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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Dichterhain, Bände 5 bis 8

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Dienstag, 12. November 2013

Prosa: TEUFELSKINDER (4) - Don Juans schönste Liebschaft - von Jules Amedée Barbey d'Aurevilly


Don Juans schönste Liebschaft
Unschuld ist des Teufels Leckerbissen

3

Es war also spät, das heißt: früh. Der Morgen graute. An der Decke und an etlichen Stellen der dicht zusammengeschlossenen rosaseidenen Vorhänge des Boudoirs schimmerten hereingekrochene Tageslichter wie immer größere neugierige Augen, die gern wissen möchten, was in der Lichtfülle des Gemaches vor sich geht.

Die erst so starke Erregung der Ritterinnen der Tafelrunde war matt geworden. Der keinem Fest fehlende letzte Gast, die Müdigkeit, war leise eingetreten. Die gesteigerte Lebhaftigkeit sinkt vor ihm zusammen. Er wirft seine Schleier über alles, über das sich lösende Haar, über die entflammten oder erbleichten Wangen, über die bläulich-umschatteten Augen und die schwergewordenen Lider, und sogar über die flackernden Flammen der Kerzen in all den vielen goldenen Armleuchtern und glitzernden Hängekronen.

Die allgemeine Plauderei, die so lange munter und eifrig war, dieses Ballspiel, bei dem jede im rechten Augenblick ihren Schlag getan, verfiel in Bruchstücke, in Splitter, in kleine Teile. Kein Leitmotiv herrschte mehr im klangreichen Gesumme dieser rassigen Stimmen, das auf und nieder tanzte wie das Gezwitscher der Vögel in der Morgendämmerung am Waldessaum, bis sich urplötzlich eine Kopfstimme erhob, herrisch und beinahe unverschämt, eine echte anspruchsvolle Herzoginnenstimme, über alle anderen hinweg, die dem Grafen von Ravila ein paar Worte zurief, offenbar die Fortsetzung und die Folge eines Gespräches, das sie bisher leise mit ihm geführt hatte und das keine der sich miteinander unterhaltenden anderen gehört hatte:

»Graf, der Sie für den Don Juan unserer Zeit gelten, Sie sollten uns die Geschichte derjenigen Eroberung zum besten geben, die Ihrer Eitelkeit als vielgeliebter Mann am meisten geschmeichelt hat, und die Sie im Licht dieser Stunde für die schönste Liebschaft Ihres Lebens erklären!«

Sowohl die Stimme wie ihr Verlangen durchschnitt wie mit einem Schlage das Gewirr aller Kreuz- und Quergespräche und schaffte sofort Stille. Es war die Stimme der Herzogin von ***. Ihren Namen will ich hier nicht nennen. Ich begnüge mich zu sagen, daß sie die hellste Blondine mit den schwärzesten Augen der ganzen Vorstadt St. Germain ist. Sie saß, wie ein Gerechter zur Rechten Gottes, zur Rechten des Grafen, des Gottes dieses Festes, der an diesem Abend keinen seiner Feinde zum Schemel seiner Füße gemacht hätte. Sie war schlank und fein wie eine Arabeske, wie eine Fee, in ihrem grünen Samtkleid, das von der Seite wie Silber glänzte und dessen lange Schleppe, gewunden um ihren Stuhl, aussah wie der lange Schlangenschwanz, in dem der süße Leib der schönen Melusine endet.


»Ein glänzender Gedanke!« jubelte die Gräfin von Chiffrevas, um in ihrer Eigenschaft als Dame des Hauses den Wunsch und die Anregung der Herzogin zu unterstützen. »Ja, Graf, die Geschichte derjenigen Liebe von allen, die Sie je gespendet oder geerntet, die Sie, wenn dies möglich wäre, noch einmal von Anfang bis Ende erleben möchten!«

»Oh! Ich möchte sie alle noch einmal erleben!« beteuerte Amadee mit der Unersättlichkeit eines römischen Cäsaren, die genußmüden Menschen zuweilen eigen ist. Dabei erhob er sein Sektglas. Es war dies keine der heute vielfach üblichen plumpen und bäuerischen Schalen, sondern das schlanke, hohe Spitzglas unserer Väter, das einzig-wahre Glas für den Champagner, das man »Flöte« genannt hat, vermutlich in Hinsicht auf die himmlischen Melodien, die uns aus solchem Glas zuweilen in das Herz fließen. Mit einem schweifenden Blick umfing er den ganzen Kreis der Damen, des Tisches köstlichsten Kranz.

»Und doch ...«, fügte er hinzu, indem er das Glas wieder vor sich hinstellte, mit einer Wehmut, die einem Nebukadnezar wie ihm, der noch kein anderes Gras als die Salate im Café Anglais gegesssen hatte, seltsam stand. »Und doch ist es die Wahrheit: unter allen Herzenserlebnissen eines Lebens gibt es eines, das auf unserem weiteren Erdengang in der Erinnerung, alle anderen Eindrücke mächtig überstrahlt. Für die Wiederkehr dieses einen würden wir gern alle anderen nicht erlebt haben wollen, und wären sie noch so schön gewesen!«

»Die Perle im Gold!« flüsterte die Gräfin von Chiffrevas verträumt vor sich hin und freute sich am weißen Schimmer der großen Perle ihres Lieblingsringes.

Und die Fürstin Isabel setzte hinzu:

»Der Diamant in dem schönen Märchen meiner Heimat, der erst rosenrot glüht, dann aber schwarz und schwärzer wird und immer feuriger funkelt!« Sie sagte das in der morgenländischen Anmut der kaukasischen Frauen, deren schönste sie war. Ein Polenfürst, einer der Flüchtlinge, hatte sie aus Liebe geheiratet, sie, die seitdem selber so aussah, als sei sie vom Stamm der Jagellonen.

Nun gab es einen wahren Sturm. »Ach ja!« riefen alle in Begeisterung. »Erzählen Sie uns das, Graf!« Und die ganze Runde umbettelte ihn, im Vollgenusse der Schauer der Wißbegier, die ihnen die Nacken durchrieselten. Sie rückten zusammen; ihre Schultern berührten einander fast. Die eine stützte den Kopf mit der schlanken Hand; eine andere lehnte den vollen Arm gegen den Tisch; die dritte drückte den Fächer gegen die runde Lippe. Aber alle richteten ihre durstigen Blicke hochnotpeinlich auf den Grafen.

»Wenn Sie das durchaus wollen, meine Damen ...«, sagte Ravila, in der lässigen Art eines Mannes, der genau weiß, wie sehr die Erwartung das Verlangen steigert.

»Durchaus!« erklärte die Herzogin, indem sie die goldene Schneide ihres Nachtischmessers betrachtete wie ein Türkensultan die Schneide seines Krummsäbels.

»So hören Sie also!« fuhr er fort, noch immer in lässiger Weise. Seine Zuhörerinnen vergingen vor Spannung, indem sie auf ihn schauten. Sie verschlangen ihn mit ihren Augen und schlürften seine Worte. Jede Liebesgeschichte fesselt die Frauen, und – wer weiß das? – vielleicht war hier noch ein ganz besonderer Reiz im Spiele, denn jede einzelne in der Runde dachte wohl bei sich: Vielleicht erzählt er jetzt sein Erlebnis mit mir! Daß dieser Kavalier und Mann der großen Welt keine Namen nennen und verräterische, aber unumgängliche Einzelheiten verschleiern werde, des waren sie alle sicher. Und dieses Bewußtsein, diese Gewißheit stärkte das Begehren nach der eigenen Geschichte. Sie begehrten nicht allein danach. Sie erhofften es.

Aus Eitelkeit waren sie eifersüchtig auf eine Erinnerung, die ein Mann aus dem Schatz vieler und schöner Erinnerungen als die schönste seines Lebens aus dem Gedächtnisse wieder heraufbeschwor. Der alte Sultan sollte noch einmal das Taschentuch werfen. Keine hätte es aufnehmen wollen, aber jeder, der es zuflog, wäre es an das Herz gegangen.


Was davor geschah, lesen Sie hier.

Montag, 11. November 2013

Die Broom Bezzums im November und Dezember 2013


Neue EP-Single
Am Freitag ist unsere neue Extended Play Single “Round the Houses” erschienen. Der Titel-Track ist ein zeitgenössische World-Beat Folksong, mit Mark und Andrew auf jedem Instrument, das sie spielen können und dreistimmige Gesangsätze zusammen mit Katie Doherty. Das zweite Lied ist etwas ruhiger mit Ian Stephenson (Kan, Baltic Crossing) auf Kontrabass und Knopfaccordeon. Danach wird's intimer mit “All in the Giving”, bevor die Partystimmung wieder steigt mit “A Soulin'”, einem der beliebtesten Tracks vom Winterman-Album. Die CD ist erhältlich auf unseren Konzerten oder als Download von Amazon und iTunes.

Video jetzt online
Als Begleitung zu Round the Houses gibt es einen Video-Clip, gefilmt von Jolyon Holroyd in Devon. Andrew läuft in Exeter rum, und Mark spielt die Leute, die er unterwegs trifft – z.B. Dr. Gibbs, der verrückte Metzger, und einen Soldat. Katie ist in einer Scheune mit ein paar Schafen mit Party-Hüten und trinkt irgendwas, das aussieht wie Gin. Das macht vielleicht mehr Sinn, wenn ihr das anschaut ... 

Earth Loop in den Chart
Unser anderes Projekt “Earth Loop” ist unter den Top 15 in den Celtic Rock Charts mit einer Reggaeversion von Byker Hill. Die Plätze werden durch Publikumsabstimmung vergeben. Ihr könnt das Lied hier hören und eine Stimme abgeben: celtic-rock.de

Konzerte
15th Nov 2013     61381 Friedrichsdorf - Forum  with An Tor
6th Dec 2013       68165 Mannheim - Schatzkistl, Winter Carol 2013 with Katie Doherty
7th Dec 2013       89075 Ulm - Charivari, Winter Carol with Katie Doherty
8th Dec 2013       72532 Gomadingen-Dapfen - Lagerhaus an der Lauter, Winter Carol with Katie Doherty
12th Dec 2013 41460 Neuss - Musikkneipe Hamtorkrug, Winter Carol with Katie Doherty
13th Dec 2013 24943 Flensburg - Ev. Gemeindezentrum Engelsby, Winter Carol with Katie Doherty
14th Dec 2013 26121 Oldenburg - Wilhelm13, Winter Carol with Katie Doherty
15th Dec 2013 53604 Bad Honnef - Folk im Feuerschlösschen, Winter Carol with Katie Doherty


Bis bald, Andrew & Mark



Good Sounds: RILKE-PROJEKT Überfließende Himmel 12, Wenn es nur einmal so ganz stille ... (Gottfried John)


Buchtipp: Es wartet eine Welt. Lebensweisheiten von Rainer Maria Rilke

... DAS LEBEN HAT GOLDENE GASSEN

Rainer Maria Rilke
Es wartet eine Welt. Lebensweisheiten



Diese Auszüge aus Rainer Maria Rilkes Werken, Briefen und Tagebüchern sind Beleg seiner außergewöhnlichen, sensiblen Welterfahrung. Es finden sich erstaunliche und hilfreiche Entdeckungen von Menschlichem und Allzumenschlichem.

Herausgegeben von Günter Stolzenberger
Originalausgabe
Ebenfalls von Rainer Maria Rilke bei dtv erhältlich:
›Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge‹, ›Duineser Elegien, ›Dies Alles von mir‹

Good Sounds: THE WATERBOYS, The Whole Of The Moon


„Labor für Koproduktionen“ beim 62. Internationalen Filmfestival Mannheim-Heidelberg

Vereinbarung für RODINA („Motherland“) auf dem MMP unterschrieben
Der Mannheim Meeting Place hat sich im vierten Jahr als „Labor für Koproduktionen“ in Europa etabliert, Filmförderung Baden-Württemberg (MFG) unterstützt die Branchenveranstaltung zum ersten Mal

Mannheim/Heidelberg, den 08. November 2013 – Ziel jedes Koproduktionsmarktes ist die Vereinbarung der Kreativ- und Finanzierungspartner über die Realisierung einer Produktion. Für RODINA von Vladimir Kozlov, eines von insgesamt fünf Projekten, die in 2013 Zugang zum Mannheim Meeting Place erhielten, wurde dieses wesentliche Ziel heute erreicht. Igor Pedicek aus Slowenien steigt mit seiner Firma Casablanca als Koproduzent ein.

Vom 4. – 7. November 2013 trafen sich im Rahmen des 62. Internationalen Filmfestivals Mannheim-Heidelberg Produzenten, Financiers, Weltvertriebsleiter und Regisseure, um neue Filmprojekte zur Produktionsreife zu bringen.  Dabei durchliefen die eingereichten Projekte eine professionelle Eingangskontrolle.

Von ursprünglich 100 Einreichungen in der Zeit von Juli – September 2013 wurden 25 ausgesucht und unter der Anleitung von MMP-Koordinator Julek Kedzierski zur Präsentationsreife gebracht. Die erstellten Projektmappen wurden digital an relevante, minoritäre Koproduzenten verschickt – 40 professionelle Partner aus mehr als 30 Ländern der Welt. Über diesen Weg wurden in der Vorbereitung des MMP 2013 ca. 230 sogenannte “virtuelle Kontakte” generiert, die im Resultat 5 Projekte destillierten, die im Rahmen des MMP weiterentwickeln werden. Die Produzenten dieser 5 Projekte sind nach Mannheim eingeladen. Dort wurden für diese Projekte zwischen dem 4. und 7. November 248 weitere Meetings organisiert, allein 70 zwischen Filmein- und Filmverkäufern. Zusätzlich wurden in 178 Treffen 8 weitere Projekte von Regisseuren besprochen, die im Rahmen des 62. Internationalen Filmfestivals Mannheim-Heidelberg gezeigt wurden.


„Von der Verbindung zu professionellen Financiers, Einkäufern und Verkäufern profitieren die Festivalteilnehmer verstärkt“, beschreibt Festivaldirektor Dr. Michael Kötz die Strategie. „Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit öffnet der MMP den Newcomern Tore für ihr nächstes Projekt. Unkompliziert wie nirgends sonst auf der Welt kommen die Filmemacher mit Professionals der internationalen Filmwirtschaft zusammen und können die Weichen für die nächsten Projekte stellen.“



Die kubanische Produzentin Clauda Calvino (Producciones de la 5ta Avenida), die bereits im Wettbewerb 2013 mit „Melaza“ von Regisseur Carlos Lechuga vertreten ist, stieß im Rahmen des MMP mit der in Baden-Württemberg ansässigen TAMA Filmproduktion, Flavia Oertwig, zu dem neuen Projekt “Santa y Delfin” auf reges Interesse, das zu intensiven Koproduktionsgesprächen  führte.

Die Filmförderung Baden-Württemberg (MFG) erhofft sich durch ihre erstmalige finanzielle Unterstützung des einzigartigen Koproduktions-Labors eine Stärkung des Produktionsstandortes Baden-Württemberg für internationale Arthouse-Filme.

Die MMP-Projekte 2013:

“Rodina” produced and directed by Vladimir Kozlov of Plazkart Productions, Russia, - an official co-production through MMP with Igor Pedicek of Casablanca from Slovenia. Having matched practically a month before the Festival, the producers signed a memorandum at MMP 2013 -once they had met and agreed personally. (Budget at €480,000).

Vladimir Kozlov, happy that his Memorandum of  Understanding for co-production with Igor Pedicek of Casablanca was signed on November 7th at MMP for “Rodina”  (“Motherland”) .Now they will start looking for a sales agent, telling that MMP was Kozlov’s “first co-production market - with a particularly valuable long preparation (he started in July for November). This gave enough time to reflect on feedback that he didn’t like –  which helped him develop mature positions. He felt helped by the very informal atmosphere at MMP and the security of being among a group of people for appointments who were both pre-informed and already known to be sympathetic to his project”.

“Santa y Delfin” , the new project from Mannheim 2013 Competition Director Carlos
Lechuga  (“Melaza”) produced by Claudia Calvino (Producciones de la 5ta Avenida)
in Cuba, (Budget at €590,000)

Claudia Calvino, producer of  “Santa y Delfin“. “If I compare MMP to other markets, as a start-up producer the system of beginning early and the feedback resulted in my gaining real confidence in my project.  I was happy that everyone relevant to my appointments had a thorough grounding in my subjects so I was working in an environment that felt so familiar. I have (half-way) two or three solid contacts for my new film that I can genuinely feel optimistic about.”

“Miracle” , a pig comedy from Lithuania produced by Lukas Trimonis of In-Script in Vilnius, directed by Egle Vertelyte, co-developed with Wostok Ltd of London. (Budget at €616,000)

Lukas Trimonis, producer of popular Lithuanian pig comedy  “Miracle”,: “I  particularly like the efficiency of MMP. I consider establishing human connections is the most important thing for a producer through markets. With MMP you learn to know people through your work and the discussion of specifics helps you get to know them best. In other markets and workshops on a bigger scale more time seems wasted. Here you meet the people because they are truly aware of your project and want to meet you.”

Further MMP project titles were “Without the Implant” (working title) feature fiction film directed by Giorgio Cugno and produced by experienced documentary producer Enrica Capra (budget €1,25m) , and “In the Dark”, with long-time documentary director/producer Jean Marie Teno looking for a lead producer on his second dramatic feature (Budget at €1,45m.)

Finally,  3 start up producers were presented: Ognen Antov of  Dream Factory in Macedonia with “Nameless” (budgeted at €450,000), “Story of Leaving” from Bolivia’s David Arratia  at €770,000 Euros looking primarily  for European cast, and Estonia’s Marianne Ostrat with  “30 Days with Isebel”,(€800,000 budget)  moving between the allures of  searching for co-producers in Western Europe or staying Baltic.

Events at MMP 2013 included a first introduction for international producers to German Film Funding given by Dorothee Martin of MFG FilmFund. This was followed by an examination of approaches to festivals for producers from Freddy Olssen, and a search for the answer to the question “How to produce a good political film for 2014” with director Jean-Marie Teno and entertainment lawyer Peter Armstrong (fresh from his legal work on the Wikileaks Film “5th Estate”.)

Good Sounds: MORCHEEBA, Rome Wasn't Built In A Day


Prosa: TEUFELSKINDER (3) - Don Juans schönste Liebschaft - von Jules Amedée Barbey d'Aurevilly

Don Juans schönste Liebschaft
Unschuld ist des Teufels Leckerbissen

1

»Er lebt also noch immer, der alte Sünder?«
»Donnerwetter, ja! Und ausgiebig lebt er!« entfuhr es mir. »Der liebe Gott gönnt es ihm, gnädige Frau«, fügte ich rasch hinzu, weil mir einfiel, daß ich eine sehr fromme Dame vor mir hatte. »Le Roi est mort! Vive le Roi! hieß es in der guten alten Zeit, ehe der Königsthron in tausend Stücke ging wie Sèvres-Porzellan. Ein einziger Fürst trotzt dem Demokratentum: Don Juan!«
»Natürlich! Der Teufel läßt nie locker!« bemerkte meine alte Freundin überzeugt.
»Vor drei Tagen hat er sogar ...«
»Wer? Der Teufel?«
»Nein, Don Juan ... Gottvergnügt hat er an einem stimmungsvollen abendlichen Festessen teilgenommen. Raten Sie: wo?«
»Natürlich in ihrer abscheulichen Maison d'or.«
»Aber nein, gnädige Frau! Dorthin kommt Don Juan nicht mehr. Dort findet Seine Durchlaucht keine Sättigung. Der hohe Herr war von jeher ein wenig vom Schlage des berühmten Mönches Arnold von Brescia, von dem die Sage geht, er habe sich nur von Seelenblut genährt. Seelenblut, das beliebt Don Juan in seinen Sekt zu träufeln. Und das gibt es längst nicht mehr in den Schenken, in die man mit kleinen Mädchen hingeht.«
»Am Ende kommt heraus«, meinte die fromme Dame spöttisch, »daß er im Kloster der Benediktinerinnen getafelt hat, mit den Damen –« »... von der ewigen Anbetung. Stimmt, gnädige Frau! Die Verehrung, die der Teufelskerl einmal entflammt, die erlischt nie und nimmer. So scheint es mir.«
»Ich finde, Sie sind ein recht lästerlicher Katholik«, bemerkte sie gedehnt und ein wenig verschnupft. »Ich bitte Sie, erlassen Sie mir die Einzelheiten eines Soupers mit Ihren Frauenzimmern! Mir heute abend Neues von Don Juan erzählen zu wollen, das haben Sie mir nur so vorgegaukelt...«
»Ich gaukele nie etwas vor, gnädige Frau!« beteuerte ich. »Die Teilnehmerinnen an besagtem Festmahl, diese Frauenzimmer waren zunächst keine Frauenzimmer und insbesondere nicht meine – leider ...«
»Nun hören Sie aber auf!«
»Gestatten Sie mir, bescheiden zu sein! Es waren ...«
»Die mille è trè?« fragte sie neugierig, wie gewandelt, beinahe liebenswürdig.
»Nicht alle zusammen, gnädige Frau. Nur ein Dutzend davon. Also in anständigen Grenzen.«
»Wie man es nimmt!«
»Schon deshalb, weil das Ihnen wohlbekannte Boudoir der Gräfin von Chiffrevas nicht gar vielen Gästen Platz bietet. Es mögen sich daselbst große Dinge abspielen. Der Raum selbst ist aber entschieden eng.«
»Was Sie sagen!« rief sie überrascht. »Man hat in ihrem Boudoir gespeist?«
»Tatsächlich, gnädige Frau! Warum auch nicht? Auf dem Schlachtfeld schmeckt es einem immer vorzüglich. Man wollte dem Ritter Don Juan ein ganz besonderes Festmahl bereiten. Wo hätte dies für ihn ehrenvoller geschehen können als auf dem Schauplatz seiner Ruhmestaten, dort, wo ihm tausend Erinnerungen duften – nach Myrte statt nach Lorbeer. Das war ein reizender Gedanke, voll süßer Wehmut.«
»Und Don Juan?« fragte sie im Ton wie Orgon in Molières Stück fragt: Und Tartüff?
»Don Juan ist kein Spielverderber. Das Mahl hat ihm trefflich gemundet. Er war so recht der Hahn im Korbe. Und von wem ist die Rede? Von keinem anderen als Ihrem guten lieben Grafen Amadee von Ravilès.«
»Der! Ja, das ist in der Tat der leibhafte Don Juan!« gab sie zu.
Und obschon die alte Betschwester über die Jahre der Schwärmerei längst hinweg war, verlor sie sich doch in Träumereien an den Grafen Amadee, einen echten Sprossen der Juans. Wenn Gott diesem uralten und unsterblichen Geschlecht die Welt nicht geschenkt hat, so hat er zum mindesten dem Teufel erlaubt, sie ihm erobern zu helfen.

2

Was ich der alten Marquise Guy de Ruy erzählt hatte, war die reine Wahrheit. Keine drei Tage war es her, daß zwölf Damen der sittsamen Vorstadt St. Germain – Sie brauchen keine Angst zu haben; ich nenne keine Namen –, also ein volles Dutzend, von dem die Klatschbasen der guten Gesellschaft jeder nachsagen, sie habe mit dem Grafen Amadee auf dem vertrautesten Fuße gestanden, auf den köstlichen Einfall geraten waren, ihn als einzigen Herrn zu einem abendlichen Mahl einzuladen, zur Feier von – ja, wovon? Das ward nicht gesagt. Eine gewagte Sache, so ein Festmahl? Aber die Frauen, als Einzelwesen so feig, sind im Trupp keck und kühn. Vielleicht hätte es nicht eine der Gastgeberinnen gewagt, den Grafen zu zweit bei sich zu einem Abendessen einzuladen; aber vereint, eine von der andern gedeckt, hatten sie alle miteinander keine Angst, einen munteren Reigen um den verführerischen, den guten Ruf jeder einzelnen gefährdenden Mann zu bilden...
»Schon der Name!« warf die Marquise ein.
»Ein vielsagender Name! Ravilla de Ravilès (zu deutsch etwa: Nimm von Nimmen)!«
Der Graf, der – nebenbei bemerkt – dem Gebot dieses Raubritternamens immer gehorchte, war die Verkörperung aller Verführer, von denen uns Geschichte und Dichtung berichten, und sogar die Marquise Guy de Ruy, die alte Lästerzunge mit ihren blauen, kalten, scharfen Augen (das heißt: Herz und Hirn waren bei ihr noch kälter und schärfer!) behauptete: Wenn in unserer Zeit, wo die Frauen ihre Bedeutung von ehedem von Tag zu Tag mehr verlieren, überhaupt noch ein Mann an Don Juan erinnere, so sei es unbedingt Graf Amadee. Leider war er nur noch ein Don Juan im letzten Akte. Dem Fürsten von Ligne wollte es bekanntlich nicht in seinen geistvollen Kopf, daß auch Alkibiades einmal ein biederer Fünfziger geworden wäre, wenn ihn der Tod nicht schon zehn Jahre vordem abgerufen hätte. Ravila hatte also in dieser Hinsicht nicht das Glück des großen Atheners. Aber wie der Graf von Orsay, dieser lebendig gewordene Sieger des Michelangelo, schön blieb bis zu seinem letzten Stündlein, so besaß auch er jene Schönheit, die just ein Erbe des Geschlechts der Juans ist, jener geheimnisvollen Rasse, die sich nicht vom Vater auf den Sohn weitererhält, deren Abkömmlinge vielmehr einmal hier und einmal da, in Raum und Zeit voneinander entfernt, in der großen Familie der Menschheit auftauchen.
Graf Amadee war die leibhafte Schönheit, die zuversichtliche, heitere, herrenhafte, mit einem Wort die Don-Juan-Schönheit. Dies Wort schließt alles in sich ein und erübrigt jedwede weitere Schilderung. Hatte er einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, daß ihm seine Schönheit immerdar treu blieb? Allerdings kam mit der Zeit auch der Himmel gewissermaßen zu seiner Rechnung. Die Tigerklauen des Lebens drückten auch ihm ihre Spuren nach und nach auf die göttliche Stirn, um die so viele Frauenlippen Rosenkränze gewunden, und an den Schläfen seines starkknochigen Spötterhauptes leuchteten die ersten silbernen Haare auf, die den Einbruch der Barbaren und den Untergang des Reiches ansagten. Er trug sie übrigens mit dem stolzen Gleichmut, den das Machtgefühl erzeugt. Nur die Frauen, die ihn geliebt hatten, betrachteten sie bisweilen mit Wehmut. Lasen sie auf seiner Stirn, daß auch ihnen die Stunde schlug? Ja, ihnen wie ihm kommt der Tag, an dem der steinerne Gast zum Nachtmahl einlädt, auf das nur noch die Hölle folgt, die Hölle des Alters als Vorläuferin der wirklichen. Und das war es vielleicht, was sie auf den Einfall gebracht hatte, ihm, ehe er sich zu jenem letzten grausigen Abendmahl hinsetzte, ein froheres Gastmahl zu bieten, das sie zu einem Meisterwerk zu machen gedachten, einem Meisterwerk des guten Geschmacks, erlesener Genüsse, aristokratischen Glanzes, heiterer Lebensfreude, reich an schönen Erinnerungen und hübschen Gedanken, kurzum: das reizendste, köstlichste, leckerste, berauschendste und vor allem das allerseltsamste abendliche Festmahl! Wohlverstanden: das allerseltsamste! Gewöhnlich vereint der Drang nach neuer Lust die Menschen zu einem Abendessen. Hier aber war es der Rückblick, die Wehmut, beinahe die Entsagung, die lächelnde oder lachende Entsagung, die noch einmal ein Fest, eine letzte hohe Feier begehrte, eine letzte Torheit, ein mutwilliges Zurück zur Jugend auf ein paar flüchtige Stunden, ein letzter Dionysoszug, mit dem es dann zu Ende war auf ewig.
Die Veranstalterinnen dieses Mahles, das arg verstieß gegen die ängstlichen Sitten ihres Lebenskreises, mochten Ähnliches empfinden wie Sardanapal auf seinem Scheiterhaufen, umgeben von seinen Frauen, seinen Pferden, seinen Sklaven, seinen Schätzen und all dem Prunk seines üppigen Daseins. Auch sie häuften alle Kostbarkeiten ihres Lebens um etwas, was flammend von ihnen scheiden sollte. Über was sie an Schönheit, an Witz, Vermögen, Schmuck und Macht geboten, sollte alles zugleich bei diesem Abschiedsfest mitwirken. Der Mann, für den sie diese Pracht entfalteten, war ihnen mehr wert als ganz Asien dem Sardanapal. Sie waren für ihn gefallsüchtiger denn je Frauen vor einem Mann, ja vor einem Salon von Männern. Ihre Liebäugelei entsprang der Eifersucht, die man sonst vor der Welt verbirgt, die diese Frauen aber nicht zu verheimlichen brauchten, denn jede wußte, daß ihr Held jeder anderen von ihnen einmal angehört hatte – und geteilte Schande ist keine Schande mehr. Jede hegte den Wunsch, sich in seinem Herzen eine Grabschrift zu sichern.
Und er – er empfand an diesem Abend den satten, unumschränkten, zwanglosen, kennerischen Genuß eines morgenländischen Fürsten oder eines Beichtvaters in einem Nonnenkloster. Als Herr und Meister thronte er auf dem Ehrenplatz der Tafelrunde, gegenüber der Gräfin von Chiffrevas, inmitten des pfirsichblütenfarbenen Frauengemaches. Mit seinen hell-dunklen Augen, deren Höllenblau manch betörtes Frauenherz für das Blau des Himmels gehalten hatte, überschaute er den glänzenden Kranz der zwölf Damen, die in erlesener Ordnung um ihn zu Tisch saßen, in seiner Fülle von Blumen, Kristall und Kerzenlicht. Alle Stufen von Weibesreife boten sich seinem umfassenden Blick, von der Purpurglut der vollen Edelrose bis zum Bernsteingold der Muskatellertraube. Nirgends nur winkte das allzu zarte Resedagrün jener Jungfrauen, die Lord Byron nicht ausstehen konnte, weil sie nach neubackenem Kuchen röchen. Derlei kleine steifbeinige Küken waren hier nicht versammelt. Hier prangte der saftige, verschwenderische reiche Herbst in voller Entfaltung. Blendende stolze Busen wogten aus tief ausgeschnittenen Kleidern, und die in Brillanten glitzernden nackten kräftigen Arme wetteiferten mit denen der Sabinerinnen, als sie mit ihren römischen Räubern rangen, wohl imstande, die Räder eines Lebenswagens mit kurzem Griff aufzuhalten.
Von allerlei reizvollen Einfällen war bereits die Rede. Einem solchen zufolge bedienten bei Tisch nur Kammerjungfern, damit es nicht heißen konnte, etwas habe den Einklang eines Festes, dessen Königin das Weib war, doch gestört. So konnte Ritter Don Juan aus dem Hause Ravila seine Raubtieraugen von einem Meer von leuchtendem Fleisch ergötzen, an einem lebendig gewordenen Bild des üppigen Rubens, und seine stolze Seele baden in den mehr oder minder klaren Weihern so vieler Weiberherzen. Denn im Grunde, man mag es ihm abstreiten, so viel man will, ist Don Juan doch ein Anhänger jener Lehre, daß der Geist alles sei. Er gleicht darin dem Höllenfürsten selbst, dem es um die Seelen mehr zu tun ist als um die Leiber und der sich mit Vorliebe diese verschreiben läßt.
Geistreich, vornehm, ganz im Tone der Vorstadt St. Germain, aber an diesem Abend verwegen wie die Pagen des Königlichen Hofes, als es noch König und Pagen gab, waren sie voll sprühendem Witz, voll Schwung und Bewegung und voll unnachahmlichem Brio. Sie fühlten sich allem überlegen, was sie an ihren besten Abenden je gewesen, im Vollbesitz einer geheimen Kraft, die ihrem Innern entquoll und die sie bis dahin nur unbewußt besessen hatten.
Das Glück über diese Entdeckung, das dreifach gesteigerte Lebensgefühl, dazu die körperlichen geheimen Fluten, die für nervöse Geschöpfe so wesentlich sind, der reiche Lichterschwall, der berauschende Duft der Blumen, die sich in der Überwärme des dunstschweren Raumes verhauchten, der aufreizende Sekt, der ganze Sinn dieser Feier, die den prickelnden Beigeschmack des Sündhaften hatte, wie ihn die Neapolitanerinnen bei ihrem Sorbet lieben, der entzückende Gedanke, eine Mitschuldige an diesem frechen Gastabend zu sein, das trotzdem nichts gemein hatte mit den wüsten Gelagen der Régence, sondern eben ein fürstliches Festmahl des neunzehnten Jahrhunderts blieb, bei dem sich an den vor voller Lebenslust gespannten Miedern doch keine Stecknadel löste: alles das wirkte vereint, um die Saiten der Wunderharfen, die in allen diesen erlesenen Geschöpfen bebten, bis zum Zerreißen anzuschlagen und ihnen und ihm nie wieder hörbare Klänge und überirdische Tonfolgen zu entlocken.
Graf Amadee, der diesen seltsamen Abend am unvergleichlichsten schildern könnte, wird auch dieses Blatt seiner Denkwürdigkeiten ungeschrieben lassen. Wie ich der Marquise Guy de Ruy bereits gesagt, habe ich an diesem Fest nicht teilnehmen dürfen, aber wenn ich einige Einzelheiten davon berichte, insbesondere die Erzählung, die den Abschluß bildet, so verdanke ich dies dem Grafen selbst, der sich eines Abends die Mühe gegeben hat, mich einzuweihen, treu der im Geschlecht der Juans herkömmlichen Nichtverschwiegenheit.

(Fortsetzung folgt)

Sonntag, 10. November 2013

Mittelaltermusik: Lieder der Zeit 03


Heute Nachmittag in Kaiserslautern: Öffentliche Gedenkveranstaltung zum 75. Jahrestag der Reichspogromnacht 1938 in Kaiserslautern

Synagoge am Börneplatz in Frankfurt am Main, 9./10.11.1938


Sonntag, 10.11.13 16:00 Uhr
Fruchthalle
67655 Kaiserslautern
Fruchthallstr. 10


Gedenkveranstaltung zum 75. Jahrestag der Reichspogromnacht 1938 in Kaiserslautern


Beiträge von Bürgermeisterin Dr. Susanne Wimmer-Leonhardt, Minister Jochen Hartloff, Roland Paul, der Jüdischen Kultusgemeinde und Schülern des Hohenstaufen-Gymnasiums.
Musikalische Umrahmung: Johanna Mann (Geige), Monika Waldmann (Klavier)
Ernest Bloch (1880–1959), Suite hébraïque
Markus Stockhausen: „Phoenix “ – eine Trompeten-Solo-Performance mit Live-Loop-Recording (Digital Audio Work Station)
16:00 Uhr, Fruchthalle
Eintritt frei, freie Platzwahl

In der Nacht vom 09. auf den 10. November 1938 – der so genannten ‚Reichspogromnacht’, – hatte das nationalsozialistische Regime im gesamten ‚Deutschen Reich’ Gewaltmaßnahmen und Übergriffe gegen Juden organisiert. Hunderte von Menschen wurden ermordet oder in den Selbstmord getrieben, über 1400 Synagogen, Betstuben, jüdische Versammlungsstätten und Friedhöfe zerstört, jüdische Geschäfte und Wohnungen geplündert. Damit markieren die Novemberpogrome des Jahres 1938 den Übergang von der Diskriminierung der deutschen Juden seit 1933 zu deren systematischer Verfolgung.

Zum 75. Jahrestag der Pogromnacht in Kaiserslautern gedenkt die Stadt am Sonntag, 10. November 2013, all derer, die der Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten zum Opfer gefallen sind. Die Gedenkveranstaltung, die durch das städtische Referat Kultur organisiert wird, findet um 16:00 Uhr in der Fruchthalle statt. Die Bürgerinnen und Bürger sowie Gäste sind herzlich eingeladen. Eintritt und Platzwahl sind frei.

Nach der Begrüßung durch Bürgermeisterin Dr. Susanne Wimmer-Leonhardt wird Minister Jochen Hartloff, Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz des Landes Rheinland-Pfalz, ein Grußwort sprechen.

Roland Paul, Direktor des Instituts für Pfälzische Geschichte und Volkskunde Kaiserslautern, wird über die Ereignisse in der Pogromnacht 1938 in Kaiserslautern und die Deportation pfälzischer Juden nach Gurs und von Gurs nach Auschwitz berichten. Schülerinnen und Schüler des Hohenstaufen-Gymnasiums tragen dazu Zeitzeugenberichte vor. Nach einem Beitrag der jüdischen Kultusgemeinde folgen das gemeinsame Gebet und eine Schweigeminute. Moderiert wird die Veranstaltung von Tanja Hermann, Pfalztheater Kaiserslautern.

Aufmarsch in München am 9.11.1938
Bereichert wird die Gedenkveranstaltung in der Fruchthalle durch verschiedene musikalische Beiträge. Johanna Mann (Viola) und Monika Waldmann (Klavier), beide Musiklehrerinnen an der Emmerich-Smola-Musikschule und Musikakademie der Stadt Kaiserslautern, interpretieren die Suite hébraïque von Ernest Bloch (1880–1959), I. Rapsodie, II. Processional und III. Affirmation. Markus Stockhausen, international renommierter Trompeter und Komponist, präsentiert ‚Phoenix’ – eine Trompeten-Solo-Performance mit Live-Loop-Recording (Digital Audio Work Station).

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Ab heute Abend in Frankenthal: HAROLD AND MAUDE auf der Bühne


Harold und Maude – von Collin Higgins
Komödie frei nach dem gleichnamigen Kultfilm
Sonntag, 10.11.13, 17:00 Uhr
Donnerstag, 14.11.13, 20:00 Uhr
Freitag, 15.11.13, 20:00 Uhr

Theater Alte Werkstatt
67227 Frankenthal
Wormser Str. 109

Telefon: 06233/354826
Fax: 06233/3593265

www.tawfrankenthal.de

Inszenierung: Johanna Regenauer
Besetzung: Monika Bengel, Marion Kramper-Erb, Sina Weiß, Christine Wiebauer, Christian Birko-Flemming, Reinhard Schmidt und Harald Schnebel

Eine hintergründige, rührende und überaus lebensfrohe Geschichte über zwei Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten und doch eine erfrischende Freundschaft eingehen. Der junge introvertierte, wohlstandsgeschädigte und leicht depressive Harold, der darunter leidet, die Aufmerksamkeit seiner Mutter nicht für sich gewinnen zu können trifft auf die wesentlich ältere, energisch, lebenslustige, impulsive und unangepasste Maude. Sie versteht es, ihn ins Leben zurück zu holen und mit ihrer Lebensenergie anzustecken. Freuen Sie sich auf Christine Wiebauer, die mit Ihrer erfrischend pfälzischen Art der Rolle der Maude Leben verleiht, ebenso dürfen Sie auf Christian Birko-Flemming gespannt sein, der mit seiner überzeugenden Darstellung des Harold zum ersten Mal im TAW auf der Bühne steht.

Mittelaltermusik: Lieder der Zeit 02


Heute Abend in Darmstadt: Anubuhuti - an experience



Sonntag, 10.11.13 + 19:00 Uhr + Staatstheater, Kleines Haus, 64283 Darmstadt

Anubuhuti - an experience
klassischer indischer Tanz mit der Chidambaram Dance Company

Die Chidambaram Tanzakademie wurde 1975 von Padma Shri Chitra Visweswaran und ihrem Mann, dem Musiker Sri R. Visweswaran gegründet. Diese Akademie hat mehrere Generationen von Tänzern, Lehrern, Musikern und Choreographen hervorgebracht, die sich inzwischen weltweit etablieren konnten.

Das Programm wurde konzipiert und choreographiert von Chitra Visweswaran. Sie hat es durch ihre tiefsinnige und intellektuelle Interpretation geschafft, die indische Mythologie und Philosophie in ihren Choreographien individuell und zeitgenössisch zu gestalten. Dafür wurden ihr verschiedene bedeutende nationale und internationale Auszeichnungen, einschließlich des Titels "PADMA SHRI" 1992, verliehen.

Der klassische indische Tanz "Bharata Natyam" hat eine mehr als 2000 Jahre alte Geschichte. Neben seinem komplexen Rhythmus, seiner hochentwickelten Gebärdensprache und der überaus kunstvollen Mimik ist er ein Tanzstil, der Körper, Seele und Geist involviert. Passagen reinen Tanzes (Nrtta) lösen Phasen expressiven poetischen Ausdruckes (Abhinaya) ab, in denen die Tänzer die uralten Mythen der Götter erzählen und damit Gefühle von Liebe, Sehnsucht, Trauer und Verlassenheit, aber auch vom Glück göttlicher Geborgenheit erzeugen können.

Es musizieren: Sukanya Ravindhar (Nattuvaangam), B. Srikanth (Vocals), Venkatasubramaiam (Mridangam), R. Thiagarajan (Flute)

Eintritt: 28,50 / 24,00 / 19,50 Euro (Ermäßigung 30 % für Berechtigte und für Mitglieder der DIG)

Heute Abend in Trier: F.R.E.I.


Sonntag, 10. November 2013 · 19:00 Uhr · Exhaus, Trier

F.R.E.I.
Pop-Rock mit deutschen Texten
Support: Gardenier

Eine deutsche Band, deren Mitglieder auf weit über zehn Millionen Tonträgern zu hören sind und Tourneen von Amerika bis nach Asien absolviert haben? Das ist nun wirklich nicht alltäglich. Solch eine Band, von der noch niemand in Deutschland etwas weiß? Gibt es nicht... oder? Nun, manchmal erlebt man eben doch noch Überraschungen: So ein Fall ist F.R.E.I..

Fünf unterschiedliche Typen, die ein ungewöhnliches Ganzes ergeben - das sind Frontmann Daniel Wagner und seine aus Spitzenkräften der deutschen Musikszene bestehende Band. Ihr Klangrezept? Es gibt elegant-gefühlvollen Pop und melodiegeladenen Rock im modernen Gewand. Serviert wird das Ganze mit einer Extraportion Bumms. Die Texte? Deutsch, unprätentiös, mit Worten, die jeder versteht, Emotionen, die jeder erlebt, und Bildern voller Poesie.

€ 19,95
http://www.f-r-e-i.com




Mittelaltermusik: Lieder der Zeit 01


Mammutgedichte von Jakob Michael Reinhold Lenz: DIE LANDPLAGEN - III. Die Pest


Die Landplagen. III. Die Pest
Gedicht von Jakob Michael Reinhold Lenz (1751-1792)

Drittes Buch. Die Pest


Stärke dich, schüchterne Muse! gebükt schau tiefer hinunter
In die dunkle Tiefe der Zeiten, wenn Rache des Schöpfers
Durch die ganze Schöpfung allmächtiges Grausen verbreitet.
Kommt ihr Diener des Todes, furchtbarer als euer Beherrscher,
Fräßige Seuchen und Schmerzen und tükkische Krankheiten zeiget,
Alle zeigt mir die knirschenden Zähne, die würgenden Klauen,
Den blutschäumenden Schlund: umhüpft in scheußlichen Tänzen
Das erschrokkene Auge der Phantasie, die sich sträubet,
Weiter auf den Gefilden erfüllt mit Jammern und Abscheu,
Fortzugehn und zu sehn die Natur verunstaltet durch Plagen.
Dennoch will ich mit heiterer Stirn und gesezten Bliken
Eure Verheerungen singen; denn wer die Ruhe im Busen
Hegt, verhöhnet die Unruh auf Sturmbedekten Gebürgen,
Horcht auf die brüllenden Wolken und lächelt der eiligen Blizze.

Aus einer Mitternachtwolke ließ auf die schlummernden Hügel
Jüngst ein Todesengel sich nieder. Da floß durch die Schatten
Der blauflammende Strahl seines Schwerdts. Gleich nächtlichen Blizzen
Füllt' er das brennende Thal, durchdrang widerstehende Wälder,
Machte Palläste und Strohhütten fürchterlich hell. Auf einmal
Breitete sich eine fremde Luft ums Antliz der Erde;
Menschen die schnarchend in ihr den Lebensbalsam geathmet
Athmen izt Gift ein: Tod ist ihr Element.
Mancher dehnet sich noch im mördrischen Schlaf und stösset
Dumpfes Röcheln hervor, oder winselt von grausen Phantomen
Warnend umgeben; erwacht dann, blikt starr umher, kann nicht sprechen,
Sinket abermal hin, und schläft sich ums ringende Leben.
So leicht mähet der Tod die nichts befahrenden Halme.
Blüht und prahlet ihr Blumen, ihr seid beim Morgenlicht Asche;
Oder du stärkere Staude! und hättest du eiserne Wurzeln,
Dennoch seufzest du bald, ein zweigloses Holz in den Flammen.
Hirnlose Narren! die ruhig und ohne Sterbegedanken
Täglich sich in den Vorhof des Todes ins Schlafgemach wagen.
Diese stumme Stille, voll schwarzen heiligen Grauens,
Dieser horchende Himmel aufs Flehn einsamer Gerechten,
Dieser gegenwärtige Gott, mit dem sie allein sind,
Wekket sie nicht. Wie Besessene auf dem Abhange des Felsen,
Der über wartende Wogen sich bükt, ganz sicher entschlafen;
Eine Bewegung stürzt sie herab: so entschlafen sie täglich.
Glaubt ihr, ewiger Stoff umschließ' eure felsene Knochen,
Oder euch werde aus Furcht, aus Güte der Mörder nicht morden?
Lebt dann, Würmer eines Tages! und unter dem Hügel
Der euch der Welt auf ewig entzieht, umwimmelt von Maden,
Lernt den zu späten Gedanken an Tod und Ewigkeit denken.

Izt steigt Phöbus hinter Gebürgen empor. Mit Entsezzen
Sieht er durch schwerfällige Nebel, die nächtlichen Lager
Mit unzähligen Leichen bedekt. Es schlüpfet sein scheuer
Strahl durch des Lustschlosses Fenster: und sieh! der Herrscher des Landes
Liegt, ein blosser Körper, auf seidnen Küssen: noch hält ihn
Mit dem erdrosselnden Arm der Tod hohnlachend umschlungen.
Um ihn liegen die Wächter, izt Aeser. Furchtlispelnde Stille
Schwebt weit über dem öden Pallaste.

Dort liegt eine volkreiche Stadt; ein dumpfes Gemurmel
Schallet von aussen, hinter den sie verstekkenden Wällen,
Wo die Spizzen der Thürme hinübergukken. Die Märkte
Und die Thore und Gassen wimmeln wie Ameisenhaufen.
Ehe man sieht, hört man schon Geräusch: das Schallen der Hämmer
In den Schmieden, das Wiehern der Rosse, das Krachen der Kutschen
Und die wilden Stimmen des hungrigen Pöbels am Fischmarkt.
In der dämmernden Kammer sizt früh der Bürger, von Sorgen
Dunkler wie von der weichenden Nacht umhüllet und sinnet
Auf unermeßlichen Vorrath, als hätt' er ewig zu leben.
Aber schon sperrt seine Gruft im nahen Kirchhof den Mund auf,
Und in den Schatten des Winkels steht mit erhabener Hippe,
Ihn zu mähen, der Tod bereit. Schnell warnet vom Kirch Thurm
Ihn die klagende Sterbeglokke. Er höret sie, seufzet,
Frägt nach dem Todten, und kehrt zurük zum Wucher. Doch plözlich
Ruft die warnende Freundin zum andernmal das Entsezzen
In seinen Busen hinab. Zwar noch scheint dies Sterben ein Zufall:
Aber bald schallet ununterbrochen das ängstliche Rufen
Dieser ehernen Predigerin. Nun fühlen sich sterblich,
Die sich Unsterbliche dünkten. Die Gassen werden entvölkert.
In den verschlossenen Häusern herrscht zunehmende Stille -
Todesstille herrscht nunmehr. Die einsamen Glokken
Heulen allein durch die giftigen Lüfte. Mit Schaufeln bewaffnet
Wandeln die Todtengräber stumm einher, wie Gespenster,
Machen das Pflaster zum Kirchhof, verscharren bey Haufen, und sinken
Oft statt der Dekke des Grabes auf ihre Begrabnen hinunter.

Vor ihm sieht ein vergnügter Vater die spielenden Kinder
Ohne Leben hinfallen. Vergeblich schreyt er nach Hülfe,
Nach dem gewohnten Arzt: er hört ihn nicht mehr. Da erblikt er
Unvermuthet die eigene Beule, das Zeichen des Todes,
Fühlet die Angst sein Herz umklemmen, wird ohnmächtig, sinket
Auf die Leichen der Kinder. Zwar um ihn blizzet das Silber,
Das er ängstlich gesammelt, die langen Spiegel, die seidnen
Mahlerischen Tapeten, die marmornen Säulen stehn um ihn,
Aber sie helfen ihm nichts: sie sind unthätig. Er schmachtet
In dem Reichthum begraben umsonst nach dem Kruge des Landmanns
Mit der reinen Quelle gefüllt, seine Hizze zu lindern.
Lange schallt seine sterbende Stimme durchs einsame Zimmer
Und giebt in dem gewölbten Saal ein schrekliches Echo;
Bis der grausambarmherzige Tod, allein zu errufen,
Zwischen ihm und der leeren Welt den Vorhang schnell zuzieht.

Ein verreiseter Sohn kehrt um zu den wartenden Eltern,
Schmekt den süßen Kuß des frohen Vaters zum voraus
Und der weinenden Mutter. Indem er der Wohnung sich nahet,
Schwebt die Ahndung ihm nach: sie wendet die giftige Urne
Ueber sein Haupt um, beströmt ihn mit Angst und leitet vom Antliz
Das wie Rosen geglühet, das Blut hinunter zum Herzen.
Schnell behüpft er die Treppe, öfnet die Thüre mit Zittern,
Gukt ins Vorzimmer, schlüpft in den Saal: sind't alles öde.
Kindliche Tränen stehen bereit im blizzenden Auge:
"Wie ist alles hier öd'!" Er steht, sieht um sich und rufet
Mit erbebender Stimme: "Mein Vater! Wo bist du, mein Vater?
Mutter! Geschwister, wo seid ihr?" Indem siehet vom Hofe
Eine magre Gestalt von aussen durchs Fenster. Er flieget,
Stürzet hinzu und erkennt in kläglicher Stellung den Vater.
Schnell will er hin, seine dürren Füsse gerührt zu umschlingen:
Aber der winkt mit der Hand und rufet hohl und gebrochen:
"Flieh, Geliebtester! flieh! Mein Hauch wird dich tödten: entweiche!
Sieh, dort liegt deine Mutter! Dort wo ich den Sand aufgethürmet,

Liegen in einer Grube all deine Geschwister und izzo
Werd auch ich hinsinken zu meinen Begrabnen. O wohl mir,
Daß mein brechendes Auge noch dich gesehen! Verlaß mich!
Flieh! O wohl mir, o wohl mir!" Hier sinkt er stolpernd aufs Antliz.
Ohne Besinnung stehet der Sohn da. Bald wird er die Leiche
Mit seinen Tränen salben und mit wiederfoderndem Aechzen,
Daß es die Einöde hört, und ihm die Wälder nachwinseln,
Mit zerrissenem Herzen und kraftlosen Händen begraben.

O der furchtbaren Plage! der ganze Mensch empört sich
Bey ihrer Vorstellung. Muse! auch du fühlst Schaudern: so schaudert
Ein mitleidiger Herold wenn er dem bangen Gefangnen,
Der mit Tränenschwellendem Auge sein Urtheil erwartet,
Seltne Martern verkündigt. Doch laß die Hand noch nicht sinken,
Noch an der Harfe hinunter nicht sinken, bis alles vollführt ist,
Wozu du Feuer und Muth in meinen Busen gesenket.



Wenn das starre Auge, das im Begrif ist zu brechen,
Freunde unkenntlich bemerkt, die um mich bekümmert herumstehn,
Die mir die kalte lezte Träne, den Todesschweiß sanfte
Von meinen Wangen wischen, und mein halbtaubes
Ohr hört weit in dem Zimmer zärtliches Lispeln und Schluchsen:
Ach dann fühlt das stehende Herz im Tode noch Labsal,
Und mein dunkler Blik ist dankbar auf die geheftet
Die mir ihr Mitleiden gönnen. Doch wenn ich, ach! wenn ich auf hartem
Lager nun liege, und meine Zunge vertroknet, mein banges
Auge irret nach Helfern umher, die kalte verdorrte
Hand strekt flehend sich aus: und alles um mich ist öde;
Keiner steht um mein Lager, versteht mein Aechzen und mildert
Durch des Arztes bittere Stärkung die Wuth meiner Schmerzen:
Tod wie fürchterlich wirst du dann! dann würd' es selbst Weisen
Schwer zu sterben.

Hier ist ein liebliches Feld mit grünem Teppich bezogen,
Daß der Säemann sich der reichen Erndte schon freute:
Aber nun ist sie gemein; ihn hat das Grab eingeerndtet.
Hier will ich wandeln und lauschen, ob ich Lebendige finde. -
Ach schon wandert mein Fuß den Morgen, den Mittag, den Abend,
Wandert in Wüsten. Die Thäler die sonst so frölich erschollen
Von dem wilden Jauchzen der Hirtenflöthen, den Stimmen
Weidender Heerden, dem Plaudern des geselligen Landmanns
Hinter dem furchenden Pfluge, stehn verlassen. Aus jenem
Dichten Gebüsche heulet der Wasserfall nur und das Wehen
Furchtbarer Zephire, gleich dem Wehn herzueilender Flügel
Eines Todesengels. Die Rosen unter dem Schatten,
Hängen, von keinem bewundert, verwelkt von giftigen Lüften
Die sich entwikkelnden Knospen verblichen zu Boden. Auch schweigen
Die Bewohner der Zweige: sie flohn in dunkelen Schaaren
Bessern Gegenden zu. Auf silberwallenden Teichen
Dampft undurchsehbarer Nebel: die Bürger der Fluthen versenken,
Aus ihrem Elemente verjagt, sich tief in dem Schlamme.
Alles trauret. Wohin soll ich fliehn? Ein Grausen befällt mich,
Da ich allein und verlassen die öden Fluren durchstreiche.
Dort der treue Bekannte, der inniggeliebte Verwandte
Ist nicht mehr. Schwarzer Gedanke! - doch welch ein plözliches Murmeln
Schallet von jener Hütte, die hinter dem buschvollen Hügel
Scheu ihr mooßiges Haupt erhebet. Heil mir! ich höre
Menschliche Stimmen. O eilet, zitternden Füsse, ihr werd't dort
Menschen finden. O hindert mich nicht, ihr Steine des Akkers
Und du wallendes Korn! Allein was seh ich? nicht Menschen:
Nein es sind wilde Thiere in menschliche Glieder gehüllet.
Ach sie schleppen schändliche Beute aus traurenden Thoren;
Selbst der heiligen Leichen hat ihre Faust nicht geschonet.
Tod wird dir folgen, abscheulicher Geiz! der noch dem Gewinne
Fröhnt, wenn alles um ihn schon Busse predigt, der noch an
Tand und gestohlnem Puppenspiel klebt, wenn die ernste Stimme
Des Allmächtigen schon die Todesengel herabsendt,
Um die Erde zu säubern und Sünder zum Richtstuhl zu rufen.
Und wozu scharrest du, Unsinn! und häufest dir Lasten, die tiefer
Nur ins Grab, in die Hölle dich niederdrükken? Sind Vögel,
Denen das Messer die Kehle berührt, auf Würmer noch gierig?



Aber laß uns, o Muse, die stille Hütte besuchen!
Schon eröfnet sich uns die furchtsam knarrende Thüre.
Welch ein Anblik! Gestrekt, mit halbgebrochenen Augen
Liegt ein Ehrwürdiger. Die einzelnen eißgrauen Haare
Stehn in wilder Verwirrung emporgesträubt, und die Mienen
Seines blassen Gesichts verrathen Kummer und Hoheit.
Neben ihm mit zerstörter Schönheit ein unschuldig Mädchen!
Blaue geöffnete Lippen zeigen die marmornen Zähne:
Izt ein schreklich schöner Anblik! ein Schleier dunkeler Lokken
Dekt die in Todesblässe noch reizenden Wangen: die zarten
Hände ruhn auf dem Busen, gefaltet, als wären sie, noch zum
Lezten Gebet erhaben, schlaff herunter gesunken.
So durch den plumpen Nord vom zersplitterten Stocke gerissen
Liegt eine aufgeblühete Rose: so reizt ihre Schönheit
Selbst wenn die hochrothen Blätter unter den spottenden Disteln
Einsam zerstreut glimmen und zusehends verblassen.
Also sind sie nun hin, die Bewohner des ländlichen Hauses
Und die Freunde der Tugend, der sanften unschuldigen Freuden.
Siehe die Wohnung selbst scheint den Verlust zu betrauren
Und die Linden umher, sie stürzen ihr Laub von den Wipfeln
Und stehn nakkend, vermissend die wartende Hand ihres Pflegers.

Ach wo bin ich? Wie klopfet mein Herz! Ich fühle die Wange
Naß von strömenden Tränen; ich fühle die Lippen erzittern.
Flieht, flieht schrekliche Bilder! von meinem verirreten Auge:
Flieh, entsezlicher Traum! aus der geängsteten Seele.
Vater der schwachen Sterblichen, der du aus Thon sie gebildet
Und sie dir ähnlich gemacht, der du zum Thon sie zurückhauchst,
Noch, noch wank' ich nicht einsam um die giftdampfenden Gräber
Hingesunkener Brüder, noch segn' ich das liebliche Murmeln
In denen Straßen, das frohe Gedränge der Märkte. O wohl mir!
In den schallenden Hayn will ich gehn und die traurige Harfe
An einen Buchbaum hängen, ich will die sanftere Flöthe
Von dem freundlichen Schäfer leihen und mit den Bergen
Und mit dem Wiederhall scherzen, und Doris Namen ihn lehren:
Denn noch wank ich nicht einsam um die Giftdampfenden Gräber
Meiner Brüder, der Menschen, die, mir zum Trost, eine Erde
Mit mir bewohnen, die mit mir der Sturm trift, der donnernd daherbraußt,
Mit mir der Veilchen schmeichlender Duft im Sonnenschein labet.

Jakob Michael Reinhold Lenz

Samstag, 9. November 2013

Gute-Nacht-Rock XL: Led Zeppelin II





Led Zeppelin II (1969)

00:00 "Whole Lotta Love"
05:33 "What Is And What Should Never Be"
10:19 "The Lemon Song"
16:39 "Thank You"
21:28 "Heartbreaker"
25:43 "Living Loving Maid (She's Just A Woman)"
28:23 "Ramble On"
32:47 "Moby Dick"
37:08 "Bring It On Home"

Fantasien zur Nacht (Film): Corrida Humana von und mit Annie Lam


Corrida Humana 
One of the Scene works of Annie Lam...
Shot in France in 2008

Fantasien zur Nacht: Die Riesin von Charles Baudelaire


Charles Baudelaire (1821-1867)

Die Riesin

Zur Zeit, als die Natur, von wilder Kraft durchdrungen,
Gewaltge Kinder trug, hätt ich nach meinem Sinn
Bei einer Riesin gern gelebt, bei einer jungen,
Wie eine Katze streicht um eine Königin.

Wie Leib und Seele ihr bei grimmem Spiel erblühten
Und wuchsen, hätt ich gern erschaut von Anbeginn,
Erspäht, wie in der Brust ihr finstre Flammen glühten
Und Nebel traumhaft zog durch ihre Augen hin.

Mit Muße hätte ich erforscht die prächtgen Glieder,
Gestiegen wäre ich die stolzen Kniee nieder,
Und oft im Sommer, wann der Sonnen kranker Strahl

Sie müde hingestreckt quer durch die weiten Wiesen,
Hätt ich geschlummert in der Brüste Schattental,
Gleich wie ein friedlich Dorf am Fuß von Bergesriesen.

Good Sounds: ICONA POP, All Night