sagte Crumenauer.
Am Straßenrand lag ein aufgeplatzter Sack, als Müll konnte man den herausgequollenen Inhalt nicht bezeichnen, dennoch war der Anblick ekelerregend.
Es dämmerte auf den Abend zu, und diese Dämmerung, das besondere, milde Licht hatte bereits etwas Einschläferndes.
„Was hältst du von meinem Haar?“, Müllers Frage. Er sah gebückt in den Spiegel, strich mit der Hand durch. Müllers Haar war weiß, und dabei war er noch keine vierzig.
„Auf keinen Fall färben, Müller“, sagte Crumenauer.
„Nein, das habe ich auch gedacht.“
Die Straße lief durch Felder, abgeerntete Felder, hin und wieder wurde die Straße von Büschen flankiert. Und eine Bahnlinie.
Sichtbar waren die Finger von Schranken.
„Schau mal!“
Ein großer grüner Käfer landete auf dem Autodach. Er krabbelte nach hinten. Das Autodach, der Lack, war ganz glatt.
Der Käfer sah erschöpft aus. Vielleicht war er bereit zum Sterben. Vielleicht würde er sich von diesem Autodach nicht mehr erheben.
Müller brachte diesen Gedanken mit einem Satz auch zum Ausdruck.
Und Crumenauer nickte dazu.
Trotz dieser Impression hatte der Abend etwas Friedliches, etwas Besänftigendes.
Der Weg führte schmal, wie ein Feldweg. Und in der Ferne tauchte jetzt ein Mann auf.
Bevor der Mann auf eine erkennbare Größe gequollen war, stiegen Müller und Crumenauer ein, fuhren davon.
Es waren tatsächlich Weiden, die am Weg standen. Denkbar war auch, dass man Lehm vom Ufer des kleinen Bachlaufs nahm, auf die Haut schmierte und als Kleidung trug.


Der Text "Die Rast" von Walter Brusius wurde von Andreas Müller, wie der Autor in Niederwörresbach bei Idar-Oberstein geboren, vertont und in Hunsrücker Platt, speziell in der Form des Dialektes, wie er in beider Heimatort gesprochen wird, vorgetragen. Andreas Müller ist Jahrgang 1957, hat an der Hochschule der Künste Berlin Schulmusik, Hauptfach Gitarre, studiert. Er lebt in Freiburg und arbeitet dort als Musiklehrer an der Michael-Schule. Seit 2008 stellt er eigene Lieder im Hunsrücker Dialekt vor (CD: "Zwische Wunne un Wunner"). Hörproben bei YouTube



      AKTUELLER HINWEIS:
Walter Brusius im
Maler-Zang-Haus, Birkenfeld
Walter Brusius Vita und
Eventbeschreibung

Einladung zur Vernissage


Montag, 21. November 2011

Regionales Kalenderblatt: Todestag von Schinderhannes





Der Schinderhannes war eine der bekanntesten Räuberfiguren im Hunsrücker, Mainzer und Frankfurter Raum. Er trieb sein Unwesen wohl bevorzugt zwischen Lahn, Main und Neckar im Rechtsrheinischen, Mosel und Pfalz links des Rheins. Im historischen Herrstein bei Idar-Oberstein finden alljährlich Schinderhannes-Tage statt.

Am heutigen Tag im Jahr 1803 vollstreckte die Guilloutine vor den Toren von Mainz unter den Augen von 40 000 Zuschauern die Todesurteile am Schinderhannes und seinen Kumpanen. Man sagt Johannes Bückler, gefürchtet als "Schinderhannes", nach, dass er nicht nur sehr brutal gewesen sei, sondern auch unbewegt dem Tod ins Auge sah. Mit seinen gerade 25 Jahren hatte er eine außergewöhnliche Bekanntheit erlangt. Bemerkenswert ist, dass seine Brutalität selbst seine Richter schockierte. Er war wohl sehr sadistisch veranlagt.

Die Spezialgerichte im linksrheinischen Raum wurden in dieser Zeit durch die Franzosen gegründet. Sie zogen die Strafprozesse an sich, sodass die Geschworenengerichte durch sie faktisch bedeutungs- und arbeitslos wurden. Das Mainzer Spezialgericht war ausschließlich für den Schinderhannesprozess zuständig. Richter und Anwälte verfügten über erstaunliches Vermögen (guter Verdienst, Bestechungsgelder, Schmuggelei, Kontakte zur "Unterwelt"), das sie mal mehr und mal weniger glücklich in Immobilien (versteigerte Nationalgüter) investierten. Oft war nicht klar, wer eigentlich der größere Lump gewesen sei ...

Am 24. Oktober 1803 eröffnete ein Spezialgericht im damals französischen Mainz die Hauptverhandlung gegen 68 Angeklagte. 173 Zeugen lud die Staatsanwaltschaft, 260 Zeugen die neun Verteidiger. 53 Verbrechen wurden Schinderhannes persönlich zur Last gelegt. Gäste aus ganz Europa sollen in Mainz geweilt haben und sich täglich um die 500 Eintrittskarten gestritten, deren Preise ständig stiegen und deren Erlös der Armenkasse zufloss. Ganze zwei Tage dauerte allein die Verlesung der Anklageschrift.



Am Nachmittag des 19. November zog das Gericht seine Mitglieder zur Beratung zurück, am 20. November verkündete das Tribunal das Urteil gegen 42 Angeklagte, überwies einen zuständigkeitshalber den Gerichten zu Saarbrücken und sprach 20 Personen frei. Schinderhannes und 19 Komplizen wurden mit der Todesstrafe bedacht. Kerkerketten und Zuchthaus erwarteten die anderen, Schinderhannes' Vater erhielt eine 22-jährige Kettenstrafe. Seine Frau Julchen Bläsius (die später einen Gendarmen heiratete und als Bürgersfrau starb) musste nur für zwei Jahre ins Zuchthaus.

Johannes Bückler alias Schinderhannes wurde 1778 als Sohn eines "Schinders", d. h. Abdeckers in Miehlen im Taunus geboren.Er begann seine Karriere als Hammeldieb, raubte des öfteren Lager aus und verkaufte die Beute dann an den Eigentümer zurück. Er konnte immer fliehen und suchte die Gebiete um Rhein, Main, Neckar, Lahn heim. Dennoch wurde er auch mal in Simmern (Hunsrück) 1799 eingebuchtet, entkam wieder, heiratete Julia Bläsius, lebte mit ihr ohne kirchlichen Segen zusammen. Er sammelte Kumpanen um sich, errichtete in Kellenfels, Hahnenbach und Birkenfels bewachte Lager zum Leben und Verarbeiten der gestohlenen Waren. Auf Anzeige von Dorfbewohnern überfiel die Bande angebliche (zumeist jüdische) Wucherer, Geldverleiher und Händler und konnte sich so wohl auch teilweise die Beliebtheit der Bevölkerung sichern. Einbruch, Raub, Diebstahl und Erpressung war das Tagesgeschäft, angeblich schonte er Verarmte. Heimgesucht von Schinderhannes gaben hier viele Menschen (meist jüdischen Glaubens) ihre Heimat auf und zogen in die Neue Welt. Er übte eine beachtliche Macht auf die Bevölkerung aus. Julchen, seine Frau, begleitete ihn in Männertracht, wenn sie nicht gerade woanders Kurzwaren oder Beute verkaufte.

Einer der berühmtesten Genossen des Schinderhannes war Johann Leiendecker, Schuhmacher, der viele der Raubüberfälle mitplante.Er konnte jedoch nicht verhaftet werden, weil er geflohen war.
Ab 1801 fing die Bevölkerung an, Widerstand zu leisten. Wüste Schießereien und nächtliche Straßenkämpfe sind überliefert. Im Frühling 1802 gab Schinderhannes auf. In Frankfurt wurde er 9 Monate vor seinem Tod verhaftet und an die französischen Behörden in Mainz ausgeliefert. Schinderhannes wollte seinen Kopf aus der Schlinge ziehen und sagte gegen eine große Zahl von Helfern aus. Allein es half nichts...

Heute wird gerne verkannt, dass er keinesfalls ein Robin Hood war, für den viele Menschen ihn halten. So kann man Schinderhannes keine "guten" Taten zuzuschreiben, die einen Vergleich rechtfertigen. Er war nur einer von vielen Verbrechern dieser Zeit, allerdings mit großem "Wirkungsraum" bzw. Tatgebiet. Ebensowenig war er ein Freiheitskämpfer, der sich für die Befreiung der linksrheinischen Gebiete von den Franzosen einsetzte.