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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Dichterhain, Bände 5 bis 8

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Samstag, 19. Mai 2012

DER GEDANKENSPIELER (04). Ein Fortsetzungsroman von Marco Meissner

Der Gedankenspieler (04)

Das grelle Licht der flackernden Leuchtbuchstaben fiel giftgrün auf den Bordstein. Den ganzen Tag über war Alexander unterwegs in Los Angeles. Er hatte die klinisch sauberen Prachtstraßen am Rodeodrive bewundert und die malerische Schönheit von Beverly Hills. Er konnte verstehen, warum sich die Reichen und Schönen gerade hier angesiedelt hatten. Doch einen Lebensraum für ihn selbst sah er hier nicht. Alles entsprach genau seinem Bild. Alles war genauso wie er es sich vorgestellt hatte. Die palmenbesetzten Alleen, die abgeschotteten Villen, der Lifestyle. Doch dies war nicht der Ort, an dem er hätte leben wollen. Enttäuscht dachte er zurück an Hollywood. Wo war all der Glamour hin, den er schon so oft im Fernsehen bestaunen konnte?
„There´s no business like showbusiness” und genau dies galt für diesen Ort. Waren die Scheinwerfer erst einmal ausgeschaltet war all die Magie dieses Platzes verschwunden. Viel zu groß war die Kluft zwischen Realität und Traum. Dreckig, überfüllt und diesig erstreckte sich der so genannte Walk of Fame unter seinen Füßen. Dies waren die weltberühmten Sterne? Hier gab es nichts was diesen Ort zu etwas ganz Besonderem machte. Es brauchte nur einen halbwegs talentierten Fliesenleger und dieses Wahrzeichen amerikanischer Schaffenskunst hätte auch ohne Weiteres auf irgendeinem Boden in Gelsenkirchen-Ückendorf liegen können. Nur das dort wahrscheinlich weniger Obdachlose in den Häusereingängen gelegen und weniger Ramschläden die Straßenansicht verschandelt hätten. Doch es gab auch Positives zu berichten. Gerne dachte er zurück an seinen Ausflug zu den Hollywood Signs. Dachte träumerisch an den gigantischen Ausblick hinunter auf Down Town L.A. und an diesen Hauch von Abenteuer, den er verspürte, als er las, dass in diesem Gebiet Klapperschlangen und Pumas beheimatet wären. Doch nun war er hier gestrandet und wusste einfach nicht wieso. Doch der Strom des Lebens spült uns an die Ufer unseres Schicksals, ohne uns jemals eine Erklärung dafür zu liefern. Und so liegt es an uns in diesem unübersichtlichen Strom in die richtige Richtung zu schwimmen. Er parkte sein Auto auf dem dunklen Hinterhof des Motels. Hinter vergitterten Scheiben erwartete ihn ein kleiner gedrungener Chinese, den Alexander ohne Weiteres auf 175 Jahre geschätzt hätte.
„Only cash, cash only!“, waren die einzigen Worte die ihm Alexander entlocken konnte. Nachdem er die fünfzig Dollar für das Zimmer bezahlt hatte (natürlich in bar) holte er seinen Koffer aus dem Auto und machte sich auf den Weg zu seinem Zimmer. Der Hof war dunkel und in nur wenigen Zimmern brannte noch Licht. Unheimlich lag die Stille über dem Laubengang auf dem Alexander sein Zimmer suchte. Mit eiligem Schritt machte er sich daran seine Behausung zu finden und in die Sicherheit von vier festen Wänden einzutauchen. Doch schon die Eingangstür verhieß nichts Gutes. Man konnte gut erkennen, wie die Stemmeisen gleich an mehreren Stellen ihre Spuren hinterlassen hatten. Er brauchte gleich mehrere Versuche, um seinen Zimmerschlüssel an der richtigen Stelle in das lockere Schloss einzuführen. Die Tür gab eine seltsame Melodie von Quietsch- und Ächztönen von sich und schon beim ersten Blick in das noch unbeleuchtete Zimmer überkam Alexander der Ekel.
Darauf bedacht nicht allzu viel zu berühren tastete Alexander nach dem Lichtschalter. Die Luft stand dick und breiig in dem kleinen Raum und begrub Alexander unter sich wie die Erde den Leichnam bei einer Beerdigung. Die kleine Lampe spendete nur wenig Licht. Doch wenn er genau darüber nachdachte war das auch besser so. Zumindest das Bett war gemacht. Alexander untersuchte noch einmal alle Ecken der Baracke nach Ungeziefer, verstaute seinen Koffer im Wandschrank, stemmte noch schnell den Metalltisch vor die Tür und legte sich dann schnell aufs Bett. Noch einmal schweifte sein Blick durchs Zimmer. Sah den moosgrünen Teppich von dem er nicht einmal im Entferntesten wissen wollte, wie viele Überreste menschlicher Körperausscheidungen sich noch in seinen Schlingen befanden. Dann schaltete er den Fernseher ein. Doch wie sehr er auch suchte. Ein englischsprachiges Fernsehprogramm war einfach nicht zu finden. Die Mehrzahl der Sender wurde durch die spanische Sprache dominiert. Hier und da fand sich auch noch etwas Asiatisches. Doch nirgends etwas, dass er auch nur halbwegs verstehen konnte. Frustriert schaltete er das TV-Gerät aus und lies sich aufs Bett fallen. Das Licht der Straßenbeleuchtung fiel in grauen Schwaden in sein Zimmer. Der Sunset Boulevard war zu dieser Zeit kaum noch befahren. Nur hier und da hörte er ein paar mexikanischstämmige Passanten, die sich lautstark unterhielten.
Es war gerade einmal einen halben Tag her, dass er sich von seinen Freunden verabschiedet hatte. Doch schon nach so kurzer Zeit fühlte er die Einsamkeit durch seine Knochen kriechen. Hätte er auf Lena hören sollen, als sie ihn fragte, ob er diese Sache wirklich durchziehen wolle? Hätte er einknicken und mit ihnen zusammen auf die Farm fahren sollen? Er hatte noch immer Tims lautes „Wir sehen uns in Vegas, Alter!“ im Ohr. Doch zwischen ihm und fabulous Las Vegas stand noch so unheimlich viel Zeit. Irgendwann übermannte ihn endlich der Schlaf. Doch schon nach wenigen Stunden wurde er wieder wach. Ein Insekt bruzzelte geräuschvoll in der Insektenfalle. Ein stetiges Klopfen an seiner Zimmerwand jedoch hatte Alexander geweckt. Die dazu gehörigen Laute waren unverkennbar. Wie in aller Welt konnten sie es nur in so einem Drecksloch tun. Schon allein der Gedanke daran brachte in Alexander die Angst vor einem Herpes unvorstellbaren Ausmaßes zum Vorschein. Doch irgendwann war auch diese Geräuschquelle versiecht. Alexander konzentrierte sich auf einen Punkt, versuchte an etwas Schönes zu denken. Doch wann immer er seine Augen schloss sah er in die Ihrigen. Spürte die Herausforderung, die in ihnen lag und war bereit jede einzelne dieser Prüfungen auf sich zu nehmen. Immer wieder huschte ihr ungeschöntes Lachen durch sein Ohr und es war eben dieses unbeschreibliche Glücksgefühl, welches er immer dann empfand, wenn er auch nur einen Splitter ihrer Nähe wahrnahm, das ihn in dieser Nacht in den Schlaf begleitete.

To be continued....
©Marco Meissner, Gladbeck
mmmarcomeissner@googlemail.com
Alle Personen und Handlungen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit realen Personen oder Handlungen sind rein zufällig und ganz und gar unbeabsichtigt.