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Donnerstag, 5. Dezember 2024

Severin Groebners Neuer Glossenhauer #52: Das ist mir nicht Wurst.











































Grün wie ein Gurkerl, braun wie süßer Senf. © Foto: Dominik Reichenbach, Artwork: Claus Piffl


Das ist mir nicht Wurst.

Als Wiener hab ich das ja eigentlich immer schon gewusst. Es gibt Dinge, die sind so groß, so bedeutend, so herrlich, dass man an Ihnen eigentlich gar nicht vorbei kann. Und trotzdem braucht die Welt sehr viel Zeit, diese prächtigen Offensichtlichkeiten anzuerkennen.
Aber Geduld zahlt sich aus: Die UNESCO hat dieser Tage - Tatatataaaa! - den Wiener Würstelstand in die Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Da sagt man sich als Wiener (nicht als Wurst, die heißt bei uns „Frankfurter“, sondern als Einwohner): „Na endlich!“. Einerseits.
Andererseits fragt man ängstlich: 
„Warum immateriell? Heißt das, dass ich da nichts mehr zum Essen krieg’?“ 
Das wäre katastrophal. 

Versorgt doch der Würstelstand die Bewohner der Stadt je nach Öffnungszeiten gerne bis in die tiefe Nacht und auch am frühen Morgen mit Bratwurst, Burenheidln, Eitrigen und an Krokodil. Dazu wird nicht selten gerne ein Aluweckerl gereicht.
(Für die Leserinnen und Leser aus Deutschland: Aluweckerl heißt eine Dose Bier, Krokodil ist eine aufgeschnittene Essiggurke, Eitrige ist eine Käsekrainer, Burenheidl eine Bockwurst, und  Bratwurst… da kann man selber drauf kommen.)
Dieser Schritt der UNESCO war überfällig. Nicht nur, weil jetzt die Welt weiß, wo sie sich im Fall des Falles einen „gfülltn Ärme“ (siehe: Burenheidl) besorgen kann, sondern auch aus Gründen der Wiedergutmachung. 

So hat ja nur Tage zuvor eine Umfrage unter „ExPats“ (nein, das sind keine ehemaligen Haustiere) ergeben, dass Wien nicht mehr die unfreundlichste Stadt der Welt ist. Sondern nur die drittunfreundlichste. Geschlagen wurde Wien ausgerechnet von München und Berlin.
Berlin! Dieser ehemaligen preußischen Garnisonsstadt, deren Einwohner auch noch glauben, ihre Unfreundlichkeit wäre charmant. (Was sie nicht ist, sie ist nur unfreundlich.)
Aber die glauben ja auch Currywurst ist Essen. Die verstehen doch gar nicht den tieferen Sinn der Unfreundlichkeit.
Wir Wiener wissen wenigstens, dass wir unfreundlich sind. Und sind es gerne. Aus Überzeugung.
Verstehst mi, Du Ohrwaschlkaktus mit dein deppertn Watschngsicht… oiso hau Di übad Heisa, sonst reiss i da den Schädl ab und scheiß da in Hois.
Wie soll solche lyrische Kraft der Beschimpfung, so eine poetische Formulierungskunst im Zeichen der Misanthropie von einer „Berliner Schnauze“ übertroffen werden?
Da stimmt was nicht.

Und das ist ja bei weitem nicht das Einzige, was nicht stimmt zur Zeit.
Und da spreche ich noch gar nicht von dem Papier der FDP. Ein Papier voller Kriegsvokabeln wie „offene Feldschlacht“ und „Torpedo“. Ein Papier, das es zuerst offiziell gar nicht gegeben hat, dann aufgetaucht ist, dann den Generalsekretär und den Geschäftsführer den Job gekostet hat und das bis jetzt dem Spitzenkandidat, ehemaligen Finanzminister, Parteichef und Porschefahrer völlig unbekannt ist, was ihm alle, alle ganz bestimmt glauben.
Warum auch nicht? Es sind ja nicht einmal mehr drei Monate und dann muss sich der glaubwürdigste, ehrlichste und aufrichtigste Politiker Deutschlands sowieso einen neuen Job suchen.
Man darf sich schon jetzt auf die Instagram-Story freuen:
„Meine letzten Weihnachten als FDP-Chef“

Während der ehemalige deutsche Finanzminister also das Land langsam in die innere Emigration verlässt - ohne ein Budget für das laufende oder gar das kommende Jahr zu hinterlassen - weiß man ein paar hundert Kilometer weiter östlich dafür genau, wofür es sich lohnt Geld auszugeben.

Der einzige Gartenzwerg der Welt, der statt Vollbart eine Glatze trägt und nebenbei eine Atomstreitkraft befehligt, also Waldemar der Widerwärtige, hat das russische Budget für die nächsten zwei Jahre genehmigt. Und das ist natürlich von strategischem Weitblick und nicht-endenwollender Intelligenz geprägt, wie sie seine Fans immer wieder in seinem Handeln erkennen. Allerdings nur die.
Denn ein Staat, der knapp 33 Prozent seines Budgets für Militär ausgibt und gleichzeitig die Sozialausgaben um zehn Prozent streicht, der schafft eine Haushaltslage, die Historiker womöglich als „vorrevolutionär“ bezeichnen würden. 

Ludwig XVI. von Frankreich etwa - genannt der „Kopflose“ - gab 1781 für Militär noch etwa 25 Prozent des Gesamtbudgets aus. Zwölf Jahre später musste er sich darüber keinen Kopf mehr machen.

(Apropos: Finanzen. Unten sieht man, wie man diesen Newsletter unterstützen kann.)

Ganz andere Gedanken macht sich Donald Trump. Der besetzt gerade sein künftiges Kabinett mit willfährigen Karrieristen und TV-Moderatoren, die ihm sympathisch sind.

Der Posten des Zentralbank-Chefs ist aber noch nicht vergeben.
Mein Tipp: Fed-Chef wird Homer Simpson. Den kennt Trump ja von Fox.
Und wenn der dann einmal nach Wien kommen sollte, wohin wird der dann gehen? Na?
Genau: Zum Würstelstand.
Und dort isst er dann nachts ganz bestimmt eine Eitrige mit einem Krokodil.
Mahlzeit!

P.S.:
Mein Korrekturprogramm hat mir übrigens statt „Burenheidl“ „Brünhilde“ vorgeschlagen.
Besser hätte ich den Zeitgeist auch nicht zusammenfassen können.


Groebner Live:
Freitag 13.12 - Frankfurt - Buchhandlung Buch&Wein - Quartalsweise - Der Vierteljahresrückblick

Kabarett-Karten als Weihnachtsgeschenk? Großartige Idee!

Samstag 8. Februar - Wien - 
Kabarett Niedermair
Donnerstag 20. März - Frankfurt - 
Stalburg Theater
Samstag 22. März - Karlsruhe - 
Kabarett in der Orgelfabrik

Obendrein bin ich zu finden auf: 
YouTube, auf Instagram, auf Facebook und auch im Radio

Und nicht zu vergessen: das Satire-Pop-Album des Jahres, Prädikat „georg-danzerig“ (©Kurier, Wien) „Nicht mein Problem"




Der „Neue Glossenhauer“ ist ein Projekt der freiwilligen Selbstausbeutung, wer es dennoch materiell unterstützen will, hier wäre die Bankverbindung für Österreich: 

Severin Groebner, Bawag, IBAN: AT39 6000 0000 7212 6709 

Hier die jene für Deutschland: 

Severin Groebner, Stadtsparkasse München, IBAN: DE51 7015 0000 0031 1293 64

Sonntag, 25. November 2012

Wie war's bei Severin Groebner in Darmstadt?


Im Januar dieses Jahres war die Premiere von „Servus Piefke!“ in der Münchner Lach- und Schießgesellschaft. Seit dieser Zeit hat Severin Groebner etliche Auftritte absolviert. Am 16.11.2012 war der Österreicher und Wahldeutsche auf der Traditionsbühne halbNeun Theater in Darmstadt, in dem seit vielen Jahren alle Kabarettisten von Rang und Namen auftreten.

Severin Groebner wurde am 20.10.1969 in Wien geboren. Aus dem Wunsch, die beiden Berufsziele Rockmusiker und Radiomoderator zu vereinen, entstand „logischerweise“ die Kabarettisten-Laufbahn. 1992 bis 1999 Musik-Kabarettist zusammen mit Klaus Gröll als Gröll & Groebner, 6 Soloprogramme und ein Jahr Lach- und Schießgesellschaft München von 2010 bis 2011. Er erhielt etliche Auszeichnungen und war dieses Jahr auch in „Otis Schlachthof“.


Es geht ja schlichtweg nur um den berühmten Gegensatz der Ösis und der Piefkes. Oder doch mehr? Mit wenig Wiener Charme und viel Schmäh geht er an den Vergleich ran und ist ganz schön bissig dabei. Jeder macht sich seit Jahren über die andere Nation lustig, Groebner mal in einem Atemzug von 2 Stunden über beide! Das beginnt schon mit seiner netten Begleitung, einer Übersetzungsmaschine, namens … war's jetzt Adolf oder Roland? Auf alle Fälle ein echter Deutscher, drückt man auf die Taste, tut er, was er soll. Auch die Wiener haben ein Geschichtsproblem. Manche rechnen noch mit dem Außenposten Triest, obwohl der schon seit 1918 nicht mehr dabei ist. Der Kabarettist führt uns in das ehemalige Weinhauerdorf Grinzing, ein Bezirk in Wien, unweit der Donau. Da gab es schon in den 80ern immer Piefkes, so den wortkargen „Da hast du Recht“-Typ oder die Dresdnerin 1988, die tatsächlich mit ihrer seltenen Ausreisegenehmigung nach Wien wollte. Aber erst 1989 ging es rund. Eine Piefke-Schwemme!

In seinem sehr dichten Programm, das den Zuschauer fast keine Sekunde loslässt, mit Gesangs- und Tanzeinlagen, Monosketchen und Verdeutlichungstheatralik kriegt jeder sein Fett ab. Sein Rückblick führt uns auch das Osttiroler Bergbauerntheater vor mit Wolfgang Schüssler in der Hauptrolle, der mit seiner ÖDP (Sturheit der CDU und Blödheit der FDP) Bundeskanzler wurde. Ein Gollum der „Herr der Ringe“, hässlicher Zwerg, hier mit Anzug und Brille. Auch die Zeit des Jörg Haider, der den Untergang des Abendlandes zu seinem UniqueSellingPoint machte. Nach 1989 machte sich der Künstler nach Deutschland auf und fand Chaos und Missstände, steigende Preise, sinkende Reallöhne und ein heilloses Durcheinander, weil die Ministerien dezentral und mit irrsinnigem Verkehrsaufkommen arbeiten. Es wird einfach viel gereist, um Alltagsarbeiten zu erschweren und Steuergeld zu vernichten. „Diese Unruhe in diesem Land“ sei auffällig. Der süße Müßigang schmecke dem Deutschen wie bitteres Essigwasser. Er bevorzuge brachialen Fleiß, was Groebner in einer genialen Szene als Presslufthammergewüte an Stein darstellte … Die Arbeitswut sei typisch, der Baumarkt! Wiener tun dagegen lieber nichts, und selbst das nicht gern – kein Wunder für die Weltmeister der schlechten Laune.

Die Beschwerde beim Herrn Kunze ist eine ins Groteske übersteigerte Satire auf den Kundenservice der Supermärkte. Unsere Bühnenfigur treibt den armen servilen Herrn Kunze in den Wahnsinn und verfolgt ihn bis nachts um 0:30 Uhr, obwohl sämtliche Beschwerden nichts mit den Waren zu tun haben! Das schlechte TV-Programm und das Wahlergebnis führt zu Beschwerdeexzessen. Herr Kunze begeht Suizid, Herr Mittelhuber tritt in seine Stapfen ...

Groebner ganz lasziv als Wienerin im Lieder der Wienerinnen kommt hernach zum Schluss, dass die besten Deidschen, die sind, die zu Hause bleiben. Schließlich gäbe es genug „schiache“ Leute in Wien selbst , etwa den Österreicher, der nur Grünen Veltliner trinkt und Sachertorte isst, bis er eines Tages aus der Bewegungslosigkeit ins Tageslicht tritt und sich einfach schiach fühlt = scheußlich, grauenhaft, hässlich. Wir lernen im Laufe des Abends auch seinen zweiten Begleiter kennen, die Krise, eine Art diabolischer Verstärker und Wegweiser zu Negativentwicklungen. Im Deutschland-Rap, einem krassen schnellen und sehr gelungenen Konsum-Rap begegnet uns ein Spiegel der allgemeinen Misslage. Im Rückgriff auf die Vergangenheit gelangen wir dann auch zur Piefke-Definition. Während viele Österreicher die Nazis lediglich für verrückt gewordene Pfadfinder halten und auch so wählen, zieht sich der Deutsche auf jene Flecken im Vergangenen zurück, die eher dunkel und unbekannt sind, um sie nach Belieben positiv auszuschmücken. Man liebt das Mittelalter, die Märkte, das Verkleiden, die Speisen, obwohl viele erst sehr viel später entdeckt wurden. Analog dazu das Oktoberfest als Fasenacht, wo sich die Deutschen extrem der Würdelosigkeit hingeben. In Wien ist man unbeteiligter und ergötzt sich an den Opernbällen der Obrigkeit.

Was bleibt zur Definition des Piefkes? Das typisch Deutsche: Schwarzbrot, Fußball, Schrebergärten, verbissene Humorlosigkeit und einiges mehr. Piefkes sind einfach froh, keine Ausländer zu sein! 


Eine Show, die Spaß macht, herrlich absurd sein kann und völlig übertreiben, sehr viele Muntermacher des Kabaretts einsetzt plus Grimassen und Gestik ordentlich.