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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Dichterhain, Bände 5 bis 8

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Dienstag, 3. April 2012

Ankes Fundstücke: Todestag vom Johannes Brahms (7.5.1833-3.4.1897)

„Guten Abend, gute Nacht, mit Rosen bedacht, mit Näglein besteckt, schlüpf unter die Deck: Morgen früh, wenn Gott will, wirst du wieder geweckt, morgen früh, wenn Gott will, wirst du wieder geweckt."


Kennen sie dieses Wiegenlied noch? In der Grundschule gelernt oder im Musikunterricht ...? Oder irgendwann einmal in Ihrer Kindheit? Kompo­niert wurde die Melodie von Johannes Brahms, einem der bedeutendsten deutschen Sinfoniker.

Frühe Erfolge

Johannes Brahms wurde am 7. Mai 1833 in Hamburg geboren. Seine Kindheit verbrachte er in eher ärmlichen Verhältnis­sen. Der Vater war ein Berufsmusiker und setzte sich für die musikalische Laufbahn seines Sohnes ein. Mit 7 Jahren erhielt Johannes Brahms seinen ersten Klavierunterricht. Und er zeigte Talent: Mit 10 Jahren trat er bereits zum ersten Mal als Pianist auf. Durch öffentliche Konzerte trug er schon früh zum Lebens­unterhalt der Familie bei. Mit 19 Jahren verließ Brahms seine Heimatstadt, um als Klavierbegleiter eines Geigers auf seine erste Konzertreise zu gehen. In Hannover lernte er den berühmten Violinvirtuosen Joseph Joachim kennen. Dieser erkannte das Talent des jungen Pianisten und überredete ihn, sich bei dem Komponisten Robert Schumann vorzustellen. Mit dem Geiger Joachim blieb Brahms ein Leben lang eng befreundet und fragte ihn bei musikalischen Dingen oft um Rat.

Seine Freundschaft mit den Schumanns

In Düsseldorf lernte Brahms schließlich Robert Schumann und dessen Frau Clara kennen und freundete sich mit dem Ehepaar an. Schumann begeisterte sich für Brahms' Werke und stellte den außergewöhnlichen Komponisten der Öffentlichkeit vor. Durch Schumanns Unterstützung wurde der junge Brahms in kürzester Zeit berühmt, ohne dass er bis dahin etwas veröffentlicht hatte. Von Roberts Frau Clara Schumann, einer europaweit bekannten Pianistin, war Brahms so begeistert, dass er ihr eines seiner Klavierwerke widmete. Beide pflegten jahrelang einen innigen Briefwechsel und blieben zeitlebens in freundschaftlichem Kontakt. Brahms stand ihr auch bei, als Robert Schumann in eine Heil- und Pflegeanstalt eingeliefert werden musste und dort schließlich starb.

Der weitere Werdegang

1858 wurde Brahms Hofmusikdirektor am Fürstenhof zu Detmold. In diesem Jahr lernte er auch Agathe von Siebold kennen. Mit ihr verlobte er sich zunächst, löste die Verbindung aber kurze Zeit später wieder. Er blieb sein Leben lang unverheiratet. In Detmold entstand Brahms' erstes Klavierkonzert, das zunächst keinen großen Erfolg hatte. 1860 lernte er den Verleger Fritz Simrock kennen, der Brahms' Werke publizierte. Dadurch verhalf er ihm zu großer Bekanntheit, denn die anderen Verleger waren nach dem Misserfolg seines ersten Klavierkonzertes vorsichtig. Außerdem galten Brahms' Stücke als schwer spielbar, und nicht selten fand das Publikum keinen leichten Zugang zu seinen Harmonien.

Seine Anerkennung als Komponist

Im Jahr 1862 hielt sich Brahms zum ersten Mal in Wien auf. Im selben Jahr begann er mit der Arbeit an seiner ersten Sinfonie, die er aber erst viele Jahre später vollendete. In Wien ließ er sich einige Jahre später endgültig nieder und blieb dort bis zu seinem Tod. Hier gab Brahms zahlreiche Konzerte und schrieb Werke wie die „Ungarischen Tänze" und das „Deutsche Requiem", dessen Text aus der Bibel stammt. Das Stück für Solisten, Chor und Orchester war sein Durchbruch als aner­kannter Komponist. Neben Bach und Händel hatte auch Beethovens Werk großen Einfluss auf die Musik von Brahms. Zeitweise wurde er auch als „Beethovens Nachfolger" bezeichnet - diesem Titel stand Brahms allerdings skeptisch gegenüber.

Sein musikalisches Vermächtnis

Am 3. April 1897 starb Johannes Brahms in Wien und wurde dort auf dem Zentral­friedhof bestattet. Er gilt heute als einer der bedeutendsten europäischen Komponisten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Bereits zu Lebzeiten wurde er als virtuoser Pianist, Komponist und Dirigent bewundert und verehrt. Außer Opern umfasst sein Gesamtwerk alle Gattungen der Musik, darunter über 200 Lieder, Duette und viele andere Kompositionen. Seine Werke werden hauptsächlich der Romantik zugeordnet. Sie weisen einen lyrischen Grundton auf, haben dabei aber eine strenge Form. Auch volkstümliche Elemente prägen seinen Stil. Johannes Brahms schrieb zahlreiche Klavierkompositionen. Zu seinen bekann­testen Stücken zählt aber das oben erwähnte Wiegenlied, eines der berühmtesten Klavierlieder überhaupt.



Heute Abend: Ole Lehmann in KL-Bahnheim


Ole Lehmann – Reich und trotzdem sexy
Beginn um 20:00 Uhr
Ort: Lautrer Wirtshaus in KL-Bahnheim, Bahnheim 17C, 67663 Kaiserslautern (Bus/Bahn)
Abendkasse
Siehe Regionale Events

Buchbesprechung: Der Göttliche - Das Leben des Michelangelo


Volker Remhardt
Der Göttliche
Das Leben des Michelangelo
Biographie
München 2010. 381 Seiten mit 81 Abbildungen,
davon 38 in Farbe, und 2 Stammtafeln, Leinen
€ 24,95[D], C.H. Beck Verlag


Schon zu Lebzeiten galt Michelangelo (1475-1564) - der Maler der Sixtinischen Kapelle, der Schöpfer des David, der Architekt des Petersdoms - als der größte Künstler, den die Welt je gesehen hatte. Volker Reinhardt vermittelt in seiner umfassenden Biographie neue Erkenntnisse über das Leben des Universalgenies.
Michelangelo Buonarroti (1475-1564) wurde von seinen Zeitgenossen als der Göttliche
verehrt, aber er war auch der Schreckliche. Selbst Päpsten diktierte er seine Honorare, ließ Fristen verstreichen, wechselte die politischen Seiten - und wurde doch immer weiter umworben. So ungewöhnlich wie seine Stellung gegenüber den Mächtigen war auch seine Kunst: Statt die Bildprogramme der Auftraggeber getreu umzusetzen, brachte er seine eigenwillige Sicht der Welt in Fresken, Statuen und Bauwerken zum Ausdruck.
Auch sein Leben fiel aus dem Rahmen: Michelangelo hauste wie ein armer Handwerker. Beim Tod des fast Neunzigjährigen fand man einen Tisch, einen Stuhl, einen Schrank, ein Bett - und unter dem Bett Unmengen von Gold. Volker Reinhardt bringt in seiner Biographie die Kunstwerke Michelangelos durch detaillierte Beobachtungen und überraschende Entdeckungen ganz neu zum Sprechen. Aber er beschränkt sich nicht wie frühere Biographen auf die Kunst und ihre Entstehung. Er beschreibt, wie der ersehnte gesellschaftliche Aufstieg seiner Familie Michelangelo antrieb, welche religiösen und politischen Vorstellungen er teilte und wie er in einer kriegerischen Zeit überlebte, indem er das Leben selbst zum Kunstwerk machte.


Volker Reinhardt, geb. 1954, ist Professor für Geschichte der Neuzeit an der Universität
Fribourg. Bei C.H. Beck erschienen von ihm u.a. Geschichte der Schweiz (2008), Die Medici
(2007), Geschichte Italiens (2006), Die Renaissance in Italien (2007).

Montag, 2. April 2012

Tschernobyl, Fukushima, Cattenom... BLUTIGE TRÄNEN VON FUKUSHIMA von Harma-Regina Rieth


(c) Harma-Regina Rieth: Fukushima, Acryl

Blutige Tränen von Fukushima

Wie lange ist es schon her, seit ich hier zusammengekauert und gekrümmt in einer müllhaldeähnlichen Landschaft verharren muss? Ein Tag oder zwei Tage, oder gar schon drei Tage? Ich habe die Zeit und die Orientierung völlig verloren, es rauscht in meinen Ohren und in meinem dröhnenden Kopf spiegelt sich das unglaubliche Geschehen der Vortage wider.
Was war eigentlich passiert? Ich versuchte meine Gedanken neu zu ordnen. Gerade als ich auf dem Weg zu meinen Eltern war, wollte ich doch eigentlich nur einen kleinen Abstecher runter zum Strand machen. Ja, so war es, ich wollte meine Eltern in Fukushima besuchen. Ich bemerkte nicht sofort das drohende Zittern der Erde. Ich spielte gedankenverloren mit den Füßen im herrlich weißen Sand, als der Sand erneut langsam zwischen meinen Zehen zitternd herunterrieselte, dann vernahm ich nur noch ein tosendes, krachendes, berstendes Geräusch. Im gleichen Moment durchzuckte mich eine unwirkliche Angst. Ich wusste nicht, wieso diese Angst mich mit einem Male so beherrschte und warum ich wie erstarrt im Sand sitzen geblieben war.
Ich schaute in Richtung Meer und sah, wie sich die Wellen unwirklich auftürmten und drohend auf den Strand, auf mich zukamen. Regungslos, gelähmt vom Schock und erstarrt vor Furcht saß ich da und sah das Meer und seine Wellen immer schneller auf mich zukommen.
Eigentlich ist es ein wunderschöner Tag. Was sollte da schon passieren?, dachte ich, wie um mich zu beruhigen, bevor es nass, schlammig und unendlich kalt und dunkel um mich wurde. 

So war es gewesen vor Tagen. Und jetzt? Ich schaue an mir herunter und sehe mich dreckverschmiert, mit mehr oder minder starken Verletzungen an den Armen und Beinen. Die Haut aufgerissen, das Fleisch aufgeplatzt, Hautabschürfungen am ganzen Körper. Aber ich lebe. Ich lebe!
Mit geweiteten Augenpupillen blicke ich mich vorsichtig und angstvoll um.
Meinen Urlaub wollte ich übers Wochenende hier in Fukushima verbringen. Doch wo ist die Stadt? Müll, Dreck, Metallschrott, Steine, Möbelteile, leblose Tiere, Gegenstände aller Art – doch Menschen? Ich sehe keine Menschen hier – wo sind sie, wo sind die Menschen? Alle tot? Kein Geräusch ist zu hören, kein Vogelgesang, absolut keine Tiergeräusche. Stille. Es gibt keine Geräusche mehr um mich herum, ich höre nur noch das Blut in meinem Kopf pochen und durch meine Adern strömen, eher langsamer werdend ....
Keine menschlichen Stimmen, wo ist das Lebendige? Geräusche der Menschen, der Stadt? Wo ist das alles? Wo sind sie alle? Wo ist das pulsierende Leben?
Langsam versuche ich meine Gliedmaße zu ordnen und löse mich aus meiner augenscheinlichen Erstarrung und Verkrampfung. Endlich schaffe ich es aus meinem verdreckten Müllbett zu kriechen. Mein Blick schweift über die unwirkliche, verzerrte und utopische Landschaft. Und meine hilflose Situation wird mir schlagartig bewusst.
Was ist das hier? Wo bin ich hier? Das ist doch nicht mehr meine Heimatstadt Fukushima!
Ich fasse meinen ganzen Mut zusammen und versuche meine neue Umgebung zu erkunden.
Das Meer ist weg, ich sehe keine Wellen und keine aufschäumenden Wogen mehr.
Alles um mich herum ist mit Schlamm und Dreck überladen, Möbelstücke, Autos, Kleider, Fahrräder, Bücher, Maschinen. An einigen Stellen sehe ich Hände und Köpfe von leblosen Menschen aus dem Chaos ragen, mit erstarrten Augen und geöffneten Mündern, andere wirken, als ob sie schlafen würden, die Beine von toten Tieren ragen in die Luft. Aufgedunsene Hundeleiber. Der Dreck beherrscht die ganze Umgebung, bizarr und unwirklich ist alles, so weit man sieht, überall Müll, Chaos, Tod und Zerstörung. 
Hier und da kämpfen Fische im Schlamm um ihr Leben. Mit übergroßen Augen schauen sie mich fragend an, angstvoll, zitternd, zappelnd.

Antworten. Antworten bedurfte es! Was ist hier geschehen? Ein Erdbeben, eines der Tsunamis, die unsere Küste selten, aber immer wieder heimsuchen? Was ist mit mir geschehen? Wo war ich in diesem plötzlichen Erfasstwerden? Was hat das Meer mit mir gemacht? 
Die Nacht umarmte mich erneut und ich fiel zurück in einen neuen unruhigen Angstschlaf. Lebe ich noch - oder bin ich schon tot? Ich wollte nicht mehr denken, ich hatte auch keine Angst mehr, ich wartete geduldig. Aber auf was wartete ich eigentlich? Befand ich mich schon in der Unendlichkeit der Ewigkeit? War ich die einzige Überlebende? Die Erde zitterte wieder, ich war erschöpft und klammerte mich an dem Gedanken fest, dass ich nicht alleine sein kann, hier in diesem kalten dreckigen Schlamm und Müll.
Ein übler Geruch kroch in meine Nase und ich sah, wie sich die Fischaugen neben mir allmählich langsam auflösten. Angewidert vom Anblick des stinkenden Fisches wandte ich mich ab. Meine Haut brannte wie Feuer, doch sie erwärmte so allmählich meinen ausgekühlten fast gefrorenen Körper. 
Wasser …! Ich brauche Wasser, ich muss etwas trinken!
Auf allen Vieren kriechend machte ich mich auf den Weg um etwas Trinkbares zu finden. Schlagartig vielen mir die ewigen Werbeblöcke mit allerlei köstlichen Getränken der Fernsehsender ein, die mehrmals zwischen meinen Lieblingssendungen hereinflimmerten. 
Jetzt flimmerten die Werbeblöcke vor meinem inneren Auge, nach ihren Getränken lechzend beobachtete ich sie gierig. Ich habe Angst verrückt zu werden, durchzudrehen. Mein Mund völlig ausgetrocknet, ich fühlte mich wie ein Reiskorn, das sich nach Wasser sehnt.
Unerreichbar... In unerreichbarer Ferne schien jeder Tropfen Flüssigkeit.
Nein, ich gebe nicht auf, ich suche weiter, immer weiter … Und endlich sah ich eine, wie mir schien, mit mir weggespülte Flasche. Mit letzter Kraft schraubte ich den Verschluss auf – leer, sie ist leer! Hysterisch schüttle ich die leere Flasche. Das kann nicht sein, durchzuckt es mich, in meinem Innern brennt es, ich muss den ohnmächtigen Brand in mir endlich löschen. Fahrig, zittrig, mit weit aufgerissenen Augen beobachte ich den teilweise skelettierten Fisch neben mir, der mich gestern vielleicht noch groß angestarrt hatte.
Ich ahne Böses und resigniere. Das Feuer auf meiner Haut brennt sich derweil weiter durch mich hindurch. Aus tausenden blutigen Hautrissen quillt mein Leben. Mein Leben brennt lodernd sengend weg. Einer Ohnmacht nahe habe das Gefühl mich aufzulösen.
Neben mir liegt ein verschmierter Zettel, und ich greife zeitlupenartig danach. Meine Fingerkuppen scheinen mir unwirklich, als ob es nicht meine wären, entstellt. Ich sehe das Abbrechen der aufgeweichten Fingernägel, und weiß, dass ich mich beeilen muss …
Ich streiche mir langsam durch mein Haar und halte es in meinen Händen. Angewidert von mir selbst, blicke ich in das Glas der leeren Flasche und erkenne mich selbst nicht mehr.
Erschrocken über mein Spiegelbild laufen mir blutige Tränen über meine brennenden Wangen, das Salz der Tränen frisst zusätzlich eine tiefe Furche in mein Gesicht.
Und plötzlich quellen unaufhaltsam immer mehr blutige Tränen aus meinen Augen. Ich muss den anderen Menschen sagen, was passiert ist! Sie müssen wissen, welche unsichtbare schleichende Gefahr ihnen droht! Ich muss versuchen ihnen dies alles, was mir widerfahren ist, mitzuteilen! Ich blicke wieder in das Glas der leeren Flasche, glanzlose Augen starren mir entgegen. Aschfahle blutige Haut umrahmt mein vormals hübsches, jetzt kaum noch zu erkennendes Gesicht. Auf meinem Haupt fehlen große Büschel Haare, es ist fast haarlos. Meine Haut zeigt vereinzelt eitrige Hautkrater, die Kahlheit, Verletztheit meines Körpers ist bezeichnend, alles wirkt eigentlich schon leblos und tot an mir.
Denke ich noch, als Ich? Bin ich es noch? „Hallo, Mutter, hallo, Vater, schön euch zu sehen.“ Ich blicke auf … „Bitte nehmt mich mit, sagt doch was, warum sprecht ihr nicht mit mir?“ Ich strecke ihnen Hilfe suchend meine Arme entgegen, doch sie greifen ins Leere. 

Wochen später fand man bei den Aufräumungsarbeiten in der Nähe von Fukushima eine stark verschmutzte Flasche mit einem verschmierten, mit Blut beschriebenem eingerollten Zettel und ein mit Blut getränktes Holzstäbchen. Es diente jemandem scheinbar als Schreibstift, der einen mit Blut geschriebenen Text verfasste. Als ob er den Inhalt beweisen wollte, legte er ein Haarbüschel sowie einen abgerissen Fingernagel dazu. Es war eine Frau, die ihre Erlebnisse, Gedanken und ihren Tod anderen mitteilen wollte. Die Botschaft der blutigen Tränen: Fukushima kann überall sein. Wo ist es morgen? 

(c) Harma-Regina Rieth

Neue CD (Bayernsound): Mei Zuastand


SÖLLNER
Mei Zuastand
München 2011
1 CD, Our Own Voice - Trikont

Hey wos is / Blumen und Farben / Für meine Buam / A groußa König / Wintertraum Runda Di seh / Manchmoi wenn i aufwach / im Herbst (Kai) / l schrei / und du dramst / Grea göib roud / A Dog wia jeda andere / Hey liaba God / Hodada

Hans Söllner zieht musikalische Zwischenbilanz seiner 30-jährigen Geschichte als Songwriter und Musiker - für sich, seine langjährigen Fans und vor allem die Mehrheit der Jungen, die wieder massenhaft zu ihm strömen -, weil er in seinen Auftritten die Gegenwart widerspiegelt wie vermutlich kein anderer Songwriter oder Dichter im deutschsprachigen Raum.
Mit Songs, in denen alles aus unserem Leben präsent ist. Hans Söllner hat sich für dieses Album Lieder ausgesucht, die es schon länger gibt, die fast vergessen sind, die beinahe zeitlos wirken, in denen alles zu finden ist: Weinen und Lachen, Schimpfen und Küssen. Liebeslieder, Abschiedslieder, Lieder, die sagen, dass der Wind auch plötzlich drehen kann. Söllners Band „Bayaman'Sissdem" hat diesen Songs ein neues musikalisches Gewand gegeben mit neuem Sound und neuem Rhythmus - eine Hommage an seine Lieder mit dem Blick von heute. 

Gesellschaftskritisch, gegen Ausländerfeindlichkeit, mit bayrisch-schottischen Zwischenklängen auf zur ungewöhnlichen Beruhigung und Erziehung der (Schul-)Kinder, nichts mit Beurteilungen, Zeugnissen und Stahlhelmen, Bob Marley macht uns glücklich, wir nehmen uns eben das Recht auf Leben, Kinder! Er besingt den König von Äthiopien, der Hanf für die Welt anpflanzt, den runden Tisch im Jenseits, wo alle gleich sind, egal wann sie gingen und was sie gemacht haben (nicht die Länge ist entscheidend, sondern die Qualität!), das Recht auf Selbstbestimmung und auf ein persönliches Ende, gerne sterben, wenn man es geschafft hat, das Ausreiten mit dem Motorrad, das Sterben auf dem Sommer-Open-Air-Festival. Sehr dicht und atmosphärisch, schräg und bayrisch, kritisch und austeilend: "Und du dramst". Für Bayernbewohner und -Fans ein heimatliches Erlebnis von Freiheit!

»Ich habe lange überlegt, ob ich diese Platte aufnehmen soll, denn alle diese Lieder haben nur aus Zuständen in meinem Leben erzählt, in denen ich mal war. Und wie die Stürme und Katastrophen auf dieser Welt zunehmen, nehmen auch die Stürme und Katastrophen in uns zu, besonders in mir. Oft müssen wir verletzen und beleidigen, um uns zu schützen, in all diesen Liedern geht es darum. Nur in einem geht es ums Ficken, für die Ganzheit. Auf Wunsch von vielen von Euch habe ich diese Lieder noch einmal aufgenommen und ohne mein Beisein hat die Band Bayaman'Sissdem (Peter Pichler, Manfred Puchner, Stefan Hofer) die Musik darauf gemacht. Die Zustände bleiben immer dieselben, nur der Rhythmus ändert sich.« Hans Söllner

Sonntag, 1. April 2012

Candida C. Stapf: Filigrane Papierschnittkunst, bunte Buddhas und Urnen im Kleinen Kunstbahnhof, St.Julian-Eschenau


Candida C. Stapf aus Stuttgart ist eine ungewöhnliche Künstlerin. Nicht der Pinsel, die Leinwand und Farbe beschäftigen sie, sondern Papiere aller Art und Qualität sowie die Schere. Mit sehr sicherer Hand schneidet sie filigrane Formen heraus, klebt Details aus anderen Papieren auf und fügt in der Art der erzählerischen Bricolage äußerst interessante Motive zusammen. Einerseits der tanzende Einzelmensch andererseits tanzende Paare in gegenseitiger Anziehung oder bei der Vereinigung sowie Tiermenschen. Daneben gibt es eine Reihe mit kulinarischen Schnittbildern (à table) und Buddha-Schnittbildern, wo sie offensichtlich ihre kleinen Zöglinge, die bunten und sehr asiatisch anmutenden Buddhas aus Kartonagenmaterial, etwa 30 cm hoch, wieder aufgreift. 
Eine besondere Sparte in ihrem Schaffen ist das Herstellen von künstlerischen Urnen, jede ein Unikat. Die Urnen sind ebenfalls aus Kartonagenmaterial hergestellt, das innerhalb von 6 Monaten im Erdreich zerfällt. Kein tristes Sterben mehr, sondern farbenfroh. In diesen Kurzzeitbehausungen zu Grabe gebracht scheint der Schmerz gemildert. Das Papierdesign und die Farben sind nach Absprache mit der Künstlerin bestellbar. Das gilt auch für die Papierschnittbilder. 


Candida C. Stapf wurde 1962 in München geboren. Sie arbeitet als Urnendesignerin, bildende Künstlerin und Setdesignerin für Film- und Fernsehproduktionen. Daneben ist sie auch Krimiautorin und ist bereits bei ihrem vierten Roman angelangt. Sie lebt in Stuttgart und Südtirol.



Am 25.03.2012 eröffnete Candida C. Stapf ihre Ausstellung im kleinen Kunstbahnhof in St.Julian-Eschenau - nach der Laudatio in der speziellen Art von D.E. Hofmann-Leitmeritz -  mit einer Lesung aus ihrem letzten Kriminalroman "Mordshunger". Unbekümmert und zielgerichtet geht sie ans Werk und ordnet den Alltag ihrer Erzählfiguren, ohne Rücksicht auf Leichen ... Kein Wunder, dass sie einen Faible für schöne Urnen hat, so lassen sich viele Figuren wunderbar und geschmackvoll entsorgen ... :-) Was keine Aufforderung sein soll, um Himmels Willen, nein. Mein Vorschlag: Symbolisch den bösen Chef, den Politiker, die verachtete Person eben mal beerdigen, das kann eine sehr gute psychologisch wirkungsvolle Kartharsishandlung sein. Veranstalten Sie einen künstlerischen Bestattungsevent. Laden Sie ein, feiern Sie und verbannen Sie diese Person, diese Dinge, diese Schreiben, diesen Ärger aus der Welt! Erde oder Feuer - bestimmen Sie selbst!


Zurück zum Roman. Der Inhalt: Maria Begovic ist Bestatterin. Leichen und Friedhöfe, Särge und Urnen, Trost, Beistand und Friedhofsbürokratie – das ist die Welt, in der sie lebt. Irgendwann reicht ihr das nicht mehr. Sie bewirbt sich als Kandidatin bei einer der vielen Koch-Shows. Was für Maria als harmloses Abenteuer beginnt, entwickelt sich bald zur Besessenheit. Um den Ruhm und die Anerkennung zu gewinnen, die ihr - wie sie glaubt - zustehen, muss sie immer mehr Hindernisse aus dem Weg räumen.
Das erste ist ihre eigene Mutter. Mit unauffälligen Giftgaben aus der Natur vollendet sie ihren Plan. Danach kann sie sich beruhigt den Kochwettbewerben, dem Leben, und weiteren Opfern zuwenden.


Im vorausgegangenen Krimi "Rauchzeichen", der die spannende Fortsetzung des Kriminalromans "Die Gesellschafterin" mit Claire Möller darstellt, thematisierte sie, wie Nikotinentzug die Psyche von Rauchern negativ verändern kann. Nicht ohne Ironie beschreibt die fachkundige Autorin die Menschen vor und hinter der Kamera.



Worum geht es in "Rauchzeichen"? Um sich wenigstens einen gewissen Lebensstandard zu sichern, kehrt die Gesellschafterin Claire Möller in ihren alten Beruf zurück: Als Maskenbildnerin bei der ersten Telenovela nach lateinamerikanischen Vorbild, die in Stuttgart produziert wird. Sie merkt sehr schnell, dass sie einen Fehler gemacht hat. Die Stimmung im Team ist miserabel, die Zeitvorgaben sind fast nicht zu schaffen, der Druck von der Produktionsleitung ist unerträglich.  Das absolute Rauchverbot, auf dem Gelände der Funylights-Filmproduktion zwingt die Crew zu einem kollektiven Nikotinentzug, der nicht ohne gravierende Folgen bleibt ... Mitten im Stress der Drehtage gerät Claire zudem in einen Strudel von undurchsichtigen Ereignissen: Die Familie ihrer letzten Klientin als Gesellschafterin wird von einer Serie seltsamer Todesfälle heimgesucht; alle scheinbar natürlich, aber in ihrer Häufung äußerst beunruhigend. Claire stößt auf ein düsteres Familiengeheimnis und gerät in den Sog eines Rachefeldzugs, der zurück bis ins 19. Jahrhundert führt, zum vergessenen Drama der schwäbischen Missionsbräute.

Candia C. Stapf lässt sich nicht nur als sehr geschickte und erstklassige Schnittbildkünstlerin entdecken, sondern auch als kurzweilig schreibende Krimiautorin, klar und knapp in der Sprache. Schauen Sie mal rein.

Buchbesprechung: 23.000 von Vladimir Sorokin

Vladimir Sorokin
23000
Roman
Aus dem Russischen von Andreas Tretner.
332 Seiten. Gebunden
€ 24,00 [D], Berlin Verlag

Die Auserwählten der Bruderschaft wissen: Die Erde ist allein im Univer­sum, sie ist ein Unikum. Und der Homo sapiens ist ein Unikum hoch zwei oder drei. Wenn dem aber so ist, muss man die Erde als Störfall anse­hen, als Schandfleck am Leib des Universums. Auch im letzten Band der viel diskutierten LJOD-Trilogie schwingt Sorokin den Eishammer. 
In einer Welt der Reproduktion und des Konsums lässt er Heilversprechen, Erweckungsphantasien und den Wahn kommerzialisierter Glückssuche unge­bremst aufeinanderkrachen. Mal Thriller, mal Gangsterroman, mal lyrisch-pathetischer Hymnus - Sorokin zieht erneut alle Register seines enormen sprachlichen Reper­toires. Er spielt in seinem schon legen­där gewordenen Mimikry-Stil mit Sprache und Genres und beweist ein­mal mehr sprachliche Gewandtheit, erzählerische Bravour und einen aus­geprägten Sinn für das Absurde. Vladimir Sorokin schildert in 23000 die letzten Tage einer Sekte, der Bru­derschaft des Lichts, die kurz vor der Erfüllung ihres kosmischen Plans steht. Sorokin hat eine packende Gesellschaftsutopie geschrieben - und damit nichts weniger als eine treffende Diagnose unserer Zeit.

Inhalt:
Im letzten Teil seiner Eistrilogie widmet sich Vladimir Sorokin den Opfern jener Sekte, die mit sibirischem Eis (das vorgeblich beim Aufschlag des Tunguska-Meteoriten entstanden ist) weltweit ein glänzendes Geschäft betreibt, deren wahre Bestimmung jedoch das große Vernichtungswerk ist. Um es vollenden zu können, muss freilich die große Versammlung der 23 000 "Brüder des Lichtes" herbeigeführt werden, ein kompliziertes Unterfangen, denn die Bruderschaft ist weltweit verstreut und nicht leicht zu identifizieren.
Das grausige Erkennungsritual besteht darin, dem jeweiligen Kandidaten mit einem Eishammer einen gewaltigen Schlag in die Herzgegend zu versetzen, auf dass das Herz "zu sprechen" beginne. Spricht es, so ist der eigentliche Name des oder der Auserwählten zu vernehmen. Bleibt es stumm, hat sich die entsprechende Person als "hohle Nuss" erwiesen, eine simple "Fleischmaschine", die zu Höherem nicht taugt und im besten Fall die Erkennungsprozedur überlebt.
Zwei der Überlebenden, ein junger Schwede und eine in New York lebende russische Jüdin, gehören zu den "hohlen Nüssen", die das Ritual überstanden haben. Über ein Internetforum miteinander in Kontakt gekommen, beginnen sie eine globale Suche nach den brutalen "Aufklopfern", die sie bis nach China, in die Zentrale des Eis-Konzerns führt, während die Bruderschaft fieberhaft dabei ist, ihre letzten fehlenden Mitglieder aufzuspüren.
Sorokins Roman bedient auf virtuose Weise und in parodistischer Manier beinahe alle Genres. Das thrillerartige Grundmotiv wird bereichert um Elemente einer Weltuntergangsfantasie, religiös-mythischer Verzückungsprosa, gesellschaftskritischer Entwürfe und grotesker Humoristik. Abwechslungsreich und spannend, global angelegt und temporeich erzählt, dabei ganz wesentlich der überbordenden Fantasie des Autors entsprungen, wirkt dieser Roman wie das literarische Pendant zu einem Computerspiel mit erheblicher Sogwirkung. (DRadio Kultur)

Der Autor:
Vladimir Sorokin wurde 1955 in Mos­kau geboren. Nach dem Studium der Petrochemie arbeitet er als Buchillust­rator, bevor er Ende der 1970er Jahre erste literarische Anerkennung erfuhr. Berühmt wurde er mit dem Roman Die Schlange, der in zehn Sprachen übersetzt wurde. Sorokin gilt neben Vladimir Pelewin und Viktor Jerofejew als einer der Hauptvertreter der russischen Postmoderne. Regelmäßig ist er heftigen Angriffen regimetreuer Gruppen ausgesetzt. Zuletzt erschien beim Berlin Verlag LJOD. Das Eis (2003; BvT 2005), das auch mehrfach für das Theater inszeniert wurde, und BRO (2006; BvT 2007).

Die Presse:
»Sorokins Literatur ist fulminant und konvulsivisch, berechnend und glitschig, heiß und kalt zugleich«
Falter
»Vladimir Sorokin, der Großmeister des Provokanten und Obszönen.«
Süddeutsche Zeitung

Samstag, 31. März 2012

Auf den Spuren Albert Schweitzers: Neue Benefiz-CD des Kardiologen Prof. Dr. med. Hans-Joachim Trappe zugunsten der Deutschen Herzstiftung


Aristide-Cavaillé-Coll-Orgel der Kirche in Saint-Sulpice 
Wie ein Magnet für „alles, was künstlerisch oder gesellschaftlich Rang und Namen hatte" zog die weltberühmte Aristide-Cavaillé-Coll-Orgel der Kirche in Saint-Sulpice in Paris Orgelvirtuosen und -komponisten aus aller Welt an (aus: H. Schützeichel, „Als Musiker zu Musikern von Bach reden ...", organ—Journal für die Orgel (4/2010). Zu ihnen gehörte auch der Friedensnobelpreisträger, Arzt, Theologe und Organist Albert Schweitzer. Auf die Spuren des berühmten Mediziners hat sich der Professor für Innere Medizin und Kardiologie an der Ruhr-Universität Bochum, Prof. Dr. med. Hans-Joachim Trappe, stellvertretender Vorstandvorsitzender der Deutschen Herzstiftung, begeben.
Aristide Cavaillé
„Albert Schweitzer hat die Bach'sche Orgelkunst nach Frankreich gebracht, indem er dem renommierten Orgelprofessor und Organisten von Saint-Sulpice, Charles Marie Widor, die Choraltexte von Bach übersetzte und ihm das Wesen der Musik von J. S. Bach näher brachte", erläutert der passionierte Organist Prof. Trappe, der mehrere CDs mit Meisterwerken der Orgelmusik an weltbekannten Orten, darunter 2009 im Passauer Dom auf der Eisenbarth-Orgel, eingespielt hat. Nun hat der Kardiologe aus Herne selbst auf der Cavaillé-Coll-Orgel - zu Ehren von Albert Schweitzer - Werke von Bach eingespielt. Sie erscheinen als Teil des Programms seiner neuen Benefiz-CD zugunsten der Deutschen Herzstiftung „Die große Cavaillé-Coll-Orgel in Saint-Sulpice, Paris". Neben Werken von Bach interpretiert Prof. Trappe aber auch Kompositionen berühmter französischer Orgelvirtuosen wie Charles Marie Widor, César Franck, Theodore Dubois, Jean-Baptiste Lully und Louis Lefebure-Wely, der neben Widor selbst Organist in Saint-Sulpice war.


Saint-Sulpice, Paris
Fasziniert und begeistert vom Klangvolumen der Orgel, hat sich Prof. Trappe in mehrtägiger und akribischer Feinarbeit in der Kirche von Saint-Sulpice bewusst den Kompositionen dieser Organisten gewidmet. So handelt es sich bei den Stücken um „Musikwerke, die die wunderbaren Register mit ihrem einzigartigen Klang vorstellen sollen", wie Prof. Trappe betont. Über Bachs Toccata und Fuge F-Dur (B\W 540), ebenfalls auf der CD zu hören, schrieb etwa der niederländische Schriftsteller Maarten 't Hart in seinem Buch Bach und ich: „Was für eine gewaltige Komposition! Als führe ein Orkan in eine Kirchenorgel!" Und diese Orgel hat es wahrlich in sich: rund 24 Meter hoch, mit 102 Registern und fast 7.000 Pfeifen zieht diese Orgel Menschen jeden Alters in ihren Bann. „Die Orgelwerke dieser Benefiz-CD sollen das Leben im Alltag der Hörer bereichern", betont Prof. Trappe.



Die Benefiz-CD „Die große Cavaillé-Coll-Orgel in Saint-Sulpice, Paris" (Gesamtlänge: ca.
72 Minuten) ist für 15 Euro zu bestellen bei: Deutsche Herzstiftung e.V., Vogtstraße 50,
60322 Frankfurt am Main, Tel. 069/955128-0, E-Mail: info@herzstiftung.de, www.herzstiftung.de
Der Erlös kommt der Arbeit der Herzstiftung zugute.



Freitag, 30. März 2012

Gerade im Kino angelaufen: RUSSENDISKO



Russendisko
Deutschland, 2012
Komödie
Paramount
Regie / Drehbuch: Oliver Ziegenbalg
Buchvorlage: Wladimir Kaminer
Darsteller: Matthias Schweighöfer, Friedrich Mücke, Christian Friedel, Susanne Bormann, Pheline Roggan, Peri Baumeister
Laufzeit: 100 Minuten
FSK-Freigabe: ab 6 Jahre


Wladimir Kaminer (Matthias Schweighöfer) macht sich kurz vor der deutschen Wende mit seinen Kumpels Mischa (Friedrich Mücke) und Andrej (Christian Friedel) auf den Weg nach Berlin, um dort ein besseres Leben zu führen. Die Kultur in Ostberlin dieser Jahre war durch ein starkes ALternativmilieu geprägt, das sich leere Häuser, Säle etc. eroberte. So einfach wie geplant gestaltet sich das Unterfangen für die drei Freunde jedoch nicht. Dosenbierverkauf reißt es auch nicht raus, im Asylheim geht es rund, Geld bleibt Mangelware. Als Olga (Peri Baumeister), Hanna (Susanne Bormann) und Helena (Pheline Roggan) in das Leben der jungen Männer geraten, wird das Berliner Leben nochmal schwieriger. Wladimir verliebt sich und die Freunde schieben ihn an ...


Matthias Schweighöfer, Jahrgang 1981, steht seit 1994 vor der Kamera und hat sich im Jahr 2003 durch "Soloalbum" einen Namen gemacht. Es folgten "Die Klasse von ´99" (2003), "Kammerflimmern" (2004) und "Polly Blue Eyes" (2005) mit Susanne Bormann. "Keinohrhasen" (2007), "Operation Walküre" (2008) und "Zweiohrküken" (2009), Rainer Langhans ("Das wilde Leben", 2007), Manfred von Richthofen ("Der rote Baron", 2008), Marcel Reich-Ranicki ("Mein Leben - Marcel Reich-Ranicki", 2009) und Gödeke Michels ("12 Meter ohne Kopf", 2009). Zuletzt dann "Friendship!" (2010), "What a Man" (2011) und "Rubbeldiekatz" (2011).


"Die einzelnen Geschichtchen aus dem Buch "Russendisko" in einen einzigen Film zu pressen, das war wohl das Schwierigste am Filmprojekt. Glücklicherweise ist den Machern dies gut gelungen, sodass kein filmischer Flickenteppich entstanden ist, sondern ein linearer Film, in dem die drei Helden so einiges an Verrücktheiten erleben. Die Filmadaption ist dabei in den seltensten Fällen überraschend oder sonstwie etwas ganz Neues, weiß aber dank seiner sympathischen Darsteller absolut zu unterhalten. Die Jungs sind nett, die Mädels schnuckelig, die Dialoge kommen frisch und knackig daher, die russische Tanzmusik macht Laune, das Berlin der Wende kann überzeugen. Insgesamt ein Film, der niemandem weh tut und den meisten einen netten, amüsanten Filmabend verschaffen kann." (suite 101)

***Ich hab ihn mir jetzt selbst angesehen und ich finde ihn klasse. Er hat die Aufbruchs- und Wartestimmung der Menschen mit verlorener Identität zwischen den politischen Blöcken, direkt an der großen Systemgrenze herrlich eingefangen. Drei miteinander sehr verbundene Freunde, die sich durchschlagen, ein neues unkontrolliertes Leben leben wollen. Jede Menge Versuche starten, immer klamm, selbst vor einem illegalen Dasein,
zu dritt im Auto schlafend, nicht zurückschrecken, das Leben, die Musik und Frauen lieben und am Ende die Russendisko als Erfolgsmodell starten. Ein Psychogramm der Einwanderer im späteren Gesamtdeutschland ... Was ist aus ihnen geworden, fragt sich der Zuschauer nach dem Film und wartet auf die Fortsetzung. ***

Besuch in der Hamburger Kunsthalle, Simon Fujiwara I

In seinen Texten, Installationen und Performances verknüpft Simon Fujiwara die eigene Biographie mit fiktiven Erzählungen. Als Künstler, Schriftsteller und Architekt inszeniert er in seinen Installationen die historischen, politischen und soziologischen Hintergründe der Vergangenheit. 2010 gewann Simon Fujiwara den Baloise Kunst-Preis der 41. Art Basel. Dank der Baloise Group und der Stiftung für die Hamburger Kunstsammlungen konnten zwei Werke des jungen britischen Künstlers für die Hamburger Kunsthalle erworben werden, die in der Galerie der Gegenwart zu sehen sind.

I.
Letters from Mexico, 2011 ist inspiriert von fünf Briefen des spanischen Konquistadors Hernán Cortes, der zwischen 1519-1526 Kaiser Karl V. von seinen Eroberungszügen aus Mexiko berichtete. Fujiwara greift diesen Gedanken auf: In seinen an „Dear Europe" adressierten acht Briefen berichtet er von den eigenen Erfahrungen und Beobachtungen als europäischer Tourist - und damit neuzeitlicher Eroberer - in Mexiko anlässlich seines Besuches, der mit den 200-Jahr-Feiern zur Unabhängigkeit und dem 100. Jahrestages der Revolution zusammenfällt. Mal was ganz anderes: Die Briefe diktierte er zwischen Dezember 2010 und Januar 2011 mexikanischen Straßen-Schreibkräften auf der Plaza Santo Domingo in Mexico City, allerdings in Englisch, das die Schreiber nicht beherrschten. Die Texte sind daher eine phonetische Übertragung von Fujiwaras Worten. Der Wahrheitsgehalt, Aussagekraft, Sinn, alles steht in Frage... In den acht Briefen verknüpft Fujiwara seine Reflektionen über Mexiko, über Schönheit, Gewalt und Armut des Landes, mit tatsächlichen und fiktiven Biographien und schließlich mit Phantasien über eine sexuelle Revolution, die alle gesellschaftlichen Schichten vereinen würde. Dabei gibt es immer wieder ironische Verknüpfungen der eigenen Biographie mit realen Personen, wie dem ehemaligen mexikanischen Präsidenten Benito Juarez oder dem Milliardär Carlos Slim. Die Briefe enden ihrer­seits mit einer Revolution, indem die Schreiber, als sie erfahren, dass Fujiwara fließend spanisch spricht, sich weigern, länger für ihn zu arbeiten.
Vor der Kulisse schwerer Vorhänge in den Farben der mexikanischen Flagge, ergänzt Fujiwara seine Inszenierung durch Objekte, die ursprünglich aus Europa stammen und nun ihren Weg wieder nach Europa finden.

Simon Fujiwara (*1982 London, lebt und arbeitet in Berlin und Mexiko City) studierte Architektur in Cambridge sowie bildende Kunst an der Städelschule in Frankfurt am Main. Teilnehmer der 53. Biennale von Venedig (2009), der Manifesta 8 (2010), Preisträger des Cartier Award der Frieze Art Fair in London (2010). The Personal Effects of Theo Grünberg wurde 2010 auf der Biennale in Säo Paulo gezeigt.

Buchbesprechung: Eine kurze Geschichte der Unendlichkeit [oder lässt sie sich überhaupt erklären?]


Paolo Zellini
Eine kurze Geschichte der Unendlichkeit
Aus dem Italienischen von Enrico Heinemann
München 2010. 256 Seiten,  gebunden € 19,95[D], C.H. Beck Verlag


«Es gibt einen Begriff, der alle anderen zersetzt und verfälscht. Ich spreche nicht vom Bösen, das in der Ethik sein begrenztes Reich hat. Ich spreche vom Unendlichen.»    Jorge Luis Borges
«Eine kurze Geschichte der Unendlichkeit gehört zu den Büchern der letzten Jahre, die ich am häufigsten gelesen und wieder gelesen und über die ich am meisten nachgedacht habe.» Italo Calvino


Seit Urzeiten übt das Unendliche eine große Faszination auf die Menschen aus. Für einige bedeutet es Chaos und Terror. Andere sehen darin eine Manifestation Gottes. Für andere wiederum beschwört es das Bild endloser Leere herauf, die das menschliche Fassungsvermögen übersteigt. Gibt es einen Weg, Unendlichkeit zu bestimmen? Wie lässt sich das Unberechenbare beschreiben?


Was hat es auf sich mit Nirwana, dem Nichts? Ist alles Fülle oder Leere? Beseelt oder weites All ohne Gott? Gibt es eine mathematische Exaktheit im Leben? Widerspricht sich das nicht völlig? Kann man das Unendliche durch eine Zahl, ein Zeichen ausdrücken und so stehen lassen? Lässt es sich als strenge Logik bis hin ins All erfassen? Der Leser findet hier viele Ansätze sich auszutoben, den Sinn zu suchen, die Anstrengungen der Denker verfolgen, etwas erklären zu wollen, was sie nicht erklären können. 


Paolo Zellinis Darstellung erkundet alle Aspekte der Unendlichkeit; sie fasst die Einsichten von Philosophen, Künstlern, Mathematikern und Theologen der letzten zweieinhalb Jahrtausende zusammen, das Spektrum reicht von Aristoteles bis Gödel, von Thomas von Aquin bis Jörge Luis Borges. Worin besteht der Unterschied zwischen wahrer und falscher Unendlichkeit - und wie zeigt sie sich im Mythos von Sisyphus, der auf ewig dazu verdammt ist, seinen Stein den Berg hinaufzurollen? Wie lassen sich Zenons Paradoxa erklären? Meint «unendlich» «unbestimmt», und warum nannte Cantor seine unendlich großen Zahlen nicht «infinit», sondern «transfinit»?


Paolo Zellini, geb. 1946 in Triest, lehrt Mathematik an der römischen Universität Tor Vergata. 1980 wurde er mit dem Premio Viareggio ausgezeichnet. Seine kurze Geschichte der Unendlichkeit erlebte in Italien zahlreiche Auflagen und wurde auch ins Englische sowie ins Türkische und ins Spanische übersetzt.

Donnerstag, 29. März 2012

Nu´ fahr schon los! von Annette Kallweit


Mit einem Stoßseufzer von ganz weit unten lande ich auf dem Beifahrersitz, wühle planlos in meinen Taschen rum und frage den Typen neben mir, warum er denn nicht losfährt.
„Mädel, du musst mir schon sagen, wo du hin willst. Wir können aber auch gerne eine Weile hier stehen bleiben, bis du deine Zigaretten gefunden hast.“
Laufen meine Gedanken wie eine Leuchtschriftreklame über meine Stirn, oder woher weiß der Kerl jetzt, dass ich a) zu wenig gegessen und zu viel Bier getrunken habe und b) jetzt total gerne eine rauchen würde? 
Irgendwie ist der witzig. Sitzt da in einem Zottelmantel, der an die frühen 60er erinnert und seine langen Haare hängen ihm wirr ins Gesicht. Der Typ ist mir auf Anhieb sympathisch und glücklicherweise fällt mir meine Adresse wieder ein und dass man in einem Nichtrauchertaxi nicht rauchen sollte. Ich fühle mich an viele Monde vorher erinnert. Wilde Zeiten. Meine Freundin und ich zogen jedes Wochenende in diesen Club, feierten uns und unsere ganz frische Wieder-Versingelung und tanzten uns die Nächte bunt und die Seele aus dem Leib. 
Und jedes Wochenende wartete ein ganz bestimmter Taxifahrer auf mich. Warum er sich ausgerechnet für mich verantwortlich fühlte und ihm sehr daran gelegen war, mich sicher und auf schnellstem Wege nach Hause zu bringen, weiß ich bis heute nicht so richtig. Aber ich erinnere mich durchaus an das Gefühl von Sicherheit, das mir dieser Taximann vermittelte. Wir freundeten uns an. 
Saßen im Morgengrauen auf meinem Balkon mit den Ausmaßen einer Briefmarke, tranken schwarzen Kaffee und kochten zum Frühstück Spaghetti und gossen so viel Ketchup drüber, dass es im Prinzip nicht schmecken konnte. Tat es aber trotzdem. Und das nahezu ein Jahr lang, jedes Wochenende. Spaghetti zum Frühstück, danach endlich ins Bett. Und zwar allein. Der Taximann und ich waren lediglich Freunde. Und das war gut so. Der Typ da jetzt, der ist genauso.
Ich erzähle ihm von einem Ausraster, der so gar nicht zu meinem Naturell passt, von einem unschönen Streit und meinem kläglichen Versuch, mir die Wut zu den Klängen von Led Zeppelin aus dem Bauch zu tanzen. Er nickt nur. Und sagt irgendwann, dass ich mir zu viele Gedanken um die kranken Arschlöcher dieser Welt machen würde. Und dass ich mir jetzt endlich eine anstecken solle. Er hätte vor Kurzem das Rauchen aufgehört und würde so gerne fremdem Nikotin hinterher schnüffeln. 
Bisschen irre das alles. 
Bisschen irre alle beide. 
Fahrer und Gast.
Er fährt ganz langsam durch die Stadt und hat diese ganz bestimmte Achtsamkeit, die mich zur Ruhe kommen lässt. So ein Ruhepol-Mensch. Ein Freund der Nacht, völlig vorurteilsfrei und mit guten Gedanken.
Vor der Haustür angekommen, finde ich mein Geld nicht und erlebe diesen Peinlichkeitsmoment, der einen schlagartig wieder nüchtern werden lässt. Geduldig wartet der Taximann, bis ich Geld aus der Wohnung geholt habe, schickt mir einen Luftikuss hinterher und die besten Wünsche für eine erholsame Nacht.
Mit einem breiten Grinsen im Gesicht ziehe ich von dannen und finde zwei Sekunden später mein Geld in der Jackentasche wieder, in der ich es am wenigsten vermutet hätte.
Vorgestern dann ein völlig anderer Typ Taximann. 
Hört laut Radio und lässt einen Herrn Domian durch den Innenraum des Taxis schleimen. Unglaublich, was ich da höre. Öffentliche Psychotherapie und ein Gesprächsinhalt, der doch einfach nicht wahr sein konnte! Der Taximann macht lauter. Während sich bei mir die Fußnägel vor lauter Fremdschämen aufrollen, haut der Taximann mit einem Lachbrüller auf sein Lenkrad und erzählt mir, wie klasse er diesen Domian findet. Aha. Alles eine Sache der Perspektive, denke ich so.
Ist halt so etwas wie eine Telefonseelsorge. Nur dass ganz viele Menschen zuhören. Und vielleicht sogar was für sich selbst mitnehmen. Wer weiß das schon immer so genau. 
Als ich einem Freund von meinen ganzen Taxierlebnissen erzähle, sagt er: "Die Taximänner dieser niemals schlafenden Stadt, das sind die wahren Seelenklempner. Ohne die wäre hier jedes Wochenende Krieg." Und er erzählt mir von dem besten Song, den Marius Müller-Westernhagen je gesungen hat.
Gedankenverloren lausche ich der Musik, während ich das alles aufschreibe.
Und widme diesen Text allen wahren Seelenklempnern dieser Stadt!



© Annette Kallweit, Düsseldorf

Jacques Bistro in Wiebelskirchen - ein Abend mit dem Kabarettist Detlev Schönauer


Detlev Schönauer stand auf dem Programm. "Geist ist geil". Jacques Bistro, nunmehr 25 Jahre Bühnentradition, vorher 5 andere Bühnenjahre, und immer gibt es was zu tratschen. Ein Glück, dass unser Franzos auf Einladung der Neunkircher Kulturgesellschaft nach „Wiebelsdekirch“ kam, um uns zu erzählen, was wirklich mit ihm los war früher. Er hatte nämlich angeblich den Vorteil einer vollwertigen Erziehung in der Schule und sattelte auch noch ein Studium drauf. Ja, ein Physiker beim Kabarett, wie sie auch in der Politik mitmischen, das war noch Bildung. Nicht wie heute, wo sie stolz drauf sind, die Hauptschule abgebrochen zu haben. Nein, Jacques hat seine Diplomarbeit selbst verfasst! Wie die Kanzlerin. Nur dass Jacques noch nicht entdeckt wurde.

Ins Saarland nur verschlagen durch das Schicksal, das Gudrun hieß. Wir machen mal wieder Saarländisch-Kurs mit, das macht doch die Vanessa Backes schon! Aber wichtig: Hauptsach gut gess, gschafft ham mer schnell und ...dabber. Ja dabber ist das Wort des Tages. Es heißt schnell. Dabberlein ist der Minuitiv für die Beamten. Eigentlich fehlplatziert im Saarland, weil dabber nicht geht... Tja, und leider muss ja zu diesen Regionalismen auch die Palz und die Pälzer dazu. Unsere gemeinsame Grenze ist die zwischen Genie und Wahnsinn. Glück an dieser Stelle: Der Wahnsinn haust drüben, bei de Saarlänner. Aber zu Beginn wollte er noch glatt die Pfälzer rauswerfen. Dabei ist er Meenzer, der Detlev. Mit dem ersten geklauten Schwenker wurde er eingemeindet, und begann vor 25 Jahren in trauter Nähe zu Cattenom in St. Becquerel mit dem Café nucléaire. Heute alt, zum Glück ein bisschen dick, so sieht man das Alter weniger - Essen ist besser als Botox ;-)
Der Physiker in ihm und sein Kampf für die Bildung fragen ab, was schneller sei: der Schall oder die Lichtgeschwindigkeit. Na? Licht! 300.000 km/Sekunde ... Gegen diese Bildung steht eben die Dummheit in den Medien, wo Dumme froh sein können, noch Dümmere zu treffen, vor allem in den Nachmittagsprogrammen der Spartensendern. ... Oder im saarländischen Hochwald um Wadern das Vollafrikanisch, das keiner mehr versteht. Er meint, die Pfälzer ziehen die Dummheit auch irgendwie magisch an. Es waren ja auch ein paar da, im Saal. Wer war jetzt früher? Aber auch die Sachsen fallen auf, weil sie ihren Unterkiefer aushängen können, Bayern, weil sie auf Chinesinnen stehen, die sie umtauschen können, Schweizer bleiben eigentümlich und kantig ... und Hessen haben etwas Liebevolles in der Sprache: Streischholzschäschtelsche ...
Und weiter mit der Schul(un-)bildung, Mathe quer durchs Land. Ganz klar die Lyoner-Aufgabe im Saarland...wenn ich eine Lyoner zwischen vier Leuten aufteile, wie viel bleibt dann für die anderen übrig? Die Pfälzer kriegen ihre Aufgabe zum Nürburgring: Wie viele brauchen wir, bis der Staat pleite ist? Die Baden-Württemberger brauchen ihre Stuttgart21-Rechnung, die nicht aufgeht, weil keiner nach Ulm will, und München die Missbrauchsaufgabe... Mit wie vielen Priesterkindern kann die Austrittswelle wegen Kindesmissbrauch aufgefangen werden?
Als Willi aus Meenz zeigt er uns am Keyboard alles persiflierend die Karriere vom Fasenachtsmusiker zum Barmusiker (Je t'aime), Operationssaalmusiker, der auf Wunsch Lieder spielt, danach zum Kirchenmusiker mit Ave-Maria, und schließlich das Nonplusultra: Trauerfeiermusiker. Und besser geht es nicht. Er hat die Leichenims(-feiern) zum Fest umgestaltet, die Menschen freuen sich und gehen beschwingt nach Hause. Vergessen der Tod, auch wenn wir Menschen außer auf dem Klo auch beim Sterben gleich sind, wobei dieses eigentlich berufeabhängig stattfindet. Der ein geht auf wie ein Hefebrötchen, der andere unter etc. ... Als Backes liefert er uns noch einen Sketch zur Landtagswahl im Saarland, das nach der gescheiterten Jamaicakoalition am 25.3. wieder antreten musste: Schönauer thematisierte die Vergeblichkeit der Wahl, es geht eh immer anders, als man will, ob Oskar, der heute noch seinen Schülerausweis vorzeigen muss, Karrenbauer mit ihrer viereckigen Brille, die eigentlich nur zur Putzfrau und zum Erschreckgeist im Gondwana-Land taugt, oder die anderen Herausforderer, es ändert sich nicht viel. Über all dem Drama die Merkel mit ihren künstlich verlängerten Mundwinkeln nach unten als Symbol für das Elend auf der Welt!
So entließ uns Schönauer in den Abend. Er hatte viele Klischees bemüht, aber geschickt individuell drapiert, sein Witz ist selten verletzend, er setzt immer eine Abschwächung dazu, damit sich niemand ärgern muss und um Vorurteile abzuwehren. Er bleibt charmant, philosophisch und musikalisch wie kabarettistisch abwechslungsreich. Ein Könner, der seine Kabarettpreise verdient hat. 

Mittwoch, 28. März 2012

Heute Abend: Mörderisches Abendessen mit Madeleine Giese im MAX


28. März 2012, 20 Uhr im MAX, Winnweiler

"ERLESENE ZWISCHENGÄNGE" - WEIN, WEIB, MORD - Lesung mit Madeleine Giese

Madeleine Giese, mit dem Handicap der gebürtigen Saarländerin belastet, war zunächst als Schauspielerin auf den weltbewegenden Brettern unterwegs. Nach zwanzig Jahren erfolgreicher Bühnentode beschloss sie, den Spieß umzudrehen und den Mord zu ihrem Geschäft zu machen. Ihr fünfter Krimi NACHTVOGELFLUG erschien letztes Jahr beim Aufbau-Verlag. Seit zehn Jahren lebt sie in Kaiserslautern und treibt als Saarländerin, Schauspielerin und Autorin ihr Unwesen in der Pfalz.
Begleitet wird sie vom Gitarristen Gavin West
Weitere Informationen zur Künstlerin:
www.furch-giese.de
                                                     Eintritt: VVK 12.- / AK 14.-

Dichterhain: FRÜHLING II von Heidi Huber


St. Michaelsburg, Alte Propstei auf dem Remigiusberg/Haschbach
Frühling II

Nach langer
Hauses Hut
ins Flaumhell
übers Wiesenweit
Unter die Arme
greift der Wind

© Heidi Huber (*1945) 

Alles Gute zum Geburtstag, Heidi!

Buchbesprechung: Unsere schönste Trennung

David Foenkinos
Unsere schönste Trennung  
Roman
Aus dem Französischen von Christian Kolb   
München 2010. 192 Seiten
Gebunden € 17,95[D] , C.H.Beck Verlag 
 
Nichts ist skurriler und zugleich beglückender als die Annäherung zwischen Verliebten. Zum Beispiel zwischen Fritz, der, charmant, aber ungeschickt, sein Leben nur mithilfe von Büchern bewältigt, und der charakterstarken Alice, einer zielstrebigen, zukünftigen Deutschlehrerin aus gutem Hause. Ihre Liebe funktioniert über Wörter, sie finden und verfehlen sich durch die Sprache und durch den Irrwitz der absurdesten Situationen. Da wäre zum Beispiel das Essen bei ihrer Familie, das völlig aus dem Ruder läuft, nachdem sich der konservative Vater in wüsten Beschimpfungen auf Obdachlose, Aidskranke und Drogensüchtige ergeht und Fritz bei der unvermeidlichen Frage nach der ersten Begegnung der Liebenden bemerkt, er hätte Alice in einem Swingerclub kennengelernt. Sie lieben sich sehr, aber jedes Mal, wenn sie kurz davor sind, für immer zusammenzuleben, trennen sie sich. Bis sie sich wiederfinden. Sie schaffen es bis zur Hochzeit, aber dann lässt sie ein übler Schicksalsschlag aufgeben. Für immer. Aber nein, zehn Jahre später geht es wieder weiter.
 
David Foenkinos, 1974 geboren, Schriftsteller und Drehbuchautor, studierte Literatur­wissenschaften an der Sorbonne und Jazz am CIM. Unsere schönste Trennung ist bereits sein siebter Roman. Für Das erotische Potential meiner Frau (C.H.Beck 2005) erhielt er den Prix Roger Nimier. Seine Werke erscheinen inzwischen in über 15 Ländern und wurden bereits für alle wichtigen französischen Literaturpreise nominiert, für den Prix Femina, den Prix Medicis, den Prix Renaudot und den Prix Goncourt.
 
Christian Kolb, 1970 geboren, studierte französische Literatur und Filmwissenschaft in Berlin und Paris. Neben Foenkinos' Vorgängerroman Größter anzunehmender Glücksfall (C.H.Beck 2006) übersetzte er von Nicolas Fargues Die Rolle meines Lebens. Er lebt in Berlin.

Dienstag, 27. März 2012

DER GEDANKENSPIELER (01). Ein Fortsetzungsroman von Marco Meissner


Der Gedankenspieler (01)

Der Wind fegte die letzten Blätter von den Bäumen. Kalt, ja bitter kalt knallte er ins Gesicht. Die Welt lag da im grauweißen Antlitz eines Novembermorgens. Wie lang er schon durch den Park schlich wusste er nicht mehr. Immer wieder der Griff in die Jackentasche. Mit zittrigen Fingern zog er sein Handy hervor. Wieder keine Nachricht von ihr. Ein weiters Mal durchforstete er ihre letzten Mitteilungen. Wieder einmal suchte er jede einzelne Nachricht nach einem Zeichen ab.
„Ich bin am Wochenende wieder in der Gegend. Ich melde mich wenn ich da bin. Dann können wir was machen!“ Wieder und wieder las er die Zeilen und konnte doch nichts erkennen.
Wie bunt ist doch die Welt im Sommer. Wie kalt und blass im Winter. Äußerlich hatte sich nichts verändert. Doch in seinem Inneren drängte sich Leere an den Platz, an dem sich einst Fröhlichkeit befunden hatte. Wie ein Ballon, der die Welt mit seiner Farbe erfreut. Doch innen nichts als abgestandene Luft beheimatet.
Er hasste den Herbst, und noch viel mehr hasste er den Winter. Für sie gab es keine schlechte Jahreszeit. Sie konnte jeder Witterung etwas abtrotzen. Und je mehr er ihr zugehört hatte, umso mehr glaubte er auch daran.
„Die Bäume tragen so ein schönes Blätterkleid im Herbst.“
„Der Schnee knistert so schön unter den Schuhen, und die Welt ist einfach nur still.“
Egal wie abgedroschen ihre Worte klangen. Bei jedem Anderen hätte er alles nur als Durchhalteparolen und Selbstverlogenheit gewertet. Doch n i c h t  bei Jenny. In ihrer Stimme klang Ehrlichkeit. Aufrichtigkeit in jedem schönen Laut, den sie von sich gab.
Ein Eichhörnchen huschte über den Weg. Es tat sich unheimlich schwer dabei, da der Tannenzapfen, den es trug, einfach viel zu groß und schwer war für dieses zierliche Geschöpf. In den Pfützen spielte der Regen vorsichtig mit der Wasseroberfläche. Es begann zu nieseln. Immer wieder redete sich Alexander ein, dass doch eigentlich nichts geschehen sei, und sein logischer Verstand klatschte dabei rhythmisch und euphorisch in die Hände. Doch das taube Gefühl, das vom Kopf in all seine Gliedmaßen gekrochen war, versuchte erst gar nicht seinen Körper zu verlassen.
Er musste auf andere Gedanken kommen. Trotzig steckte er sich seine Ohrstöpsel in die Ohren und drehte den MP3-Player voll auf.

„Sometimes I feel like I don´t have a partner
Sometimes I feel like my only friend
Is the city I live in, the city of angels
Lonely as I am, together we cry.”

Die Worte trafen ihn wie Donnerschläge. Tausende Male hatte er diesen Song gehört. Ihn auf tausend Autofahrten lauthals mitgesungen. Doch erst heute, an diesem kalten, diesigen Novembertag erkannte er seinen Sinn.
Er versetzte sich zurück in die Stadt der Engel. Spürte noch einmal den warmen Hauch der kalifornischen Herbstsonne auf seiner Haut. Doch allem Anschein nach hatten die Engel ihre schützenden Hände von ihm genommen und so fiel er halt- und widerstandslos ohne jemals den Boden zu berühren.


To be continued....
©Marco Meissner, Gladbeck
mmmarcomeissner@googlemail.com

Alle Personen und Handlungen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit realen Personen oder Handlungen sind rein zufällig und ganz und gar unbeabsichtigt.