Rüdiger Oppermann, das ist der deutsche und rheinhessisch-pfälzische Botschafter der Folk-Musik und World Music. Ausgezeichnet mit dem "Verdienstkreuz am Band" aufgrund seines unermüdlichen Bestrebens, Völkerverständigung zu betreiben und Musikgeschichte bzw. -ethnologie zu vermitteln, ist immer einen Besuch seiner Auftritte wert. Seine Klangwelten sind schon lange eine klingende Empfehlung aus allen Winkeln der Erde. Jedes Jahr neue Bekanntschaften mit Völkergruppen, Instrumenten, Gebräuchen und Eigenheiten, stets unterhaltsam moderiert von Rüdiger Oppermann selbst.
Er ist ein echter Autodidakt, der sich zwar später bei unterschiedlichen Lehrern neue Impulse holte, aber im Wesentlichen die Harfe selbst studierte, kultivierte und zur Vollendung beherrschen lernte. Zuvor betrat er bei einem Gitarrenbauer noch den Zusatzweg eines Instrumentenbauers. Er "startete" seine Musiklaufbahn mit 6 Jahren und Klavierspiel, es folgten Banjo und Gitarre, heute beherrscht er eine sehr beachtliche Bandbreite von Instrumenten aus verschiedenen Nationen. Seine Entdeckung der Harfe und der Harfenistinnen begann in Kalifornien und ist heute noch nicht zu Ende.
Eine andere Schiene sind seine Motiv-Vertonungen, um sie einmal so zu nennen. Letztes Jahr, ebenfalls in Worms im Rahmen der Reihe WUNDERHÖREN, gab es als Klangwelten-Sonderprojekt eine musikalische Inszenierung von Brendans Voyage, die bereits aus der Zeit um 900 n.Chr. in einer nachweisbaren Vertonung vorliegt. Oppermanns Spezialität ist es, die historischen Werke zu analysieren und zu studieren und aus allem etwas Neues zu machen, wobei er Altbewährtes zitiert oder interpretiert. Brendan, ein irischer Heiliger, schipperte wohl 900 Jahre vor Kolumbus nach Amerika, allerdings in einer "Nussschale", wenn auch keltischen, unter primitivsten Umständen. Durch den Nordmeer-Eisbereich gelangte er tatsächlich zum anderen Kontinent. Von Brendan und der altkeltischen bzw. frühchristlichen Bildung gingen auch Alphabetisierungsbemühungen bei den Germanen aus.
Oppermanns neues Projekt heißt "Rheingold" und ist fern von Wagnerscher Nationalmystik eine Aufarbeitung der Geschichte entlang des Rheinlaufs von der Quelle bis zur Mündung in Rotterdam. Als echtes Rheinkind in Bad Kreuznach geboren, Worms, Frankenthal und Ludwigshafen aufgewachsen (heute mit Familie im nördlichen Elsass lebend) hat Rüdiger O. erst sehr viel später entdeckt, welch ungeheurer Schatz hier um den und im Rhein ruht. Musikgeschichte und Urmythologie, Geologie und Wege durch die Unterdrückung zur Freiheit.
Die Komposition wurde am 27. Juni 2015 in Worms, im DAS WORMSER, uraufgeführt, vor etwa 600 Gästen.
In der 45-minütigen Einführung vor dem Konzert konnte er das alles erklären, wozu während des Konzerts von über 2,5 h Länge kein Raum mehr übrig war. Und er hat immer viel und Interessantes zu berichten. Vorausging eine Übersicht von Volker Gallé M.A., Kulturkoordinator der Stadt Worms, Zeitungsredakteur, Autor, Musiker und Liedermacher mit etlichen Veröffentlichungen und einer ausgeprägten Neigung zur Dichtung. Von ihm stammte der mächtige Text zu RHEINGOLD, den der versierte Schauspieler und Sprecher Berth Wesselmann aus Baden-Baden entsprechend vortrug.
Mit mindestens 27 Musikern, darunter der Mongole Enkhjargal Dandarvaanchig und Bijan Mahdjub mit persischen Wurzeln, führte Oppermann seine teilweise neu komponierte Musik auf, teilweise nachgespielte Stücke aus der Frühzeit, dem Mittelalter etc. Ein faszinierendes Klangbild den Rhein hinunter bis zur Nordsee, sehr seltene Einlagen mit Eiszeitgesang und -musik durch den Mongolen Dandarvaanchig und mit einem speziellen prähistorischen Instrument, einer Kurzflöte mit ursprünglich zerdrücktem Schilfrohr als Doppelrohrblatt im Mundstück, und einem antiken Dudelsack aus Drakien (heute Bulgarien), beides gespielt von Mahdjub.
Hervorzuheben auch die historische Orgel aus der Römerzeit, deren Nachbau durch die Musikwissenschaftlerin Dr. Susanne Rühling veranlasst wurde. Sie spielte das Instrument mit 14 Tasten und Halbtonschritten auch und führte vor, dass die Römer bereits über die volle Bandbreite der Töne verfügten und nicht nur Feste damit gestalteten, sondern auch Gladiatorenkämpfe mit gespenstisch bedrohlicher Musik.
Oppermann baute neben der Eiszeitflöte auch eine Alemannen-/Germanen-Leier nach, die er aus einer 800 Jahre alten Eiche herausarbeitete und grob im Rahmen ließ, aber bereits feiner im Sound ist. Für alle seine Pläne sucht er musikhistorische Stätten, Museen und Forschungszentren auf und studiert alte Schriften, so von Nottger aus dem 8. Jahrhundert (St. Gallen). Dieser liefert Belege für frühes Liedgut. Franz Schüssele wiederum studierte das Bauernhorn, die Bauerntrompete (auch als Alphorn unterwegs), virtuos von ihm im akustischen Erscheinungsbild beschleunigt, die in den Vogesen und im Schwarzwald sowie andernorts ganz klar deutsche und europäische Didgeridoos waren.
Auf dem Weg des Rheins (rhenus = das Fließende) lässt uns Oppermann und mit ihm der Dichter Gallé die jahrtausendealte Tradition des Rheins, seine Urenergie und "Gewalttätigkeit" (Oppermann) spüren, sein Vorwärtstoben, delirisches, trancehaftes Versinken in Zeitlupe eines Teils der Wassermassen in 240 m Tiefe des Bodensees und Weiterexistieren wie -fließen nach Rückführung in den Flusslauf nach 250 (!) Jahren. Entlang der Kulturstrecke Rhein erwacht das mythische Geschehen hoch oben in den Bergen, oberhalb des Oberalppasses (grob östlich von Andermatt), wo noch Hinter- und Vorderhein geteilt sind und dann bei Reichenau zusammenfließen. Aus dem Tomasee entspringt der Vorderrhein und vom Rheinhochwald kommt der Hinterrhein.
Auf 1.320 km, davon 865 km in Deutschland, kann so viel passieren, und das wird uns bei dieser Reise ganz deutlich, denn man könnte Bände füllen mit dem Geschehen. Die wesentlichen Stationen für Gallé und Oppermann sind Goldwäscherei bis hin zum angenommenen Nibelungenschatz, das "Lied vom Goldhut" (Enkhjargal Dandarvaanchig), Hexenverfolgungen und Verfolgungen/Ermordungen im Zuge des Freikämpfens mit blutigem Tribut der demokratischen Kräfte über 1789 bis 1848 und 1945. Pfarrer Weidigs Haft und Selbstmord, der Weggefährte des Dramatikers und Mitverfassers des HESSISCHEN LANDBOTENS Georg Büchner, Robert Blum und Alfred Delp aus dem Kreisauer Kreis begegnen uns hier unter anderen.
Oppermanns und Gallés Montagetechnik stellt ein Mosaik der Geschichte her, das uns die 80.000 römischen und persischen Legionäre am Rhein vergegenwärtigt, die römische Mythologie und Musik mit den Zweihornhelmen der Germanen verbindet. Ein römischer Sturmangriff kommt auf uns zu im Gewand einer Jazzpassage, Hildegard von Bingen, obwohl sie rheinfern wirkte, tönt mit ihren Madrigalen und Gebeten hinein (Sigi Hausen). Kriemhilds früher Traum vom Tod ihres Geliebten vermischt sich mit Etzels (so heißt Attila in der Dichtung) Gesang (Enkhjargal Dandarvaanchig), der Kriemhilds letzter Gatte war. Eine Utopie aus Mainz: Ein Jude wird Papst und gibt seinen Job wieder auf, weil er zum Vater zurückkehren will, wird von einem fulminanten, tödlich verlockenden und sirenenhaft irreführenden Loreley-Gesang (phänomenal: Jennifer Thiele) verfolgt. Und am Niederrhein und später die Verweigerung des Rheins:
"Ich gehöre nicht den Industriekapitänen, die wie Medusenhäupter sich in meinem Wasser spiegeln."
Herrlich die dortige Industriemusik vom ständigen Fallen der Hämmer in der Eisenverhüttung, nur möglich durch die Kohle des Ruhrgebiets. So schließt sich der Kreis zu Siegfried, dem Schmied, ein unterirdisches Gewerbe im 5./6. Jahrhundert mit Kohle und Holz. Im Rotterdammer Rheindelta klingt die Flussgeschichte schließlich mit lateinamerikanischen, internationalen Klängen aus.
Ein großartiger Abend mit einem großen dichterischen Wurf, uns den Rhein und seine Facetten zeigend, die Musikgeschichte aktivierend und das wahre Gold des Flusses, das in dessen Vielseitigkeit und Pluralität besteht, uns erlebbar vermittelt durch wunderschöne, gewaltige (die römische Bassposaune/Tuba von Thomas Busch!) Musik. Daneben die Urgesänge, keltischen und germanischen Einflüsse (Nibelungenlied von Jorgen Lang) und mittelalterlichen Lieder in einem hochentwickelten Kulturraum.
(c) Stefan Vieregg |
Eine andere Schiene sind seine Motiv-Vertonungen, um sie einmal so zu nennen. Letztes Jahr, ebenfalls in Worms im Rahmen der Reihe WUNDERHÖREN, gab es als Klangwelten-Sonderprojekt eine musikalische Inszenierung von Brendans Voyage, die bereits aus der Zeit um 900 n.Chr. in einer nachweisbaren Vertonung vorliegt. Oppermanns Spezialität ist es, die historischen Werke zu analysieren und zu studieren und aus allem etwas Neues zu machen, wobei er Altbewährtes zitiert oder interpretiert. Brendan, ein irischer Heiliger, schipperte wohl 900 Jahre vor Kolumbus nach Amerika, allerdings in einer "Nussschale", wenn auch keltischen, unter primitivsten Umständen. Durch den Nordmeer-Eisbereich gelangte er tatsächlich zum anderen Kontinent. Von Brendan und der altkeltischen bzw. frühchristlichen Bildung gingen auch Alphabetisierungsbemühungen bei den Germanen aus.
Oppermanns neues Projekt heißt "Rheingold" und ist fern von Wagnerscher Nationalmystik eine Aufarbeitung der Geschichte entlang des Rheinlaufs von der Quelle bis zur Mündung in Rotterdam. Als echtes Rheinkind in Bad Kreuznach geboren, Worms, Frankenthal und Ludwigshafen aufgewachsen (heute mit Familie im nördlichen Elsass lebend) hat Rüdiger O. erst sehr viel später entdeckt, welch ungeheurer Schatz hier um den und im Rhein ruht. Musikgeschichte und Urmythologie, Geologie und Wege durch die Unterdrückung zur Freiheit.
(c) Stefan Vieregg |
In der 45-minütigen Einführung vor dem Konzert konnte er das alles erklären, wozu während des Konzerts von über 2,5 h Länge kein Raum mehr übrig war. Und er hat immer viel und Interessantes zu berichten. Vorausging eine Übersicht von Volker Gallé M.A., Kulturkoordinator der Stadt Worms, Zeitungsredakteur, Autor, Musiker und Liedermacher mit etlichen Veröffentlichungen und einer ausgeprägten Neigung zur Dichtung. Von ihm stammte der mächtige Text zu RHEINGOLD, den der versierte Schauspieler und Sprecher Berth Wesselmann aus Baden-Baden entsprechend vortrug.
Mit mindestens 27 Musikern, darunter der Mongole Enkhjargal Dandarvaanchig und Bijan Mahdjub mit persischen Wurzeln, führte Oppermann seine teilweise neu komponierte Musik auf, teilweise nachgespielte Stücke aus der Frühzeit, dem Mittelalter etc. Ein faszinierendes Klangbild den Rhein hinunter bis zur Nordsee, sehr seltene Einlagen mit Eiszeitgesang und -musik durch den Mongolen Dandarvaanchig und mit einem speziellen prähistorischen Instrument, einer Kurzflöte mit ursprünglich zerdrücktem Schilfrohr als Doppelrohrblatt im Mundstück, und einem antiken Dudelsack aus Drakien (heute Bulgarien), beides gespielt von Mahdjub.
Hervorzuheben auch die historische Orgel aus der Römerzeit, deren Nachbau durch die Musikwissenschaftlerin Dr. Susanne Rühling veranlasst wurde. Sie spielte das Instrument mit 14 Tasten und Halbtonschritten auch und führte vor, dass die Römer bereits über die volle Bandbreite der Töne verfügten und nicht nur Feste damit gestalteten, sondern auch Gladiatorenkämpfe mit gespenstisch bedrohlicher Musik.
(c) Stefan Vieregg |
Oppermann baute neben der Eiszeitflöte auch eine Alemannen-/Germanen-Leier nach, die er aus einer 800 Jahre alten Eiche herausarbeitete und grob im Rahmen ließ, aber bereits feiner im Sound ist. Für alle seine Pläne sucht er musikhistorische Stätten, Museen und Forschungszentren auf und studiert alte Schriften, so von Nottger aus dem 8. Jahrhundert (St. Gallen). Dieser liefert Belege für frühes Liedgut. Franz Schüssele wiederum studierte das Bauernhorn, die Bauerntrompete (auch als Alphorn unterwegs), virtuos von ihm im akustischen Erscheinungsbild beschleunigt, die in den Vogesen und im Schwarzwald sowie andernorts ganz klar deutsche und europäische Didgeridoos waren.
Auf dem Weg des Rheins (rhenus = das Fließende) lässt uns Oppermann und mit ihm der Dichter Gallé die jahrtausendealte Tradition des Rheins, seine Urenergie und "Gewalttätigkeit" (Oppermann) spüren, sein Vorwärtstoben, delirisches, trancehaftes Versinken in Zeitlupe eines Teils der Wassermassen in 240 m Tiefe des Bodensees und Weiterexistieren wie -fließen nach Rückführung in den Flusslauf nach 250 (!) Jahren. Entlang der Kulturstrecke Rhein erwacht das mythische Geschehen hoch oben in den Bergen, oberhalb des Oberalppasses (grob östlich von Andermatt), wo noch Hinter- und Vorderhein geteilt sind und dann bei Reichenau zusammenfließen. Aus dem Tomasee entspringt der Vorderrhein und vom Rheinhochwald kommt der Hinterrhein.
Auf 1.320 km, davon 865 km in Deutschland, kann so viel passieren, und das wird uns bei dieser Reise ganz deutlich, denn man könnte Bände füllen mit dem Geschehen. Die wesentlichen Stationen für Gallé und Oppermann sind Goldwäscherei bis hin zum angenommenen Nibelungenschatz, das "Lied vom Goldhut" (Enkhjargal Dandarvaanchig), Hexenverfolgungen und Verfolgungen/Ermordungen im Zuge des Freikämpfens mit blutigem Tribut der demokratischen Kräfte über 1789 bis 1848 und 1945. Pfarrer Weidigs Haft und Selbstmord, der Weggefährte des Dramatikers und Mitverfassers des HESSISCHEN LANDBOTENS Georg Büchner, Robert Blum und Alfred Delp aus dem Kreisauer Kreis begegnen uns hier unter anderen.
(c) Stefan Vieregg |
Oppermanns und Gallés Montagetechnik stellt ein Mosaik der Geschichte her, das uns die 80.000 römischen und persischen Legionäre am Rhein vergegenwärtigt, die römische Mythologie und Musik mit den Zweihornhelmen der Germanen verbindet. Ein römischer Sturmangriff kommt auf uns zu im Gewand einer Jazzpassage, Hildegard von Bingen, obwohl sie rheinfern wirkte, tönt mit ihren Madrigalen und Gebeten hinein (Sigi Hausen). Kriemhilds früher Traum vom Tod ihres Geliebten vermischt sich mit Etzels (so heißt Attila in der Dichtung) Gesang (Enkhjargal Dandarvaanchig), der Kriemhilds letzter Gatte war. Eine Utopie aus Mainz: Ein Jude wird Papst und gibt seinen Job wieder auf, weil er zum Vater zurückkehren will, wird von einem fulminanten, tödlich verlockenden und sirenenhaft irreführenden Loreley-Gesang (phänomenal: Jennifer Thiele) verfolgt. Und am Niederrhein und später die Verweigerung des Rheins:
"Ich gehöre nicht den Industriekapitänen, die wie Medusenhäupter sich in meinem Wasser spiegeln."
Herrlich die dortige Industriemusik vom ständigen Fallen der Hämmer in der Eisenverhüttung, nur möglich durch die Kohle des Ruhrgebiets. So schließt sich der Kreis zu Siegfried, dem Schmied, ein unterirdisches Gewerbe im 5./6. Jahrhundert mit Kohle und Holz. Im Rotterdammer Rheindelta klingt die Flussgeschichte schließlich mit lateinamerikanischen, internationalen Klängen aus.
Ein großartiger Abend mit einem großen dichterischen Wurf, uns den Rhein und seine Facetten zeigend, die Musikgeschichte aktivierend und das wahre Gold des Flusses, das in dessen Vielseitigkeit und Pluralität besteht, uns erlebbar vermittelt durch wunderschöne, gewaltige (die römische Bassposaune/Tuba von Thomas Busch!) Musik. Daneben die Urgesänge, keltischen und germanischen Einflüsse (Nibelungenlied von Jorgen Lang) und mittelalterlichen Lieder in einem hochentwickelten Kulturraum.