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Posts mit dem Label Wie war's beim ersten Wochenende des Jazzfestivals in Rohrbach? werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
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Dienstag, 26. Juli 2022

palatia Jazz 2022: Wie war's beim ersten Wochenende des Jazzfestivals in Rohrbach/Pfalz?

palatia Jazz 2022, dieses Mal in den Jahren der Ausnahmezustände als Sammelveranstaltung an zwei Wochenenden konzipiert, präsentierte seine ersten vier Gruppen im (modernen) Weingut des Ökonomierats Lind. Das eventuell noch existierende historische Weingut von vor über hundert Jahren habe ich nicht gefunden. Aber die Wiese mit Bühne war sehr geräumig, der Hof ebenfalls und Parkplätze! Sonst Mangelware, nicht in Rohrbach, in der Hauptstraße weiter vorne noch genug frei! Die Idee, die Konzerte zusammenzulegen, finde ich sehr gut.

Um es gleich vorwegzunehmen, es war ein reichhaltiges Wochenende mit viel sehr guter Musik und Gesang. Die Verköstigung dazu im Jazzkulinarium extravagant sparsam mit besonderen Tropfen zum gehobenen Preis.

Vor allem die beiden ukrainischen Sängerinnen Ganna und Leléka waren den Besuch vielfach wert. Zwei echte Empfehlungen, was modernes Jazzlied und Traditionen betrifft. Beide haben eine besondere Art der Interpretation von Folkoretraditionen, warten mit einer distinguierten Kommunikation und Stil auf und können trotz der traumatischen Lage im Heimatland eine Ukraine präsentieren, die ihre Traditionen tief im Empfinden kultiviert.


Ganna Gryniva
wurde 1989 in Sibirien geboren und zog mit ihrer Familie ein Jahr nach Geburt in ein Dorf bei Kiew zu den Großeltern. Zwölf Jahre später kam sie über Sachsen-Anhalt nach Berlin. Sie hat einen Bachelorabschluss als Philosophin und besuchte die Franz-Liszt-Hochschule für Musik in Weimar, um Gesang und „Improvisation“ bei Michael Schiefel, Jeff Cascaro und Frank Moebus zu studieren. Bei ihren Besuchen in der Ukraine sammelte sie Wissen über die Traditionen und die Melodien bzw. Lieder dazu. So hörten wir von ihr ganz verschiedene wunderschöne Lieder aus dem ukrainischen Formenschatz, gespielt von Preisgewinnern oder -aspiranten Musina Ebobissé (TenorSax und SopranSax), Povel Widestrand (Schweden) am Piano, Tom Berkmann (Kontrabass) und Mathias Ruppnig an den Drums. Bei Spotify gibt es Hörproben.

Foto: Stefan Vieregg
Dabei ein Kosakenlied jener ethnischen Gruppe sagenumwobener Grenzschützer, die die erste unabhängige Form der Ukraine im 17. Jahrhundert gründeten. 150 Jahre bestand sie, bevor der russische Zar die Macht übernahm, danach die Sowjetunion, bis 1991 die Unabhängigkeit wieder ausgerufen wurde. Jahre später durch den Präsidenten Janukowitsch schon wieder gefährdet, weil dieser sich Russland zuwenden wollte. Die Demonstrationen auf dem Maidanplatz begannen und gingen in bewaffnete Kämpfe mit über 100 Toten über. Janukowitsch musste fliehen. In dieser Zeit annektierte Putin still und leise, fast anonym die Krim und schickte eine Spezialeinheit nach Slowjansk in die Ostukraine, um die Separatisten zu unterstützen. Der Krieg gegen die Russen und Russenfreunde begann und eskalierte am 24.02.2022 in einem breitem Grenzübertritt Russlands in der Ostukraine. Wir können nur hoffen, dass Präsident Zelenskiy seinen Kurs auf die EU mit internationaler Hilfe verwirklichen kann und die Ukrainer sich keiner Fremdherrschaft mehr unterwerfen müssen.


     Foto: Stefan Vieregg 
                                  
Ganna präsentierte auch ein Lied über die unlängst getötete vierjährige Lisa, die von ihrer Mutter wenige Minuten vor einem Raketeneinschlag noch stolz beim Kinderwagenschieben gefilmt wurde. Solche extrem traumatisierende Geschehen noch in Liedform vortragen zu können zeigt die Bandbreite von Ganna, die auch bei der samstags auftretenden Leléka zu finden ist, die gesamte Spanne der Emotionen von tiefer Traurigkeit, Entsetzen über das Geschehene bis hin zu einer freudig gestimmten Leichtigkeit in anderen Zusammenhängen. Dazwischen das Spiel mit den Worten und Lauten, Grooviges und Rhythmisches, musikalische Ausflüge mit Könnern.  

Nicht verdeckt wird auch die Zeit des Elends, der Armut in der Ukraine, in der arme Leute gezwungen waren, ihre Kinder teils gegen Geld herzugeben, damit der Rest der Familie über die Runden kam. In diesem Lied stellt das Kind an seine Mutter die Fragen, warum es weggegeben wurde und nicht mehr heim darf. Traurige und schwere Momente in einem Kinderherz, die sehr sensibel mit einer großen Meisterschaft wie alle anderen Titel auch vorgetragen wurden. Die ukrainische Flagge zum Abschied. Es sind zwei Alben erhältlich "Dykyi Lys" (2020) und "Spivanka" (2021).



Foto: Stefan Vieregg


Viktoriya Leléka
(geb. 1990) ist die Gründerin der Ethno-Jazzband "Leléka" (Storch), die sehr gehaltvolle und facettenreiche Interpretationen dynamischer Jazz-Passagen bis zu zarten Folk- und Klageliedern bietet. Auch ihre Vertonung von Hoffmann von Fallerslebens "Die Gedanken sind frei" sehr hörenswert. „Leléka“ wurde neben anderen Preisen 2017 mit dem Preis des Weltmusik-Wettbewerbs creole Berlin und im Jahr 2018 mit dem europäischen Nachwuchs-Jazzpreis Burghausen ausgezeichnet. Bei Leléka treffen altertümliche, ukrainische Tonfolgen auf zeitgenössischen Jazz und erzeugen einen weiteren einzigartigen Sound mit bemerkenswerter Stimmgewalt (alles vorwiegend in Moll, sagte ein Musiker dazu). Beide ukrainischen Auftritte sind tief eindringende und unvergessliche Konzerterlebnisse. Leléka ist auch bei Spotify zu hören. Sie wuchs im jetzt heiß umkämpften Donbass, im Südosten der Ukraine auf, studierte in Kiew Darstellende Kunst/Schauspiel an der Nationalen Theater-, Film- und Fernsehhochschule und Jazzgesang an der Dresdener Hochschule. 2016 gründete sie in Berlin ihre Band. Zu Leléka gehören Povel Widestrand (Schweden) am Piano, Thomas Kolarczyk (Deutschland) am Kontrabass, Jakob Hegner (Deutschland ) am Schlagzeug. Sie singt über einen faulen Mann auf dem Berg, der nachdenkt, über Frauen, die ihre Männer auf dem Markt verkaufen, ferner Schlaflieder, singt einen Dialog zwischen Mutter und Sohn, der in den Krieg zieht und weiß, dass er nicht mehr zurückkommt, die Mutter voller Sorgen und Schmerz, über ein Mädchen mit Birnen, die sie ihrem Liebsten schenken will, ihn trifft und auf die Frage, was sie mit den Birnen will, antwortet, ich möchte sie dir schenken und noch viel mehr, nämlich mich möchte ich dir schenken. "Sonne im Herzen" sang sie erst im 
ukrainischen Orginal, und danach die gemeinsam komponierte Jazzversion.

Die gehörten Titel sind größtenteils auf dem 2019-Debütalbum "Tuman" und dem 2021-Album "Sonce U Serci" (Sonne im Herzen) zu finden. Die Texte auf Deutsch wären einmal hochinteressant. Beide ukrainischen Bands haben den Drive und die Energie noch mehr zu bieten, die Ideen und Umsetzungen scheinen nur so zu sprühen ... Leléka sammelt Spenden für ukrainische Betriebe (z.B. einen Holzbetrieb in Lwiw) und unterstützt so gut es geht ihre Landsleute.


Foto: Stefan Vieregg


"Ich bin sehr betroffen, weil meine ganze Familie und meine Freunde in der Ukraine sind. Aber gleichzeitig bin ich auch Sängerin und Künstlerin, und ich mache immer noch das, was ich schon seit sechs Jahren mache. Es ist für mich ein krasser Sprung, dass plötzlich meine Musik politisiert ist."
(aus der Sendung vom Do., 24.3.2022,10:05 Uhr, SWR2 Treffpunkt Klassik, SWR2)






Auf der anderen Seite der Kultur Gerald Clayton und DPhazz mit westlichen, um nicht zu sagen klar amerikanischen Ausprägungen. Das
Gerald Clayton Trio 
Foto: Stefan Vieregg 
besteht aus Gerald am Piano/Fender Rhodes, bei diesem Album eigentlich Geralds Vater John am Bass, im Trio jedoch Joe Sanders, und Gregory Hutchinson an den Drums. Sie stellten das neue Album "Bells on Sand" (2022) vor und überzeugten durch ruhige musikalische Landschaften, akzentuiert mit kleinen Drumkaskaden, Bassstreichen und verspielten Pianopassagen. Thema ist die permanente Veränderung von allem. Eine Jazzmusik zum langen, langen Zuhören und Entspannen in einer gemütlichen Lounge-Bar. Gerald Clayton lernte 
Foto: Stefan Vieregg 
ab dem 7. Lebensjahr Klavier und Jazz-Klavier, absolvierte mit Auszeichnung die High School for the Arts in Los Angeles, holte sich einen Nachwuchspreis und den Bachelor. Er gehört zu den wirklichen Könnern. Der Onkel Jeff Clayton (Sax) ist ebenfalls Jazzer, und so gibt es immer wieder Familienauftritte in verschiedenen Formationen. Wirklich beeindruckende Ehrungen schmücken seinen Weg bislang. 2011 bester internationaler Jazzmusiker und mittlerweile sechs Nominierungen für den Grammy.

DPhazz ist eine altbekannte Formation aus Heidelberg, die seit 25 Jahren für hochkochende 

Stimmung, Bewegung und gute Laune sorgt. Die Abkürzung soll für "Destination Future Jazz" stehen, wobei ich bei dem Ph... eher etwas anderes wie Phantasy vermutete ... Erfinder des Namens und Mitbegründer ist der Manager Haluk Soyoglu, der das vielleicht beantworten kann. Mit fetzigen Titeln und Sounds aus Latin, Funk, Soul, R'n'B und Jazz beginnt die Tanz-Nacht, das gut gelaunte Feiern unter freiem Himmel, im Club, am Beach, endet die Jazznacht usw. Die Stimmungsmotoren sind vor allem die beiden Jazzsingerstimmen Miss Pat Appleton und Mister Karl Frierson. Letzterer kam 1990 als GI nach Deutschland und verließ die Army bald Richtung DPhazz. Beide haben das, obwohl in den geschätzten Fifties, was europäische Gene kaum hergeben, kraftvolle Urgewalt, ausdauernde Tanzbodies, Spontanchoreographie und die Fähigkeit mit einen bisschen Klamauk ein Fass aufzumachen. Diese Band mit an diesem Abend Marcus Bartelt (BaritonSax, Klarinette), Ulf Kleiner (Tasteninstr.), Bernd Windisch (Bass), Christoph Huber (Schlagzeug) und Songs wie "Anchorless", "The Mambo Craze", "No Jive" "The Daily Lama", "Back from where I started", "Funk Kid" oder "Cut the Jazz" erreicht weltweit seine Fans und feiert mit ihnen dynamische Abende.

Foto: Stefan Vieregg 

Foto: Denia Hertel