SV Verlag

SV Verlag mit Handy oder Tablet entdecken!
Die neue Generation der platzsparenden Bücher - klein, stark, leicht und fast unsichtbar! E-Books bei viereggtext! Wollen Sie Anspruchsvolles veröffentlichen oder suchen Sie Lesegenuss für zu Hause oder unterwegs? Verfolgen Sie mein Programm im SV Verlag, Sie werden immer etwas Passendes entdecken ... Weitere Informationen

.

.
Dichterhain, Bände 1 bis 4

.

.
Dichterhain, Bände 5 bis 8

Übersetze/Translate/Traduis/Tradurre/Traducir/переводить/çevirmek

Posts mit dem Label Jörn Laue-Weltring werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Jörn Laue-Weltring werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Dienstag, 31. Dezember 2013

Dichterhain: SCHNEE AUF ARABIENS ZELTEN von Jörn Laue-Weltring




Schnee auf Arabiens Zelten


von Jörn Laue-Weltring


wenn Schnee auf Arabiens Zedern* fällt
statt auf Europas Berge, Fichten, Tannen

die alten Brücken hier uns schwinden

in aller Seelen trüber Brühe schmelzen

im heißen Kaufrausch greller Angebote
trotz Herzens traurig warnend Zucken

treu uns nur des Glühweins klebrig Höllenritt
der Waren Scheiterhaufen flüchtiger Moneten

von aller Besinnlichkeit lang schon abgetrieben
erfrieren wir aus Gier uns um den Verstand

Frieden, Gerechtigkeit auf und davon gejagt
weiter als den Stern vom Kind in Bethlehem

wie wir uns selber wurden unterm Morgenstern
so fremd wie Schnee auf Arabiens Zelten



*2013 fiel im Dezember statt in Deutschland in Israel, im Libanon, in Jordanien und Syrien viel Schnee, für die Millionen Flüchtlinge dort eine weitere todbringende Katastrophe, während in Europa vor allem die schlechten Aussichten für den Wintersport und eine „weiße Weihnacht“ öffentlich und mehrmals täglich bedauert wurden.

Montag, 28. Oktober 2013

Dichterhain: Unser fürstliches Totenhaus von Jörn Laue-Weltring



Unser fürstliches Totenhaus

wir schlafen in blutigen Laken
wir wälzen uns im Morast
tanzen ausgelassen mit Skeletten
unserer Gier und Hast

unser Totenhaus sieht doch fürstlich aus
kochen wir der Welt hier ihren Schmaus

wir halten uns stets up to date
wir können und wollen schaffen
unseren Raub nicht auch noch teilen
nicht stören lassen uns beim Raffen

unser Totenhaus sieht doch fürstlich aus
kochen wir der Welt hier ihren Schmaus

ja, alles dieser Welt ist endlich
ein Geschenk unser Leben hier
was soll kann uns das bremsen
warum da abgeben und wofür

unser Totenhaus sieht doch fürstlich aus
kochen wir der Welt hier ihren Schmaus

(c) Jörn Laue-Weltring

Montag, 21. Oktober 2013

Dichterhain: EROTIK UND GEDICHT von Jörn Laue-Weltring


Erotik und Gedicht

ein seit Jahrhunderten
wunderbar
verbandeltes Paar
begeben wir uns
nach seiner Lektüre
eng umschlungen
bisweilen zitternd
vorsichtig tastend
in den Rausch
von Haut und Gliedern
noch besonders nah
diesen schmeichelnden
lockenden Texten
die nichts bis wenig
verraten und doch
uns ahnen lassen
wo es liegt
das Paradies
in den Minuten
der Ekstase
der einfach wunderbar
sich auflösenden
Gefühlsknospe
spüren wir schnell
nur noch Körper
wir sein und stoßen
wippen, nehmen
geben, fordern
zerfließen
erahnen zuckend
was es an uns
alles an Körper gibt
sanftes Kosen
wieder aufnehmend
zur Ruhe schwimmend
fühlen wir uns
den Dichterworten
gleich, nur
im Leben und
unerreicht
an Worten
was wir gerade
zusammen
erklommen.

(c) Jörn Laue-Weltring

Montag, 26. August 2013

Dichterhain: DIE GESCHICHTE, DIE SICH VOR MIR AUS DEM STAUB GEMACHT HAT von Jörn Laue-Weltring

Die Geschichte, die sich vor mir aus dem Staub gemacht hat

Ich bin gestorben in Auschwitz und Treblinka, bin gefallen vor Verdun und in den Dardanellen, bin verbrannt in Dresden und ertrunken in Indonesien. Die große Welle hat mich gefressen und doch bin ich noch immer nicht tot. Nicht so richtig.
Bin soweit am Leben, dass ich sogar meine jüngeren Geschwister begraben konnte und Jahre danach alle Eltern, Groß- und Klein und Tanten und Onkel bis auf eine, ausgerechnet die, die lange versteckt gehalten war vor der Familie und die zwei Halben, die nie dazu gezählt worden waren. Kein großer Bruder sollte das tun. Da bleibt dann nicht mehr viel zum Leben.
Oft tauchte meine Mutter ab in nächtlichen Fluten, die beiden zu suchen. Ihre Schreie drangen bis in das Kinderzimmer. Ich schwamm alleine vor mich hin. Meinen Vater hörte ich nicht rufen.
Einmal gab es die Chance zum Ersaufen, aber mein Fuß trat ihn, an dem er mich zurückzog an Strand und Leben. Meinen Namen hörte ich in seiner Stimme nicht.
Sie trieben danach an Land weit von mir weg. Ich habe vielleicht nach ihnen gerufen. Genau weiß ich das nicht. Sie sind plötzlich fort gewesen und ließen mir ihre Geschichten zurück.
Warum bin ich immer noch am Leben und all die anderen nicht?
Wenn du stirbst, wirst du leben. Und wenn du lebst, bist du tot. Moral all ihrer Geschichten, die vor mir gegangen sind.
Ein Untoter auf Erden, so schleppe ich mich heim. Wer mich grüßt, ist mir willkommen, der Rest hat mich erkannt. Kälte habe ich im Gepäck und Verwesung. Mein Geruch ist Jahrhunderte alt.  Wovon soll ich dir erzählen? Deine Suppe wird davon nur kalt. Ja gerade die, die du selber am auslöffeln bist. Deine Brühe.
Ich tunke heute nur mein gutes Brot in den abgestandenen Rest und bewundere das Leben, das um mich herum sich durchfrisst und erbricht, bisweilen Liebe erschafft und echten Frohsinn, Häuser bunt anmalt und schöne Bücher über das Leben schreibt. Sehe die Falter sich laben an den Blumen der Gräber und die Birken sich schütteln im Wind über den Grabsteinen.
„Mitten im Leben vom Tod umfangen“, der das geschrieben hat, hat mich voll erwischt. Konnte er nicht wissen. Ich leb’ ja noch. Also kein Aufruhr, bitte. Jeder hat halt so seine Geschichte. Aber mich zog es zu denen, die vor mir gestorben sind, in den KZ, Bergbaugruben, Fabrikhallen, Todesmärschen, Stellungskriegen.
Und jedes Mal, meinte ich, dort nicht zum Überleben den rettenden Weg, schon gar nicht den zu heldenhaftem Tun, gefunden zu haben. Dort hätte es mich erwischen müssen. So auch bei den Brandbomben in Bremen, denen meine Mutter entkam.
Mich hätten sie auf der Todesrampe in Auschwitz zur verkehrten Seite aussortiert. Da war ich mir sicher.
Man kann nicht immer soviel Glück haben, nicht so häufig ohne eigenes Verdienst überleben, so wie ich und meine Geschwister. Dafür waren und sind zu viele Scharfschützen rund um uns herum in der jüngsten Geschichte unterwegs.
Und wenn heute die Tsunamis die Bildschirme überschwappen lassen, frage ich mich wieder: Warum nicht auch mich?
Warum mussten so viele Juden ihr Leben in den Gaskammern hingeben und ich soll lebendig sein? Warum erloschen so viele Liebesträume in den vergasten Schützengräben des ersten Weltkrieges und meines nicht?
Wer hat denen das Leben genommen und mich verschont. Und wofür?
Ich kann diese Welt nicht aus den Angeln heben, den Hunger abschaffen, den Frieden bringen. Tut mir leid, zum Messias hat es trotzdem nicht gereicht. Nur zum Knurren, Töpfe schlagen, Zeilen schreiben. Warum darf und kann ich nunmehr alter Sack in Deutschland den Leib verwöhnen mit mancher Köstlichkeit und in Afrika erhalten die Kinder zum Leben weder Zeit noch Freud?
Ich frage Euch, die Ihr mit mir am Leben seid und fresst und sauft und teure Schlitten euer eigen nennt wie die Häuser mit den vielen Zimmern und Edelküchen.
Ich frage Euch, die Ihr wie ich euch ausprobieren könnt und Lebenswege wechseln. Ich frage mich, was ist die Pflicht und was die Kür, wenn man das Leben hier genießen darf?
Und frage rund herum: Wer weiß noch, dass er nur Überlebender ist, Davongekommener, ein mit Zeit Beschenkter, ohne wirklichen Verdienst es so gut zu haben, wie früher nur die Mächtigen und und Blutsauger der Völker? 

(c) Jörn Laue-Weltring

Donnerstag, 1. August 2013

Dichterhain: DER, DER MIR DIE BILDER BRACHTE MEINER ZEIT von Jörn Laue-Weltring

Zum Tod von Franz-Josef Degenhardt (*3. Dez. 1931) am 14. November 2011

Der, der mir die Bilder brachte meiner Zeit

Er, der mir die Sprache gab
zurück aus brauner Hand,
mir Schüler seine Lieder sang
von damals und dieser Zeit
und Namen brachte, Stacheldraht,
Schmuddelkinder, Gastarbeiter,
Rudi Schulte, Antonio Sciavo,
Natascha Speckenbach,
Wildledermantelmann,
alles in den Rhythmus der Gitarre
sang und schnarrte voller neuer Poesie,
ist tot. Unvorstellbar verstummt
der Wegbegleiter meiner und unserer
Jahrzehnte seit den aufbrechenden
sechziger Jahren,
ist nicht mehr.
Drum „Ala Kumpanen, Sangesbrüder"
kommt heraus
aus den Gonsbachtälern
wohin ihr euch den Zeiten entzogen
zurück unter die Pflaumenbäume,
die Gläser gereckt, lasst uns noch einmal
rufen wie damals, „Kommt runter von den Balkonen“,
und stoßt mit uns an auf
Väterchen Franz, dem sich treu gebliebenen
Franz-Josef Degenhardt.

(c)  Jörn Laue-Weltring