Forced Entertainment (c) Hugo Glendinning |
Das Schauspiel Frankfurt und das Künstlerhaus Mousonturm präsentieren zurzeit ein Stück aus der Minimal-/Postdramatik der britischen Künstlergruppe Forced Entertainment unter der Leitung von Tim Etchells. Die Gruppe war schon einige Male im Frankfurter Mousonturm zu Gast. Es spielen Robin Arthur, Nicki Hobday, Jerry Killick, Richard Lowdon, Cathy Naden und Terry O’Connor.
Forced Entertainment formierte sich bereits 1984 in Sheffield. Erklärtes Ziel ist die witzige oder auch humorlose Auflösung von Theater durch ein Ersatzgeschehen, das ansatzweise Handlung zeigt, aber immer die Frage stellt, was könnte hier an Stelle eines Stückes auf der Bühne passieren, für das Andere, das ebenfalls Ungewisse oder auch für das Übliche stehen, also ersatzweise geschehen, und was könnte man noch alles anbieten, um die Leute (gerade noch) bei der Stange zu halten. Unter Beibehaltung rudimentärer Träger von Bühnenhandlung und Spieldauerfüllung entwickeln die auf der Bühne Anwesenden - der Begriff Ruine eines Theaterstückes aus der Ankündigung trifft das sehr präzise - recht hektische, auch fast gewalttätige, verzweifelte, verträumte, erschöpfte und vor allem unsinnige Aktivitätsphasen, die sich eine Zeitlang wiederholen, dann zur nächsten wechseln und am Ende dann durch Verlassen der Bühne beendet sind. Die Nähe zu Samuel Becketts Minimaldramen ist sehr groß, weswegen man auch gleich mit existenzialistischen Deutungen aufwarten kann. Die Existenz ein Zeittotschlagen mit Streit und Friedenschließen, Unsinnigem, bis das Spiel eben vorbei ist, die Langeweile für immer ein Ende hat.
Sechs Clownsklone, 3-mal männlich, 3-mal weiblich, mehr schlecht als recht geschminkt in gleichem weinrotem kariertem Anzug kommen auf die Bühne und wissen nicht so recht, was tun. Arbeitslose, Arbeitspause, Wartende, Frustrierte, Unmotivierte, keiner weiß Bescheid. Jedenfalls reicht ein sich wiederholendes Musiksignal, ein Popsong über Liebe und Verlassen, plus das herausfordernde Fixieren bzw. längere Anschauen eines Rundenteilnehmers die ersten 25 Minuten mit turbulenten Jagden über die Bühne, Schützen des Gejagten und Blockieren des Jägers zu verbringen, unter Umwerfen aller Stühle und des Tisches, an dem sie sitzen, und die Schminke komplett zu verschmieren. Reichlich aufgelöst und mitgenommen kommen dann Phasen des Kettenbildens, wie Gymnastikwürmer auf dem Boden, einer hängt sich an den anderen, einer zieht den Wurm. Die Clowns als Karawane schleppen die Möbel im Kreis. Dann werden ausgiebig in allen Lagen der Körper Luftballons aufgeblasen, alles eher ruhig und ausruhend, der Song verschwindet, es kehrt eine Phase der Ruhe ein, bis das Herumlaufen und Aufblasen aller Ballons, die einem in die Quere kommen, wieder Bewegung aufkommen lässt. Schließlich tauchen Fahrradhupen auf, die dazu dienen andere im Schlaf zu erschrecken. Das ganze endet in einer lärmenden Hupverfolgung der anderen, die Gruppe rennt im Kreis wie spielende Kinder und behupt sich. Im letzten Drittel der Aufführung setzt wieder Musik ein, dieses Mal der Johann-Strauss-Walzer Wiener Blut, und lässt die Gruppe zumindest Tanz andeuten, bevor sie zurückkehren an den Tisch und eine harmlosere, abgespeckte Form der Verfolgung und rudimentär das uralte Kinderspiel Die Reise nach Jerusalem zu praktizieren, dieses Mal durch die Walzerklänge in die Kreisbewegung getrieben. Eine Kreisbewegung setzt eine zweite Kreisbewegung in Gang and so on. Am Ende nach 85 Minuten reicht allerdings das Aufblasen uhd Quietschenlassen eines Luftballons die anderen zu verschrecken, sie quittieren in den letzten fünf Minuten den Unsinn und verlassen die Bühne. Der letzte Clown schaut sich die ganzen netten Spielsachen noch einmal an, bevor er auch traurig geht. Ballons und Hupen, Tisch und Stühle wild umgestoßen und verteilt. Ganz nach dem Motto: Der Letzte macht das Licht aus.
Den einen ein Genuss des humorvollen Sinnlosen, den anderen ein Affront des schlechten Humors, der Veräppelung, verfolgen die Zuschauer das Sinnentleerte, bis erste sich verabschieden und ihre Zeit lieber anders verbringen. Wer durchhält ist begeistert oder schüttelt lachend den Kopf und hat eine weitere Form der theaterkritischen Performance erlebt.