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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Dichterhain, Bände 5 bis 8

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Dienstag, 15. November 2016

Integration: Gegensätzliche Rollenzuweisungen und überforderte Flüchtlinge

Ramadan Ali spielt mit den Erwartungsklischees
an geflüchtete KünstlerInnen | © Ramadan Ali
Kunst gemeinsam definieren

(Gernot Wolfram , Mafalda Sandrini) Viele geflüchtete KünstlerInnen werden derzeit gemeinsam mit Laien auf Bühnen gestellt, ohne dass es immer einen ausreichenden Wissenstransfer zwischen Ideen, Rollenerwartungen und sinnvollen Beteiligungsformen gibt. Der vorliegende Beitrag analysiert das Problem und stellt Ansätze vor, wie es anders gehen kann.

Nach den emotional aufgeladenen Monaten samt ihren medial omnipräsenten Diskussionen über den Zuzug von Geflüchteten nach Deutschland ist es im Moment etwas ruhiger geworden um die Frage nach dem angemessenen Umgang mit Geflüchteten. Im Kulturbereich wird indes langsam deutlich, dass kurzfristige Maßnahmen wie die Integration von Geflüchteten in Theaterstücke, Opernaufführungen und Performances keine dauerhafte Lösung sind, um sich hier angemessen zu beteiligen. Obgleich ein geradezu inflationäres Zur-Schau-Stellen der Flüchtlingsthematik im Moment den kulturellen Raum bestimmt.

Geflüchtete als Mode-Thema in der Kultur und im Kulturbetrieb

Nach den Mühen der Gebirge kommen aber bekanntlich die Mühen der Ebenen. Besonders deutlich wird das bei der Frage, welche künstlerischen Formen, Konzepte und ästhetischen Bezüge in den Mittelpunkt rücken sollen. Bislang zeigen sich zwei Tendenzen: Integration von Laien und KünstlerInnen aus den Flüchtlingscommunities ins hiesige Kulturleben und in westliche Produktionsformate. Oder die Konzentration auf die Darstellung von häufig arabisch geprägten Kulturformen, präsentiert von geflüchteten KünstlerInnen. Beides ist nur selten befriedigend, weil es der neuen besonderen Situation nicht gerecht wird.

Der Wunsch vieler Geflüchteter besteht darin, sich in der deutschen Gesellschaft lernend und selbstagierend einzubringen. Nicht als Geflüchtete, sondern als Menschen mit Kompetenzen, Ideen und Fähigkeiten. Das betrifft natürlich auch KünstlerInnen. Der syrische Schauspieler und Musiker Ramadan Ali, Mitglied im von den Autoren dieses Artikels gegründeten Vereins „Board of Participation“, betont etwa in einer aktuellen Publikation: „Ich bin ein Schauspieler, der auch ein Flüchtling ist, aber kein Flüchtling, der ein Schauspieler werden will.“ (Wolfram/ Sandrini 2016)

Ein Standpunkt, der verdeutlicht, dass die „Flüchtlingsthematik“ kein Thema ist, auf das man eine künstlerische Identität aufbauen kann. Das bedeutet auch, eine strukturelle Lösung zu finden, wie man in Zukunft künstlerische Positionen von Geflüchteten nicht nur projektweise einbinden, sondern auch in Kulturbetrieben verankern kann, wie es beispielsweise Patrick Föhl vorgeschlagen hat.

Künstlerische Qualität gemeinsam definieren

Ramadan Ali hat es unter dem Künstlernamen Ramo geschafft, an zahlreichen deutschen Theatern und für einige ZDF-Produktionen engagiert zu werden. Er sieht eine Schwierigkeit darin, wie viele andere KünstlerInnen auch, dass beim Thema Flüchtlinge keine ausreichende künstlerische Qualitätsdiskussion stattfindet. Häufig, so meint er, reicht es, den Flüchtlingsstatus zu haben, um für Kulturproduktionen interessant zu sein. Längerfristig müsse es aber darum gehen, künstlerische Qualität in den Mittelpunkt zu rücken sowie Fragen des gegenseitigen Austausches und Lernens. Oder eben darum, Ansätze einer wirklichen Beteiligung von Menschen und ihren Wünschen nach kultureller Partizipation zu entwickeln.

Dabei zeigt sich aktuell auch in anderen künstlerischen Bereichen ein Umdenken, bei dem es um die Frage geht, welche Möglichkeiten eines transkulturellen Austausches (vgl. Wolfram 2012) die aktuelle Flüchtlingssituation für den Kulturbereich bereithält. An der Berliner Kunsthochschule in Weißensee wurde etwa ein Projekt für Design und Kunst studierende Geflüchtete und AsylbewerberInnen ins Leben gerufen, das sich mit der (Wieder-)Herstellung von Kunstmappen beschäftigt. Die Kurse der *foundationClass vermitteln die Grundlagen für eine Bewerbung an einer deutschsprachigen Kunsthochschule.

Ziel ist eine Auseinandersetzung mit dem künstlerischen Material der Vergangenheit und genuinen künstlerischen Positionen, die freilich auch dazu führen werden, dass andere ästhetische Werte und Normen in den häufig sehr westlich dominierten Kunstbetrieb Einzug halten. Gegenseitiges Lernen und transkulturelle Diskursivität rücken ins Zentrum. Hier wird die Zukunft zeigen, wie stark auch andere Akteure aus Deutschland und anderen Ländern in diesen Prozess eingebunden werden. Und ob diese Maßnahmen zu Diskursfeldern führen, die eben nicht nur Geflüchtete betreffen.

Neue Ansätze einer gemeinsamen Arbeitsweise

Das Forschungsprojekt „The Moving Network“ der Hochschule Macromedia Berlin hat innerhalb dieses Wandels ein Projekt initiiert, das, auf Basis von 90 Interviews mit Geflüchteten, vor allem Multiplikatoren aus den Flüchtlingscommunities im Bereich der Kulturellen Bildung Raum für die Artikulation eigener Positionen fördert. Geflüchtete werden dazu ausgebildet, selbstständig Kurse zu Themen der Kulturellen Bildung und der Medienbildung in- und außerhalb der Flüchtlingsheime abzuhalten. Voraussetzung ist ein inhaltlicher Bezug, Studium, Ausbildung oder intensives Interesse für dieses Feld. Dafür erhalten sie ein Zertifikat, das ihnen die Lehrerfahrung in Deutschland bestätigt. Zudem berichten sie über Lehrerfahrungen, aber auch Kursinhalte bei öffentlichen Veranstaltungen und geben das Konzept des Selbstunterrichtens an andere weiter.

Die ersten Kurse sind erfolgreich evaluiert worden und zeigen, dass viele Geflüchtete andere Wünsche, Erwartungen und Meinungen innerhalb solcher Kurse artikulieren als in Gegenwart etwa von deutschen IntegrationslehrerInnen. Das betrifft auch die Wünsche nach kultureller Teilhabe. Deutlich wird hierbei, dass MultiplikatorInnen vor allem als kulturelle ÜbersetzerInnen wirken, dass sie differenziert auf unterschiedliche ethnische, religiöse, aber auch kulturbezogene Normen und Werte eingehen.

Die Auswertungen der Forschungsergebnisse zeigen, dass viele Geflüchtete sich mit einer Überkomplexität an Erwartungen von deutscher Seite konfrontiert sehen, die häufig mit dem Gefühl einer Überforderung einhergehen. Gleichzeitig gibt es den Eindruck, Menschen zweiter Klasse zu sein, die als „Material“ gebraucht und benutzt werden. Noch einmal eine Aussage des syrischen Schauspielers Ramadan Ali.

„Die Hilfsbereitschaft in Deutschland ist sehr groß, aber wenn ich Einladungen erhalte, bei denen ich merke, dass mit meiner Geschichte bestimmte Ziele erreicht werden sollen oder Geld eingeworben wird, sage ich ab. Das hat ja dann mit mir als Künstler nichts zu tun.“ (Wolfram/ Sandrini 2016) Die Präsenz als Lehrer in der Kulturellen Bildung und der Medienbildung kann also eine strukturelle Maßnahme sein, hier eigene Standpunkte längerfristig zu formulieren.

Schließt der Qualitätsdiskurs Menschen aus?

Künstlerische Qualität in den Mittelpunkt zu rücken, setzt freilich voraus, sich darüber zu verständigen, wie man diese definiert. Hierin liegt die große Herausforderung für deutsche Kulturbetriebe. Besteht die Bereitschaft, sich auf möglicherweise stärker emotional orientierte Diskurse über Kunst und Poesie einzulassen? Unser Verständnis von Kunst überhaupt in Frage zu stellen? Ist ausreichend Interesse für neue ästhetische Diskurse vorhanden, die bei deutschsprachigen RezipientInnen zunächst Lernschritte voraussetzen? Gibt es eine Offenheit dafür, Multiplikatoren einzusetzen, die zwischen dem vertrauten und dem neuen Publikum vermitteln können?

Das gilt freilich nicht nur für den Kulturbetrieb, sondern gesamtgesellschaftlich. Es geht daher nicht darum, hier nur die „besonders guten“ KünstlerInnen herauszupicken, sondern um Formen der Beteiligung, bei der man eben auch sagen kann, in einem gemeinsamem Raum, was man künstlerisch spannend findet und was nicht. Hierbei sollen nicht nur KünstlerInnen angesprochen werden, sondern alle, die sich für das Feld interessieren. Nur eben nicht unter dem Schirm von erweiterter Sozialarbeit. Das schließt langfristig viel mehr Menschen aus. Denn was passiert mit den vielen Laien, die gerade in Stücken, Performances und auf Konferenzen auftreten, wenn die Aufmerksamkeit vorbei ist? Wohin können sie sich entwickeln, wenn es keine Idee gibt, was kulturelle Teilhabe für ihr Leben eigentlich meint. (vgl. Borwick 2012)

Nicht die große Lösung verbunden mit der überladenen Vokabel Integration steht hier zur Debatte, sondern eine Auseinandersetzung über den Transfer von Wissen, Verständigung über Erwartungen auf beiden Seiten, Kritikfähigkeit und Realismus. Gerade die Kultur kann und muss keine Lösungen bieten, wohl aber Wege aufzeigen, welche Formen der Wahrnehmung und sensiblen Kommunikation zwischen häufig nur scheinbar Fremden stattfinden können.

Spezifisches Wissen fehlt häufig auf beiden Seiten

Viele Kulturprojekte, die im Moment mit Geflüchteten arbeiten, bringen oft relativ wenig Wissen über die Besonderheiten der Herkunftskulturen von Geflüchteten mit. Auf beiden Seiten. Das ist nichts Ungewöhnliches, bedeutet jedoch, dass transkulturelles Kulturmanagement hier eine Rolle spielen kann und sollte. Anders als beim „postmigrantischen Theater“, wo bereits im Titel der Bezug zur Herkunft und Migrationserfahrung immer wieder betont wird, ließe sich bei einem transkulturellen Arbeitsansatz der Herkunftsdiskurs überwinden sobald gemeinsame Themen identifiziert werden können wie das etwa im Berliner Refugio Sharehouse oder beim Multaka-Projekt des Vorderasiatischen Museums Berlin bereits geschieht.

Hier geht es vor allem um Fragen von neuen Perspektiven und einer Diversität von Stimmen, die immer auch in Bezug auf die deutsche Seite gedacht werden. Viele Geflüchtete sind sehr daran interessiert, die Kultur ihres Ankunftslandes kennen zu lernen, sich an ihr zu beteiligen und Austausch aktiv zu leben. Das kann aber nur geschehen, sofern es keine Agenda gibt, auch hinsichtlich der Einwerbung von Fördermitteln, bei der Geflüchtete einfach als partizipatives „Thema“ gesetzt werden. Flucht ist als Thema so vielschichtig und komplex, dass es notwendig ist, klare Differenzierungen vorzunehmen, besonders wenn ein künstlerischer Zugang gewählt wird. Erst hier wird sich erweisen, wie ernst es der deutschen Gesellschaft mit der Situation ist.

Die bisherigen kulturtheoretischen Diskurse, die immer stärker in vielen Bereichen auf Spezialisierung im Kontext einer westlichen Interpretationsgeschichte setzen, werden sich die Frage stellen lassen müssen, ob sie sich auf andere Interpretationen, Zugänge und Texte einstellen werden? Die moderne arabische Kultur hat in ihren widerständigen Subkulturen viele Fragestellungen entwickelt, die erhellende Parallelen zur westlichen Ideengeschichte bilden, aber doch verschieden von ihr sind.

Es geht nicht darum, diese einfach zu übernehmen, aber als Einwurf, Anregung, Impuls könnten sie zu einer Situation führen, in denen wir mehr künstlerische Multiplikatoren in Deutschland hätten und weniger gutgemeinte solidarische Konzepte, die aus Fürsorge und Engagement auf eine längerfristige Qualitätsdiskussion verzichten. Die Forschungsergebnisse des „Moving Network Projektes“ zeigen jedenfalls, dass der Weg hin zum Empowerment von künstlerischen und kulturmanagerialen Multiplikatoren ein lohnenswerter sein kann.

Wolfram, Gernot; Sandrini, Mafalda; Tabakovic, Alen (2016) (Ed.): Teachers for Life. Empowering refugees to teach and to share knowledge. Berlin: Board of Participation Publishing (PDF: 14,5 MB)

Montag, 14. November 2016

Jetzt im Kino: Egon Schiele

Filmplakat




Egon Schiele
(Österreich, Luxemburg)
ab 17. November 2016
1:49 h
Regie: Dieter Berner
Mit Noah Saavedra, Maresi Riegner, Valerie Pachner

Der junge Egon Schiele (Noah Saavedra) gehört im Wien am Anfang des 20. Jahrhunderts zu den Künstlern, über die am meisten diskutiert wird. Seine originellen, expressionistischen, erotischen Werke bieten reichlich Gesprächsstoff. Inspiriert wird Egon von schönen Frauen wie seiner Schwester Gerti Schiele (Maresi Riegner), die für ihn Modell steht. Doch zu ihrem Bedauern bleibt sie nicht die einzige Muse ihres Bruders: Mehr und mehr Mädchen lassen sich von ihm malen, unter ihnen die rothaarige Wally Neuzil (Valerie Pachner), die Egon von seinem Künstlerfreund Gustav Klimt (Cornelius Obonya) vorgestellt wird. Sie und Egon verlieben sich, beginnen eine Beziehung, deren Leidenschaft den Künstler zu neuen Großtaten veranlasst. Sein Gemälde „Tod und Mädchen“ ist der unsterbliche Ausdruck einer stürmischen Liebe …
Egon und Gerti Schiele


















TRIKONT: Bayrischer Irrsinn steuert auf Weihnachten zu





Nachdem Sie jetzt ein ganzes Jahr den Irrsinn, den bayerischen, hören und genießen konnten, geht es nun bei TRIKONT weiter in der Serie STIMMEN BAYERNS (dieser einzigartigen Enzyklopädie der bayerischen Seele) mit Gedichten, Kurzgeschichten, Essays, Musik, Songs und Sketchen, Radiofeatures, Soundcollagen, Film-Tonspuren und O-Tönen. 

Nach "Die Liebe - Der Tod -  Der Rausch – Die Freiheit - Der Irrsinn" nun also HIMMEL & HÖLLE.

Herausgeber:  Eva Mair-Holmes. Andreas Koll. Achim Bergmann. 

Ab 2.Dezember 2016



Jacques Stotzem on Tour



Hallo an alle,
Nächste Woche bin ich in Süddeutschland unterwegs, und zwar am Freitag, 18. November im Musikantebuckl in Oberotterbach und am Samstag, 19. November im Schütte-Keller in Bühl.
Alle Infos auf www.stotzem.com 
Bis bald
Jacques Stotzem

Sonntag, 13. November 2016

Berlin: And-Ek Ghes / Eines Tages - Film und Diskussion (Roma in Berlin)

And-Ek Ghes & hellip (Filmstill) | © Promo
Fr, 18.11.2016 20h
Eines Tages

TAK Theater im Aufbau Haus, Berlin
Eintritt frei
Deutsch und Rumänisch mit Übersetzung, Film: OmU





Filmscreening und Diskussion mit den Regisseuren Philip Scheffner und Colorado Velcu, der Kuratorin Nanna Heidenreich und der Autorin und Übersetzerin Eva Ruth Wemme

Colorado Velcu zieht mit seinen sieben Kindern aus dem rumänischen Fata Luncii nach Berlin. In dem Film And-Ek Ghes… (D 2016, 94 min, OmU) wird er zum Regisseur seiner Geschichte. Filmemacher Philip Scheffners Vorhaben, die Ankunft der Velcus zu dokumentieren, verwandelt sich in ein ausgelassenes Familienprojekt: Kameras wandern von Hand zu Hand, die Blickwinkel vervielfältigen sich.

And-Ek Ghes… verhandelt das Recht auf die eigene Geschichte, die Kunst des Erzählens. Der Film porträtiert das Ankommen, den Alltag und die Organisationsweisen einer Familie, die über viele Grenzen verteilt lebt. Systematische Ausgrenzung und Existenzängste bestimmen diesen Alltag ebenso wie Humor und Zusammenhalt. Die Reflexion über das filmische Verfahren ist stets Teil der Inszenierung, die Grenzen zwischen Dokumentierenden und Dokumentiertem verschwimmen. Durch diese kollaborative Arbeitsweise entsteht auch der Titelsong And-Ek Ghes… (dt.: Eines Tages) mitsamt Musikvideo, das eine fiktionale Bollywood-Version Berlins imaginiert.

Über die Aufnahme und das Aufnehmen von Geschichten, über neue und alte Fäden und deren Verknüpfungen diskutieren die beiden Regisseure im Anschluss an das Screening mit Nanna Heidenreich, Kuratorin der Reihe Tonspuren, und Eva Ruth Wemme, Übersetzerin und Autorin des Buchs Meine 7000 Nachbarn, das von ihren Begegnungen mit rumänischen Roma in Berlin erzählt.

Samstag, 12. November 2016

Fantasien zur Nacht (Video): Sage & S&M



Sage & S&M

Am Donnerstag in der Oper Frankfurt: HAPPY NEW EARS - PORTRAITKONZERT MIT DEM ENSEMBLE MODERN

Georges Aperghis     (c) Xavier Lambours


Donnerstag, den 17. November 2016, 
um 20.00 Uhr 
im Opernhaus

HAPPY NEW EARS -
PORTRAITKONZERT MIT DEM ENSEMBLE MODERN

Der griechische Komponist Georges Aperghis, dem dieses Portraitkonzert mit dem Ensemble Modern gewidmet ist, wurde 1945 in Athen geboren und lebt seit 1963 in Paris. Sein Werk kreist vor allem um eine Hinterfragung von Sprache und Bedeutung. Seine Instrumental-, Vokal- und Musiktheater-Kompositionen erforschen die Grenzen der Wahrnehmung.

Ensemble Modern  (c) Katrin Schilling
Er liebt es, "falsche Fährten" zu legen und den Zuhörer damit zu fesseln: Geschichten werden begonnen, um ihnen dann zu widersprechen oder sie einfach abzubrechen. Das Schaffen von Georges Aperghis lässt sich keiner der herrschenden Strömungen in der zeitgenössischen Musik zuordnen. Seine Musik steht im Dialog mit anderen Kunstformen; sie öffnet sich radikal dem Anderen. Zu dieser Andersartigkeit gesellt sich Innovation, wenn er in seine Aufführungen Maschinen, Automaten oder Roboter integriert. Dabei arbeitet Aperghis eng mit einer Gruppe von Interpreten zusammen, die am Schaffensprozess beteiligt sind. Dazu gehören Schauspieler wie seine Frau Edith Scob, Michael Lonsdale, Valerie Dreville und Jos Houben, Instrumentalisten wie Jean-Pierre Drouet, Richard Dubelski, Genevieve Strosser, Nicolas Hodges und Uli Fussenegger oder Vokalsolisten wie Martine Viard, Donatienne Michel-Dansac und Lionel Peintre. Seit den 1990er Jahren kommt die Zusammenarbeit mit dem Tanz (Johanne Saunier, Anne Teresa De Keersmaeker) und mit den bildenden Künsten (Daniel Levy, Kurt D'Haeseleer, Hans Op de Beeck) hinzu. Mit den führenden Ensembles fur Neue Musik in Europa pflegt Aperghis einen regelmäßigen Austausch und ist immer wieder auch mit Auftragswerken in deren Repertoire vertreten, so mit den Ensembles Ictus, Klangforum Wien, Remix, MusikFabrik, Ensemble Modern, Ensemble Intercontemporain oder auch mit den Vokalsolisten und dem Chor des SWR. Neben zahlreichen anderen Preisen wurde Georges Aperghis kurzlich mit dem Mauricio Kagel-Preis (2011) sowie mit dem Goldenen Löwen der Biennale Venedig (2015, fur das Lebenswerk) ausgezeichnet.

Ensemble Modern  (c) Katrin Schilling
Drei Werke von Georges Aperghis stehen auf dem Programm: Babil - für Klarinette und 15 Musiker (1996), Parlando - für Kontrabass solo (2007) und Champ-Contrechamp - für Klavier und Ensemble (2010). Die musikalische Leitung des Ensemble Modern hat der argentinische Dirigent und Komponist Emilio Pomarico, zu den Solisten zahlen Jaan Bossier (Klarinette), Paul Cannon (Kontrabass) und Ueli Wiget (Klavier). Das Gespräch mit dem Komponisten moderiert der Intendant der Kölner Philharmonie, Louwrens Langevoort.

Karten zum Preis von 15 und 20€ (fur Studenten 7,50 und 10€ - 12,5% Vorverkaufsgebuhr nur im externen Vorverkauf) sind bei den üblichen Vorverkaufsstellen, online unter www.oper-frankfurt.de oder im Telefonischen Vorverkauf 069 . 212 49 49 4 erhältlich.

Weitere Happy New Ears-Termine der Saison 2016/17:
Montag, 12. Dezember 2016, um 20.00 Uhr im Opernhaus Portrait Hans Zender
Montag, 27. Februar 2017, um 20.00 Uhr im Holzfoyer Portrait Rebecca Saunders
Mittwoch, 21. Juni 2017, um 20.00 Uhr im Opernhaus Portrait Ernst Krenek

Freitag, 11. November 2016

Fantasien zur Nacht (Video): In The Train



In the Train

Im Kino: DIE ÖKONOMIE DER LIEBE


DIE ÖKONOMIE DER LIEBE

Belgien, Frankreich 2016 1:41h
Regie: Joachim Lafosse
Mit Bérénice Bejo, Cédric Kahn, Marthe Keller


Marie (Bérénice Bejo) und Boris (Cédric Kahn) sind seit 15 Jahren verheiratet und haben zwei Kinder, die Zwillingsmädchen Jade und Margaux (Jade und Margaux Soentjens). Doch von ihrer Liebe ist nach all diesen Jahren nicht mehr viel übrig, im gemeinsamen Heim herrschen Alltagsstress und Entfremdung vor. Das Paar reicht die Scheidung ein und so schnell wie möglich soll auch eine räumliche Trennung her, was sich jedoch als nicht ganz einfach erweist, denn Marie hat ihre finanziellen Mittel in das Eigenheim gesteckt und Boris verdient nicht genug, um sich eine eigene Wohnung zu leisten. Also zieht er auf das Sofa im Wohnzimmer und Marie und er müssen einen Weg finden, wie sie trotz unterschriebener Scheidungspapiere weiterhin gemeinsam unter einem Dach leben können, ohne sich völlig aufzureiben.

Aus einer gescheiterten Liebe entwickelt sich ein realistisches Trennungsdrama, in dem es weder Gewinner noch Verlierer gibt. Letztlich geht es jedoch, wie immer, gar nicht ums Rechthaben, sondern darum, wie zwei Menschen aus ihrer Liebe wieder herauskommen, ohne daran zugrundezugehen. Ein Psycho-Kammerspiel vom Feinsten. Ganz großes Arthousekino!







Donnerstag, 10. November 2016

Morgen Abend in Heidelberg: Archie Shepp's Tribute to John Coltrane (Enjoy Jazz 2016)

Stadthalle Heidelberg

(c) Martin Sarrazac
Archie Shepp's Tribute to John Coltrane
Land: USA


Beginn: 20:00
Einlass: 19:00



VVK: 54 / 48 / 42 / 36 / 28 / 22 € zzgl. Geb
AK: 60 / 53 / 47 / 41 / 32 / 27 €

Tickets kaufen


Besetzung:
Amir ElSaffar: tp
Archie Shepp : sax
Jason Moran: p
Nasheet Waits: dr
Reggie Workman: kb




Am 23. September 2016 wäre John Coltrane 90 Jahre alt geworden. Grund genug, seine Musik zum Finale des Festivals mit einem »Tribute« zu ehren. Wem stünde dies mehr zu als demjenigen, dem Coltrane als Mentor 1964 einen Vertrag bei „impulse!“ besorgte und sich dafür mit dem Album-Klassiker „Four For Trane“ und damit einer Verbeugung vor „Giant Steps“ bedankte? Archie Shepp, der nicht nur musikalisch, sondern auch gesellschaftspolitisch in die Fußstapfen Coltranes tritt, wird hierfür mit einer eigens zusammengestellten Band auf die Bühne gehen. Beiden Musikern ist gemein, dass sie nicht allein durch ihre Musik, sondern auch durch die Musiker, die sie an ihre Seite holen, Kulturen ineinanderfließen lassen. Schon damals war der Bassist Reggie Workman an der Seite von Shepp zu hören, ebenso wie in den frühen 60ern auch an der Seite Coltranes. Zu den Giganten Shepp und Workman gesellen sich an diesem Abend mit Jason Moran, Nasheet Waits und Amir ElSaffar drei Hoffnungsträger des zeitgenössischen Jazz. Die Karten für ein entsprechend kreatives »Tribute« sind also bestens gemischt, zumal Archie Shepp früh erkannt hat: „Nur Coltrane konnte wie Coltrane klingen!“

Heute Abend in Heidelberg: Julia Holter

(c) Tonje Thilesen
Karlstorbahnhof Heidelberg

Julia Holter
Do 10.11.2016
Land: USA

VVK: 24 € zzgl. Geb
AK: 29 €

Beginn: 21:00
Einlass: 20:00

Tickets kaufen


Besetzung:
Julia Holter: voc, keys
Devin Hoff: kb
Deanna Maccabe: v, voc
Corey Fogel: dr


Kein ernstzunehmender Musik-Poll kam Ende 2015 noch an Julia Holter und ihrem geradezu magischen Album „Have You In My Wilderness“ vorbei! Mit erstaunlich wenigen, aber stets folgerichtigen Schritten hat sich die Kalifornierin seit ihrem Debütalbum „Tragedy“ (2011) von Low Key-High Concept-Kunst in Richtung songorientiertem, catchy Dream Pop bewegt. Vom geheimen Geheimtipp einer Off-Szene hin zum international gefeierten Liebling aller undogmatischen und neugierigen Musikconnaisseure. Nach dem Abschluss in Elektronischer Musik am California Institute of the Arts gingen bei der hoch gebildeten und sehr belesenen Musikerin die Reduktion des Konzeptuellen einher mit der Erhöhung der Production Values und der wachsenden Erdung ihrer eigenwilligen Orchestrierungen durch Einzug handgemachter Musik. Bereits auf „Loud City Song“ (2013) waren Cello, Kontrabass, Saxophon, Posaune, Keyboards und Percussions zu hören, während die Tracks musikalisch zwischen Laurie Anderson, Siouxie Sioux und Jon Hassell changierten. Auf dem vierten Album „Have You In My Wilderness“ – mit Schlagzeug und Streichern! – stehen die Songs jetzt nicht länger für ein geborgtes literarisches Narrativ, sondern nur noch für sich selbst. Das erstaunliche Spektrum reicht vom fast perfekten Off Beat-Hit „Feel You“ bis zum jazzig-polyphonen „Vasquez“. Der Witz dabei: Je häufiger man dieses Album hört, desto geheimnisvoller wird es. Die Frage bleibt: Wie fühlt sich mysteriöse Zugänglichkeit live im Konzertsaal an?

Wie reagieren Wirtschaftsvertreter auf den neuen US-Präsidenten?


Trump hat es also doch überraschend geschafft, de facto hat zwar Hillary Clinton mehr Volksstimmen, er aber mehr Stimmen der Wahlmänner und -frauen. Durch das amerikanische Wahlrecht kommt diese "Aushebelung" der Volksstimme erneut zum Tragen. Demokraten sind schon früher dieser Regel zum Opfer gefallen, so Al Gore. In fast allen Staaten der USA gilt die Regel, dass der jeweilige Sieger im Staat  a l l e  Wahlmänner und -frauen zugeteilt bekommt. Mit historischen Siegen in Pennsylvania und Wisconsin konnte der Multimilliardär so die benötigte Zahl von mindestens 270 Wahlmännern mit 290 gewinnen. Was bleibt sind viele Fragezeichen bei der Bevölkerung, aber auch in der Weltöffentlichkeit, was wohl passieren wird. Wie reagiert die Wirtschaft auf den Trump-Sieg?

(FAZ) Volkswagen ist auch nach der Wahl des Republikaners Donald Trump zum Präsidenten der Vereinigten Staaten zuversichtlich, die Querelen in Amerika noch vor dem Amtsantritt der neuen Regierung im Januar zu lösen. Dabei geht es vor allem um einen Kompromiss bei den 3-Liter-Dieselautos. Der zuständige Richter in San Francisco hat einen Vergleich für Anfang Dezember als möglich bezeichnet. Schwieriger wird es für VW in dem Skandal mit den Strafzahlungen, über die derzeit im Justizministerium in Washington beraten wird. „Das kann unter Trump schwieriger werden“, heißt es in Wolfsburg.

Osram-Vorstandsvorsitzender Olaf Berlien zeigt sich überrascht von dem Wahlergebnis, aber dennoch: „Ich erwarte keine Auswirkungen auf unser Geschäft, da wir in Amerika für Amerika produzieren.“ Osram erzielt rund ein Drittel seines Jahresumsatzes von 3,8 Milliarden Euro in Nordamerika und betreibt in den USA vier Werke für die Produktion von Spezial- und Automobilbeleuchtung.

Werner Baumann, der Vorstandsvorsitzende der Bayer AG, das Thema Monsanto-Übernahme aber spielt in seiner Stellungnahme keine Rolle: „Gerade der Ausbau unserer Handelsbeziehungen ist für den Wohlstand auf beiden Seiten des Atlantiks von entscheidender Bedeutung.“

Eon-Finanzvorstand Michael Sen: „Amerika ist für Eon ein attraktiver Markt mit Wachstumspotential.“ EON verfügt über Anlagen in den USA im Wert von rund 4 Milliarden Euro.

Der weltgrößte Chemikalien-Händler Brenntag sieht in dem Wahlsieg Trumps sogar Chancen für sein Geschäft. Unter Trump sei mit einem wirtschaftsfreundlicheren Umfeld zu rechnen, sagte Konzernchef Steven Holland.

Südwestmetall-Vorsitzender Stefan Wolf, Chef der Elring Klinger AG: „Eine Befürchtung ist, dass Trump in der Wirtschafts- und Handelspolitik den amerikanischen Interessen rigoros den Vorzug geben wird. Jedenfalls hat er einem weiteren Ausbau des Freihandels, etwa über das TTIP-Abkommen, bisher eine klare Absage erteilt, TTIP dürfte damit tot sein."

Mittwoch, 9. November 2016

Ab wann gibt es erste USA-Ergebnisse?

Als letztes schließen die Wahllokale in Alaska um 5 Uhr und Hawaii am Mittwochmorgen, 9. Nov. um 6 Uhr. Je nachdem wie gut es für Hillary Clinton beziehungsweise Donald Trump läuft, könnte das Ergebnis dann schon weitgehend feststehen. 

Infografik: Wann die Wahllokale schließen | Statista




Porträt: Jonas Mekas

Jonas Mekas | Foto: Furiodetti - Furio Detti, CC BY 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=6741113

Jonas Mekas


Jonas Mekas ist ein litauischer Filmregisseur, Schriftsteller und Kurator. Er wurde oft „der Pate des amerikanischen Avantgardekinos“ genannt. Er wurde am 24. Dezember 1922 in Semeniskiai, Litauen geboren.

Mit der Kamera, in Tagebüchern, Gedichten, Liedern und programmatischen Texten dokumentiert Mekas seit den 1940er Jahren seine eigene Geschichte und die seiner Freunde in der New Yorker Künstler- und Filmszene, verknüpft sie mit essentiellen Fragen zur Konstruktion subjektiver und sozialer Realität. Die von ihm maßgeblich geprägte Form des filmischen Tagebuchs ermöglicht ihm die Montage privater, gesellschaftlicher und politischer Momente.

1944 durch die Nationalsozialisten verhaftet, emigrierte Mekas nach einer fünfjährigen Odyssee durch Displaced Person Camps im Nachkriegsdeutschland 1949 in die USA. In New York kaufte er sich seine erste Kamera und traf u.a. auf Alan Ginsberg, William Burroughs, Andy Warhol, George Maciunas, John Lennon, Yoko Ono, Nam June Paik und Susan Sontag. Als Herausgeber des Magazins Film Culture und Gründer des Anthology Film Archives prägte er das amerikanische Avantgardekino nachhaltig.

Einige von Mekas’ Filmen:
Walden: Diaries, Notes, and Sketches (1969),
Reminiscences of a Journey to Lithuania (1972),
Lost Lost Lost (1976) und 
Outtakes from the Life of a Happy Man (2012)

Für das 365 Day Project stellte Jonas Mekas ein Jahr lang täglich einen selbstproduzierten Film ins Internet.

Video – 2:09:55

Wörterbuch der Gegenwart | Jonas Mekas

#1 Jonas Mekas – Zeit Gespräch und kommentierte Filmszenen 26.11.2015



Dienstag, 8. November 2016

USA: Das größte Glück mit der Mauer?


Field of Vision - Best of Luck with the Wall

Eine Reise entlang der Grenze USA/Mexiko, 
zusammengesetzt aus 200.000 Satellitenbildern.

Video: Stephen Bassett klar für Aufdeckung von Wahrheit als Staatsziel




Field of Vision - The Disclosure President 


Stephen Bassett, the only American lobbyist of his kind, hopes for a seismic shift with the 2016 US Presidential Elections. Bassett details his life’s work and has high hopes that we elect a President that cares about ending the “truth embargo.”  Directed by Elizabeth Lo

US-Wahlkampf: Wenn der Trump kommt ...

Hillary Clinton oder Donald Trump - am Mittwochmorgen bis -abend, 9. Nov. wird die Welt endlich wissen, welcher Kandidat siegreich aus dem wohl schmutzigsten Wahlkampf der US-Geschichte hervorgeht. Ein Präsident Trump ist für viele Europäer eine beunruhigende Vorstellung, wie eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov zeigt. Von über 2.000 befragten Erwachsenen in Deutschland sagen 65 Prozent, dass ihnen der Republikaner als Präsident Angst machen würde. Ähnlich sehen es auch Briten, Franzosen und Skandinavier.


Infografik: Europäer fürchten Präsident Trump | Statista




US-Wahlkampf: Mehrzahl ist angewidert und frustriert

Der aktuelle US-Wahlkampf ist geprägt von persönlichen Angriffen, Beleidigungen, Populismus und Skandalen. Das zermürbt die Wähler, wie die Grafik von Statista zeigt. 57 Prozent der Wähler sind von dem aktuellen Ausmaß des Wahlkampfes frustriert, 55 Prozent sagen gar, sie seien angewidert. 43 Prozent haben schlicht Angst. Das ergab eine Umfrage des Pew Research Centers unter rund 1.200 registrierten US-Wählern.

Infografik: Wahlkampf ruft negative Gefühle hervor | Statista
Mehr Statistiken finden Sie bei Statista



US-Wahlkampf: Schlammschlacht auf niedrigem Niveau

Der republikanische Kandidat Donald Trump hatte im vergangenen Monat, vor allem durch die Enthüllung sexistischer Aussagen und die Anschuldigungen mehrere Frauen, dass er sie sexuell belästigt habe, an Zustimmung verloren. Zeitweise lag Konkurrentin Hillary Clinton bei 49 Prozent und damit mehr als sieben Prozentpunkte vor Trump. Wie aus Daten von Real Clear Politics hervorgeht, in die diverse Wahlumfragen einfließen, konnte Trump aber wieder aufholen. Vor allem die aktuellen Enthüllungen im E-Mail-Skandal rund um Clinton könnten das Blatt noch einmal wenden.

Infografik: Clinton versus Trump | Statista




Montag, 7. November 2016

Wie war's bei THE COMET IS COMING in Ludwigshafen a.Rh.? (Enjoy Jazz 2016)

(c) Stefan Vieregg


The Comet Is Coming, wenn das mal kein Versprechen auf High-Speed-Urgewalt aus dem All ist. Letzen Mittwoch, 02.11. im Dôme des Ludwigshafener Kulturzentrums dasHaus trat das britische Trio im Rahmen des Festivals Enjoy Jazz 2016 an Rhein-Neckar zum tosenden Chaosflug durch die hektische Lärmzone an.

Der Saxophonist King Shabaka Hutchings hat schon Tradition bei Enjoy Jazz. Letztes Jahr gastierte er mit Sons of Kemet, dieses Jahr mit Melt Yourself Down, beide hatte ich nicht gehört, aber jetzt war es mal soweit. Wie Enjoy Jazz mitteilte, soll es wie eine Performance in der Tradition von Sun Ra sein, und das spürt man in jedem Moment. Allerdings hat das Trio einiges modifiziert. Es sind nicht die egozentrisch-priesterlichen Züge des Performance-Künstlers und Hohen Priesters einer anderen Welt seit den 70er-Jahren - auch wenn Keyboarder Danalogue The Conqueror den Anti-Priester aus dem Dunkeln, den mittelalterlichen oder einfach nur den Fantasywelten entlehnten Kapuzenfighter mimt - sondern die Idee auf britisch in die brodelnde Experimentalszene des Chaos Jazz projiziert, gemixt mit Trash, Punk, Funk, Free und mehr Noiseangebot, inklusive hektisch-groovigem Streetdance auf kleinstem Bühnenraum nach Art von John Pololo aus der Côte d'Ivoire.

(c) Stefan Vieregg

Mit unermüdlichem Druck und Energie entfesseln das monomanisch insistierende, Bässe und bohrende Eindringlichkeit betonende Keyboard und quirlig-aufgeregte, permanent staccato atemlos anklagend und eindringlich mitteilende Saxophon einen recht aggressiven beharrlichen Soundteppich, der immer wieder von kurzen harmonischen Anklängen seiner Gewalt beraubt wird. Die Drums von Betamax Killer mit zurückhaltenden Beats dennoch Taktgeber. Der Reinigung von Seele und Körper durch eine schon lange nicht mehr musisch-ästhetische Katharsis als weitere tragende Idee des Konzepts wird volle Rechnung getragen. Hier denkt man unwillkürlich an manche typisch postmoderne Extremstücke im Jazzbereich wie At Midnight von Carla Bley und Michael Mantler, die freilich kompositorisch in anderen Regionen angesiedelt sind und die mehrfache Sprengkraft entwickeln. Das Draufhalten, Ab- und Auflösen von Widerständen, Explodierenlassen, Zertrümmern und Zerstückeln als ein langatmiger Heavy Attack galaktischer Kräfte hin zur ersehnten Erschöpfung und Ruhe. 

Samstag, 5. November 2016

Fantasien zur Nacht (Video): Prologue



Amia Miley // "Prologue"

In Darmstadt für Kinder: Am Sonntag noch zweimal FARBENSPIELE

(c) Laura Vanseviciene
Birute Baneviciute
Farbenspiele
Di. 1.11., Do. 3.11., So. 6.11.2016
TANZ
* € 3,-.
Ein interaktives Tanz- und Zirkusstück für Kinder von 0–3 Jahren von Birute Baneviciute


Staatstheater Darmstadt, Ballettstudio
Georg-Büchner-Platz 1
64283 Darmstadt


In den ersten Jahren des Lebens jagt eine Premiere die nächste: Zum ersten Mal sitzen, krabbeln, springen, klettern, greifen, loslassen, fangen, treten, lächeln, die Stirn runzeln, teilen, Freundschaft schließen, sich freuen, denken. Sich selbst und die Umwelt auszuprobieren und zu erforschen, funktioniert am besten durch das Spielen. „Farbenspiele“, das interaktive Stück der litauischen Choreografin Birute? Banevic?iu¯te?, steckt voller unerwarteter bunter Erlebnisse, die Kinder dazu motivieren, gemeinsam mit einer Tänzerin viel Neues über sich und die Umwelt zu entdecken. Ein intensives und spannendes Erlebnis für die Kleinen: Überall, wo das Stück gespielt wird, wollen die jungen Zuschauer nach der Vorstellung die Bühne am liebsten gar nicht mehr verlassen.

Choreografie: Birute Baneviciute * Tanz Valérie Sauer * Kostüme: Birute Baneviciute

Freitag, 4. November 2016

Fantasien zur Nacht (Video): VINCE STAPLES




VINCE STAPLES - musical short film - by NABIL

Fantasien zur Nacht (Video): Charon - Contemporary Dance



Charon
certamen coreográfico de Madrid

Heute Abend in Darmstadt: OCD Love

(c) Regina Brocke
L-E-V (IS)
OCD Love
Fr. 04.11.2016
TANZ/CHOREOGRAFIE
* 19:30 Uhr, € 10,50 - € 46,-.
Choreografie von Sharon Eyal


Staatstheater Darmstadt, Kleines Haus
Georg-Büchner-Platz 1

64283 Darmstadt


Sie ist der Star der israelischen Tanzszene: Sharon Eyal, 1971 in Jerusalem geboren, bekannt geworden als Tänzerin und Haus-Choreografin der weltberühmten Batsheva Dance Company. Gai Behar ist DJ, Techno-Musiker und war Veranstalter von legendären Underground-Raves in Tel Aviv. Seit 2005 arbeiten die beiden zusammen und schaffen Werke, die die Grenzen zwischen Hochkultur und Rave auf berauschende Art niederreißen.
2013 gründeten sie ihre Kompanie L-E-V, die das hebräische Wort für „Herz“ (lev) im Namen trägt. Ihr Stück „OCD Love“ ist eine Herzensangelegenheit. Es handelt von einer Zwangsstörung, die sich OCD (obsessive compulsive disorder) nennt und immer wieder die Liebe und das Leben einschränkt. Zu pulsierenden Technobeats des DJs Ori Lichtik wird die Liebe, die sich selbst verfehlt, in den Blick genommen. Es ist, als ob eine Person zu Bett geht und die andere da- bei gerade aufsteht. Etwas, das vollständig ist, aber dennoch Löcher hat. Diesen Löchern widmet sich „OCD Love“. Große Inspiration für das Werk war ein Gedicht des Poetry Slammers Neil Hilbron über OCD, das sich für Sharon Eyal wie eine Choreografie las.

Urheber: Sharon Eyal & Gai Behar * Sound-Kunst & Live Musik: Ori Lichtig Beleuchtung: Thierry Dreyfus * Kostüme: Odelia Arnold * In Zusammenarbeit mit Rebecca Hytting, Gon Biran, Sharon Eyal, Gai Behar Tänzer Gon Biran, Darren Devaney, Rebecca Hytting, Mariko Kakizaki, Leo Lerus, ?Keren Lurie Pardes? Technischer Leiter Alon Cohen * Tourmanager: Keren Gdalyhau Malki * International touring agent: Menno Plukker Theatre Agent, INC. * Koproduktion: Colours – International Dance Festival – Stuttgart, Germany; Sadler’s Wells – London, England; Carolina Performing Arts – The University of North Carolina at Chapel Hill, USA; Julidans – Amsterdam, Netherlands; Montpellier Danse * Die Produktion von „OCD Love“ wurde entwickelt während einer Performing Arts Residency im The Banff Centre, Canada.

Alle Stücke des Tanzfestivals Rhein-Main, einem Projekt von Hessischem Staatsballett und Künstlerhaus Mousonturm, werden ermöglicht durch den Kulturfonds Frankfurt RheinMain und ist gefördert vom Kulturamt der Stadt Frankfurt am Main, dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst und der Stiftungsallianz [Aventis Foundation, BHF-BANK-Stiftung, Crespo Foundation, Dr. Marschner-Stiftung, Stiftung Polytechnische Gesellschaft].

Kulturgenuss für Hörbehinderte in der Frankfurter Oper und im Schauspielhaus

Die Oper und das Schauspiel Frankfurt verfügen seit neustem über eine induktive Höranlage. Der Einbau der Anlage, der vom  Amt für Inklusion gefördert wurde, erfolgte überwiegend in der Spielzeitpause. Nach einer Testphase kann die Höranlage ab sofort bei den Vorstellungen in der Oper und im Schauspielhaus auf einem Großteil der Plätze genutzt werden. Die Städtischen Bühnen Frankfurt leisten auf diese Weise einen wertvollen Beitrag zur Barrierefreiheit in ihren Spielstätten.

Mit dem Einbau einer induktiven Höranlage wurden die optimalen Bedingungen für Hörgeschädigte aller Altersgruppen geschaffen, um an den Veranstaltungen in Oper und Schauspielhaus teilzuhaben und ein optimales Hörerlebnis zu genießen. Träger von Hörgeräten und Cochlea Implantaten (CI) können mit einer modernen induktiven Höranlage das Geschehen frei von Nebengeräuschen und fast in HiFi-Qualität erleben. Hierzu wurde die Anlage nach internationalen Standards und Normen geplant und eingemessen. Für die Nutzung des Signals muss das eigene Hörsystem auf das Programm »T« für Telefonspule gestellt werden.

Münchner Kammerspiele im November

Zwei Premieren, ein Festival mit Bühnenarbeiten aus Mexiko und vieles mehr stehen im November auf dem Programm der Münchner Kammerspiele.

Gleich zu Beginn des Monats, am 04. November, findet in Kammer 2 die Uraufführung von „8 ½ Millionen“ nach dem Roman von Tom McCarthy, inszeniert von Alexander Giesche statt.
Wiederholung, Vervielfältigung und Remontage sind zentrale Methoden in Tom McCarthys vielgelobten und bei der Berlinale auch als Film präsentierten Roman „8 ½ Millionen“. Er erzählt von einem Mann, der endlich wieder den einen echten Moment erleben möchte. Er investiert sein gesamtes Vermögen in ein himmelstürmendes Projekt: die perfekte Wiederholung vergangener Ereignisse seines Lebens. Es spielen: Maja Beckmann, Lázlo Branko Breiding, Max Krause, Christian Löber, Anna Katharina Platen und Franz Rogowski. Mit „8 ½ Millionen“ läutet die Gruppe GIESCHEand die zweite Spielzeit des Projektes „Future Shock“ an den Münchner Kammerspielen ein und befasst sich weiter mit der Frage nach den Auswirkungen von Fortschritt und Technologie auf unser Welterleben.

Die am 19. November in Kammer 1 angekündigte Premiere „Unterwerfung / Plattform“ nach den Romanen von Michel Houellebecq in der Inszenierung des französischen Regisseurs Julien Gosselin entfällt wegen seiner Regieabsage. Houellebecqs zur Jahrtausendwende erschienener Roman „Plattform“ ist die Liebesgeschichte zweier Menschen, die an die Liebe schon längst nicht mehr glaubten. Kurz bevor sich ihr unerwartetes Glück Dank einer cleveren Geschäftsidee richtig entfalten kann, wird es jedoch durch einen islamistischen Terroranschlag brutal zerstört. 16 Jahre später erscheint Houellebecqs jüngster Roman „Unterwerfung“. Die Welt ist in den dazwischen liegenden Jahren eine andere geworden. Jetzt entwirft Houellebecq das Szenarium einer nahen Zukunft, in der eine islamische Partei die französische Präsidentschaftswahl gewinnt und dem zerstrittenen Land Frieden bringt. Dass Frauen in diesem Frankreich keine öffentlichen Ämter annehmen dürfen und Juden das Land verlassen, sind die beiden Schönheitsfehler dieser scheinbar perfekten Welt.

Angesichts der Entwicklung an den Grenzen innerhalb und an den Rändern der EU erscheint es sinnvoll, den durch die Krise Europas bedingten Tunnelblick hinter sich zu lassen, die Perspektive historisch und geographisch zu weiten und auf eine Region zu schauen, in der das Wohlstandsgefälle zwischen Nord und Süd, Flucht und Migration, eine zentrale Rolle spielen. Es geht um Mexiko und um die vielfältigen Demarkationslinien, die das Land symbolisch, politisch und kulturell von den USA trennen:

„Endstation Sehnsucht. Theater in Mexiko: Ein Festival über Flucht, Identität und die Darstellbarkeit von Gewalt“ gibt vom 22. – 27. November Einblicke in die gesellschaftspolitische Situation des Landes und stellt ausgewählte Produktionen aus dem Bereich des Freien Theaters vor, überwiegend als europäische Erstaufführungen. Neben Gastspielen etablierter Gruppen wie Lagartijas Tiradas al Sol oder Antonia Salinas liegt das Augenmerk auf jungen Regisseuren und Performerinnen wie Alberto Villareal und Laura Uribe oder Mariana Villegas, Ángel Hernández und Lukas Avendano.
Neben der Beschäftigung mit Fragen von Herkunft und Identität, die häufig in postkolonialen Gesellschaften artikuliert werden, sind viele der hier zu zeigenden Arbeiten von einer Auseinandersetzung mit der in Mexiko allgegenwärtigen Gewalt geprägt – und werfen so die Frage nach ihrer Darstellbarkeit mit den Mitteln des Theaters auf. Lassen sich diese künstlerischen Entwicklungen mit den hierzulande geführten Debatten um einen neuen Realismus und interventionistische Kunst kurzschließen?

Donnerstag, 3. November 2016

Die Gefährdung der Humanität durch orientalische Primitivstrukturen

Wie war's bei FAKEAR in der Alten Feuerwache Mannheim? (Enjoy Jazz 2016)

(c) Stefan Vieregg
Wenn man Fakir hört denkt man unweigerlich an die netten Nageluntergünde, die einem die vielgepriesene Nervenstimulation und Kreislaufzirkulation verschaffen sollen. Die Anwender kontemplativ auf absolute Körper- und Selbstbeherrschung ausgerichtet. FAKEAR ist doch etwas anderes, die Wortschöpfung erinnert noch am meisten an Fake und hear, denn alle Sounds werden gefaked, verändert und imitiert. Die elektronische Musik des Franzosen Théo Le Vigoureux, besagter Fakear, ist dennoch konzentriert und stimulierend für Nerven und Muskeln zugleich, weil jeder mitmachen und seinen Body bewegen will. Am 29. November 1991 in Caen (Normandie) geboren, ist der junge Komponist, Songwriter und Musiker ein konsequenter Anwender der elektronischen Musik für gute Stimmung. Es gibt ja viele "Elektroniker", die recht unhörbare Musikexperimente anbieten, Théo LV macht ein unterhaltsames Tanzvergnügen mit teils anspruchsvoller, teils simpler Ohrwurm-Musik draus.

Mit geschickter Beherrschung der Tasten und Sinn für dynamische Rhythmen entlockt er seiner MPC = Music Production Center, ehemals MIDI Production Center, so heißen die Kompositions- und Mischmaschinen vom Originalhersteller Akai, überzeugende Titel mit reichlich Effekten, umrahmt von passenden Lichtspielen. Extreme Bässe und tosendes Aufschäumen von Klangwelten werden mit leicht zu merkenden Melodien und Texten (Bababadubaba) gemischt - und schon dopst der/die Zuhörer/in als unermüdlicher Gummiball vor der Bühne. Letzten Samstag in der Mannheimer Feuerwache ein schönes Vergnügen für vielleicht 100 Leute, die einfach gerne in elektronischen Gewässern mit Esprit baden. Ein Ausflug ins jazztypische Experimentieren, ohne noch große Bezüge zum Jazz zu haben.

FAKEAR hat tatsächlich einen akademischen Musikhintergrund: Beide Eltern sind Professoren der Musik, die ihn ermunterten mehrere Instrumente zu lernen, darunter Saxophon, Gitarre, Violine, Klavier. Im Gymnasium gründete er eine Ska-Punk-Band mit fünf Freunden einschließlich Gabriel, der heute solo als SUPERPOZE unterwegs ist. Théo LV verließ die Gruppe 2013, um danach solo sieben EP und 2016 das erste Album "Animal" zu produzieren.

Für alle Interessenten: Er komponiert mit der Software REASON vom Entwickler Propellerhead Software für Windows und OS X, kompatibel mit der MIDI-Software. Die Einreihung in die multiplen Strömungen der EBM (Electronic Body Music), die schon in den 1970ern mit Can und Klaus Schulze, Kraftwerk und DAF, Jean Michel Jarre und anderen begann und recht bunt diversifizierte, fällt schwer. Elemente aus Synth-Pop, Indie, Rock, Electro, Wave, Beat, Techno, Trance paaren sich zu einer bemerkenswerten Mischung.

Mittwoch, 2. November 2016

Heute Abend in Ludwigshafen: The Comet Is Coming (Enjoy Jazz 2016)

(c) Fabrice Bourgelle

Mittwoch, 02.11.2016
The Comet Is Coming
Kulturzentrum dasHaus
Land: Großbritannien

Beginn: 20:00
Einlass: 19:00

VVK: 18 € zzgl. Geb
AK: 22 €

Tickets kaufen

Besetzung:
Danalogue The Conqueror: keys
Betamax Killer: dr
King Shabaka: sax


Bring deinen Körper auf die Party! »King« Shabaka Hutchings, der Saxophonist mit den karibischen Wurzeln, ist einer der viel beschäftigten Aktivposten der experimentierfreudigen britischen Szene. Im vergangenen Jahr begeisterte er als Leader mit seiner irrwitzig groovenden Band Sons of Kemet. In diesem Jahr präsentiert sich Hutchings, der auch noch bei den Five Blokes und bei Melt Yourself Down spielt und manchmal bei Polar Bear aushilft, als expliziter Teamplayer in dem von der Kritik gefeierten Space-Groove-Trio The Comet Is Coming, dessen Debütalbum „Channel the Spirits“ im Frühjahr für Furore sorgte. Hutchings ist ein erklärter Skeptiker des Jazz-Ghettos, will eher die Körper der Zuhörer erreichen als die Köpfe und setzt auf Ekstase und Trance statt auf elitäre Kunstmusik. Politisch sensibel verfolgen The Comet Is Coming ein von Sun Ra inspiriertes Space-Diaspora-Konzept und setzen mit ihrem von Nostradamus entlehnten Bandnamen auf eine hoffentlich reinigende Apokalypse. Bis es so weit ist, wird allererst zum Tanz aufgespielt! Anders funky!    

Dienstag, 1. November 2016

TERRE DES FEMMES: Frühe Verheiratung - ein Dorn im Auge der aufgeklärten Welt



UNICEF hat in seinem Bericht „Ending Child Marriage: Progress and prospects“ (PDF-Datei) 2014 neuere Zahlen veröffentlicht. Laut dem Bericht leben weltweit mehr als 700 Millionen Frauen, die bereits vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet wurden. 250 Millionen waren nicht einmal 15 Jahre alt bei ihrer Hochzeit. Nach Schätzungen von UNICEF werden jährlich 15 Millionen Mädchen minderjährig verheiratet. Das sind über 41.000 Mädchen täglich und 28 jede Minute, die dadurch in ihren Rechten beschnitten werden, wie sie in der UN-Kinderrechtskonvention festgehalten sind. Auch in Deutschland finden Hunderte von Kinderehen bereits in den Flüchtlingsheimen, vermehrt bei Syrern und Afghanen, und später in niedergelassenen Großfamilien statt, um eine Vereinnahmung der Frauen durch Christen oder andere außerhalb des Familienwillens zu verhindern.

Die Gründe für die frühe Verheiratung von Mädchen sind weltweit vielfältig: Mädchen aus armen Regionen sind für ihre Familien eine finanzielle Last. Wenn die Töchter jung und jungfräulich verheiratet werden, bekommen die Familien in manchen Ländern einen hohen Brautpreis. Außerdem spielen Traditionen und patriarchalische Wertvorstellungen eine große Rolle. Mädchen müssen jungfräulich in die Ehe gehen, sonst schädigen sie das Ansehen der Familie. Um diese Gefahr so gering wie möglich zu halten, werden die Mädchen früh verheiratet, in vielen Ländern zusätzlich auch noch an ihren Genitalien verstümmelt. Außerdem besteht eine Wechselwirkung zwischen Bildung und Frühehen: Je geringer die Bildung, desto höher die Wahrscheinlichkeit, bis zum 18. Lebensjahr verheiratet zu sein.