Eine New-Series-Aufnahme eröffnete am 10. Mai den Veröffentlichungsreigen dieses Monats bei ECM:
Reto Bieris 2011 erschienenes Soloalbum Contrechant wurde für die Klangschönheit des Schweizer Klarinettisten und seine seltene Ausdruckskraft, auch dank erweiterter Instrumentaltechniken, viel gelobt. Die neue Einspielung Quasi Morendo beginnt nun mit einer neuen Auseinandersetzung mit einem der Stücke von Contrechant, Salvatore Sciarrinos ”Let Me Die Before I Wake” (1982), mit seiner "flüsterleisen Klangwelt aus Harmonik, Multiphonik und Tremolandos" (The Guardian). Bieri wird dann vom finnischen Streichquartett Meta4 bei einer tiefgründigen Interpretation von Johannes Brahms' Quintett op 115 (1891) begleitet. Inspiriert von Brahms Freundschaft mit dem Klarinettisten Richard Mühlfeld klingt das Quintett freier und idyllischer als die frühere Kammermusik des Komponisten, ist aber eines seiner sorgfältigsten Werke. Das Album schließt mit Gérard Pessons ”Nebenstück” (1998), einem Neu-Arrangement von Brahms' Ballade, op. 10 Nr. 4.
Wie schon im vorigen Newsletter angekündigt, werden am 17. Mai weitere 25 Alben aus dem Back-Katalog in der sogenannten „Touchstones“-Serie wiederveröffentlicht - siehe hierzu die dieser Mail anhängende Übersicht.
Am 24. Mai folgen zwei New-Series-Neuheiten:
Auf ihrem dritten ECM-Album Elusive Affinity spürt die russische Pianistin Anna Gourari musikalische Verbindungen und Einflüssen nach, die sich über die gesamte Kunst erstrecken. Hier sind drei Suiten zeitgenössischer Musik zu hören. Alfred Schnittkes ’Fünf Aphorismen’ (1990) beziehen Impulse aus der Poesie seines Freundes Joseph Brodsky. Rodion Shchedrins ’Tagebuch - Sieben Stücke’ (2002), das Gourari gewidmet ist und von ihrem Spiel inspiriert wurde, spiegelt das Leben eines Pianisten und Komponisten wider. Wolfgang Rihms Folge ’Tombeaux, Zwiesprache’ (1999) würdigt die Musikwissenschaftler Alfred Schlee und Hans Heinrich Eggebrecht, den Dirigenten Paul Sacher und den Kunstsoziologen Hermann Wiesler. Zwischen den Zyklen fügen sich zwei Giya Kancheli-Miniaturen aus Theater- und Filmmusik sowie Arvo Pärts frühe Tintabuli ’Variationen zur Heilung von Arinuschka’ (1977). Gouraris Erforschung der künstlerischen Verbindungen wird von Bachs Transkriptionen der venezianischen Komponisten Antionio Vivaldi und Alessandro Marcello umrahmt: "Anna Gourari macht diese Bach-Sätze auch zu unseren", schreibt Paul Griffiths in den Liner Notes.
Den Monat beschließen dann am 31. Mai zwei Jazz-Veröffentlichungen:
1999, ein Jahr nach der Aufnahme des großartigen Reunion-Albums Not Two, Not One, machte sich Paul Bley's hochinnovatives Trio mit Gary Peacock und Paul Motian zu Konzerten auf beiden Seiten des Atlantiks auf den Weg. When Will The Blues Leave dokumentiert nun einen herausragenden Auftritt in der Aula Magna, Trevano in der Schweiz. Dazu gehören neben dem kantigen Freebop-Titelstück von Ornette Coleman Paul Bleys energiegeladener "Mazatlan", Gary Peacocks Evergreen "Moor", Gershwins zartes "I Loves You Porgy" und viele mehr..
Lost River ist ein stimmungsvolles, reich strukturiertes akustisches Ereignis und eine der herausragenden, kategorienübergreifenden Aufnahmen der jüngeren ECM-Geschichte. Schlagzeuger Michele Rabbia und Gitarrist Eivind Aarset haben viele gemeinsame Duo-Konzerte gespielt, und Rabbia hatte auch in anderen Zusammenhängen mit dem Posaunisten Gianlucca Petrella zusammengearbeitet, aber diese Aufnahme ist die Premiere im Trio. Rabbias Trommeln ist frei kreativ und treibend und wird durch den Einsatz von Elektronik verstärkt. Das fließende Spiel von Aarset wird Zuhörer begeistern, die seinDream Logic-Projekt und seinen Beitrag zu Aufnahmen mit Nils Petter Molvӕr, Tigran Hamasyan, Andy Sheppard und anderen genossen haben. Petrellas Rolle als Hauptinstrumentalstimme wird diejenigen überraschen, die ihn nur als großen "Jazz"-Solisten mit Enrico Rava und Giovanni Guidi kennen; sein breites Spektrum ist in Manfred Eichers Produktion dieser Aufnahme, die im Januar 2018 in Udine entstand, sehr gut eingesetzt.