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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Dichterhain, Bände 5 bis 8

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Mittwoch, 22. Mai 2013

VINCENT - eine Geschichte von Reinhard Stammer, zweiter Teil


(c) Reinhard Stammer



VINCENT (Teil 2)

Vincent flog alleine, dann wieder gemeinsam mit anderen Vögeln. Mit großen und mit kleinen. Er entwickelte Fähigkeiten, die keiner seiner vielen Freunde hatte. Er flog höher und schneller. War wendiger und nutzte geschickter den Wind und die Strömungen der Luft. Für alle Zeiten hätte er so weiterfliegen können, wenn da nicht manchmal etwas wäre, dass seinen Flug ausbremste. Für einen Moment nur tauchten Bilder in seinem Kopf auf, die aus einer anderen Welt zu kommen schienen, aber doch so wirklich waren. Er sah sich auf einem kalten Boden liegen, ohne Federn am Körper, und er fror. Diese Welt war klein und beengt und ohne Freude. Das Vergessen hatte nicht alle Erinnerungen löschen können, und so setzte er sich auf einen Zweig oder einen Dachfirst oder auf einen Felsvorsprung, Plätze, an denen er diese Bilder zu verarbeiten versuchte. Er konnte sie nicht einfach beiseite drängen, denn er wusste nun, dass sie wiederkommen würden. Seine Flügel wurden in solchen Momenten sehr schwer.

Dies war der Moment, in dem sich etwas wie eine Frage in seinem Kopf ausbreitete. Etwas war anders als bei den anderen. Er war anders als die anderen. Und so fing er langsam an, sich aus seinem Universum herauszulösen. Er sprach mit seinen Freunden, die anfänglich nicht begeistert darüber waren, dass Vincent sich seiner Vergangenheit zu erinnern begann. Sie versuchten ihn auf andere Gedanken zu bringen. Aber es nützte nichts. Vincent wollte wissen, was anders an ihm war.

Er verlor das Gefühl dafür, dass alles zusammengehörte. Seine Flügel waren Teil der Lüfte, wie auch sein Flügelschlag, die Luft nicht unbewegt ließ. Er ernährte sich von dem, was die Natur ihm bot und er gab es wieder zurück. Die Sonne wärmte die Erde und die Wolken schütteten Regen aus. Bäume wuchsen, auf denen er sich unter schattenspendenden Blättern niederlassen und ausruhen konnte. Es war eine große, schöne Welt, und nichts fehlte, und nichts war zuviel. Alles war miteinander verwoben, und nun fing dieses Bild an, sich vor seinen Augen aufzulösen. Wer war er? Ein Vogel, der vor seiner Vogelzeit in einem Raum lebte, ohne Pflanzen, ohne Sonne und ohne seine Freunde? Der kein Federkleid besaß und nicht fliegen konnte? War das möglich?

Verwirrt flog er mal hierhin, mal dorthin. Es gab Gegenden, die ihn nicht sonderlich interessierten und die er niemals anflog. Aber irgendwie spürte er, dass er sich diesen Orten nähern musste. Orte, die so anders waren, als die freie wildwachsende Natur und der unbegrenzte Luftraum, in dem er sich so wohlfühlte. Dort unten war es laut und stickig.

Aber die Geräusche waren ihm nicht fremd. Er hatte sie schon vernommen. Auch fremd und von Ferne, denn auch damals hatte er sich ihnen nicht nähern können. Er sah sich gefangen in einem Zimmer, einer kleinen dunklen Welt - bevor er ein Vogel wurde. Irgendwann einmal kein Vogel gewesen zu sein, sondern eines jener Wesen, wie es sie dort unten so viele zu sehen gab, denn sie sahen so aus, wie er sich in seiner Erinnerung selbst sah, ließ ihn beinahe abstürzen. Er lief Gefahr, die Kontrolle über seine Flügel zu verlieren. Es lösten sich auch einige Federn aus seinem Gewand, was zur Folge hatte, dass er ziemlich hilflos gegen den Sog nach unten anzukämpfen versuchte. Ich kann fliegen, redete er sich ein. Ich kann doch fliegen. Was passiert mit mir?

Er stürzte auf genau jenen Fenstersims, der ihm vor langer Zeit als Basis für seinen ersten Flugversuch gedient hatte. Ein Blick durch das Fenster ließ seine Befürchtung zur Gewissheit werden. Er war hier aufgewachsen, vor langer Zeit. Er war nicht immer ein Vogel gewesen.

Diese Erkenntnis erschütterte ihn zutiefst. So sehr, dass er anfing zu zittern. Vor Angst? Vor Kälte?

Beides mag zugetroffen haben, denn als er an sich hinabschaute, war er federlos und seine Haut glich der einer gerupften Gans. So wie er vor nicht allzu langer Zeit oben im Himmel gesungen hatte, weinte er nun hier unten auf dem Fenstersims. Dann merkte er, dass das Fenster nicht verschlossen war. Er stieg in das Zimmer und seine Verwandlung zurück zum Menschenjungen Vincent war vollendet. Es schien niemanden sonst hier zu geben. Alle Türen standen auf. Die Räume waren menschenleer. Ein Fenster klapperte im Wind und alte, vergilbte Vorhänge waren das einzige, was sich hier bewegte. Nein, hier konnte er sich nicht wohlfühlen und hier wollte er nicht bleiben. Der Mond schien wieder durch sein Fenster und tauchte das Zimmer in das fahle Licht. So als wäre nichts geschehen, schaute er direkt in Vincents verstörtes Gesicht. Er lächelte ihm zu und sprach: „Schau Vincent, dies ist Deine Vergangenheit, und das bist Du. Du wirst Dich niemals ganz vergessen können. Vor diesem Fenster bist Du eingeschlafen und nicht wieder aufgewacht. Ein Teil Deiner Seele verließ diese Welt, verwandelte sich in einen Vogel und hatte sich so einen Traum von Dir erfüllt. Ein anderer Teil stieg weiter auf, immer weiter. Vorbei an mir und vorbei an der Sonne, verließ dieses Planetensystem und suchte sich einen Platz hoch oben am Nachthimmel, um dort für alle Ewigkeit zu strahlen. Nebenbei sei erwähnt, dass ein Sternengucker einen neuen Stern am Firmament entdeckt hatte und diesem auch gleich einen Namen gab. Was denkst Du, wie er ihn genannt hatte?

"Vincent I, und ich weiß nicht, ob dies ein Zufall war.“ Der Mond lächelte...

Die Geschichte, die der Mond ihm erzählte, überforderte Vincent. Er schloss vor Entkräftung und Übermüdung die Augen. Doch ist das nichts Außergewöhnliches, denn Kinder lieben es, wenn ihnen eine Gutenachtgeschichte erzählt wird, und es war das erste Mal, dass er dies erleben durfte.

Und wieder wuchsen ihm Flügel. Sein Körper bedeckte sich mit Federn und Vincent hob ab. Er flog. Er flog immer höher. Ließ seine Freunde, die sich wieder versammelt hatten, um ihn in ihrem Kreis aufzunehmen weit unter sich, umkreiste den Mond, der ihm zuzwinkerte, nahm Kurs auf die Sonne. Hier tankte er nochmals Wärme auf, denn sein Weg führte ihn in die kältesten und dunkelsten Regionen, die dieses Universum zu bieten hat. Irgendwann traf er einige uralte Sterne. Ihr Licht schien schon schwächer zu werden. Andere wiederum erstrahlten in einer Helligkeit, die ihn fast erblinden ließen. Das mussten die jüngeren Sterne sein. Ungestüm und voller Lebenslust warfen sie leuchtende Bälle aus Licht ins All. Sie kümmerten sich nicht um ihn. Ein kleiner Vogel schien sie nicht zu beeindrucken.

Vincent wusste nicht, wohin er fliegen sollte. Er glitt dahin auf unsichtbaren Wellen, die durch das ganze Weltall liefen. Er gab sich einfach diesen Strömungen hin, bis er eines Tages an einen Ort kam, an dem es nur junge, neue Sterne und Sternchen gab. Sozusagen ein kosmischer Kinderhort. Er spürte eine Kraft, die ihn anzog wie ein riesiger Magnet und da war er: der Stern Vincent I. Was für ein Gefühl von Liebe und Glückseligkeit ging von ihm aus. Er fing an zu pulsieren und erstrahlte in allen nur erdenklichen Farben. Das Herz von unserem Vincent schlug so laut, dass einige Astronomen auf der Erde, glaubten, es als eine Art Sternenbotschaft beschreiben zu müssen. Nun waren sie wieder vereint. Nichts und niemand würde sie jemals wieder voneinander trennen können.
(c) Reinhard Stammer


Vincent umkreiste Vincent I auf einer immer gleichbleibenden Umlaufbahn. Mit einigen ganz besonders starken Fernrohren auf der Erde kann man dies beobachten. Es wurde vermerkt, dass man ein neues Sonnensystem entdeckt hätte und wieder meldeten sich einige Wissenschaftler zu Wort, die vermuteten, dass es doch noch Leben außerhalb der Erde geben könnte.

Vincent interessierte das nicht. Er war endlich richtig glücklich - unendlich glücklich.



(c) Reinhard Stammer



Dienstag, 21. Mai 2013

Wie war's bei Molières "Menschenfeind" in Mannheim?


Zurzeit läuft Molières "Menschenfeind" unter der Regie von Cilli Drexel im Nationaltheater Mannheim. Gesehen hab ich ihn am 15.05. Das Stück überzeugt in dieser Fassung von vorneherein durch eine ansprechende Flüssigkeit, Bewegtheit und Modernität. Der Idealist und „Menschenfeind“ Alceste (herrlich impulsiv, angeödet und polternd Klaus Rodewald) - "Ich hasse alle ... wie Galle", schreit er wiederholt heraus -  möchte aufrichtig, ohne Heuchelei leben. Nicht ja sagen, wenn man ein Nein schreien will. Nichts loben, was schlecht ist. Er ist zwar ein Adeliger, möchte aber unabhängig vom königlichen Hof sein, keinerlei Kompromisse eingehen. Weil ihm die Gesellschaft, das Getue so verhasst ist, möchte er auch seine Geliebte, die Witwe Célimène (als attraktive, männergeile Partylöwin im hautengen Lederdress Dascha Trautwein) aus diesen "Fängen" befreien. 

Nachdem der Dichter Oronte, ein überkanditelter Dichter, ihm seine Aufwartung macht und sein neues Gedicht "Die Hoffnung" zum Besten gibt - wunderbar eingefangen durch die überbetont feminine emotionale Färbung in der Figur durch Peter Pearce -, kanzelt ihn Alceste als minderwertigen Dichter ab, der keine Ahnung hätte. Philinte, der einzige Freund von Alceste, gespielt von Michael Fuchs, versucht zwar, die Eskalation zu vermeiden, aber es kommt zum Bruch und zum Gerichtsgang seitens Orontes. Alceste weigert sich, vor Gericht etwas anderes als das Gesagte auszusagen, zeigt sich dann aber doch versöhnlich und entschuldigt sich fast sogar schon. Der Druck ist da doch zu hoch. 

Célimène und  Alceste haben eine sehr ambivalente Beziehung, voller Leidenschaft, Verführung, Ungestümheit, bereits im Sado-Maso-Bereich, bis hin zur Ablehnung des anderen. "Love is a wish, a desire. Will you be mine?" heißt es auch im kommentierenden Lied. Frauen haben es nicht leicht mit ihm. Célimène und Éliante (die Cousine von Célimène) sind an unterschiedlichen Stellen im Stück einer Meinung: Er ist unausstehlich, findet schön, was andere hässlich finden, stinkend, was gut riecht, gibt immer Contra und ist einfach schwierig. Nicht umsonst wird der Skandaltheatermacher und Autor Rainald Goetz im Programmheft zitiert, der sich 1983 beim Wettbewerb um den Ingeborg-Bachmann-Preis in Klagenfurt vor laufenden Fernsehkameras während seiner Lesung die Stirn mit einer Rasierklinge aufgeritzt hatte. Er beendete die Lesung blutüberströmt, bekam keinen Preis. Den absoluten Einzelgänger, der auf alles schimpft, extrem kritisch ist und an nichts ein gutes Haar lässt, findet man gerade auch im Werk von Goetz. 

Alceste ist allerdings nicht der einzige Verehrer Célimènes, Acaste und Clitandre gehören auch dazu, die beiden wetten, dass einer sie bekommt, was sich später bei einer Gegenüberstellung mit ihr komplett zerschlägt. Der jeweils andere wird von Célimène entblößt, so dass sie keinen von ihnen wirklich lieben kann. Auch Oronte lässt ab von ihr, als er hört, was sie von ihm hält. Beweisträger sind immer Briefe. Sein Gerangel mit Alceste als Widersacher wird besonders herausgestellt, wie andere Szenen auch, durch eine Gestaltung der Szene als eine Rundfunk-/TV-Aufzeichnung. Ein Lied zur Problematik "I kill you, you stole my future, you go away ..." wird eingebunden. Célimène ist so voller Begehren, dass auch ihre homoerotische Seite zum Tragen kommt, allerdings mehr als ein Macht- und Druckmittel. Célimène versucht die etwas prüde Adlige Arsinoé, die wie auch Éliante Alceste liebt, ihm sogar bei Hofe helfen will, zu verführen, untertan zu machen. Wohl auch, um sie auszuschalten. 

Nachdem allen klar ist, dass sie von Célimène betrogen werden, auch Alceste, wendet er sich Éliante zu, er will sie sicher besitzen, um sich zu rächen. Aber die Gute ist mittlerweile von seinem Freund Philinte begeistert. Die Konfrontation Alcestes mit Célimène nach Aufdeckung des Betrugs wird von Cilli Drexel in eine lustige Zeitrafferszene im Stile eines Animé-Comics mit Horrorelementen oder eines Games dargestellt, die Beteiligten reißen sich die Herzen aus und töten sich mehrmals. "Ich bin schlecht, ich hasse mich", sagt sie über sich.  Alceste versucht sich als einzigen "Überlebenden" im Kampf um ihr Herz als Gewinner und Ehemann anzubieten, er möchte mit ihr auf eine einsame Insel, eine Länderei weit weg ... Célimène lehnt ab: "Ich bin erst 20 ..."  Die Würfel sind gefallen, an Éliantes und Philintes Gitarrenspiel (E- plus akustische) vorbei geht Alceste ab, in einer Art suizidärem Sprung von der Klippe, den er allerdings überlebt und anschließend dem Spiel der beidem zuschaut, vielleicht schon in dem Winkel, "wo man als Ehrenmann noch ungestört leben kann". 

Das Schlusslied "So many people want me to stay ... I don't wanna!" noch einmal die Zusammenfassung seiner Geisteshaltung. Nach drei Jahren eine Wiederaufnahme im Nationaltheater, die zu Recht sehr positiv angenommen wurde.

Morgen Früh im Radio: Master's Voices - Stimmen aus dem Off



22.05.2013   I   0:05 Uhr   I   Dradio Kultur, Feature

Die zweite Stimme

Master's Voices - Stimmen aus dem Off
Von Walter Filz

Realisation: der Autor 
Mit: Martina Müller-Wallraf, Volker Risch,
Walter Filz 

Produktion: DLR Berlin 1999
Länge: 53 '40


Ich höre Stimmen! Wer das früher von sich behauptete, galt als verrückt oder als Prophet. Heute hören wir alle Stimmen. Nicht nur aus dem Radio, dem Fernseher oder durch die Wand von nebenan. Überall im Raum sind Stimmen. Lautsprecher­durchsagen sind wir gewohnt, doch nun plaudern auch Autos, Haushaltsgeräte und Computer. Navigationssysteme säuseln kürzeste Routen. Kühlschränke signalisieren, wenn ihre Tür offensteht. Stimmen zum Ver­rücktwerden? Nein. Man muss sich nur mit ihnen arrangieren, das empfehlen neuerdings Therapeuten ihren Patienten, die von "inneren" Stimmen ge­quält werden.
Stimmenhören - Stimmenhörig. Der Autor präsentiert eine Revue der Off-Stimmen und geht nebenbei der Frage nach: Wem gehören all diese Stimmen?

Walter Filz, geboren 1959, studierte Germanistik, Kunstge­schichte und Philosophie. Seit 1983 Radio- und Fernsehautor, 2001 Hörspielpreis der Kriegsblinden für "Pitcher". Seit 2005 Redakteur beim SWR. Zuletzt als Autor: "Pieta Piech" (SWR 2012).

Walter's Kurzfilmtipps: "Licht der Nacht", Saori Shiroki



Yoru no hi (Licht der Nacht)
Saori Shiroki 
ausgesucht von Walter Brusius

Der Künstler arbeitet und lebt seit 1982 in Bad Kreuznach 
als freischaffender Maler und Autor. Mehr Informationen.

Am Wochenende in Idar-Oberstein: 18. Jazztage


18. JAZZTAGE IDAR-OBERSTEIN

Freitag, 24.05. bis Sonntag, 26.05.2013

Während des Festivals wird ein Förderbutton verkauft.
Mit dem Kauf eines Button können Sie zur Unterstüzung der Jazztage Idar-Oberstein beitragen.


Zum Auftakt am Freitagabend wird Tea for Three + Special Guests mit Swing zu Gast sein. Diese Band um Pianist Andreas Hertel und die Sängerin Dunja Koppenhöfer ist um eine instrumental vielfältige und versierte Lead Section erweitert. Jean Quadrat, eine junge Band mit kleiner Bläserbesetzung, hervorgegangen aus dem Bundesjugendjazzorchester, spielt Musik mit viel Spannung und Seele nach eigenen Spielregeln.

Renommierte Musiker z.T. aus Rundfunk-Big Bands und eine starke Sängerin präsentieren als Gebläse statt Plastik fetzige und schöne Musik von Chicago und Blood Sweat & Tears.

Außerdem gastiert die Rhein/Main Band  GRANDSHEIKS playing the music of Frank Zappa in einer typischen Show voller Humor und Sarkasmus.

Ansteckenden Hot Jazz liefern Pim Toscani´s Dixieland All Stars und Peter Bühr & his Flat Foot Stompers.

Die beeindruckende Jessy Martens & Band   feiert am Samstagabend mit einer erstklassigen Show die Musik des Blues und Soul in ihrem Entertainment der Oberklasse.

Eine weitere hervorragende Performance, aus dem Bereich des World/Cross Over, liefert das Trio Didier Laloy & S-Tres: Mit kongenialen Musikern bietet der belgische Akkordeonvirtuose  Didier Laloy das ganze emotionale Spektrum einer direkten Musik, die spannungsgeladen zwischen Stille und Explosion nach Freiheit klingt.

Top Act Jazz erklingt auch bei der ausdrucksstarken großartigen Musik des ERNIE WATTS QUARTET (USA/D). Mit seinem markant melodiösen Saxofonstil hat der weltweit angesehene Jazz-Saxofonist u. Grammypreisträger die Musik der Jazzlegenden Buddy Rich, Thelonious Monk, Dizzy Gillespie, Miles Davis, Jack DeJohnette, und sogar gelegentlich die Musik von Frank Zappa und den Rolling Stones bereichert.

Die Idar-Obersteiner Jazztage präsentieren 2013 sonntags bekannte Künstler wie die Sängerin Joyce Lyle mit dem Joyful Gospel Trio im morgendlichen Gospelgottesdienst sowie Marshall Cooper & The Phonky Deputies in einem funky Mix von fetten Bläsersätzen und Scratching. Atmosphärisch und vielseitig spielt das Stephan-Max Wirth Ensemble progressiven Mainstream Jazz. Mit urigem Voodooblues vermittelt durch ein schepperndes Megaphon, ein verzerrtes Banjo, eine schräge Blues-Gitarre und eine Radio-DJ-Stimme liefert Dr. Will & The Wizards eine Show, die den Begriff „Konzert“ übersteigt und zum Ereignis wird.

Auf dem Forum für Neues verdient die Aufmerksamkeit des Publikums auf der Maler-Wild-Bühne am Sonntagnachmittag das junge Barbara Barth Quintett mit der Namensgeberin und Sängerin, die ehemals  aus dem saarländischen Landes-Jugend-Jazz-Orchester kommt, und mit dem erstaunlichen Pianisten Manuel Krass konzertiert.

Auf allen Bühnen wird ein Programm präsentiert, bei dem für jeden Geschmack etwas dabei sein wird, außerdem spielen:

Niels von der Leyen Trio (Boogie Woogie), Golden Swing Big Band (Swing, Latin, Jazzrock), am Café Eckstein Shit Shakers & the Shitty Horns (Rock´n Roll-abilly-Ska) und Elm F. & the Rooks (Club, Latin, Reggae) und auf der Hofbühne o-ton (Weltmusik Cross Over). 

VINCENT - eine Geschichte von Reinhard Stammer, erster Teil


(c) Reinhard Stammer
VINCENT (Teil 1)
  

Eine Geschichte für Kinder ab 10 Jahren.
(Ich habe diese Geschichte für mein Buch "Kann ein Vogel träumen?" mit etlichen Bildern illustriert. Die Bilder werden demnächst in der GALLERIA ARTISTICA flashlight gezeigt.)

Vincent flog hoch über den Wolken. Für ihn schien es keine Schwerkraft zu geben, er umkreiste die Erde, kam der Sonne nah und überlegte, ob er die Sterne erreichen könnte.

Je höher er flog, desto kühner wurden seine Gedanken.

Vincent war noch jung und unbedarft. Die einzige Sorge, die ihn quälte, war die, vielleicht irgendwann einmal wieder zurück zur Erde kehren zu müssen. Aber diese Sorge verflog genauso schnell, wie er mit  ausgebreiteten Armen, einem Adler gleich, durch die Lüfte schoss.

Es ist nicht anzunehmen, dass  jemand auf der Erde ahnte, was dort über ihm passierte.

Vincent war einfach drei Jahre nach seiner Geburt verschwunden. Seine Eltern waren nicht einen Moment verzweifelt. Für sie trat das ein, wenn auch verspätet, worum sie auch schon vor seiner Geburt bemüht gewesen waren: ihn gar nicht erst zur Welt kommen lassen.

Die ersten zwei Jahre, in denen Vincent mit seinen Eltern leben musste, waren, wie man sich denken konnte, nicht die glücklichsten. Er bekam wenig zu essen, wurde geschlagen und er fühlte, dass er unerwünscht war. Er schrie wenig, denn er hätte sowieso niemanden damit erreichen können. Auch aß er nicht sehr viel, kaum mehr als ein kleiner Vogel. Sowenig, dass ein Blick auf seinen kleinen, dünnen Körper den Eindruck erwecken musste, Vincent würde bald wie eine Feder davonschweben. Es war natürlich niemand da, der einen Blick auf Vincent geworfen hat und wenn es jemanden gegeben hätte, wäre das Jugendamt eingeschaltet worden.

Seine Eltern interessierte es nicht, wie es ihrem Kind ging. Sie schienen sogar etwas beglückt darüber zu sein, dass Vincent sehr krank wurde und ihnen vielleicht nicht mehr lange zur Last fallen würde. Er war  wohl auch sehr krank, auf der einen Seite. Auf der anderen Seite durchlebte er in dieser Krankheit einen Prozess, der ihn von Grund auf veränderte. Er wurde immer schwächer und das Stehen fiel ihm zunehmend schwerer. Er begann sich immer häufiger unterhalb des Zimmerfensters zu legen und in den Himmel zu schauen. Es sei erwähnt, dass ihn seine Eltern niemals mit nach draußen nahmen, aus Angst davor, Nachbarn könnten das Elend, in dem sie Vincent dahinvegetieren ließen, erkennen, um es alsdann bei staatlicher Stelle zu melden. Abgesehen davon, hatten sie auch gar nicht das Bedürfnis ihm mehr von der Welt zu zeigen.

Vincent fing an zu träumen. Ärzte würden vielleicht gesagt sagen haben, so sie ihn gesehen hätten: Der Junge fängt zu halluzinieren an. Aber alles im Leben kann man von zwei Seiten betrachten. Vincent natürlich nicht. Er erreichte nicht das  Alter, um so differenziert denken zu können. Er sah Bilder und fing an, die gewohnten schmerzvollen Eindrücke, die damit verbunden waren, durch Bilder, die ihm durch das Schauen nach draußen vermittelt wurden, auszutauschen.

Die Sonne, für die er keinen Begriff kannte, spendete ihm Wärme, das Blau des Himmels, wofür er natürlich ebenfalls keine Worte hatte, erfüllte ihn mit Sehnsucht. Der Mond, der sich immer wieder verändernd, sein karges Zimmer, in ein fahles, unwirkliches Licht hüllte. Die Sterne, die ihm aus weiter, weiter Ferne zuzuwinken schienen. Dann die Vögel, die er auch nur als Erscheinungen in seinem Blickfeld wahrnahm und sich einfügten in das eine große Ganze,  die dort oben so unbeschwert und leicht, manchmal wie Pfeile hin und herschossen und manchmal, ohne die Flügel zu bewegen, auf unsichtbaren Wellen dahinglitten. Einige schienen in der Luft stehen zu bleiben. Es kam vor, dass sich ein kleiner Vogel auf den Fenstersims setzte und zu ihm hereinschaute. Er neigte seinen kleinen Kopf zur Seite und fing an, auf seine Art mit Vincent zu sprechen.

So zumindest erschien es ihm, denn zu sprechen hatte er in den zweieinhalb Jahren nicht gelernt. Einzelne, ganz wenige Worte, die er hörte und zuordnen konnte, nutzte er manchmal, um ein Bedürfnis  auszudrücken, das gemeinhin unerfüllt blieb. Zum Schluss war es meist das Wort Schlafen, wie oft schrie seine Mutter ihn an: „Schlaf endlich ein“. Nun fühlte er mehr, als dass er es sagte, "Ich möchte nur noch schlafen."

Dies änderte sich, nachdem er seine Position unterhalb des Fensters eingenommen hatte. Er schlief kaum noch.

Er nahm die Welt da draußen als ein riesiges bewegtes Bild wahr. Alles gehörte zusammen und verschmolz miteinander. Es schien dort eine wunderbare, fremde Kraft zu geben, die ihm erstmalig in seinem Leben, das Gefühl von Glück und Liebe vermittelte.


(c) Reinhard Stammer
Er wurde jedoch durch seine Lebensumstände daran gehindert, ganz in dieser Welt aufzugehen. Seine Sehnsucht  von hier fort zu kommen, wuchs von Tag zu Tag. Er nahm seine kleine, von Schmerz erfüllte Welt kaum noch wahr. Eines Tages setzte er sich nackt vor das Fenster und wartete auf den kleinen freundlichen Besucher, der sich auch bald auf die andere Seite des Fensters setzte, seinen Kopf zur Seite neigte und einige fröhliche Strophen zu singen anfing. Vincent fühlte, wie sich etwas in und an ihm veränderte. Er fing zu singen an, allerdings in der Sprache des Vogels und ihm wuchsen kleine Federn.

Seine Eltern nahmen diese Veränderung nicht wahr. Wie üblich bekam er einen Teller Suppe und eine Scheibe Brot. Dann wurde er wieder alleine gelassen.

Er aß immer weniger und wurde immer dünner und leichter. Die Federn bedeckten bald seinen ganzen Körper. Zart strich er sich über sein Federkleid und sang ganz leise in der Sprache, die ihn nun jeden Tag von der anderen Seite des Fensters gelehrt wurde. Manchmal saßen dort viele kleine Vögel und sangen zunehmend intensiver und auffordernder. Komm sangen sie, komm zu uns. Du bist nun einer von uns. Fliege!

Es war eine wunderbare Melodie, mit der diese Aufforderung an ihn herangetragen wurde. Sein Herz schlug laut, als er sich vor das Fenster stellte. Es fiel ihm nicht schwer. Er fühlte sich wie von einer fremden Kraft beseelt, die ihn nun auch das Fenster öffnen ließ.

Er war ziemlich genau drei Jahre alt, als er die Arme weit spannte und sein Federkleid  zum ersten Mal in der Sonne glänzte. Er ließ seine alte Welt hinter sich. Anfangs noch etwas unbeholfen, versuchte er in der luftigen Bodenlosigkeit, das Gleichgewicht zu halten. Umringt wurde er von einer ungeheuren Anzahl seiner gefiederten Freunde, die ihm jede nur erdenkliche Hilfe angedeihen ließen. Sie zeigten ihm, wie er  die unterschiedlichen Luftströmungen erkennen und für seinen Flug nutzen konnte und wie er mit seinen Kräften haushalten musste. Eigentlich ging alles sehr schnell und es kam auch zu keinen größeren Unfällen. Nur einmal übersah er einen Mast, an dem sich Windflügel drehten und wäre fast hineingeraten. Aber er lernte sehr schnell, auch dass kleine Misserfolge notwendig waren, um aus Fehlern lernen zu können.
(c) Reinhard Stammer

Er vergaß die Zeit, als er einsam und vergessen in seinem dunklen Zimmer lebte und nur sein eigenes Herz schlagen hörte das, von den Schreien und Schlägen seiner Eltern angstvoll unterbrochen wurde. Hier oben, in dieser grenzenlosen Freiheit, schlug sein kleines Herz im Puls der Sonne, im Rauschen des Windes, im Prasseln des Regens, der manchmal dicht über  ihm aus dunklen Wolken fiel, im Krachen eines Gewitters oder im Zucken eines grellen Blitzes. Er würde niemals Worte finden, die das beschreiben würden. Alles gehörte zusammen und war eins und er gehörte dazu. Von Tag zu Tag verschmolz er mehr mit seiner neuen Umgebung, bis ihn nichts mehr umgab, sondern alles in ihm zu sein schien. Die Welt war er und er war die Welt. Er war erfüllt von Glück, man kann dieses überwältigende Gefühl auch Liebe nennen, allerdings nicht in dem uns gewohnten Sinne, sondern als ein Gefühl, das alles in sich einschloss, nichts ablehnte und nichts bevorzugte.

(...)

(c) Reinhard Stammer

Montag, 20. Mai 2013

Heute Abend: Festlicher Opernabend in Mannheim mit EUGEN ONEGIN




Eugen Onegin

Pjotr Iljitsch Tschaikowski

Musikalische Leitung Joseph Trafton
Inszenierung Regula Gerber
Bühne Sandra Meurer
Kostüme Sabine Blickenstorfer
Choreografie Guido Markowitz
Chor Tilman Michael
Dramaturgie Regine Elzenheimer


« Das Leben ist kein Roman. »


Vor dem Hintergrund ernüchternder Lebenswirklichkeit entfaltet Tschaikowski in der Konstellation von vier jungen Menschen ein Spektrum von emotionalen Extremen. Er erzählt dies aus drei Perspektiven: Die realitätsferne Tatjana lebt in literarischen Liebeswelten, bis ihr Eugen Onegin begegnet, auf den sie plötzlich all ihre angestauten Gefühle projiziert. In einem nächtlichen Monolog entfaltet sie in einem Brief an Onegin das ganze
Panorama dieser Emotionen. Er gibt sich jedoch als liebes- und beziehungsunfähiger Zyniker zu erkennen. – Der Poet Lenskij, der Tatjanas Schwester Olga überhitzt und eifersüchtig liebt, lässt sich durch Onegins dekadente Unangepasstheit zu einer Duellforderung provozieren, der er selbst zum Opfer fällt. – Onegin selbst, durch die Tötung Lenskijs immerhin zu Schuldgefühlen fähig geworden, entdeckt seine Leidenschaft für Tatjana erst, als sie durch ihre Ehe mit dem Fürsten Gremin in unerreichbare Ferne gerückt ist.

Als Tschaikowski sich 1877 entschloss, einige Szenen aus Puschkins Versroman Eugen Onegin zu vertonen, schlug er mit seinen „lyrischen Szenen“ einen für die Oper völlig neuen Weg ein: „Ich brauche keine Zaren, Zarinnen, Volksaufstände, Schlachten, Märsche, mit einem Wort alles das, was mit dem Attribut Grand opéra bezeichnet wird. Ich suche ein intimes, aber starkes Drama, das auf Konflikten beruht, die ich selber erfahren oder gesehen habe, die mich im Innersten berühren können.“

Obwohl er die Oper zu seiner Zeit für „bühnenunwirksam“ hielt, wurde sie nicht zuletzt kraft ihrer Musik zu einem der meistgespielten Repertoirewerke.

Heute Abend im Nationaltheater Mannheim: Woyzeck




Nationaltheater Mannheim, Schauspielhaus

Woyzeck  (Tom Waits, Robert Wilson)


Inszenierung Georg Schmiedleitner
Bühne und Kostüme Florian Parbs
Mitarbeit Kostüme Rebekka Zimlich
Musikalische Leitung Joe Völker
Dramaturgie Ingoh Brux

Songs und Liedtexte von Tom Waits und Kathleen Brennan
Konzept von Robert Wilson
Textfassung von Ann-Christin Rommen und Wolfgang Wiens

Siehe meine Besprechung

Heute im Schloss Schwetzingen: Schwetzinger SWR Festspiele | Schwerpunkt 2013 ARD Preisträger


Schwetzinger SWR Festspiele | Schwerpunkt 2013 ARD Preisträger

20. Mai 2013

Der ARD-Musikwettbewerb ist ein wichtiger Wegbereiter für die internationale Karriere junger Musiker.

Im September 2012 in München ausgetragen, sind nur ein gutes halbes Jahr später mit Sumi Hwang (Sopran), Annelien Van Wauwe (Klarinette) und dem Novus String Quartet drei vielversprechende junge Talente bei den Schwetzinger Festspielen zu Gast.

Die koreanische Sängerin Sumi Hwang studierte von 2004 bis 2011 an der Nationalen Universität Seoul und ergänzt ihre künstlerische Ausbildung nun an der Hochschule für Musik und Theater München bei Frieder Lang.

Die belgische Klarinettistin Annelien Van Wauwe war zwischen 2005 und 2011 Studentin in der Klasse von Sabine Meyer an der Musikhochschule Lübeck und setzt seitdem ihre Studien in Paris, Rom und Berlin fort. Das südkoreanische Novus String Quartet konnte sich seit seiner Gründung im Jahr 2007 als rising star in Korea etablieren und machte auch schon international auf sich aufmerksam.


Sumi Hwang, Sopran / Novus String Quartet

Werke von Berg, Respighi und Dvořák
Montag, 20. Mai 2013
Jagdsaal
Beginn:
15.00 Uhr
Sumi Hwang
Sumi Hwang
  • Alban Berg: Vier Lieder op. 2, Bearbeitung für Sopran und Streichquartett von Heime Müller
  • Ottorino Respighi: "Il Tramonto", Poemetto lirico für Sopran und Streichquartett
  • Antonín Dvořák: Streichquartett G-Dur op. 106
Der ARD-Musikwettbewerb ist ein wichtiger Wegbereiter für die internationale Karriere junger Musiker. Im September 2012 in München ausgetragen, sind nur ein gutes halbes Jahr später mit Sumi Hwang (Sopran), Annelien Van Wauwe (Klarinette) und dem Novus String Quartet drei vielversprechende junge Talente bei den Schwetzinger SWR Festspielen zu Gast.
Die koreanische Sängerin Sumi Hwang studierte von 2004 bis 2011 an der Nationalen Universität Seoul und ergänzt ihre künstlerische Ausbildung nun an der Hochschule für Musik und Theater München bei Frieder Lang. Die belgische Klarinettistin Annelien Van Wauwe war zwischen 2005 und 2011 Studentin in der Klasse von Sabine Meyer an der Musikhochschule Lübeck und setzt seitdem ihre Studien in Paris, Rom und Berlin fort. Das südkoreanische Novus String Quartet konnte sich seit seiner Gründung im Jahr 2007 als rising star in Korea etablieren und machte auch schon international auf sich aufmerksam.    

Sumi Hwang, Sopran / Annelien Van Wauwe, Klarinette / Novus String Quartet

Werke von Schubert, Berg und Mozart
Montag, 20. Mai 2013
Jagdsaal
Beginn:
18.00 Uhr
Montage: Annelien Van Wauwe, Sumi Hwang
Annelien Van Wauwe, Sumi Hwang
  • Franz Schubert: Der Hirt auf dem Felsen D 965, Bearbeitung für Sopran, Klarinette und Streichquartett von Øystein Sonstad
  • Alban Berg: Sieben frühe Lieder, Bearbeitung für Sopran und Streichquartett von Heime Müller
  • Wolfgang Amadeus Mozart: Klarinettenquintett A-Dur KV 581



Heute Abend im Radio: Rio Sorbonne von Hubert Fichte



20.05.2013  I 18:30 Uhr  I  Dradio Kultur, Hörspiel 

Rio-Sorbonne
Von Hubert Fichte

Regie: Peter Michel Ladiges
Mit: Marianne Löchert 

Produktion: SFB/NDR/WDR 1983 
Länge: 84 '58

"Rio-Sorbonne" gehört in eine Reihe von Monologen Hubert Fichtes, in denen er existenzielle Grenzerfahrungen zwischen fremden Kulturen thematisiert. In Gisele Cossard, der Ich-Erzäh­lerin, verdichten sich Aussagen von zwei afroamerikanischen und einer aus Frankreich stammenden Frau, die Fichte zu einem brasiliani­schen Besessenheitskult inter­viewt hatte. Gisele, Frau eines französischen Diplomaten im Rio de Janeiro der 70er-Jahre, nimmt an einem Fest der Eingeborenen teil und erlebt eine erste Trance. Sie bereist Afrika, wird ihrer afrikanischen Kenntnisse wegen in Rio besonders gefeiert und findet an der Sorbonne Interesse für ihre Thesen über den "Candomble de Angola"« in Rio de Janeiro. Als Priesterin eines eigenen Tempels einerseits und als französische Botschafterin andererseits führt sie fortan ein Doppelleben.
Hubert Fichte (1935-1986,), Schrift­steller und Ethnograph. Aus Reisen und anthropologischen Studien u.a. in Bahia, Haiti und Trinidad gingen zahlreiche Veröffentlichungen und Radioarbeiten hervor: "Das Waisenhaus" (1965), "Xango" (1976), "Die Geschichte der Empfindlichkeit'" (1987).

DAS FASTNACHTTIER - Skurriles von Walter Brusius



Das Fastnachttier




Kannenbruch stand am Fenster. Ein leichter Regen fiel, der dem Licht draußen etwas Seltsames gab, der Regen macht das Licht wässrig. Auf dem Weg am Fluß war ein andrer zu sehen, mit einem Sack auf dem Rücken. Etwas weiter führte eine Brücke über den Fluß, darauf ging er zu, im Lauf des Tages kamen immer wieder Männer mit Säcken auf den Rücken, aus beiden Richtungen.

Pappeln, hohe Bäume, das Grün dieser Blätter etwas Metallisches, die Blätter in der Farbe von oxidiertem Kupfer, die Farbe macht die Bäume unecht, verlieh ihnen jedoch gleichzeitig etwas Religiöses.

Der Regen filterte das Licht also, vieles fing er in den Tropfen ein, ließ es an anderer Stelle unbesehen versickern.

Bilder, so oder so, die auf Kannenbruchs Augen trafen.

Vom Uferdamm ging es steil in den Fluß; eine Möwe flog ins Bild. Sie überflog die Brücke. Die Möwe, ihr Gefieder war hell, schneeweiß. Ebenso weiß war ein Tuch, das Kannenbruch aus der Tasche zog, mit dem er die Stirn wischt; auf der Stirn stand der Schweiß, Kannenbruch war nicht zum Vergnügen aufgestanden, sondern weil ihn der Schmerz aus dem Bett trieb.

Kurz darauf bellte ein Hund. Kannenbruch ging zur Tür, öffnete. Vor der Tür ein Mann, er mit einem viel zu großen Hut; Kannenbruch trat einen Schritt zur Seite, der Mann mit dem Hut trat ein. Der andre nahm den Hut dann ab, man sah sein Gesicht.

Er zog ein Glas aus der Tasche. In ihm summte eine Fliege. Das Glas stellte er auf den Tisch. Mit einem Deckel war es verschlossen, die Fliege summte, brummte im Glas hin und her.

Feiner Regen glitzerte.

Wie das Flüssige das zu Stande brachte?

Draußen knurrte, kratzte noch immer der Hund an der Tür.

Kannenbruch schob das Tuch weg.

Was für ein schöner Tag. Sehen wir vom leichten Regen einmal ab“, sagte er; lachte und er zeigte auf den Mantel da, auf dem fein das Glitzern der Tröpfchen war.

Hinter ihm stand sein Bett, das von vier aus Holz geschnitzten Figuren getragen wird. Vier dicke nackte Männer knieten, hielten das Bett. Die Männer trugen Röcke aus Bast.

Bald wird es Winter. Haben Sie sich schon auf den Winter vorbereitet, Kannenbruch?“

Er drehte den Hut, mit einer geschickten Bewegung, wie ein Kreisel drehte er sich rasch ein paar Mal auf dem Tisch.

Er ging zum Fenster, stand dort wie Kannenbruch kurz zuvor, sah dort die Bilder, die Kannenbruch vor ihm gesehen hatte. Die Hände auf dem Rücken. Stand schweigend, die Hände hinterrücks gefaltet.

Der Mantel des Fremden sog die Tropfen nun auf.

Nach und nach verlor sich der Glanz. 

(c) Walter Brusius

Sonntag, 19. Mai 2013

Wie war's beim Tingvall Trio in Trier?


Tingvall Trio

In Triers altehrwürdiger Multifunktionskirche, Sporthalle und Eventbühne Ehemalige Reichsabtei St. Maximin gab es am 12.05. nach TUBULAR BELLS FOR 2 gleich noch einen Leckerbissen von Popp Concerts: das Tingvall-Trio.  Zu hören gab es nicht die unerbittliche orchestrale Steigerung und das durchdringende Aufschreien der E-Gitarrenschrägen und Vehemenz der Keyboards und Synthesizer, sondern die exakten, schnellen und sauberen Töne aus dem Könnerjazz. 

Dieses ausgezeichnete und preisgekrönte Jazztrio - drei Mal mit dem Jazz-ECHO ausgezeichnet, zuletzt unter anderem mit dem Publikumspreis als bester Live-Act - bestehend aus Martin Tingvall (Piano, Schweden), Omar Rodriguez Calvo (Bass, Kuba) und Jürgen Spiegel (Drums, Percussion, Deutschland), kultiviert eine besondere Art des Jazz, die sich herausschält, wenn man in einige Lieder hineingehört hat. Martin Tingvall tourt auch solo. Er ist bekannt durch seine Kompositionen für TV- und Kinoproduktionen und als Songwriter für eine Reihe von verschiedenen Künstlern. Besonders auffiel seine Arbeit mit Udo Lindenberg, zu dessen vielfach prämiertem Comeback-Album "Stark wie zwei" Martin Tingvall einige Titel beisteuerte, darunter Lindenbergs Hit "Wenn du durchhängst", was man bei Tingvalls Musik gar nicht erwartet.
Was am Anfang noch nach einem richtig gutem lockeren Jazz aussah - Martin Tingvall warf das Programm mit seinem Trio bereits nach dem ersten Titel gleich mal über den Haufen und schlug eine neue Reihenfolge ein - entwickelte sich zu einer gehaltvollen, ausdrucksreichen und eindringlichen Metasprache der existenziellen und poetisch-expressiven Art. Mit einem dominanten Piano, Tingvall zunächst mit vielfältigen Staccati und kraftvollem Ausdruck, später lyrischer werdend, Omar Rodriguez Calvo mit extrastarkem wendigem Bass, virtuosem Saitenspiel und, wie um seine Pfeile aus schnellen gezupften Tonfolgen abschießen zu können, der Bogen im Köcher am Bass hängend, immer griffbereit. Jürgen Spiegel, die ersten Titel auffällig zurückhaltend in den Liedern, nur taktgebende, viele hölzerne Schlagwerkzeichen, dazwischen mit sanftem und beruhigendem Besen Stimmung aufbauend und pflegend, gegen Mitte und in die zweite Hälfte hinein jedoch gewaltig sich entfaltend zu Drumkaskaden.
Es wurden Titel aus den vorhandenen Alben oder noch nicht veröffentlichte Titel gespielt, so etwa Utsikt (aus: Norr), sehr schnell, dominanter Bass mit Solo, einen Soundteppich schaffend, abrupter Übergang. Helikt (ohne Album) mit gestrichenem Bass, pathetischem Aufbau und lyrischem Fortschreiten, Tremoli vom Piano. Heitere, unbekümmerte Stücke (z.B. Wellden - Held) folgten.  Mustasch (aus: Skagerrak, Schnurrbart) ein erfassendes Stück mit starkem Rhythmus, durchscheinendem Bossa Nova, beschleunigend, härter werdend, auch die Drums, alle bis zur teuflischen Geschwindigkeit. Broellop (aus: Vägen, Der Klang) verheißungsvoll voranschreitend, harmonische Akkorde begleiten das erzählende Piano auf seinem Weg, ein Verweilen und Fortsetzen. Hajskraj (aus:Vattensorga, Angsthaie), Staccatopassagen von Tingvall zu orientalischen Halbtönen auf dem Kontrabass, eindringliche Steigerung durch die Drums - mit abruptem Ende. Und besonders überzeugend empfand ich auch Efter Livet (aus: Vägen, Das Leben danach), ein getrageneres Stück, schwermütiges, mit kleinen Trommelwirbeln, akzentuiertem Klavier und zäsurscharfen Bassschritten - eine Steigerung mit atonalen Elementen,und schließlich schwere Trommelschläge zu einem feierlichen Zug zu einem Ziel (?). Auch der Titel danach eine Wucht. Alles in allem starker, edler Jazz.

Intermezzo 2: JOHN CAGE's Music for Marcel Duchamp by Armin Fuchs





Armin Fuchs - prepared piano -
live at the Festival "Parkmusik" artpoint 
Trombacher Hof 2007

Intermezzo 1: JOHN CAGE (4'33'' for piano, 1952)





... the master's "silent piece"
1. tacet
2. tacet

Morgen Früh: Die Unvermeidlichen, Hörspiel von Katrin Röggla


Inszenierung im Frankfurter Lab,  Foto: Walter Vorjohann
20.05.2013  I  0:05 Uhr  I  Dradio Kultur, Freispiel

Die zweite Stimme
Die Unvermeidlichen
Hörspiel von Kathrin Röggla

Regie: Leopold von Verschuer
Mit: Felix von Manteuffel, Eva

Brunner, Bettina Kurth, Kirsten
Härtung u.a.
Komposition: Bö Wiget
Ton: Jean Szymczak 

Produktion: BR 2012
Länge: 48'59

Simultanübersetzer sind ein­gepfercht in kleine schalldichte Kabinen, einzig bestückt mit Kopfhörer, Mikrofon und Räusper­taste. Hören und Sprechen sind auf das Engste miteinander ver­schmolzen. Vom Protokoll als "die Unvermeidlichen" bezeichnet, begleiten sie das politische Ge­schehen, ja machen es erst mög­lich. Ihre hoch konzentrierte, scheinbar körperlose Sprach­übertragung wird zu einer Brücke in die Zentren der Macht, die stimmliche Neutralität zur Her­ausforderung. Da gerät der Kollegenplausch auf dem Flur zum körperlichen und geistigen Identitätsnachweis - denn das Dauerkonferieren auf Krisen­gipfeln, Sicherheitskonferenzen oder Bildungsnotstandstreffen richtet bei den Beteiligten einigen Schaden an.


Kathrin Röggla, geboren 1973, schreibt Prosa, Theatertexte und Hörspiele.

Heute Abend: Pedro Claver im Prüfstand bei Hubert Fichte


 19.05.2013  I  18:30 Uhr  I  Dradio Kultur Hörspiel

Großes Auto für den Heiligen Pedro Claver
Von Hubert Fichte



Regie: Peter Michel Ladiges
Mit: Matthias Formier, Roben Rathke,

Dieter Barsche, Horst Michael
Neutze u.a.
Ton: Günter Genz
Produktion: SFB/NDR/SDR 1981
Länge: 89'25


Der Jesuitenpater Pedro Claver lebte von 1580 bis 1645. 24 Jahre seines Lebens brachte er in Cartagena de Indias zu, einem der Hauptumschlagplätze für Sklaven in der Neuen Welt. Er hat die wesentlichen Sklavenaufstände Kolumbiens und die Gründung des unabhängigen afrikanischen Dorfes San Basilio miterlebt und selbst - der Fama nach - 300.000 Afrikaner christianisiert.
In seinem dokumentarisch angelegten Hörspiel ruft Hubert Fichte Propheten und Eroberer, Kirchenfürsten und Sklaven­händler zu Zeugen auf - für und gegen den heiligen Pedro Claver. Fichte zeigt den Täufer und Helfer der Schwarzen im Widerspruch zu einer Kirche, die ihn durch die Sanktionierung des Sklavenhandels zugleich zum Instrument der Unterdrückung machte: nicht nur die Körper, auch die Köpfe der Afrikaner wurden »kolonisiert«.

Hubert Fichte (1935-2986,), Schrift­steller und Ethnograph. Aus Reisen und anthropologischen Studien u.a. in Bahia, Haiti und Trinidad gingen zahlreiche Veröffentlichungen und Radioarbeiten hervor: "Das Waisenhaus" (1965), "Xango" (1976), "Die Geschichte der Empfindlichkeit" (1987).

Dichterhain: LIED von Rainer Maria Rilke




LIED  (DU NUR, DU)

Du, der ich's nicht sage, daß ich bei Nacht
weinend liege,
deren Wesen mich müde macht
wie eine Wiege.
Du, die mir nicht sagt, wenn sie wacht
meinetwillen:
wie, wenn wir diese Pracht
ohne zu stillen
in uns ertrügen?

Sieh dir die Liebenden an,
wenn  erst das Bekennen begann,
wie bald sie lügen.

Du machst mich allein. Dich einzig kann ich vertauschen.
Eine Weile bist du's, dann wieder ist es das Rauschen,
oder es ist ein Duft ohne Rest.
Ach, in den Armen hab ich sie alle verloren,
du nur, du wirst immer wieder geboren:
weil ich niemals dich anhielt, halt ich dich fest.

Rainer Maria Rilke
aus den "Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge"

Samstag, 18. Mai 2013

Fantasien zur Nacht: SPÄTLESE von Erika Ott


Foto: Ricarda Dämmrich - Selbstinszenierung

Spätlese

Nach unermüdlichen Weg
gabeln tagten wir
in Dämmerwänden
bis das Haarkleid
letzten Tau im Untergang
gefeiert und unser Licht
in Radixküssen
gar verlosch 

nach der Spätlese
gabst du mir einen Namen
im Schatten des Ginster
fuhren wir auf der Erde
die Kreise nach
unser stärendes Umweben
auf den Jungferninseln

das Mutgeld teilten wir uns 
unter der Hand
denn wir waren einig 
den queren Pazifik
zu unseren Füßen
nahm ich meinen
Namen dankend an.


(c) Erika Ott

Sind Sie ein Zahlenfreak? Albrecht Beutelspacher auch!


Der bekannte Mathematiker Albrecht Beutelspacher legt mit diesem Band eine kleine Zahlen­kunde für Mathematiker und Nichtmathematiker vor. Er zeigt, welchen Reichtum an Erfah­rungsmöglichkeiten die Zahlen bieten, was man alles mit Zahlen beschreiben kann, welche er­staunlichen Anwendungen Zahlen haben, - welche Zahlen besonders faszinierend sind und -welche Geheimnisse die Zahlen immer noch in sich bergen. Darüber hinaus gibt er Antworten auf jene Frage, mit der man bis heute jeden Mathematiker leicht in Verlegenheit bringen kann: Was ist eigentlich eine Zahl?

Albrecht Beutelspacher ist Professor für Mathematik an der Universität Gießen. Das von ihm gegründete Mathematikum ist das erste-mathematische Mitmachmuseum der Welt. Beu­telspacher erhielt mehrere renommierte Auszeichnungen und ist bekannt dafür, Mathematik unterhaltsam und spannend zu präsentieren. Im Verlag C. H. Beck sind von ihm erschienen: Pasta all'infinito (2001), Geheimsprachen (Beck Wissen, 2012), Christian und die Zahlen­künstler (2006) sowie Albrecht Beutelspachers Kleines Mathematikum (2010).

Heute Abend: Premiere von Elton John's & Tim Rice's AIDA.


Elton John & Tim Rice`s AIDA | Foto der Produktion am Staatstheater Darmstadt © Barbara Aumüller
18.05.2013  I  19:30 Uhr  I  Pfalztheater Kaiserslautern, Großes Haus

AIDA
Musical von Elton John und Tim Rice
Musik von Elton John, Gesangstexte von Tim Rice, Buch von Linda Woolverton, Robert Falls & David Henry Hwang
Deutsch von Michael Kunze
Premiere 18|05|2013 | Großes Haus

Eine Koproduktion mit dem Staatstheater Darmstadt.


Die Liebesgeschichte von Aida und Radames wurde durch Giuseppe Verdis Oper weltberühmt. Sie handelt von zwei jungen Menschen, verbunden durch die Liebe und zerrissen durch das Schicksal ihrer Völker. Aida, die nubische Prinzessin, lebt in ägyptischer Gefangenschaft und verliebt sich in den gefeierten Kriegshelden Radames. Er ist ihr Feind, doch als Mann erwidert er Aidas Liebe, obwohl er bereits mit Amneris, der Tochter des Pharaos, verlobt ist. Es beginnt eine leidenschaftliche Geschichte um Liebe, verletzte Gefühle und das Schicksal zweier Völker.

Der britische Popstar Elton John und seine Librettisten konzipierten das Musical-Gegenstück zu Verdis Oper zunächst als Soundtrack zu einem Zeichentrickfilm, der allerdings nie realisiert wurde. Letztlich wurde daraus eine Bühnenshow, die 1998 in Atlanta ihre Premiere erlebte. In einer überarbeiteten Fassung kam das Musical 1999 in Chicago heraus, bevor es am 23. März 2000 eine umjubelte Premiere am New Yorker Broadway erlebte. „AIDA“ wurde mit vier Tony Awards, u. a. für die beste Originalmusik, sowie mit einem Grammy Award für den besten Musicalsoundtrack ausgezeichnet.

Elton Johns eingängige Songs und Ensemblenummern für „AIDA“ sind der Popmusik verpflichtet, schließen aber auch andere Musikstile wie Reggae, Motown und Gospel sowie Elemente traditioneller Musik aus dem Vorderen Orient mit ein.