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Montag, 10. April 2017

Wie war's bei "The Rake's Progress" in Frankfurt am Main?

Tom Rakewell und Nick Shadow
(c) Barbara Aumüller
Ensemble mit Baba     (c) Barbara Aumüller
"The Rake's Progress" („Der Lebenslauf eines Wüstlings“) - a fable -, eine Oper von Igor Strawinsky, uraufgeführt im Teatro La Fenice, Venedig, am 11. September 1951, spielt im London des 18. Jahrhunderts. Strawinsky orientiert sich dabei an den (fast) gleichnamigen, zwischen 1733 und 1735 entstandenen 8 Bildern (Gemälde und Kupferstiche "A Rake's Progress") des englischen Künstlers William Hogarth. Deutlich angelehnt bewegt er sich entlang der Moralgeschichte in Kupferstichen, die zu ihrer Zeit eine hohe Berühmtheit in Europa, auch in Deutschland erreichte. Die Leute interessierten sich natürlich auch für die moralischen Verfehlungen der englischen Gesellschaft im 18. Jahrhundert. Obwohl das Hauptthema uns heute ein bisschen kitschig und altbacken vorkommt, mag es in den 50er-Jahren mit ihren rührseligen, moralisierenden Filmen noch mehr beliebt gewesen sein.
Es geht um Tom Rakewell, dessen extrem geiziger Vater nach seinem Tod ein großes Erbe hinterlässt, dass der bislang kurz gehaltene Sohn mit einem ausschweifenden Leben in London in Bordellen und Spielhöllen durchbringt. Die Schulden wachsen an, und anders als heute gab es keine Schuldnerberatung und Schuldenerlass nach Privatinsolvenz, sondern Knast, bis die Schuld abgetragen war. Völlig verarmt und ohne Liebe endet der Held schließlich im Irrenhaus.

Kommentator, Führer durch das und Teil des Geschehens ist die märchenhafte Mephisto- bzw. Teufelsfigur Nick Shadow (Kihwan Sim ein beeindruckender und sich klar abhebender Bariton), die von modernisierten Cembalotönen begleitet wird. Er ermöglicht und stößt das Geschehen an, bringt den Stein ins Rollen, indem er den schnöden Mammon von Vater Rakewell überbringt. Das Geld und Nick führen ihn direkt ins Rotlicht, um die ersten Deformationen zu erreichen. Das Ganze als Weg zum Heil verkleidet fordert Nick auch einen Lohn, er meint natürlich wie immer bei diesen Deals die Seele, aber das merkt der naive Tom nicht, er will richtig wild leben, was er bekommt, seinen Schatten Nick immer an der Seite. Er kommt auch wieder raus aus dieser Welt der Huren und Spielsalons und darf bieder leben (mit der verrückten Figur der Baba), fällt dann auf eine von Nick präsentierte Maschine rein, die aus Steinen Brot machen kann um Toms Wunsch, die Welt vor Hunger retten zu können, damit zu erfüllen. Tom hält das Gerät für eine geniale Erfindung. Nick erklärt dem Publikum in diesem Zusammenhang ironisch, dass man eben einfach gute Geschäfte mit ihm machen könne. Aber die Naivität Toms und seine Liebe zu Anne retten ihn auch, denn als der Teufel seinen Lohn fordert und es um Leben und Tod geht, soll ein Kartenspiel entscheiden, das der Naive, wohl geführt von einer Art Gegenmacht und dem Zufall, für sich entscheiden kann. Sein Teufelsschatten geht durch das Grab ab, das für Tom bereit steht, nicht ohne ihn zuvor noch verflucht und des Verstandes beraubt zu haben. Im Irrenhaus ist Endstation.

Die Urgeschichte dazu entstand vor Goethes FAUST und dessen Verführung. Don Juans Frauengeschichten sind auch zu spüren. Strawinsky wiederum hat literarische, musikalische und biblische Zitate mit ins Spiel gebracht. Seine Ausführung hat den Charakter einer Bühnenparabel, zur Fabel fehlen die Tierprotagonisten. Die immer wiederkehrende Problematik der pekuniären Verlockungen, des moralischen Zerfalls und der verschmähten wahren Liebe macht das mit äußerst abwechslungsreicher Musik gefasste Opernkunstwerk zu einem eigenwilligen Genuss. Reges Treiben, verrücktes Spiel und eine gewisse Skepsis wegen der Stilmischungen beim Betrachten und Hören mischen sich miteinander.

Das Schicksal des Tom Rakewell (Theo Lebow, ein prämierter Tenor), der die Liebe von Anne Truelove (die sprechenden Namen haben schon etwas lehrhaft Juristisches, Elizabeth Reiter als überzeugende Sopranistin) verschmäht, um seine Erbe mit unzähligen Frauen zu verjubeln, schließlich eine Heirat mit der prominenten Dame ohne Unterleib, dafür im Strawinsky-Original mit Vollbart, eigentlich ein Transvestit, Baba the Turk (Tanja Ariane Baumgartner mit imposanter Stimme, die das Publikum zuletzt als Cassandre in Berlioz' Trojaner begeisterte) eingeht, um ein ordentliches Leben ohne Ausschweifungen zu führen. Leichter geht es nicht als mit Baba: weg von den Frauen in den Etablissements hin zur Enthaltsamkeit. Diese Baba ist unter anderem auch ein Kostümhighlight in der Frankfurter Oper, ihre zirkus- und revuetaugliche Behinderung stellt sie in den Mittelpunkt, dabei ist sie/er zutiefst unfruchtbar, sogar asexuell, obwohl sie in Frankfurt mit Turmfrisur reizend aussieht. Toms Beziehung zu ihr entbehrt dann auch jeglicher Liebe und Sexualität, er wirft Baba eines Tages aus dem Fenster, weil sie ihm zu viel wird. 

Anne hat all das mitverfolgt, sie machte sich nach einer Eingebung auf den Weg, den Geliebten zu retten, ihm zu helfen, aber sie wurde nur mit Absurdem konfrontiert. Tom schickte sie sogar weg, obwohl er in all der Zeit der Trennung wehmütig an diese wahre, aufrichtige Liebe dachte.

Tom wird in den Strudel einer Abwärtsbewegung geschickt, weil sein Wille zum genussvollen Leben, so die Moral der Oper, ihn verarmt, fast tötet und am Ende sogar schwer krank macht. Nachdem seine Geliebte Anne ihm in der Psychiatrie alles vergibt, stirbt er dann doch vorzeitig. Keine Chance aus der Autoren-/Komponistenfeder, alles in eine andere Richtung zu schreiben. Vorbestimmung und Wille des Schöpfers machen es unmöglich. The Rake's Progress hat autobiographische Züge bzw. verbildlicht Erziehung und erwartetes Ende Strawinskys, der sich hier vorzeitig einmal hat mit untergehen lassen.

Weitere Aufführungen sind noch am 15. und 21. April 2017.



Baba und Tom     (c) Barbara Aumüller

Donnerstag, 30. März 2017

Morgen in Frankfurt a.M.: THE RAKE'S PROGRESS von IGOR STRAWINSKY, Oper in drei Akten

Freitag, 31. März 2017, Opernhaus

THE RAKE'S PROGRESS
IGOR STRAWINSKY 1882-1971
Oper in drei Akten
Text von W.H. Auden und Chester Simon Kallman
Uraufführung am 11. September 1951, Teatro La Fenice, Venedig
In englischer Sprache mit deutschen Übertiteln
WIEDERAUFNAHME

Einführung eine halbe Stunde vor Vorstellungsbeginn vor jeder Vorstellung im Holzfoyer

19.30 Uhr, Dauer ca. 2 3/4 Stunden inkl. einer Pause      

Musikalische Leitung Tito Ceccherini
Regie Axel Weidauer
Szenische Leitung der Wiederaufnahme Alan Barnes
Bühnenbild Moritz Nitsche
Kostüme Berit Mohr
Licht Joachim Klein
Chor Tilman Michael
Dramaturgie Agnes Eggers

Trulove  Alfred Reiter
Anne Trulove  Elizabeth Reiter
Tom Rakewell  Theo Lebow
Nick Shadow  Kihwan Sim
Mother Goose  Barbara Zechmeister
Baba the Turk  Tanja Ariane Baumgartner
Sellem  Peter Marsh
Keeper of the madhouse Barnaby Rea

Chor der Oper Frankfurt
Frankfurter Opern- und Museumsorchester

Eine Serie von acht satirisch-gesellschaftskritischen Kupferstichen des englischen Zeichners William Hogarth, Der Werdegang eines Wüstlings, inspirierte Igor Strawinsky bei einem Ausstellungsbesuch im Chicago Art Institute im Juni 1947 zur Komposition seiner einzigen abendfüllenden Oper. Tom Rakewell heißt sein Titelheld. Er ist mit Anne Trulove verlobt und ein leichtfertiger Geselle. Er lernt einen gewissen Nick Shadow kennen, der niemand anderes als der Teufel in Menschengestalt ist. Nick verspricht Tom ein Jahr lang zu dienen, und die beiden gehen nach London. Dort verhilft Nick Tom zu einem ansehnlichen Vermögen. Sie führen ein ausschweifendes Leben. Tom stürzt zunehmend ins Verderben und vergisst Ann. Sie reist ihm nach und versucht erfolglos, ihn wieder auf den rechten Weg zu bringen. Nach einem Jahr ist das Vermögen aufgebraucht, Gläubiger sitzen Tom im Nacken und der Teufel fordert seinen Lohn. Da Tom nicht zahlen kann, lässt er sich auf ein Kartenspiel ein. Ann, sein unbeirrbar treuer Schutzengel, führt ihn zum Gewinn. Doch er wird wahnsinnig und landet im Irrenhaus, wo er schließlich stirbt. Gemeinsam mit seinen Librettisten W. H. Auden und Chester Kallman schuf Strawinsky eine mit schwarzem Humor gespickte Komödie, die episodisch die zweifelhafte Karriere eines Tunichtguts erzählt. »Lasst uns zu den alten Meistern zurückkehren, und es wird ein Fortschritt sein!«, sagte Strawinsky und komponierte eine neoklassizistische und rhythmisch komplexe Nummernoper.

Weitere Termine:
APRIL 2017
DO06. SO09. SA15. FR21.





Montag, 17. Juni 2013

Heute Abend in Mainz: INGER / GODANI / TOUZEAU Ballettprogramm in drei Teilen

17.06.2013    I    19:30 Uhr    I    Staatstheater Mainz, Großes Haus


INGER / GODANI / TOUZEAU
Ballettprogramm in drei Teilen
ca. 2 Stunden mit zwei Pausen

DREAMPLAY
Musik Igor Strawinsky: Le sacre du printemps
DREAMPLAY      Foto: Martina Pipprich

RAW MODELS       Foto: Martina Pipprich
    
LES NOCES     Foto: Martina Pipprich
Choreographie Johan Inger
Bühne und Kostüme Mylla Ek

RAW MODELS
Deutsche Erstaufführung
Musik 48nord
Choreographie und Konzept,
Bühne, Kostüme und Licht
Jacopo Godani

LES NOCES
Uraufführung
Musik Igor Strawinsky: Les noces (Die Bauernhochzeit)
Choreographie und Konzept,
Bühne, Kostüme und Licht
Pascal Touzeau

Johan Inger, damals noch selbst Tänzer des Nederlands Dans Theater, schuf im Jahr 2000 seine Arbeit „Dream Play“ auf einen Ausschnitt aus Strawinskys „Le Sacre du printemps“. Er interpretiert das emotional stark aufgeladene „Frühlingsopfer“ als den Tagtraum eines jungen Mannes, der auf der Straße einer schönen Frau begegnet: Was wird wohl passieren, wenn er sie ansprechen würde? Man sieht vier sich balgende Jungs, zwei Frauen, ein Schuss fällt … Da lässt der Mann die Frau doch lieber passieren.

Wie Johan Inger wählte auch Pascal Touzeau im April 2013 eine Komposition Strawinskys als musikalische Grundlage für seine Choreographie und zeigt mit dieser Arbeit eine Neuinterpretation der 1913 uraufgeführten Ballettkomposition „Les Noces“ – zu Deutsch „Bauernhochzeit“. Pascal Touzeau nimmt sich der von der russischen Volksmusik geprägten Komposition an und erzählt seine Version des Hochzeitsrituals.